0,99 €
Rainer Maria Rilke mit seiner in den Neuen Gedichten vollendeten, von der bildenden Kunst beeinflussten Dinglyrik gilt er als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne. Aus Rilkes Werk sind etliche Erzählungen, ein Roman und Aufsätze zu Kunst und Kultur sowie zahlreiche Übersetzungen von Literatur und Lyrik bekannt. Sein umfangreicher Briefwechsel gilt als wichtiger Bestandteil seines literarischen Schaffens. INHALT 1. Das Buch der Bilder 2. Erste Gedichte 3. Das Stunden-Buch 4. Neue Gedichte 5. Der Neuen Gedichte Anderer Teil 6. Das Marien-Leben 7. Auguste Rodin 8. Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge 9. Geschichten vom lieben Gott 10. Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke 11. Zwei Prager Geschichten 12. Die Letzten
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 1148
Rainer Maria Rilke mit seiner in den Neuen Gedichten vollendeten, von der bildenden Kunst beeinflussten Dinglyrik gilt er als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne.
Aus Rilkes Werk sind etliche Erzählungen, ein Roman und Aufsätze zu Kunst und Kultur sowie zahlreiche Übersetzungen von Literatur und Lyrik bekannt. Sein umfangreicher Briefwechsel gilt als wichtiger Bestandteil seines literarischen Schaffens.
INHALT
1. Das Buch der Bilder
2. Erste Gedichte
3. Das Stunden-Buch
4. Neue Gedichte
5. Der Neuen Gedichte Anderer Teil
6. Das Marien-Leben
7. Auguste Rodin
8. Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
9. Geschichten vom lieben Gott
10. Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke
11. Zwei Prager Geschichten
12. Die Letzten
Wer du auch seist: Am Abend tritt hinaus
aus deiner Stube, drin du alles weißt;
als letztes vor der Ferne liegt dein Haus:
Wer du auch seist.
Mit deinen Augen, welche müde kaum
von der verbrauchten Schwelle sich befrein,
hebst du ganz langsam einen schwarzen Baum
und stellst ihn vor den Himmel: schlank, allein.
Und hast die Welt gemacht. Und sie ist groß
und wie ein Wort, das noch im Schweigen reift.
Und wie dein Wille ihren Sinn begreift,
lassen sie deine Augen zärtlich los….
Wieder duftet der Wald.
Es heben die schwebenden Lerchen
mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war;
zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er leer war,—
aber nach langen, regnenden Nachmittagen
kommen die goldübersonnten
neueren Stunden,
vor denen flüchtend, an fernen Häuserfronten
alle die wunden
Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.
Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz
in die glänzenden Knospen der Reiser.
Süddeutsche Nacht, ganz breit im reifen Monde
und mild wie aller Märchen Wiederkehr.
Vom Turme fallen viele Stunden schwer
in ihre Tiefen nieder wie ins Meer,—
und dann ein Rauschen und ein Ruf der Ronde,
und eine Weile bleibt das Schweigen leer;
und eine Geige dann (Gott weiß woher)
erwacht und sagt ganz langsam:
Eine Blonde…
Reitet der Ritter im schwarzen Stahl
hinaus in die rauschende Welt.
Und draußen ist alles: der Tag und das Tal
und der Freund und der Feind und das Mahl im Saal
und der Mai und die Maid und der Wald und der Gral,
und Gott ist selber vieltausendmal
an alle Straßen gestellt.
Doch in dem Panzer des Ritters drinnen,
hinter den finstersten Ringen,
hockt der Tod und muß sinnen und sinnen:
Wann wird die Klinge springen
über die Eisenhecke,
die fremde befreiende Klinge,
die mich aus meinem Verstecke
holt, drin ich so viele
gebückte Tage verbringe,—
daß ich mich endlich strecke
und spiele
und singe.
Mir fällt ein junger Ritter ein
fast wie ein alter Spruch.
Der kam. So kommt manchmal im Hain
der große Sturm und hüllt dich ein.
Der ging. So läßt das Benedein
der großen Glocken dich allein
oft mitten im Gebet….
Dann willst du in die Stille schrein
und weinst doch nur ganz leis hinein
tief in dein kühles Tuch.
Mir fällt ein junger Ritter ein,
der weit in Waffen geht.
Sein Lächeln war so weich und fein:
wie Glanz auf altem Elfenbein,
wie Heimweh, wie ein Weihnachtsschnein
im dunkeln Dorf, wie Türkisstein,
um den sich lauter Perlen reihn,
wie Mondenschein
auf einem lieben Buch.
I
Andere müssen auf langen Wegen
zu den dunklen Dichtern gehn;
fragen immer irgendwen,
ob er nicht einen hat singen sehn
oder Hände auf Saiten legen.
Nur die Mädchen fragen nicht,
welche Brücke zu Bildern führe;
lächeln nur, lichter als Perlenschnüre,
die man an Schalen von Silber hält.
Aus ihrem Leben geht jede Türe
in einen Dichter
und in die Welt.
II
Mädchen, Dichter sind, die von euch lernen
das zu sagen, was ihr einsam seid;
und sie lernen leben an euch Fernen,
wie die Abende an großen Sternen
sich gewöhnen an die Ewigkeit.
Keine darf sich je dem Dichter schenken,
wenn sein Auge auch um Frauen bat:
denn er kann euch nur als Mädchen denken:
das Gefühl in euren Handgelenken
würde brechen von Brokat.
Laßt ihn einsam sein in seinem Garten,
wo er euch wie Ewige empfing
auf den Wegen, die er täglich ging,
bei den Bänken, welche schattig warten,
und im Zimmer, wo die Laute hing.
Geht!.. Es dunkelt. Seine Sinne suchen
eure Stimme und Gestalt nicht mehr.
Und die Wege liebt er lang und leer
und kein Weißes unter dunklen Buchen,—
und die stumme Stube liebt er sehr.
… Eure Stimmen hört er ferne gehn
(unter Menschen, die et müde meidet)
und: sein zärtliches Gedenken leidet
im Gefühle, daß euch viele sehn.
Wer ist es, wer mich so liebt, daß er
sein liebes Leben verstößt?
Wenn einer für mich ertrinkt im Meer,
so bin ich vom Steine zur Wiederkehr
ins Leben, ins Leben erlöst.
Ich sehne mich so nach dem rauschenden Blut;
der Stein ist so still.
Ich träume vom Leben: das Leben ist gut.
Hat keiner den Mut,
durch den ich erwachen will?
Und werd ich einmal im Leben sein,
das mir alles Goldenste gibt,—
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
so werd ich allein,
weinen, weinen nach meinem Stein.
Was hilft mir mein Blut, wenn es reift wie der Wein?
Es kann aus dem Meer nicht den Einen schrein,
der mich am meisten geliebt.
Sie muß immer sinnen: Ich bin… ich bin….
Wer bist du denn, Marie?
Eine Königin, eine Königin!
In die Kniee vor mir, in die Knie!
Sie muß immer weinen: Ich war… ich war….
Wer warst du denn, Marie?
Ein Niemandskind, ganz arm und bar,
und ich kann dir nicht sagen wie.
Und wurdest aus einem solchen Kind
eine Fürstin, vor der man kniet?
Weil die Dinge alle anders sind,
als man sie beim Betteln sieht.
So haben die Dinge dich groß gemacht,
und kannst du noch sagen wann?
Eine Nacht, eine Nacht, über eine Nacht,—
und sie sprachen mich anders an.
Ich trat in die Gasse hinaus und sieh:
die ist wie mit Saiten bespannt;
da wurde Marie Melodie, Melodie…
und tanzte von Rand zu Rand.
Die Leute schlichen so ängstlich hin,
wie hart an die Häuser gepflanzt,—
denn das darf doch nur eine Königin,
daß sie tanzt in den Gassen: tanzt!..
Ja, ich sehne mich nach dir. Ich gleite
mich verlierend selbst mir aus der Hand,
ohne Hoffnung, daß ich Das bestreite,
was zu mir kommt wie aus deiner Seite
ernst und unbeirrt und unverwandt.
… jene Zeiten: O wie war ich Eines,
nichts was rief und nichts was mich verriet,
meine Stille war wie eines Steines,
über den der Bach sein Murmeln zieht.
Aber jetzt in diesen Frühlingswochen
hat mich etwas langsam abgebrochen
von dem unbewußten dunkeln Jahr.
Etwas hat mein armes warmes Leben
irgendeinem in die Hand gegeben,
der nicht weiß, was ich noch gestern war.
Ruf mich, Geliebter, ruf mich laut!
Laß deine Braut nicht so lange am Fenster stehn.
In den alten Platanenalleen
wacht der Abend nicht mehr:
sie sind leer.
Und kommst du mich nicht in das nächtliche Haus
mit deiner Stimme verschließen,
so muß ich mich aus meinen Händen hinaus
in die Gärten des Dunkelblaus
ergießen….
Hörst du, Geliebte, ich hebe die Hände—
hörst du: es rauscht….
Welche Gebärde der Einsamen fände
sich nicht von vielen Dingen belauscht?
Hörst du, Geliebte, ich schließe die Lider,
und auch das ist Geräusch bis zu dir,
hörst du, Geliebte, ich hebe sie wieder….
… Aber warum bist du nicht hier.
Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung
bleibt in der seidenen Stille sichtbar;
unvernichtbar drückt die geringste Erregung
in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.
Auf meinen Atemzügen heben und senken
die Sterne sich.
Zu meinen Lippen kommen die Düfte zur Tränke,
und ich erkenne die Handgelenke
entfernter Engel.
Nur die ich denke: Dich
seh ich nicht.
Was spielst du, Knabe? Durch die Gärten gings
wie viele Schritte, flüsternde Befehle.
Was spielst du, Knabe? Siehe, deine Seele
verfing sich in den Stäben der Syrinx.
Was lockst du sie? Der Klang ist wie ein Kerker,
darin sie sich versäumt und sich versehnt;
stark ist dein Leben, doch dein Lied ist stärker,
an deine Sehnsucht schluchzend angelehnt.—
Gib ihr ein Schweigen, daß die Seele leise
heimkehre in das Flutende und Viele,
darin sie lebte, wachsend, weit und weise,
eh du sie zwangst in deine zarten Spiele.
Wie sie schon matter mit den Flügeln schlägt:
So wirst du, Träumer, ihren Flug vergeuden,
daß ihre Schwinge, vom Gesang zersägt,
sie nicht mehr über meine Mauern trägt,
wenn ich sie rufen werde zu den Freuden.
Sie haben alle müde Münde
und helle Seelen ohne Saum.
Und eine Sehnsucht (wie nach Sünde)
geht ihnen manchmal durch den Traum.
Fast gleichen sie einander alle;
in Gottes Gärten schweigen sie,
wie viele, viele Intervalle
in seiner Macht und Melodie.
Nur wenn sie ihre Flügel breiten,
sind sie die Wecker eines Winds:
Als ginge Gott mit seinen weiten
Bildhauerhänden durch die Seiten
im dunklen Buch des Anbeginns.
Du bist der Vogel, dessen Flügel kamen,
wenn ich erwachte in der Nacht und rief.
Nur mit den Armen rief ich, denn dein Namen
ist wie ein Abgrund, tausend Nächte tief.
Du bist der Schatten, drin ich still entschlief,
und jeden Traum ersinnt in mir dein Samen,—
du bist das Bild, ich aber bin der Rahmen,
der dich ergänzt in glänzendem Relief.
Wie nenn ich dich? Sieh, meine Lippen lahmen.
Du bist der Anfang, der sich groß ergießt,
ich bin das langsame und bange Amen,
das deine Schönheit scheu beschließt.
Du hast mich oft aus dunklem Ruhn gerissen,
wenn mir das Schlafen wie ein Grab erschien
und wie Verlorengehen und Entfliehn,—
da hobst du mich aus Herzensfinsternissen
und wolltest mich auf allen Türmen hissen
wie Scharlachfahnen und wie Draperien.
Du: der von Wundern redet wie vom Wissen
und von den Menschen wie von Melodien
und von den Rosen: von Ereignissen,
die flammend sich in deinem Blick vollziehn,—
du Seliger, wann nennst du einmal Ihn,
aus dessen siebentem und letztem Tage
noch immer Glanz auf deinem Flügelschlage
verloren liegt.
Befiehlst du, daß ich frage?
Martyrin ist sie. Und als harten Falls
mit einem Ruck
das Beil durch ihre kurze Jugend ging,
da legte sich der feine rote Ring
um ihren Hals und war der erste Schmuck,
den sie mit einem fremden Lächeln nahm:
aber auch den erträgt sie nur mit Scham.
Und wenn sie schläft, muß ihre junge Schwester
(die, kindisch noch, sich mit der Wunde schmückt
von jenem Stein, der ihr die Stirn erdrückt,)
die harten Arme um den Hals ihr halten,
und oft im Traume fleht die andre: Fester, fester.
Und da fällt es dem Kinde manchmal ein,
die Stirne mit dem Bild von jenem Stein
zu bergen in des sanften Nachtgewandes Falten,
das von der Schwester Atmen hell sich hebt,
voll wie ein Segel, das vom Winde lebt.
Das ist die Stunde, da sie heilig sind,
die stille Jungfrau und das blasse Kind.
Da sind sie wieder wie vor allem Leide
und schlafen arm und haben keinen Ruhm,
und ihre Seelen sind wie weiße Seide,
und von derselben Sehnsucht beben beide
und fürchten sich vor ihrem Heldentum.
Und du kannst meinen: Wenn sie aus den Betten
aufstünden bei dem nächsten Morgenlichte
und, mit demselben träumenden Gesichte,
die Gassen kämen in den kleinen Städten,—
es bliebe keiner hinter ihnen staunen,
kein Fenster klirrte an den Häuserreihn,
und nirgends bei den Frauen ging ein Raunen,
und keines von den Kindern würde schrein.
Sie schritten durch die Stille in den Hemden
(die flachen Falten geben keinen Glanz)
so fremd und dennoch keinem zum Befremden,
so wie zu Festen, aber ohne Kranz.
Das Volk war durstig; also ging das eine
durstlose Mädchen, ging die Steine
um Wasser flehen für ein ganzes Volk.
Doch ohne Zeichen blieb der Zweig der Weide,
und sie ermattete am langen Gehn
und dachte endlich nur, daß einer leide,
(ein kranker Knabe, und sie hatten beide
sich einmal abends ahnend angesehn).
Da neigte sich die junge Weidenrute
in ihren Händen dürstend wie ein Tier:
jetzt ging sie blühend über ihrem Blute,
und rauschend ging ihr Blut tief unter ihr.
Da rinnt der Schule lange Angst und Zeit
mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.
O Einsamkeit, o schweres Zeitverbringen….
Und dann hinaus: die Straßen sprühn und klingen,
und auf den Plätzen die Fontänen springen,
und in den Gärten wird die Welt so weit.—
Und durch das alles gehn im kleinen Kleid,
ganz anders als die andern gehn und gingen—:
O wunderliche Zeit, o Zeitverbringen,
o Einsamkeit.
Und in das alles fern hinauszuschauen:
Männer und Frauen; Männer, Männer, Frauen
und Kinder, welche anders sind und bunt;
und da ein Haus und dann und wann ein Hund
und Schrecken lautlos wechselnd mit Vertrauen—:
O Trauer ohne Sinn, o Traum, o Grauen,
o Tiefe ohne Grund.
Und so zu spielen: Ball und Ring und Reifen
in einem Garten, welcher sanft verblaßt,
und manchmal die Erwachsenen zu streifen,
blind und verwildert in des Haschens Hast,
aber am Abend still, mit kleinen steifen
Schritten nach Haus zu gehn, fest angefaßt—:
O immer mehr entweichendes Begreifen,
o Angst, o Last.
Und stundenlang am großen grauen Teiche
mit einem kleinen Segelschiff zu knien;
es zu vergessen, weil noch andre gleiche
und schönere Segel durch die Ringe ziehn,
und denken müssen an das kleine bleiche
Gesicht, das sinkend aus dem Teiche schien—:
O Kindheit, o entgleitende Vergleiche.
Wohin? Wohin?
Das Dunkeln war wie Reichtum in dem Raume,
darin der Knabe, sehr verheimlicht, saß.
Und als die Mutter eintrat wie im Traume,
erzitterte im stillen Schrank ein Glas.
Sie fühlte, wie das Zimmer sie verriet,
und küßte ihren Knaben: Bist du hier?…
Dann schauten beide bang nach dem Klavier,
denn manchen Abend hatte sie ein Lied,
darin das Kind sich seltsam tief verfing.
Es saß sehr still. Sein großes Schauen hing
an ihrer Hand, die ganz gebeugt vom Ringe,
als ob sie schwer in Schneewehn ginge,
über die weißen Tasten ging.
Ich möchte einer werden so wie die,
die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren,
mit Fackeln, die gleich aufgegangnen Haaren
in ihres Jagens großem Winde wehn.
Vorn möcht ich stehen wie in einem Kahne,
groß und wie eine Fahne aufgerollt.
Dunkel, aber mit einem Helm von Gold,
der unruhig glänzt. Und hinter mir gereiht
zehn Männer aus derselben Dunkelheit
mit Helmen, die wie meiner unstät sind,
bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind.
Und einer steht bei mir und bläst uns Raum
mit der Trompete, welche blitzt und schreit,
und bläst uns eine schwarze Einsamkeit,
durch die wir rasen wie ein rascher Traum:
die Häuser fallen hinter uns ins Knie,
die Gassen biegen sich uns schief entgegen,
die Plätze weichen aus: wir fassen sie,
und unsre Rosse rauschen wie ein Regen.
In weißen Schleiern gehn die Konfirmanden
tief in das neue Grün der Gärten ein.
Sie haben ihre Kindheit überstanden,
und was jetzt kommt, wird anders sein.
O kommt es denn! Beginnt jetzt nicht die Pause,
das Warten auf den nächsten Stundenschlag?
Das Fest ist aus, und es wird laut im Hause,
und trauriger vergeht der Nachmittag….
Das war ein Aufstehn zu dem weißen Kleide
und dann durch Gassen ein geschmücktes Gehn
und eine Kirche, innen kühl wie Seide,
und lange Kerzen waren wie Alleen,
und alle Lichter schienen wie Geschmeide,
von feierlichen Augen angesehn.
Und es war still, als der Gesang begann:
Wie Wolken stieg er in der Wölbung an
und wurde hell im Niederfall; und linder
denn Regen fiel er in die weißen Kinder.
Und wie im Wind bewegte sich ihr Weiß,
und wurde leise bunt in seinen Falten
und schien verborgne Blumen zu enthalten—:
Blumen und Vögel, Sterne und Gestalten
aus einem alten fernen Sagenkreis.
Und draußen war ein Tag aus Blau und Grün
mit einem Ruf von Rot an hellen Stellen.
Der Teich entfernte sich in kleinen Wellen,
und mit dem Winde kam ein fernes Blühn
und sang von Gärten draußen vor der Stadt.
Es war, als ob die Dinge sich bekränzten,
sie standen licht, unendlich leicht besonnt;
ein Fühlen war in jeder Häuserfront,
und viele Fenster gingen auf und glänzten.
Sie sind versammelt, staunende Verstörte,
am ihn, der wie ein Weiser sich beschließt,
und der sich fortnimmt denen er gehörte,
und der an ihnen fremd vörüberfließt.
Die alte Einsamkeit kommt über ihn,
die ihn erzog zu seinem tiefen Handeln;
nun wird er wieder durch den Ölwald wandeln,
und die ihn lieben, werden vor ihm fliehn.
Er hat sie zu dem letzten Tisch entboten
und (wie ein Schuß die Vögel aus den Schoten
scheucht) scheucht er ihre Hände aus den Broten
mit seinem Wort: sie fliegen zu ihm her;
sie flattern bange durch die Tafelrunde
und suchen einen Ausgang. Aber er
ist überall wie eine Dämmerstunde.
Aus unendlichen Sehnsüchten steigen
endliche Taten wie schwache Fontänen,
die sich zeitig und zitternd neigen.
Aber, die sich uns sonst verschweigen,
unsere fröhlichen Kräfte — zeigen
sich in diesen tanzenden Tränen.
Ich möchte jemanden einsingen,
bei jemandem sitzen und sein.
Ich möchte dich wiegen und kleinsingen
und begleiten schlafaus und schlafein.
Ich möchte der einzige sein im Haus,
der wüßte: die Nacht war kalt.
Und möchte horchen herein und hinaus
in dich, in die Welt, in den Wald.—
Die Uhren rufen sich schlagend an,
und man sieht der Zeit auf den Grund.
Und unten geht noch ein fremder Mann
und stört einen fremden Hund.
Dahinter wird Stille. Ich habe groß
die Augen auf dich gelegt;
sie halten dich sanft und lassen dich los,
wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.
Die Nächte sind nicht für die Menge gemacht.
Von deinem Nachbar trennt dich die Nacht,
und du sollst ihn nicht suchen trotzdem.
Und machst du nachts deine Stube licht,
um Menschen zu schauen ins Angesicht,
so mußt du bedenken: wem.
Die Menschen sind furchtbar vom Licht entstellt,
das von ihren Gesichtern träuft,
und haben sie nachts sich zusammengesellt,
so schaust du eine wankende Welt
durcheinandergehäuft.
Auf ihren Stirnen hat gelber Schein
alle Gedanken verdrängt,
in ihren Blicken flackert der Wein,
an ihren Händen hängt
die schwere Gebärde, mit der sie sich
bei ihren Gesprächen verstehn;
und dabei sagen sie: Ich und Ich
und meinen: Irgendwen.
Fremde Geige, gehst du mir nach?
In wieviel fernen Städten schon sprach
deine einsame Nacht zu meiner?
Spielen dich Hunderte? Spielt dich einer?
Gibt es in allen großen Städten
solche, die sich ohne dich
schon in den Flüssen verloren hätten?
Und warum trifft es immer mich?
Warum bin ich immer der Nachbar derer,
die dich bange zwingen zu singen
und zu sagen: Das Leben ist schwerer
als die Schwere von allen Dingen?
Der blinde Mann, der auf der Brücke steht,
grau wie ein Markstein namenloser Reiche,
er ist vielleicht das Ding, das immer gleiche,
um das von fern die Sternenstunde geht
und der Gestirne heller Mittelpunkt.
Denn alles um ihn irrt und rinnt und prunkt.
Er ist der unbewegliche Gerechte,
in viele wirre Wege hingestellt;
der dunkle Eingang in die Unterwelt
bei einem oberflächlichen Geschlechte.
Wie einer, der auf fremden Meeren fuhr,
so bin ich bei den ewig Einheimischen;
die vollen Tage stehn auf ihren Tischen,
mir aber ist die Ferne voll Figur.
In mein Gesicht reicht eine Welt herein,
die vielleicht unbewohnt ist wie ein Mond,
sie aber lassen kein Gefühl allein,
und alle ihre Worte sind bewohnt.
Die Dinge, die ich weither mit mir nahm,
sehn selten aus, gehalten an das Ihre—:
in ihrer großen Heimat sind sie Tiere,
hier halten sie den Atem an vor Scham.
Keine Vision von fremden Ländern,
kein Gefühl von braunen Frauen, die
tanzen aus den fallenden Gewändern.
Keine wilde, fremde Melodie.
Keine Lieder, die vom Blute stammten,
und kein Blut, das aus den Tiefen schrie.
Keine braunen Mädchen, die sich samten
breiteten in Tropenmüdigkeit;
keine Augen, die wie Waffen flammten,
und die Munde zum Gelächter breit.
Und ein wunderliches Sich-verstehen
mit der hellen Menschen Eitelkeit.
Und mir war so bange hinzusehen.
O wie sind die Tiere so viel treuer,
die in Gittern auf und nieder gehn,
ohne Eintracht mit dem Treiben neuer
fremder Dinge, die sie nicht verstehn;
und sie brennen wie ein stilles Feuer
leise aus und sinken in sich ein,
teilnahmslos dem neuen Abenteuer
und mit ihrem großen Blut allein.
Ich habe kein Vaterhaus
und habe auch keines verloren;
meine Mutter hat mich in die Welt hinaus
geboren.
Da steh ich nun in der Welt und geh
in die Welt immer tiefer hinein
und habe mein Glück und habe mein Weh
und habe jedes allein.
Und bin doch manch eines Erbe.
Mit drei Zweigen hat mein Geschlecht geblüht
auf sieben Schlössern im Wald
und wurde seines Wappens müd
und war schon viel zu alt;—
und was sie mir ließen und was ich erwerbe
zum alten Besitze, ist heimatlos.
In meinen Händen, in meinem Schoß
muß ich es halten, bis ich sterbe.
Denn was ich fortstelle,
hinein in die Welt,
fällt,
ist wie auf eine Welle
gestellt.
Im welken Walde ist ein Vogelruf,
der sinnlos scheint in diesem welken Walde.
Und dennoch ruht der runde Vogelruf
in dieser Weile, die ihn schuf,
breit wie ein Himmel auf dem welken Walde.
Gefügig räumt sich alles in den Schrei.
Das ganze Land scheint lautlos drin zu liegen,
der große Wind scheint sich hineinzuschmiegen,
und die Minute, welche weiter will,
ist bleich und still, als ob sie Dinge wüßte,
an denen jeder sterben müßte,
aus ihm herausgestiegen.
O wie ist alles fern
und lange vergangen.
Ich glaube, der Stern,
von welchem ich Glanz empfange,
ist seit Jahrtausenden tot.
Ich glaube, im Boot,
das vorüberfuhr,
hörte ich etwas Banges sagen.
Im Hause hat eine Uhr
geschlagen….
In welchem Haus?…
Ich möchte aus meinem Herzen hinaus
unter den großen Himmel treten.
Ich möchte beten.
Und einer von allen Sternen
müßte wirklich noch sein.
Ich glaube, ich wüßte,
welcher allein
gedauert hat,
welcher wie eine weiße Stadt
am Ende des Strahls in den Himmeln steht….
Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.
Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen,
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig voneinander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:
dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen….
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Und du wartest, erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das Mächtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine,
Tiefen, dir zugekehrt.
Es dämmern im Bücherständer
die Bände in Gold und Braun;
und du denkst an durchfahrene Länder,
an Bilder, an die Gewänder
wiederverlorener Fraun.
Und da weißt du auf einmal: Das war es.
Du erhebst dich, und vor dir steht
eines vergangenen Jahres
Angst und Gestalt und Gebet.
Ich sehe seit einer Zeit,
wie alles sich verwandelt.
Etwas steht auf und handelt
und tötet und tut Leid.
Von Mal zu Mal sind all
die Gärten nicht dieselben;
von den gilbenden zu der gelben
langsamem Verfall:
wie war der Weg mir weit.
Jetzt bin ich beiden leeren
und schaue durch alle Alleen.
Fast bis zu den fernen Meeren
kann ich den ernsten schweren
verwehrenden Himmel sehn.
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
Meine Stube und diese Weite,
wach über nachtendem Land, —
ist Eines. Ich bin eine Saite,
über rauschende breite
Resonanzen gespannt.
Die Dinge sind Geigenleiber,
von murrendem Dunkel voll;
drin träumt das Weinen der Weiber,
drin rührt sich im Schlafe der Groll
ganzer Geschlechter….
Ich soll
silbern erzittern: dann wird
alles unter mir beben,
und was in den Dingen irrt,
wird nach dem Lichte streben,
das von meinem tanzenden Tone,
um welchen der Himmel wellt,
durch schmale, schmachtende Spalten
in die alten
Abgründe ohne
Ende fällt….
Nacht, stille Nacht, in die verwoben sind
ganz weiße Dinge, rote, bunte Dinge,
verstreute Farben, die erhoben sind
zu Einem Dunkel, Einer Stille, — bringe
doch mich auch in Beziehung zu dem Vielen,
das du erwirbst und überredest. Spielen
denn meine Sinne noch zu sehr mit Licht?
Würde sich denn mein Angesicht
noch immer störend von den Gegenständen
abheben? Urteile nach meinen Händen:
liegen sie nicht wie Werkzeug da und Ding?
Ist nicht der Ring selbst schlicht
an meiner Hand, und liegt das Licht
nicht ganz so, voll Vertrauen, über ihnen,—
als ob sie Wege wären, die beschienen
nicht anders sich verzweigen als im Dunkel?…
Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,
als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.
Immer verwandter werden mir die Dinge
und alle Bilder immer angeschauter.
Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:
mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche
ich in die windigen Himmel aus der Eiche,
und in den abgebrochnen Tag der Teiche
sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.
Ich bin wie eine Fahne von Fernen umgeben.
Ich ahne die Winde, die kommen, und muß sie leben,
während die Dinge unten sich noch nicht rühren:
die Türen schließen noch sanft, und in den Kaminen
ist Stille;
die Fenster zittern noch nicht, und der Staub ist
noch schwer.
Da weiß ich die Stürme schon und bin erregt wie
das Meer.
Und breite mich aus und falle in mich hinein
und werfe mich ab und bin ganz allein
in dem großen Sturm.
Wenn die Wolken, von Stürmen geschlagen,
jagen:
Himmel von hundert Tagen
über einem einzigen Tag—:
Dann fühl ich dich, Hetman, von fern
(der du deine Kosaken gern
zu dem größesten Herrn
führen wolltest).
Deinen wagrechten Nacken
fühl ich, Mazeppa.
Dann bin auch ich an das rasende Rennen
eines rauchenden Rückens gebunden;
alle Dinge sind mir verschwunden,
nur die Himmel kann ich erkennen:
Überdunkelt und überschienen
lieg ich flach unter ihnen,
wie Ebenen liegen;
meine Augen sind offen wie Teiche,
und in ihnen flüchtet das gleiche
Fliegen.
Der Park ist hoch. Und wie aus einem Haus
tret ich aus seiner Dämmerung heraus
in Ebene und Abend. In den Wind,
denselben Wind, den auch die Wolken fühlen,
die hellen Flüsse und die Flügelmühlen,
die langsam mahlend stehn am Himmelsrand.
Jetzt bin auch ich ein Ding in seiner Hand,
das kleinste unter diesen — Schau:
Ist das ein Himmel?:
Selig lichtes Blau,
in das sich immer reinere Wolken drängen,
und drunter alle Weiß in Übergängen,
und drüber jenes dünne große Grau,
warmwallend wie auf roter Untermalung,
und über allem diese stille Strahlung
sinkender Sonne.
Wunderlicher Bau,
in sich bewegt und von sich selbst gehalten,
Gestalten bildend, Riesenflügel, Falten
und Hochgebirge vor den ersten Sternen
und plötzlich, da: ein Tor in solche Fernen,
wie sie vielleicht nur Vögel kennen….
Der Abend wechselt langsam die Gewänder,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;
du schaust: und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins, das fällt;
und lassen dich, zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus, das schweigt,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht und steigt;
und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben, bang und riesenhaft und reifend,
so daß es, bald begrenzt und bald begreifend,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.
Wer jetzt weint irgendwo in der Welt,
ohne Grund weint in der Welt,
weint über mich.
Wer jetzt lacht irgendwo in der Nacht,
ohne Grund lacht in der Nacht,
lacht mich aus.
Wer jetzt geht irgendwo in der Welt,
ohne Grund geht in der Welt,
geht zu mir.
Wer jetzt stirbt irgendwo in der Welt,
ohne Grund stirbt in der Welt,
sieht mich an.
Ist einer, der nimmt alle in die Hand,
daß sie wie Sand durch seine Finger rinnen.
Er wählt die schönsten aus den Königinnen
und läßt sie sich in weißen Marmor hauen,
still liegend in des Mantels Melodie;
und legt die Könige zu ihren Frauen,
gebildet aus dem gleichen Stein wie sie.
Ist einer, der nimmt alle in die Hand,
daß sie wie schlechte Klingen sind und brechen.
Er ist kein Fremder, denn er wohnt im Blut,
das unser Leben ist und rauscht und ruht.
Ich kann nicht glauben, daß er unrecht tut;
doch hör ich viele Böses von ihm sprechen.
Der Gott erschrak in seiner Einsamkeit.
Er sah tief unten in der grauen Zeit
den Herbsttag gehn. Der war so greisenhaft,
als reichte nicht zum Abendrande weit
der matte Pfeil vom Bogen seiner Kraft.
Oft stand er still und starrte nach den Hügeln,
und endlich sank er matt ins arme Gras;
und wie der giere Geier auf das Aas,
so fiel auf ihn mit schweren, schwarzen Flügeln
die nasse Nacht, die seine Seele fraß.
Die schwarze Nacht saß auf dem toten Tag,
und Gott erschrak:
sein Blick ging lange in dem Dunkel irr;
und als er trat aus Wolken und Gewirr,
fand er die Ferne nicht, nicht Flut noch Feld:
die schwarze Nacht fraß an der ganzen Welt.
Da ahnte Gott, der schauernd niederblickte,
wie unter diesem schweren Schwingenschlag
die weite Welt erstarrte und erstickte
so wie ein Tag.
Und plötzlich wußte er: Er liebte sie.
Doch reglos schattend blieb das Nachtgefieder,
als von dem Rand der leeren Himmel nieder
sein Wille schrie….
Aber der Gott wird größer im Grimme;
wenn er einmal sein einsames Leid
in die erwachenden Weiten schreit,
ist der Sturm seine Stimme.
Und dann reißt sein wehendes Wort
von den Monden die Wolken fort:
und so sah er im Schimmer thronen
lauter ähnliche Ewigkeiten,
sah die Sterne der Stille wohnen
und die Welten im Wandel schreiten.
Und sein Bangen fand alles geborgen
in dem leise liebkosenden Licht,—
aber über dem Gestern und Morgen
schwieg die Nacht, und sie rührte sich nicht.
Und da war der Gott wie ein Kind,
und er wurde vor Weinen blind,
und durch den wimmernden Wind
griff er mit hilflosen Händen:
ob sie im Äther die Ufer fänden,
welche die Spitzen der Türme sind.
Sein Weinen verwaiste und rief:
“Ist denn die Welt so tief, so tief,
daß der Gott, der Sommer und Sonnen sann,
der in alle Gedanken tauchte,
den Rauch, der um ihre Gipfel rauchte—
ihren Atem — nicht einmal erreichen kann?
Ist dort kein Garten, der Blüten weht,
kein lauschendes Leid, kein waches Gebet,
keine Stille, die mich versteht?”
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
Auf Erden war nur ein winziges Licht,
das in dem samtenen Dunkel dicht
an der Wiege des Kindes wachte
und an sein ärmliches Dasein dachte,
als die Stimme des Sturmes klang.
Da wurde dem Funken so heimwehbang,
daß er aus blinkendem Becher sachte
wie der Quell aus dem Felsen sprang
und, die Falten des Vorhangs entlang,
wünschend nach allen Wänden griff,
bis sich berstend die Balken bogen,—
und auf hohen, lodernden Wogen
trieb die Wiege, das schlummernde Schiff.
Da regt sich die Welt. Von den Hängen hebt
scheu sich die Nacht vor dem siegenden Scheine.
Es lächelt der Gott; er weiß nur das eine:
Sie lebt!
Gib deine Schönheit immer hin
ohne rechnen und reden.
Du schweigst. Sie sagt für dich: Ich bin.
Und kommt in tausendfachem Sinn,
kommt endlich über jeden.
Du bist nicht näher an Gott als wir;
wir sind ihm alle weit.
Aber wunderbar sind dir
die Hände benedeit.
So reifen sie bei keiner Frau,
so schimmernd aus dem Saum:
Ich bin der Tag, ich bin der Tau,
du aber bist der Baum.
Ich bin jetzt matt, mein Weg war weit,
vergib mir, ich vergaß,
was er, der groß in Goldgeschmeid
wie in der Sonne saß,
dir künden ließ, du Sinnende,
(verwirrt hat mich der Raum).
Sieh: Ich bin das Beginnende,
du aber bist der Baum.
Ich spannte meine Schwingen aus
und wurde seltsam weit;
jetzt überfließt dein kleines Haus
von meinem großen Kleid.
Und dennoch bist du so allein
wie nie und schaust mich kaum;
das macht: Ich bin ein Hauch im Hain,
du aber bist der Baum.
Die Engel alle bangen so,
lassen einander los:
noch nie war das Verlangen so,
so ungewiß und groß.
Vielleicht, daß etwas bald geschieht,
das du im Traum begreifst.
Gegrüßt sei, meine Seele sieht:
Du bist bereit und reifst.
Du bist ein großes, hohes Tor,
und aufgehn wirst du bald.
Du, meines Liedes liebstes Ohr,
jetzt fühle ich: Mein Wort verlor
sich in dir wie im Wald.
So kam ich und vollendete
dir tausendeinen Traum.
Gott sah mich an: er blendete….
Du aber bist der Baum.
LEGENDE
Einst als am Saum der Wüsten sich
auftat die Hand des Herrn
wie eine Frucht, die sommerlich
verkündet ihren Kern,
da war ein Wunder: Fern
erkannten und begrüßten sich
drei Könige und ein Stern.
Drei Könige von Unterwegs
und der Stern Überall,
die zogen alle (überlegs!)
so rechts ein Rex und links ein Rex
zu einem stillen Stall.
Was brachten die nicht alles mit
zum Stall von Bethlehem!
Weithin erklirrte jeder Schritt,
und der auf einem Rappen ritt,
saß samten und bequem;
und der zu seiner Rechten ging,
der war ein goldner Mann;
und der zu seiner Linken fing
mit Schwung und Schwing
und Klang und Kling
aus einem runden Silberding,
das wiegend und in Ringen hing,
ganz blau zu rauchen an.
Da lachte der Stern Überall
so seltsam über sie
und lief voraus und stand am Stall
und sagte zu Marie:
Da bring ich eine Wanderschaft
aus vieler Fremde her.
Drei Könige mit Magenkraft,
von Gold und Topas schwer
und dunkel, tumb und heldenhaft,—
erschrick mir nicht zu sehr.
Sie haben alle drei zu Haus
zwölf Töchter, keinen Sohn,
so bitten sie sich deinen aus
als Sonne ihres Himmelblaus
und Trost für ihren Thron.
Doch mußt du nicht gleich glauben: Bloß
ein Funkel fürst und Heidenscheich
sei deines Sohnes Los.
Bedenk, der Weg ist groß.
Sie wandern lange, Hirten gleich,
inzwischen fällt ihr reifes Reich
weiß Gott wem in den Schoß.
Und während hier, wie Westwind warm,
der Ochs ihr Ohr umschnaubt,
sind sie vielleicht schon alle arm
und so wie ohne Haupt.
Drum mach mit deinem Lächeln licht
die Wirrnis, die sie sind,
und wende du dein Angesicht
nach Aufgang und dein Kind;
dort liegt in blauen Linien,
was jeder dir verließ:
Smaragda und Rubinien
und die Tale von Türkis.
Ein jeder aus der weißen Bruderschaft
vertraut sich pflanzend seinem kleinen Garten.
Auf jedem Beete steht, wer jeder sei.
Und einer harrt in heimlichen Hoffarten,
daß ihm im Mai
die ungestümen Blüten offenbarten
ein Bild von seiner unterdrückten Kraft.
Und seine Hände halten, wie erschlafft,
sein braunes Haupt, das schwer ist von den Säften,
die ungeduldig durch das Dunkel rollen,
und sein Gewand, das faltig, voll und wollen,
zu seinen Füßen fließt, ist stramm gestrafft
um seinen Armen, die, gleich starken Schäften,
die Hände tragen, welche träumen sollen.
Kein Miserere und kein Kyrie
will seine junge runde Stimme ziehn,
vor keinem Fluche will sie fliehn;
sie ist kein Reh.
Sie ist ein Roß und bäumt sich im Gebiß,
und über Hürde, Hang und Hindernis
will sie ihn tragen weit und weggewiß,
ganz ohne Sattel will sie tragen ihn.
Er aber sitzt, und unter den Gedanken
zerbrechen fast die breiten Handgelenke,
so schwer wird ihm der Sinn und immer schwerer.
Der Abend kommt, der sanfte Wiederkehrer,
ein Wind beginnt, die Wege werden leerer,
und Schatten sammeln sich im Talgesenke.
Und wie ein Kahn, der an der Kette schwankt,
so wird der Garten ungewiß und hangt
wie windgewiegt auf lauter Dämmerung.
Wer löst ihn los?…
Der Frate ist so jung,
und langelang ist seine Mutter tot.
Er weiß von ihr: sie nannten sie La Stanca;
sie war ein Glas, ganz zart und klar. Man bot
es einem, der es nach dem Trunk zerschlug
wie einen Krug.
So ist der Vater.
Und er hat sein Brot
als Meister in den roten Marmorbrüchen.
Und jede Wöchnerin in Pietrabianca
hat Furcht, daß er des Nachts mit seinen Flüchen
vorbei an ihrem Fenster kommt und droht.
Sein Sohn, den er der Donna Dolorosa
geweiht in einer Stunde wilder Not,
sinnt im Arkadenhofe der Certosa,
sinnt, wie umrauscht von rötlichen Gerüchen:
denn seine Blumen blühen alle rot.
AUS DEN BLÄTTERN EINES MÖNCHS
Sie werden alle wie aus einem Bade
aus ihren mürben Grüften auferstehn;
denn alle glauben an das Wiedersehn,
und furchtbar ist ihr Glauben, ohne Gnade.
Sprich leise, Gott! Es könnte einer meinen,
daß die Posaune deiner Reiche rief;
und ihrem Ton ist keine Tiefe tief:
da steigen alle Zeiten aus den Steinen,
und alle die Verschollenen erscheinen
in welken Leinen, brüchigen Gebeinen
und von der Schwere ihrer Schollen schief.
Das wird ein wunderliches Wiederkehren
in eine wunderliche Heimat sein;
auch die dich niemals kannten, werden schrein
und deine Größe wie ein Recht begehren:
wie Brot und Wein.
Allschauender, du kennst das wilde Bild,
das ich in meinem Dunkel zitternd dichte.
Durch dich kommt alles, denn du bist das Tor,—
und alles war in deinem Angesichte,
eh es in unserm sich verlor.
Du kennst das Bild vom riesigen Gerichte:
Ein Morgen ist es, doch aus einem Lichte,
das deine reife Liebe nie erschuf,
ein Rauschen ist es, nicht aus deinem Ruf,
ein Zittern, nicht von göttlichem Verzichte,
ein Schwanken, nicht in deinem Gleichgewichte.
Ein Rascheln ist und ein Zusammenraffen
in allen den geborstenen Gebäuden,
ein Sichentgelten und ein Sich vergeuden,
ein Sichbegatten und ein Sichbegaffen,
und ein Betasten aller alten Freuden
und aller Lüste welke Wiederkehr.
Und über Kirchen, die wie Wunden klaffen,
ziehn schwarze Vögel, die du nie erschaffen,
in irren Zügen hin und her.
So ringen sie, die lange Ausgeruhten,
und packen sich mit ihren nackten Zähnen
und werden bange, weil sie nicht mehr bluten,
und suchen, wo die Augenbecher gähnen,
mit kalten Fingern nach den toten Tränen.
Und werden müde. Wenige Minuten
nach ihrem Morgen bricht der Abend ein.
Sie werden ernst und lassen sich allein
und sind bereit, im Sturme aufzusteigen,
wenn sich auf deiner Liebe heitrem Wein
die dunklen Tropfen deines Zornes zeigen,
um deinem Urteil nah zu sein.
Und da beginnt es, nach dem großen Schrein:
das übergroße fürchterliche Schweigen.
Sie sitzen alle wie vor schwarzen Türen
in einem Licht, das sie, wie mit Geschwüren,
mit vielen grellen Flecken übersät.
Und wachsend wird der Abend alt und spät.
Und Nächte fallen dann in großen Stücken
auf ihre Hände und auf ihren Rücken,
der wankend sich mit schwarzer Last belädt.
Sie warten lange. Ihre Schultern schwanken
unter dem Drucke wie ein dunkles Meer,
sie sitzen, wie versunken in Gedanken,
und sind doch leer.
Was stützen sie die Stirnen?
Ihre Gehirne denken irgendwo
tief in der Erde, eingefallen, faltig:
Die ganze alte Erde denkt gewaltig,
und ihre großen Bäume rauschen so.
Allschauender, gedenkst du dieses bleichen
und bangen Bildes, das nicht seinesgleichen
unter den Bildern deines Willens hat?
Hast du nicht Angst vor dieser stummen Stadt,
die, an dir hangend wie ein welkes Blatt,
sich heben will zu deines Zornes Zeichen?
0, greife allen Tagen in die Speichen,
daß sie zu bald nicht diesem Ende nahen,—
vielleicht gelingt es dir noch auszuweichen
dem großen Schweigen, das wir beide sahen.
Vielleicht kannst du noch einen aus uns heben,
der diesem fürchterlichen Wiederleben
den Sinn, die Sehnsucht und die Seele nimmt,
einen, der bis in seinen Grund ergrimmt
und dennoch froh durch alle Dinge schwimmt,
der Kräfte unbekümmerter Verbraucher,
der sich auf allen Saiten geigt
und unversehrt als unerkannter Taucher
in alle Tode niedersteigt.
… Oder, wie hoffst du diesen Tag zu tragen,
der länger ist als aller Tage Längen,
mit seines Schweigens schrecklichen Gesängen,
wenn dann die Engel dich, wie lauter Fragen,
mit ihrem schauerlichen Flügelschlagen umdrängen?
Sieh, wie sie zitternd in den Schwingen hängen
und dir mit hunderttausend Augen klagen,
und ihres sanften Liedes Stimmen wagen
sich aus den vielen wirren Übergängen
nicht mehr zu heben zu den klaren Klängen.
Und wenn die Greise mit den breiten Bärten,
die dich berieten bei den besten Siegen,
nur leise ihre weißen Häupter wiegen,
und wenn die Frauen, die den Sohn dir nährten,
und die von ihm Verführten, die Gefährten,
und alle Jungfraun, die sich ihm gewährten:
die lichten Birken deiner dunklen Gärten,—
wer soll dir helfen, wenn sie alle schwiegen?
Und nur dein Sohn erhübe sich unter denen,
welche sitzen um deinen Thron.
Grübe sich deine Stimme dann in sein Herz?
Sagte dein einsamer Schmerz dann:
Sohn!
Suchtest du dann das Angesicht
dessen, der das Gericht gerufen,
dein Gericht und deinen Thron:
Sohn!
Hießest du, Vater, dann deinen Erben,
leise begleitet von Magdalenen,
niedersteigen zu jenen,
die sich sehnen, wieder zu sterben?
Das wäre dein letzter Königserlaß,
die letzte Huld und der letzte Haß;
aber dann käme alles zu Ruh:
der Himmel und das Gericht und du.
Alle Gewänder des Rätsels der Welt?
das sich so lange verschleiert hält,
fallen mit dieser Spange.
… Doch mir ist bange….
Allschauender, sieh, wie mir bange ist,
miß meine Qual!
Mir ist bange, daß du schon lange vergangen bist,
als du zum erstenmal
in deinem Alleserfassen
das Bild dieses blassen
Gesichtes sahst,
dem du dich hilflos nahst, Allschauender.
Bist du damals entflohn?
Wohin?
Vertrauender
kann keiner dir kommen
als ich,
der ich dich
nicht um Lohn
verraten will wie alle die Frommen.
Ich will nur, weil ich verborgen bin
und müde wie du, noch müder vielleicht,
und weil meine Angst vor dem großen Gericht
deiner gleicht,
will ich mich dicht,
Gesicht bei Gesicht,
an dich heften;
mit einigen Kräften
werden wir wehren dem großen Rade,
über welches die mächtigen Wasser gehn,
die rauschen und schnauben—
denn: Wehe, sie werden auferstehn.
So ist ihr Glauben: groß und ohne Gnade.
I
Könige in Legenden
sind wie Berge im Abend. Blenden
jeden, zu dem sie sich wenden.
Die Gürtel um ihre Lenden
und die lastenden Mantelenden
sind Länder und Leben wert.
Mit den reichgekleideten Händen
geht, schlank und nackt, das Schwert.
Ein junger König aus Norden war
in der Ukraine geschlagen.
Der haßte Frühling und Frauenhaar
und die Harfen und was sie sagen.
Der ritt auf einem grauen Pferd,
sein Auge schaute grau
und hatte niemals Glanz begehrt
zu Füßen einer Frau.
Keine war seinem Blicke blond,
keine hat küssen ihn gekonnt;
und wenn er zornig war,
so riß er einen Perlenmond
aus wunderschönem Haar.
Und wenn ihn Trauer überkam,
so machte er ein Mädchen zahm
und forschte, wessen Ring sie nahm
und wem sie ihren bot—
Und: hetzte ihr den Bräutigam
mit hundert Hunden tot.
Und er verließ sein graues Land,
das ohne Stimme war,
und ritt in einen Widerstand
und kämpfte um Gefahr,
bis ihn das Wunder überwand:
wie träumend ging ihm seine Hand
von Eisenband zu Eisenband
und war kein Schwert darin;
er war zum Schauen aufgewacht:
es schmeichelte die schöne Schlacht
um seinen Eigensinn.
Er saß zu Pferde: ihm entging
keine Gebärde rings.
Auf Silber sprach jetzt Ring zu Ring,
und Stimme war in jedem Ding,
und wie in vielen Glocken hing
die Seele jedes Dings.
Und auch der Wind war anders groß,
der in die Fahnen sprang,
schlank wie ein Panther, atemlos
und taumelnd vom Trompetenstoß,
der lachend mit ihm rang.
Und manchmal griff der Wind hinab:
da ging ein Blutender, — ein Knab,
welcher die Trommel schlug;
er trug sie immer auf und ab
und trug sie wie sein Herz ins Grab
vor seinem toten Zug.
Da wurde mancher Berg geballt,
als wär die Erde noch nicht alt
und baute sich erst auf;
bald stand das Eisen wie Basalt,
bald schwankte wie ein Abendwald
mit breiter steigender Gestalt
der großbewegte Hauf.
Es dampfte dumpf die Dunkelheit,
was dunkelte, war nicht die Zeit,—
und alles wurde grau,
aber schon fiel ein neues Scheit,
und wieder ward die Flamme breit
und festlich angefacht.
Sie griffen an: in fremder Tracht
ein Schwärm phantastischer Provinzen;
wie alles Eisen plötzlich lacht:
von einem silberlichten Prinzen
erschimmerte die Abendschlacht.
Die Fahnen flatterten wie Freuden,
und alle hatten königlich
in ihren Gesten ein Vergeuden,—
an fernen flammenden Gebäuden
entzündeten die Sterne sich….
Und Nacht war. Und die Schlacht trat sachte
zurück wie ein sehr müdes Meer,
das viele fremde Tote brachte,
und alle Toten waren schwer.
Vorsichtig ging das graue Pferd
(von großen Fäusten abgewehrt)
durch Männer, welche fremd verstarben,
und trat auf flaches schwarzes Gras.
Der auf dem grauen Pferde saß,
sah unten auf den feuchten Farben
viel Silber wie zerschelltes Glas.
Sah Eisen welken, Helme trinken
und Schwerter stehn in Panzernaht,
sterbende Hände sah er winken
mit einem Fetzen von Brokat…
Und sah es nicht.
Und ritt dem Lärme
der Feldschlacht nach, als ob er schwärme,
mit seinen Wangen voller Wärme
und mit den Augen von Verliebten….
Mein Vater war ein verbannter
König von überm Meer.
Ihm kam einmal ein Gesandter:
sein Mäntel war ein Panther,
und sein Schwert war schwer.
Mein Vater war wie immer
ohne Helm und Hermelin;
es dunkelte das Zimmer
wie immer arm um ihn.
Es zitterten seine Hände
und waren blaß und leer,—
in bilderlose Wände
blicklos schaute er.
Die Mutter ging im Garten
und wandelte weiß im Grün
und wollte den Wind erwarten
vor dem Abendglühn.
Ich träumte, sie würde mich rufen,
aber sie ging allein,—
ließ mich vom Rande der Stufen
horchen verhallenden Hufen
und ins Haus hinein:
Vater! Der fremde Gesandte…?
Der reitet wieder im Wind….
Was wollte der? Er erkannte
dein blondes Haar, mein Kind.
Vater! Wie war er gekleidet!
Wie der Mantel von ihm floß!
Geschmiedet und geschmeidet
war Schulter, Brust und Roß.
Er war eine Stimme im Stahle,
er war ein Mann aus Nacht,—
aber er hat eine schmale
Krone mitgebracht.
Sie klang bei jedem Schritte
an sein sehr schweres Schwert,
die Perle in ihrer Mitte
ist viele Leben wert.
Vom zornigen Ergreifen
verbogen ist der Reifen,
der oft gefallen war:
es ist eine Kinderkrone,—
denn Könige sind ohne;
— gib sie meinem Haar!
Ich will sie manchmal tragen
in Nächten, blaß vor Scham.
Und will dir, Vater, sagen,
woher der Gesandte kam.
Was dort die Dinge gelten,
ob steinern steht die Stadt,
oder ob man in Zelten
mich erwartet hat.
Mein Vater war ein Gekränkter
und kannte nur wenig Ruh.
Er hörte mir mit verhängter
Stirne nächtelang zu.
Mir lag im Haar der Ring.
Und ich sprach ganz nahe und sachte,
daß die Mutter nicht erwachte,—
die an dasselbe dachte,
wenn sie, ganz weiß gelassen,
vor abendlichen Massen
durch dunkle Gärten ging.
So wurden wir verträumte Geiger,
die leise aus den Türen treten,
um auszuschauen, eh sie beten,
ob nicht ein Nachbar sie belauscht.
Die erst, wenn alle sich zerstreuten,
hinter dem letzten Abendläuten,
die Lieder spielen, hinter denen
(wie Wald im Wind hinter Fontänen)
der dunkle Geigenkasten rauscht.
Denn dann nur sind die Stimmen gut,
wenn Schweigsamkeiten sie begleiten,
wenn hinter dem Gespräch der Saiten
Geräusche bleiben wie von Blut;
und bang und sinnlos sind die Zeiten,
wenn hinter ihren Eitelkeiten
nicht etwas waltet, welches ruht.
Geduld: es kreist der leise Zeiger,
und was verheißen ward, wird sein:
wir sind die Flüstrer vor dem Schweiger,
wir sind die Wiesen vor dem Hain;
in ihnen geht noch dunkles Summen—
(viel Stimmen sind und doch kein Chor)
und sie bereiten auf die stummen
tiefen heiligen Haine vor….
I
Das war in Tagen, da die Berge kamen:
die Bäume bäumten sich, die noch nicht zahmen,
und rauschend in die Rüstung stieg der Strom.
Zwei fremde Pilger riefen einen Namen,
und aufgewacht aus seinem langen Lahmen
war Ilija, der Riese von Murom.
Die alten Eltern brachen in den Äckern
an Steinen ab und an den wilden Wuchs;
da kam der Sohn, ganz groß, von seinen Weckern
und zwang die Furchen in die Furcht des Pflugs.
Er hob die Stämme, die wie Streiter standen,
und lachte ihres wankenden Gewichts,
und aufgestört wie schwarze Schlangen wanden
die Wurzeln, welche nur das Dunkel kannten,
sich in dem breiten Griff des Lichts.
Es stärkte sich im frühen Tau die Mähre,
in deren Adern Kraft und Adel schlief;
sie reifte unter ihres Reiters Schwere,
ihr Wiehern war wie eine Stimme tief,—
und beide fühlten, wie das Ungefähre
sie mit verheißenden Gefahren rief.
Und reiten, reiten… vielleicht tausend Jahre.
Wer zählt die Zeit, wenn einmal einer will.
(Vielleicht saß er auch tausend Jahre still.)
Das Wirkliche ist wie das Wunderbare:
es mißt die Welt mit eigenmächtigen Maßen;
Jahrtausende sind ihm zu jung.
Weit schreiten werden, welche lange saßen
in ihrer tiefen Dämmerung.
II
Noch drohen große Vögel allenthalben,
und Drachen glühn und hüten überall
der Wälder Wunder und der Schluchten Fall;
und Knaben wachsen an, und Männer salben
sich zu dem Kampfe mit der Nachtigall,
die oben in den Kronen von neun Eichen
sich lagert wie ein tausendfaches Tier,
und abends geht ein Schreien ohnegleichen,
ein schreiendes Bis-an-das-Ende-reichen,
und geht die ganze Nacht lang aus von ihr;
die Frühlingsnacht, die schrecklicher als alles
und schwerer war und banger zu bestehn:
ringsum kein Zeichen eines Überfalles
und dennoch alles voller Übergehn,
hinwerfend sich und Stück für Stück sich gebend,
ja jenes Etwas, welches um sich griff,
anrufend noch, am ganzen Leibe bebend
und darin untergehend wie ein Schiff.
Das waren Überstarke, die da blieben,
von diesem Riesigen nicht aufgerieben,
das aus den Kehlen wie aus Kratern brach;
sie dauerten, und alternd nach und nach
begriffen sie die Bangnis der Aprile,
und ihre ruhigen Hände hielten viele
und führten sie durch Furcht und Ungemach
zu Tagen, da sie froher und gesünder
die Mauern bauten um die Städtegründer,
die über allem gut und kundig saßen.
Und schließlich kamen auf den ersten Straßen
aus Höhlen und verhaßten Hinterhalten
die Tiere, die für unerbittlich galten.
Sie stiegen still aus ihren Übermaßen
(beschämte und veraltete Gewalten)
und legten sich gehorsam vor die Alten.
III
Seine Diener füttern mit mehr und mehr
ein Rudel von jenen wilden Gerüchten,
die auch noch Er sind, alles noch Er.
Seine Günstlinge flüchten vor ihm her.
Und seine Frauen flüstern und stiften
Bünde. Und er hört sie ganz innen
in ihren Gemächern mit Dienerinnen,
die sich scheu umsehn, sprechen von Giften.
Alle Wände sind hohl von Schränken und Fächern,
Mörder ducken unter den Dächern
und spielen Mönche mit viel Geschick.
Und er hat nichts als einen Blick
dann und wann; als den leisen
Schritt auf den Treppen, die kreisen;
nichts als das Eisen an seinem Stock.
Nichts als den dürftigen Büßerrock
(durch den die Kälte aus den Fliesen
an ihm hinaufkriecht wie mit Krallen),
nichts, was er zu rufen Wagt,
nichts als die Angst vor allen diesen,
nichts als die tägliche Angst vor allen,
die ihn jagt durch diese gejagten
Gesichter an dunklen, ungefragten,
vielleicht schuldigen Händen entlang.
Manchmal packt er einen im Gang
grade noch an des Mantels Falten,
und er zerrt ihn zornig her;
aber im Fenster weiß er nicht mehr:
Wer ist Haltender? Wer ist gehalten?
Wer bin ich und wer ist der?
IV
Es ist die Stunde, da das Reich sich eitel
in seines Glanzes vielen Spiegeln sieht.
Der blasse Zar, des Stammes letztes Glied,
träumt auf dem Thron, davor das Fest geschieht,
und leise zittert sein beschämter Scheitel
und seine Hand, die vor den Purpurlehnen
mit einem unbestimmten Sehnen
ins wirre Ungewisse flieht.
Und um sein Schweigen neigen sich Bojaren
in blanken Panzern und in Pantherfellen,
wie viele fremde fürstliche Gefahren,
die ihn mit stummer Ungeduld umstellen.
Tief in den Saal schlägt ihre Ehrfurcht Wellen.
Und sie gedenken eines andern Zaren,
der oft mit Worten, die aus Wahnsinn waren,
ihnen die Stirnen an die Steine stieß.
Und denken also weiter: jener ließ
nicht so viel Raum, wenn er zu Throne saß,
auf dem verwelkten Samt des Kissens leer.
Er war der Dinge dunkles Maß,
und die Bojaren wußten lang nicht mehr,
daß rot der Sitz des Sessels sei, so schwer
lag sein Gewand und wurde golden breit.
Und weiter denken sie: Das Kaiserkleid
schläft auf den Schultern dieses Knaben ein.
Obgleich im ganzen Saal die Fackeln flacken,
sind bleich die Perlen, die in sieben Reihn
wie weiße Kinder knien um seinen Nacken,
und die Rubine an den Ärmelzacken,
die einst Pokale waren, klar von Wein,
sind schwarz wie Schlacken—
Und ihr Denken schwillt.
Es drängt sich heftig an den blassen Kaiser,
auf dessen Haupt die Krone immer leiser
und dem der Wille immer fremder wird;
er lächelt. Lauter prüfen ihn die Preiser,
ihr Neigen nähert sich, sie schmeicheln heiser,
und eine Klinge hat im Traum geklirrt.
V