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Beziehungshunger und Zurückweisung. Zwei Seiten derselben Medaille. Daniela bringt seit Jahren zu viel Gewicht auf die Waage. Monologisierend versucht sie, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Ohne Selbstannahme keine Liebe. Sie versteht nicht, warum sie immer wieder abgewiesen wird, erinnert sich an eine Jugendliebe, hat sich auf ein ausbeuterisches Arbeitsverhältnis eingelassen, bemüht sich, ihre Sehnsucht zu ergründen und spricht über den aussichtslos erscheinenden Kampf gegen ihre Süchte. Eines Abends hat sich Daniela unversehens aus ihrem Büro ausgeschlossen, in dem sie hatte übernachten wollen. Sie gleitet in eine Parallelexistenz und kommt beim dringlichen Versuch, sich in einer eiskalten Nacht Zugang zu ihrem Schlafplatz zu verschaffen, ganz nebenbei in Kontakt mit Unbekannten.
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Seitenzahl: 33
Dank an Volker Ranisch, Schauspieler und Regisseur, für seine Ermutigung, sein erstes kritisches Lektorat des Textes und das nebenstehende Rilke-Zitat.
»Denn das ist mir klar, dass das die Fortgeworfenen sind, nicht nur Bettler; nein, es sind eigentlich keine Bettler, man muss Unterschiede machen.
Es sind Abfälle, Schalen von Menschen, die das Schicksal ausgespieen hat. Feucht vom Speichel des Schicksals kleben sie an einer Mauer, an einer Laterne, an einer Plakatsäule, oder sie rinnen langsam die Gasse herunter mit einer dunklen, schmutzigen Spur hinter sich her. (…) Diese Stadt ist voll von solchen, die langsam zu ihnen hinabgleiten.
Und dann (…) behalten sie mich im Auge, immer im Auge, immer in diesem ungerührten, zusammengeflossenen Auge. (…) Die sehen mich an und wissen es. Die wissen, dass ich eigentlich zu ihnen gehöre.«
Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
DANIELA
Ich würde gerne mit Ihnen … Nein! Eigentlich wollte ich selbstbewusst, so wie der Wolf, der Kreide gefressen hat … Also ich … möchte … Könnten Sie …
Ich bin dick … das sehen Sie ja. Dreißig Kilo zu viel. Was? Sie wollen jetzt schon wieder … Sie sind hergekommen, um sich zu entspannen. Möchten in nichts verwickelt werden.
Klar.
Okay. Ich hab’s vermasselt. Darf ich nochmal von vorne …?
Also gestern. Null Uhr dreißig. Es ist Winter. Klirrende Kälte. Ich sitze in so einer gottserbärmlichen Bar und bin fest entschlossen, nichts zu trinken. Draußen liegt Schnee, und es ist stockdunkel. Ich warte eigentlich bloß auf den nächsten Zug. Die gehen nachts nur alle zwei Stunden.
Auf dem Bahnsteig war es zum Erfrieren gewesen. Bei minus zehn Grad herumzustehen und zu warten … da beginnt man leise zu zittern.
Die wenigen, die mit mir ausstiegen, waren im Nu weg, zielstrebig in der Dunkelheit verschwunden.
Nur eine Plastiktüte tanzte ihre müden Runden. Der Wind war eisig. Auf dem grauen Betonboden lagen weggeworfene Zigarettenstummel. Eine leere Bierdose schepperte, als ich sie mit dem Fuß wegstieß.
(Zum Publikum:) Ist was? Sie schauen mich … so unfreundlich an.
Ich sah einen Hoteleingang und daneben eine Bar. Ich wollte definitiv nichts trinken, nur in die Wärme. Ich öffnete die Tür. Im Flur machte sich einer am Zigarettenautomaten zu schaffen. Aber es war schon klar, dass der nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war. Er kniete auf dem Boden und suchte nach Öffnungen im Automatengehäuse. Dann trommelte er mit den Fäusten gegen die Seitenwände. Er bemerkte mich nicht, als ich an ihm vorbeiging.
Die Mulattin am Tresen lächelte freundlich. Ich quetschte mich an einem Glastisch vorbei in einen mit Leopardenmuster bedruckten Sessel und schüttelte den Kopf, als sie mich fragend ansah. Die Musik war so laut, dass Reden – klar – zwecklos war.
Zwei zugedröhnte Jungs auf Barhockern johlten kurz auf, als ich in ihr Blickfeld geriet. Ich winkte müde ab: Erwartet bloß von mir jetzt keine Unterhaltung. Hinter mir schlief einer auf dem Sofa. Nach etwa zehn Minuten war ich so weit, dass ich es lächerlich fand, in einer Bar zu sitzen und NICHTS zu trinken. Ich bestellte ein Hefeweizen.
Na, egal. Der Zug hatte Verspätung. Und weil die Bar um viertel vor zwei schloss, war ich rechtzeitig wieder auf dem Bahnsteig. Ich hatte schnell hintereinander ein paar Gläser geleert. Fühlte mich dann im Zug auf meinem Sitzplatz ziemlich zufrieden. Der Waggon war geheizt. Schräg hinter mir saß ein Pärchen. Sie faselte ziemlich dummes Zeug. Aber das beunruhigte mich nicht. So lange die ihre Bierdosen im Griff hatten … Ihr Gerede, ob er sie liebe und dass er sie zum Beweis küssen solle, ging mich schließlich nichts an.