Auf Gedeih und Gesundheit! - Manfred Lütz - E-Book

Auf Gedeih und Gesundheit! E-Book

Manfred Lütz

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Beschreibung

Manfred Lütz beschreibt in seinem Essay religiöse Züge, die hinter dem modernen Gesundheitsideal stehen. "Sünde wird eigentlich nur noch gesundheitsreligiös verwendet, zum Beispiel im Zusammenhang mit Sahnetorte." Es hilft aber nichts: "auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot."

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Seitenzahl: 17

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Manfred Lütz

Auf Gedeih und Gesundheit!

Über Risiken und Nebenwirkungen einer neuen Religion

»Und das höchste Gut ist die Gesundheit!« Kaum eine Geburtstagsansprache kommt ohne diesen Satz aus, und doch ist er blanker Unsinn. Niemals in der philosophischen Tradition des Ostens und des Westens ist etwas so Zerbrechliches wie die Gesundheit das Höchste gewesen. Noch bei Kant war es die Einheit von Heiligkeit und Glückseligkeit oder Gott. Heute ist alles anders. Wir leben im Zeitalter der real existierenden Gesundheitsreligion. Alle Üblichkeiten der Altreligionen sind inzwischen im Gesundheitswesen angekommen. Halbgötter in Weiß, Wallfahrten zum Spezialisten, Krankenhäuser als Kathedralen unserer Zeit, die das »Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit« erzeugen, wie Friedrich Schleiermacher Religion charakterisiert.

Wir erleben den bruchlosen Übergang von der katholischen Prozessionstradition in die Chefarztvisite. Diätbewegungen gehen als wellenförmige Massenbewegungen übers Land, in ihrem Ernst übertreffen sie bei Weitem die Büßer- und Geißlerbewegungen des Mittelalters. Ein durchschnittlicher Hausarzt kann heute, ohne mit der Wimper zu zucken, seinen Patienten Pflichten im Stile strengster mittelalterlicher Ordensregeln auferlegen. Und der Patient nimmt solche Buße klaglos auf sich, jeden Misserfolg nicht der eventuell mangelhaften ärztlichen Weisung, sondern der eigenen schuldhaften Inkonsequenz anlastend. Unbewusst, aber umso machtvoller richtet sich die religiöse Ursehnsucht des Menschen nach ewigem Leben und ewiger Glückseligkeit heute auf Medizin und Psychotherapie. Bei Nichterfüllung Klage, versteht sich.