Aufmerksamkeitshacker - Alex Boerger - E-Book

Aufmerksamkeitshacker E-Book

Alex Boerger

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Beschreibung

Noch vor 100 Jahren war Aufmerksamkeit im Überfluss vorhanden. Die Menschen waren froh, wenn jemand abends eine Geschichte erzählt hat. Diese Zeiten sind vorbei. Wenn uns heute eine Geschichte auch nur für wenige Sekunden langweilt, greifen wir nach unserem Smartphone. Aufmerksamkeit ist der wertvollste Rohstoff unserer Zeit und die größten Unternehmen wissen genau was sie tun müssen, um unsere Aufmerksamkeit zu bekommen. Okay, genug Marketing- Blabla. Ich bin Alex, ich bin Aufmerksamkeitshacker. Als Kind wollte ich zum Fernsehen, weil Erwachsene alles glauben, was im Fernsehen läuft. Mittlerweile bin ich Erwachsen und ich habe jedes Medium genutzt um die Knöpfe in den Köpfen meiner Mitmenschen zu drücken. Eigentlich will ich die Welt retten, aber wer will schon gerettet werden, wenn er stattdessen durch seine Timeline scrollen kann? Vorsicht! Ich bin kein Autor, ich bin Praktiker. Ich muss eine Idee nicht künstlich in die Länge ziehen, ich komme direkt auf den Punkt. Deshalb findest du in diesem Buch viele kleine und große Weisheiten, die dir helfen, die Aufmerksamkeit von dir und von anderen besser zu lenken.  Ich zeige dir, wie du deine Alarmanlage gegen Aufmerksamkeitsdiebe scharf schalten kannst, und so mehr davon übrig hast für die Dinge und Menschen, die sie wirklich verdient haben.

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Aufmerksamkeitshacker

Du bist der Ball in ihrem Spiel

Für Lela Mirabella

Du bist erst sechs Monate alt und schon eine wahre Aufmerksamkeitshackerin.

Alexander Boerger, geb. 1983, hat seinen ersten großen Aufmerksamkeitshack schon mit 14 Jahren gemacht. Er hat damals mit einer gefakten Bravo-Website die Leser der Zeitschrift, die selbst noch keine Website hatte, abgegriffen. Sein erstes YouTube-Video hat er 2006 hochgeladen und weil das damals in den Augen der meisten eine ganz schöne Leistung war, durfte er ein paar Jahre später den YouTube-Kanal der ARD betreuen.

Er hat als Freiberufler unter anderem Videos für diverse Automarken, Schokoriegel, Telefonanbieter, Pharmariesen, Haarteile und Cryptowährungen gemacht. Der Versuch, zusammen mit einem Kunden die Wikipedia in 1000 Bänden auszudrucken, brachte ihm bisher die größte Reichweite. Dieser Clip hat es bis ins amerikanische Fernsehen geschafft. Alex darf Atomkraftwerke nicht mehr betreten, weil er ein Video über Hausbesetzer gemacht hat. Mittlerweile macht er Videos über Hausbesitzer für den YouTube-Kanal immocation.

Besonders stolz ist er, 2012 im Silicon Valley den Erfinder des #Hashtags kennengelernt zu haben. Sein Lieblingsfernsehbier ist Veltins in den ersten beiden Wochen nach der Herstellung.

Einleitung

Auch wenn ich keine E-Zigaretten an Kinder verkauft habe, hatte ich doch manchmal ein schlechtes Gewissen weil ich Werbung gemacht habe. Bei Werbung geht es ja nicht einfach darum objektiv zu informieren. Es geht darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen, Aufmerksamkeit zu lenken und dadurch das Selbstbild der Zuschauer zu verändern. Ähnlich wie Edward L. Bernays vor etwa 100 Jahren die Kenntnisse seines Onkels Sigmund Freud einsetzte um die Träume und Wünsche seiner Zielgruppen zu lenken, habe ich die Grundlagen der Psychologie, Soziologie und Wahrnehmung gelernt und konnte damit meine eigenen oder die Ziele meiner Kunden erreichen. Neue Erkenntnisse in der Wissenschaft brauchen bis zur Veröffentlichung meist viele Jahre und basieren zum größten Teil nur auf dem Verhalten von Psychologie-Studenten. In der Werbung können wir hingegen dank Facebook und Google innerhalb von zwei Stunden ein Experiment mit tausenden Teilnehmern machen und es kostet nicht mal zehn Euro.

Dabei habe ich versucht mein Karma halbwegs rein zu halten und offensichtlich schädliche Projekte abzulehnen. Es passierte mir aber immer wieder, dass meine Faszination am Experiment über die Vorsicht siegte und sich das ein oder andere Projekt als nicht so einwandfrei wie anfangs gedacht herausstellte. Aber am Ende ist meine Moral auch vollkommen egal, denn ich bin nicht der Einzige, der mit deinen Emotionen und Trieben spielt, um deine Aufmerksamkeit auf sein Angebot und letztendlich dein Geld auf sein Konto zu lenken.

Ich habe dieses Buch geschrieben um dir die Chance zu geben, aus diesem Spiel (nein du bist kein Spieler, du bist der Ball) auszusteigen und das ohne dass du dich Jahre lang damit beschäftigen musst. Du musst keine Fachwörter und Modelle lernen. Das Buch richtet sich nicht an Intellektuelle, die können einfach die Bücher der Literaturliste am Ende des Buches bestellen, denn mit diesem Buch werden sie nicht glücklich. Ich mache mir nicht die Mühe Studien zu zitieren oder Exceltabellen abzudrucken. Da draußen, wo die echten Menschen leben, da geht es nur noch um die gefühlte Wahrheit. In diesem Buch findet ihr meine gefühlte Wahrheit, einen kleinen Blick hinter die Kulissen der Medien, aber das Wichtigste für dich: Die Rezepte, die ich selbst verwende, um mit diesen Wahrheiten klarzukommen. Die Hacks, die ich entwickelt habe, um meine eigene Aufmerksamkeit zu schützen.

Wenn du nach dem Lesen dieses Buches besser auf deine Aufmerksamkeit aufpassen kannst, dann habe ich alles richtig gemacht.

Das Aufmerksamkeitsspiel

Lieber Spieler,

schön, dass du dich für das Aufmerksamkeitsspiel entschieden hast. Oder lass es mich anders sagen: Schön, dass du dich dazu entschieden hast, das Aufmerksamkeitsspiel bewusst zu spielen. Denn Teil dieses Spiels bist du längst. Auch wenn du dir darüber bislang nicht im Klaren warst.

Aber was ist das eigentlich, das Aufmerksamkeitsspiel? Es ist eines der ältesten Spiele der Welt. Es ist älter als die Menschheit und wird in allen Kulturkreisen und auf allen Kontinenten gespielt. Es ist ein universelles Strategiespiel, das du an jedem Ort, zu jeder Zeit und in jedem Alter spielen kannst. Du kannst es unterbrechen, wieder neu einsteigen, oder komplett aussteigen. Würfel, Spielfiguren, ein Spielbrett, Karten oder ähnliches benötigst du dafür nicht.

Du kannst es mit anderen gemeinsam oder alleine spielen. Aber Vorsicht: Es ist kein statisches Spiel. Abhängig von deinen eigenen Spielzügen verändert es sich. Sobald du die Grundlagen beherrschst, kannst du eigene Regeln hinzufügen. Auch die Höhe deines Einsatzes legst du selbst fest. Obwohl es Gegner gibt, spielst du es nicht gegen andere, sondern für dich. Es geht auch nicht darum, als einziger Gewinner daraus hervorzugehen.

Aber kommen wir erst mal zur Spielvorbereitung: Bevor du loslegst, solltest du dir die Zeit nehmen, diese Spielanleitung sehr gründlich zu lesen. Manche Regeln werden für dich relevanter sein, manche weniger. Auch das musst du für dich selbst festlegen oder du findest es im Laufe des Spiels raus. Bei den Hilfsmitteln sind deiner Fantasie keinerlei Grenzen gesetzt. Dazu dann aber mehr in den entsprechenden Kapiteln. Schummeln ist übrigens erlaubt – auch dir selbst gegenüber – es bringt dich in diesem Spiel allerdings nicht weiter.

Ziel des Spiels ist es, vom passiven zum aktiven Teilnehmer zu werden – und das auch zu bleiben. Das mag vielleicht einfach klingen. Aber unterschätze nicht deine Gegner, die alles daran setzen, dich in die passive Rolle zurückzudrängen. Das Spiel endet nämlich nicht in dem Moment, in dem du die aktive Rolle eingenommen hast. Anschließend gilt es, sie zu verteidigen. Damit dir das gelingt, gebe ich dir in dieser Spielanleitung ein paar strategische Tipps, mit denen dir das gelingen kann.

Was du hier in Händen hältst, ist das Starter Kit. Du brauchst also keinerlei Vorwissen. Um dir die Möglichkeit zu geben, tiefer einzutauchen, habe ich dir eine Literatur-Liste zusammengestellt mit Anleitungen für die Pro-Edition – die findest du am Ende des Buches.

Und damit du den Überblick nicht verlierst, findest du auf aufmerksamkeitshacker.de/bonus einen Spickzettel, auf dem du die wichtigsten Regeln noch einmal zusammengefasst findest.

Viel Spaß wünscht dir

dein Alex Boerger

Kapitel 1

Das Spielmaterial

Der Hack

Ein wichtiges Tool im Aufmerksamkeitsspiel ist der Hack. Darum ist es grundlegend zu verstehen, was genau eigentlich ein Hack ist und wie er funktioniert. Vielleicht fangen wir mit einem kleinen Experiment an. Bereit? Gut, dann schließe deine Augen und stell dir einen Hacker vor. Lass mich raten: Dein Hacker saß mit einem Kapuzenpulli und vielleicht sogar einer Sonnenbrille in einem fensterlosen Raum vor einem Computer. Nur: Ein Hacker sieht so nicht aus. Ein Hack allerdings schon.

Der Hack hierbei findet nicht am Computer statt, sondern in deinem Kopf. Über Jahre hinweg verknüpft dein Gehirn Wörter mit bestimmten Bildern, Vorstellungen oder Emotionen. Die müssen nicht an eigene Erfahrungen gekoppelt sein. Es genügt, wenn du sie von anderen übernimmst. Wenn ich also „Hacker“ sage, greift dein Hirn binnen Millisekunden auf ein erlerntes Bild zurück und schließt damit eine Lücke. Und zwar die Lücke, die entsteht, wenn man nur einen Text hat, aber ein Bild sehen will.

Wie unsinnig diese Verbindung von Wort und Bild sein kann, verdeutlicht das Beispiel mit dem Hacker ganz gut. Denn was möchte der Hacker tun? Er möchte seine Identität schützen. Und vor wem schützt er sie? Nein, er wird nicht beobachtet. Die einzige Möglichkeit ihn zu beobachten wäre, sich in seine Webcam einzuhacken. Wie man das verhindern kann, weiß jeder Hacker: Man klebt einfach die Kamera ab. Dafür muss man sich keine Sonnenbrille aufsetzen, dafür braucht man keinen Kapuzenpullover.

Lass es mich noch einmal anders erklären. Viele Hacker haben was mit Computern zu tun. Sie wollen Systeme verstehen. Aber es muss nicht immer ein Computer-System sein. Hacker basteln einfach gern. Hacker finden heraus, wie Dinge und Systeme funktionieren und wie man sie für etwas nutzen kann, wofür sie eigentlich nicht gedacht waren.

Es geht also nicht darum, etwas Illegales zu tun. Aber das ein oder andere Mal wird etwas Illegales getan. Eben weil man sich nicht dafür interessiert, was Gesetze sagen oder was Vorschriften, Spielregeln oder auch die Packungsbeilage von einem erwarten, sondern weil man sich dafür interessiert, was möglich ist, was funktioniert. Im Vordergrund steht die Frage: „Was passiert, wenn ich auf diesen Knopf drücke?”

In letzter Zeit hat sich der Begriff des Hackers gewandelt. Es geht nicht mehr nur um technische Geräte und Systeme. Gehackt wird auch in ganz anderen Bereichen. Ein Beispiel sind die Bio-Hacker.

Die versuchen herauszufinden, wie der eigene Körper auf bestimmte Substanzen oder auch auf bestimmte Arten von Bewegungen reagiert. Also: Wie kann man mit wenig Aufwand möglichst viel aus sich selbst herausholen?

Aber auch viele Künstler sind im Grunde genommen Hacker. Sie nehmen altbekannte Materialien, verwenden sie in einem eigentlich nicht dafür vorgesehenen Kontext, machen also etwas Neues damit und lösen beim Zuschauer damit etwas aus.

Manche dieser Künstler beherrschen ihr Handwerk so gut, dass sie genau wissen, was sie tun müssen, um eine bestimmte Reaktion hervorzurufen. Das sind Aufmerksamkeitshacker. Aber nicht nur Künstler wissen wie sie Aufmerksamkeit erzeugen und lenken können. Viele Menschen in der Public Relation, also der Öffentlichkeitsarbeit, und in den Medien wissen ganz genau, welche Knöpfe sie drücken müssen, um damit bestimmte Reaktionen auszulösen.

All diese Hacker haben eins gemeinsam: Sie schauen sich ganz genau an, aus welchen Elementen ein System besteht. Sie schauen sich an, wie die Originalregeln dafür gedacht sind. Vor allem schauen sie aber, wie sie Fehler in diesen Regeln oder in diesem System finden können und wie sich diese Fehler ausnutzen lassen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um Computercodes geht, die Biologie im Körper oder am Ende um soziale Codes. All diese Codes kann man hacken, um schneller an sein Ziel zu kommen. Und je besser du diese Hacks verstehst und erkennst, um so schneller kommst du voran im Aufmerksamkeitsspiel.

Die Aufmerksamkeit

Du wirst es dir schon gedacht haben: Eine zweite wesentliche Komponente dieses Spiels ist die Aufmerksamkeit. Was Aufmerksamkeit ist, weiß jeder. Welche zentrale Rolle sie spielt, wird oft unterschätzt. Darum möchte ich deinen Fokus kurz darauf richten, um dich dafür zu sensibilisieren, was für eine wichtige Spielkarte die Aufmerksamkeit ist. Lass mich kurz ins Englische abtauchen. „Drug“ hat dort zwei Bedeutungen: Zum einen kann man es mit „Droge“ übersetzen, zum anderen aber mit „Medizin“. Und wie so oft macht alleine die Dosierung den Unterschied zwischen diesen beiden völlig unterschiedlichen Wirkungsmechanismen. Das im Hinterkopf, möchte ich dir ein paar Beispiele geben, anhand derer du verstehen wirst, was das mit unserer Aufmerksamkeit zu tun hat.

Auf der einen Seite: Aufmerksamkeit ist überlebensnotwendig. Das belegt ein trauriges Experiment aus dem 13. Jahrhundert.

Stauferkönig Friedrich II. wollte angeblich herausfinden, welche Sprache Kinder von Natur aus sprechen. Dazu sollen sie direkt nach der Geburt von ihren Müttern isoliert und an Ammen übergeben worden sein. Die fütterten sie, wuschen und wickelten sie – ohne dabei mit ihnen zu reden oder ihnen in irgendeiner Weise Zärtlichkeiten oder Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Die Konsequenz war, dass die Kinder starben. Todesursache: Mangel an Beachtung. Jeder von uns braucht Aufmerksamkeit von seinem Umfeld. Wenn Kinder zu wenig davon bekommen, dann fangen sie ganz automatisch an, sie sich zu erkämpfen. Sie fangen an, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln auf sich aufmerksam zu machen, selbst wenn es negative Konsequenzen für sie hat. Aber das gilt nicht nur für Kinder: Jeder, der schon mal meine Erkältung hatte, weiß wie wichtig es ist, dass man eine leckere Suppe isst. Dabei geht es im Kern nicht um die Suppe, sondern darum, dass sich jemand um einen kümmert. Die Aufmerksamkeit anderer hilft beim Gesundwerden.

Auf der anderen Seite: Zu viel Aufmerksamkeit, also Berühmtheit, kann einem zu Kopf steigen. Es ist ähnlich wie mit zu viel Alkohol oder zu vielen Drogen. Man verfällt in eine Art Rauschzustand. Man glaubt, man sei unverwundbar und überwirft sich mit seiner Umwelt. Viele scheitern an diesem Rausch. Und um die Metapher noch mal aufzunehmen: Manche Menschen haben sehr viel Angst vor dem Kontrollverlust. Bei Drogen würde man sagen, sie sind abstinent. Wenn es um Aufmerksamkeit geht, versuchen sie einfach möglichst gar nicht aufzufallen, um zu vermeiden, dass sie in eine Art Rauschzustand kommen, um zu vermeiden, dass Dinge, die mit Aufmerksamkeit verbunden sind, dazu führen, dass etwas passiert, was sie nicht mehr kontrollieren können.

Kapitel 2

Grundregeln

Regel 1: Der Mann im Fernsehen hat immer Recht

Damit diese Spielanleitung hier nicht zu theoretisch wird und vor allem für dich nachvollziehbar bleibt, habe ich mir gedacht, dass ich dich an meinem ganz persönlichen Zugang zu diesem Spiel teilhaben lasse. Wann, durch wen oder was und auf welche Art ich die Regeln gelernt habe – und immer noch lerne – ist vielleicht aufschlussreicher, interessanter und nachvollziehbarer, als dir hier völlig abstrakt ein hoch komplexes Regelwerk vorzukauen.

Als kleiner Junge war ich fasziniert von Formel-1-Rennen. Mein größter Held war Michael Schumacher und ich habe wirklich jede Information, die ich zu diesem Sport kriegen konnte, aufgesogen. Ich kannte alle Regeln, alle Neuerungen und wusste auch sonst alles, was man überhaupt nur über Formel 1 wissen konnte.

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass meine Kindheit ein wenig anders verlaufen ist, als die vieler anderer: Ich bin in einer Kneipe im Sauerland aufgewachsen. Und wenn Formel 1-Rennen lief, habe ich das nicht etwa alleine in einem Wohn- und meinem Kinderzimmer geschaut. Nein, ich habe die Rennen zusammen mit vielen Erwachsenen auf einem Fernseher in der Kneipe meiner Eltern verfolgt.

An einem dieser Sonntage kann ich mich besonders gut erinnern, weil ich an besagtem Sonntag in einer Kneipe im Sauerland zwei grundlegende Spielregeln begriffen habe, die weit über Formel 1 hinausgingen. In dieser Saison waren ein paar Regeln geändert worden. Und natürlich wusste ich ganz genau darüber Bescheid. Es dauerte auch nicht lange, bis einer der Fahrer gegen eine dieser neuen Regeln verstieß. Mir war völlig klar, was das zur Folge haben würde: Eine Disqualifikation des Fahrers. Florian König oder Jochen Maas, wer auch immer der beiden Moderatoren an jenem Sonntag moderierte, hatte die neuen Regeln aber offensichtlich noch nicht auf dem Schirm und darum auch keine Ahnung, dass dieser Fahrer gleich raus sein würde. Die Erwachsenen, die sich vorab nicht mal mit den neuen Regeln auseinandergesetzt hatten, entschieden sich einstimmig dafür, lieber dem RTL-Moderator als mir zu glauben. Und was passierte am Ende? Genau. Der Fahrer wurde disqualifiziert. Und der Moderator konnte nur schlecht verbergen, dass er den Grund dafür nicht kannte. Vor der anschließenden Zusammenfassung wurde er offensichtlich von der Redaktion aufgeklärt und tat nun plötzlich so, als sei ihm das die ganze Zeit über sonnenklar gewesen.

An diesem Sonntag habe ich zwei sehr wichtige Dinge verstanden. Das Erste war: Realität kann man formen. Denn niemand kann sich daran erinnern, dass der Moderator in dem entsprechenden Moment gar nicht verstand, was vor sich ging. Durch die Zusammenfassung wurde er als unangefochtener Experte bestätigt. Und das Zweite war: Erwachsene glauben einfach alles, was sie im Fernsehen sehen.

Das hat mich fasziniert. In diesem Moment habe ich eine Entscheidung getroffen: Ich wollte zum Fernsehen. Ich konnte es damals natürlich noch nicht so differenziert begründen wie heute. Aber ich dachte mir: Wenn ich erst mal beim Fernsehen bin, werde ich endlich ernst genommen. Das würde mich im Aufmerksamkeitsspiel auf einen Schlag mehrere Level nach oben katapultieren.

Regel 2: Für Umwege gibt’s keine Bonuspunkte

Entsprechend habe ich schon in der Schule Videos gemacht. Ich habe mit PowerPoint-Präsentationen gearbeitet. Ich habe Zeitungen gemacht. Ich habe alles gemacht, was mit Medien zu tun hatte. Die logische Konsequenz war, dass ich im Anschluss daran Mediendesign studiert habe. In dem Studiengang konnte ich mich relativ gut behaupten. Vor allem gab es auch da ein paar sehr wichtige Bonuslevel, deren Zugang nicht viele Studenten entdeckten.