Banditen-Papa - David Walliams - E-Book

Banditen-Papa E-Book

David Walliams

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Beschreibung

Papas gibt es in allen Formen und Größen – es gibt dicke und dünne, große und kleine, dumme und schlaue, laute und leise Papas. Aber keiner ist so wie Franks Papa Gilbert. Denn der ist ein berühmter Rennfahrer, der König der Straße, der Champion der Rennstrecke, von allen nur Gilbert der Große genannt! Doch nach einem schlimmen Unfall ist alles anders: Papa darf keine Rennen mehr fahren, und auf einmal sind Frank und Gilbert arm. Nachdem sie alle Möbel verpfändet haben, beschließt Papa in seiner Verzweiflung, das Fluchtauto bei einem Raubüberfall zu fahren, den der schreckliche Verbrecherboss Mr. Big und seine trotteligen Helfer Finger und Däumling planen. Doch er hat nicht mit seinem Sohn gerechnet: Frank ist wild entschlossen, seinen Vater davon abzuhalten, ein Banditen-Papa zu werden!

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Seitenzahl: 196

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David Walliams

Banditen-Papa

 

Aus dem Englischen von Christiane Steen

 

Illustriert von Tony Ross

Über dieses Buch

 

 

Papas gibt es in allen Formen und Größen. Es gibt dicke und dünne, große und kleine Papas.

Es gibt junge und alte, kluge und dumme Papas.

Es gibt alberne und ernste, laute und leise Papas.

Und natürlich gibt es gute Papas und miese Papas.

Frank allerdings hat einen Banditen-Papa!

 

Die rasante Vater-Sohn-Geschichte von Bestseller-Autor David Walliams!

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

David Walliams ist der erfolgreichste britische Kinderbuchautor der letzten Jahre und gilt als würdiger Nachfolger von Roald Dahl. In England kennt ihn jedes Kind. Wenn er nicht gerade Kinderbücher schreibt, schwimmt er schon mal für einen guten Zweck 225 Kilometer die Themse hinab oder durch den Ärmelkanal. Außerdem spielt er in der englischen Comedyserie «Little Britain» mit und sitzt in der Jury von «Britain’s Got Talent».

Kapitel 1WROOOAAM!

WROOOAAM!, machte Papas Auto, als es über die Sandstrecke preschte. Franks Vater war Rennfahrer für Stockcars. Das war ein gefährlicher Sport. Die Autos krachten ineinander …

… während sie immer im Kreis herumrasten.

Papa steuerte einen alten Mini, den er selbst aufgemotzt hatte. Er hatte die englische Fahne auf das Auto gemalt und es «QUEENIE» getauft, weil er ein großer Fan der englischen Königin war. Das Auto war ebenso berühmt wie Papa. QUEENIESMotorengeräusch war unverwechselbar, denn es klang wie das Brüllen eines Löwen.

WROOOAAM!

Papa war der König der Fahrbahn. Er war der beste Stockcar-Fahrer, den die Stadt je gesehen hatte. Die Leute reisten aus dem ganzen Land herbei, um ihn fahren zu sehen. Niemand gewann öfter Rennen als er. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr hielt Papa die Pokale in die Höhe, und die Menge jubelte und schrie seinen Namen:

Das Leben war wundervoll. Weil Papa ein Held war, war er überall willkommen. Wenn er mit seinem Sohn Frank ins Restaurant ging, dann füllte ihm der Wirt die doppelte Portion auf den Teller und wollte noch nicht mal Geld von ihm. Wenn Frank mit seinem Vater die Straße herunterging, dann hupten die Leute in den vorbeifahrenden Autos …

HUUP! HUUP!

… und lächelten und winkten. Frank war jedes Mal furchtbar stolz auf seinen Papa. Und er bekam sogar bessere Noten in Mathe, nachdem sein Lehrer beim Elternabend mit Papa ein Foto machen durfte.

Frank war Papas größter Fan. Er himmelte ihn an. Papa war sein Held. Frank wollte unbedingt später ein genauso berühmter Rennfahrer werden wie er. Er träumte sogar davon, eines Tages QUEENIE zu fahren.

Wie man sich denken kann, sahen Vater und Sohn sich sehr ähnlich. Sie waren beide klein und rundlich und hatten abstehende Ohren. Frank sah aus wie eine geschrumpfte Ausgabe seines Vaters. Er wusste, dass er niemals der Größte oder der Hübscheste oder der Stärkste oder der Schlaueste oder der Lustigste in der Klasse sein würde. Aber er hatte erlebt, welche Wunder sein Vater durch sein Können und seinen Mut auf der Rennbahn vollbringen konnte. Und das wollte er auch erleben.

Papa erlaubte Frank nicht, bei den Rennen zuzuschauen. Das Rennen begann am Abend mit zwanzig Autos, die die Sandbahn entlangpreschten, doch am Ende blieb immer nur noch ein einziges Auto übrig. Die Fahrer wurden bei den Zusammenstößen oft schwer verletzt, und manchmal verletzten sich sogar die Zuschauer, weil die Autos in die Ränge rasten.

«Das ist zu gefährlich, Kumpel», sagte Papa. Gilbert nannte seinen Sohn immer «Kumpel». Sie waren zwar Vater und Sohn, aber sie waren auch die besten Freunde.

«Aber Papa …», bettelte Frank, wenn sein Vater ihn abends zudeckte.

«Kein Aber, Kumpel. Ich möchte nicht, dass du dabei bist, falls ich verletzt werde.»

«Aber du bist der Beste! Du wirst niemals verletzt!»

«Kein Aber, habe ich gesagt. Jetzt sei ein braver Junge. Gib mir einen Knuddler[*], und dann schlaf schön.»

Papa küsste seinen Sohn immer auf die Stirn, bevor er zur Arbeit auf die Rennbahn ging. Frank schloss dann die Augen und tat so, als würde er schlafen. Doch sobald er hörte, wie die Tür zufiel, kroch er aus dem Bett und schlich den Flur hinab bis zur Haustür, damit seine Mutter ihn nicht hörte. Sie schloss sich allerdings immer in ihrem Schlafzimmer ein und telefonierte im Flüsterton, sobald ihr Mann aus dem Haus war. Dann lief Frank im Schlafanzug den ganzen Weg bis zur Rennbahn.

Direkt vor dem Stadion befand sich ein riesiger Turm aus rostigen alten Autos, die bei vorigen Rennen ineinandergefahren waren. Diesen Turm kletterte Frank hinauf. Von dort hatte er den besten Blick auf das Rennen. Er saß dann im Schneidersitz auf dem Dach des obersten Autos und sah all die Stockcars vorbeirasen. Jedes Mal, wenn QUEENIE vorbeischoss und der Motor dabei laut aufbrüllte, jubelte der Junge:

Papa ahnte nicht, dass sein Sohn dort oben saß. Er wollte nicht, dass Frank beim Rennen zusah, denn er fürchtete immer, dass das Schlimmste passierte.

Und eines Nachts passierte es wirklich.

Kapitel 2Außer Kontrolle

Am Abend des Unfalls schien an Papas Auto irgendetwas von Anfang an nicht zu stimmen. Anstatt zu brüllen wie sonst, gab der Mini ein kreischendes Geräusch von sich, als würde er gleich explodieren.

Sobald Papa QUEENIE an der Startlinie in Position gebracht hatte, bockte das Auto wie ein buckelnder Stier.

An diesem schicksalhaften Abend saß Frank wie immer oben auf dem Autostapel vor dem Stadion. Es war tiefster Winter, und Wind und Regen wirbelten um ihn herum. Aber auch wenn er bis auf die Haut durchnässt war, wollte Frank niemals ein Rennen verpassen.

Doch irgendwas stimmte nicht an diesem Abend. Ganz und gar nicht.

Sobald die Flagge den Start des Rennens anzeigte, musste Papa sich richtig anstrengen, um die Kontrolle über sein Auto zu behalten.

Das Brüllen des Minis war nicht zu hören, sondern nur dieses kreischende Geräusch. Ein ängstliches Schweigen senkte sich über die Zuschauermenge. Frank wurde übel.

Plötzlich schoss hinten aus QUEENIES Auspuffrohr eine riesige Explosion hervor.

«PAPA!», schrie Frank. Doch über die Entfernung und bei all den Motorengeräuschen der anderen Autos konnte Papa seinen Sohn nicht hören. Frank wollte unbedingt helfen, irgendetwas tun, aber er konnte das Geschehen nicht aufhalten.

Der Mini wurde immer schneller und ließ sich nicht mehr bremsen.

Die Kunst beim Rennfahren besteht darin zu wissen, wann man die Geschwindigkeit erhöhen oder drosseln muss. Papa nahm die Kurven jetzt schon viel zu schnell – das machte ein Champion-Stockcar-Fahrer einfach nicht. Franks Herz klopfte in seiner Brust. QUEENIES Bremsen mussten kaputt sein! Aber wieso? Papa überprüfte sein Auto vor jedem Rennen mehrmals gründlich.

Plötzlich schlingerteQUEENIE scharf, um einen Frontalzusammenstoß mit einem Ford Capri zu vermeiden. Doch der Mini fuhr viel zu schnell, und beim Ausweichmanöver überschlug er sich noch mal und noch mal und noch mal.

Schließlich lag Papas Auto falsch herum mitten auf der Rennstrecke. Der nachfolgende Jaguar krachte in den Mini und schleuderte ihn durch die Luft. Das Auto knallte wieder auf den Boden …

… und zerbrach in seine Einzelteile.

«NEIN, PAPA, NEIN!», schrie Frank von seinem Turm herab.

Unten auf der Rennstrecke fuhren die Autos ineinander.

Metall knallte auf Metall, und Glas splitterte.

«NEEEEIIIINN!», schrie Frank.

Hastig kletterte er den Turm hinunter und rannte durch die Menschenmenge zum Auto seines Vaters. Ein Krankenhaushubschrauber knatterte bereits über der Unfallszene und landete schließlich daneben. Frank hielt seinem Vater im Wrack die Hand, während die Feuerwehrmänner ihn aus dem Fahrzeug schnitten.

«Was machst du denn hier, Kumpel?», flüsterte Papa. «Du solltest zu Hause im Bett sein.»

«Tut mir leid, Papa», antwortete Frank.

«Ich werde einen Riesenknuddler brauchen, wenn ich hier raus bin.»

«Alles wird gut, Papa. Das verspreche ich.»

Aber es war ein Versprechen, das Frank nicht halten konnte.

Kapitel 3Welches Bein?

TATÜ-TATAA!TATÜ-TATAA!

Frank hielt seinem Vater die Hand, während sie zum Krankenhaus rasten. Gilberts rechtes Bein war beim Unfall total zerquetscht worden, und er verlor eine Menge Blut.

«Mr. Goodie», sagte der Arzt, sobald Papa in die Notaufnahme gebracht worden war, «ich habe sehr schlechte Nachrichten für Sie. Wir müssen Ihnen das Bein amputieren.»

«Welches Bein?», antwortete Papa, der trotz allem seinen Humor noch nicht verloren hatte.

«Das rechte, natürlich. Wenn wir nicht sofort operieren, werden Sie vermutlich sterben.»

«Ich will nicht, dass du stirbst, Papa!», sagte Frank.

«Ist schon gut, Kumpel. Ich bin ziemlich gut im Hüpfen.»

Während Papa in den OP gebracht wurde, versuchte Frank immer wieder, seine Mutter anzurufen, doch es war stundenlang besetzt. Die Operation dauerte die ganze Nacht. Frank lief im Wartebereich auf und ab und konnte nicht schlafen. Als sein Vater am Morgen endlich aus der Narkose erwachte und die Augen aufschlug, sah er als Erstes seinen Sohn.

«Kumpel, du bist der Beste», flüsterte Papa. Er hatte offensichtlich große Schmerzen.

«Ich bin ja so froh, dass du es geschafft hast, Papa», antwortete Frank.

«Natürlich. Ich will doch dabei sein, wenn du groß wirst. Wo ist deine Mutter?»

«Ich weiß es nicht, Papa. Ich habe die ganze Nacht versucht, sie anzurufen, aber es war immer besetzt.»

«Sie wird schon kommen.»

Aber es vergingen noch Stunden, bis sie endlich kam.

 

«Oh, Gilbert!», rief Franks Mama bei Papas Anblick, und dann brach sie in Tränen aus.

Das Familientreffen war jedoch nur kurz, denn sie verabschiedete sich schnell wieder. Gilbert musste monatelang im Krankenhaus bleiben, doch die Besuche seiner Frau wurden seltener und seltener und fielen immer kürzer aus. Die Schwestern bauten jedoch für Frank ein Klappbett auf, und dort schlief er jede Nacht an der Seite seines Vaters.

Eines Tages brachten die Ärzte ein Holzbein für Gilbert. Es passte perfekt. Innerhalb weniger Tage lernte er, damit zu laufen, und bestand darauf, den ganzen Weg vom Krankenhaus bis zu ihrem Wohnblock zu Fuß zu gehen.

«Ich kann immer noch alles tun!», sagte Papa stolz.

Er humpelte zwar, und Frank hielt den ganzen Weg über seine Hand, doch schließlich kamen sie zu Hause an.

Als sie in ihre Wohnung kamen, war Mama nicht da. Sie hatte einen Zettel auf den Küchentisch gelegt. Darauf stand:

Kapitel 4Fiese Männer

«Was soll das bedeuten, Papa?», fragte Frank. «Was tut ihr leid?»

«Dass sie uns verlassen hat.»

«Kommt sie denn nicht wieder?»

«Nein.»

«Warum nicht?»

«Weil deine Mama jetzt mit einem kleinen Mann in einem großen Haus lebt.»

«Aber …!»

«Es tut mir leid, Frank. Ich habe mein Bestes gegeben. Aber mein Bestes war für sie wohl nicht gut genug.»

«Das tut mir leid, Papa.»

«Ich brauche einen Knuddler.»

«Ich auch.»

Vater und Sohn nahmen sich gegenseitig in den Arm und hielten sich fest, und dann weinten und weinten sie, bis sie nicht mehr konnten.

Papa sprach auch in Zukunft niemals schlecht über seine Frau – die nun seine Exfrau war –, doch Frank war tieftraurig darüber, dass seine Mutter sich nicht einmal von ihm verabschiedet hatte.

Auch wenn sie jetzt in einem riesigen Haus lebte, lud Mama ihn niemals zu sich ein. Nicht ein einziges Mal. Als sie Franks Geburtstag zum zweiten Mal hintereinander vergaß, hatte Frank ebenfalls keine Lust mehr, seine Mutter zu sehen. Wochen und Monate vergingen, ohne dass sie miteinander sprachen, und dann wurde es immer schwieriger, sie auch nur anzurufen. Also tat er es nicht.Frank hörte jedoch niemals auf, an sie zu denken. Es war seltsam, denn auch wenn seine Mutter ihn so verletzt hatte, liebte er sie trotzdem noch.

Papa verlor nach dem Unfall alles. Nicht nur sein Bein, sondern auch seine Frau. Und schon bald sollte er noch etwas verlieren, was ihm lieb war:

seinen Job.

Gilbert war mit Leib und Seele Stockcar-Fahrer. Schon als Junge hatte er davon geträumt. Doch wie sehr er auch bettelte, die Besitzer der Rennbahn wollten ihm nicht erlauben, jemals wieder Rennen zu fahren. Sie machten ihn für den Unfall verantwortlich. Außerdem sagten sie, dass er mit nur einem Bein nicht mehr Auto fahren könne.

Also versuchte Papa, einen anderen Job zu finden, irgendeinen Job. Doch in der Stadt gab es nicht viele freie Stellen, und niemand wollte einen Mann mit Holzbein einstellen.

Papa war daran gewöhnt, ein Held zu sein, doch nun fühlte er sich wie eine Null.

Zwei kalte Weihnachten kamen und gingen. Mit der Zeit machte Frank sich immer mehr Sorgen um seinen Vater. Manchmal saß Papa einfach nur in seinem Sessel und starrte vor sich hin. Und oft verließ er tagelang nicht die Wohnung.

Niemand hupte mehr, wenn die beiden die Straße entlanggingen, und jetzt konnten sie es sich auch nicht mehr leisten, ins Restaurant zu gehen, wo sie auch bestimmt keine doppelten Portionen mehr bekommen hätten.

An Franks elftem Geburtstag kaufte Papa seinem Sohn eine riesige Modell-Rennbahn. Frank war glücklich.

Es war das allerbeste Geschenk der Welt. Papa hatte sogar die englische Flagge auf einen der Mini-Rennwagen gemalt, sodass er genauso aussah wie QUEENIE. Sie ließen die Autos stundenlang herumrasen und spielten Papas berühmte Siege auf der Rennbahn nach.

Doch sosehr er seine Modell-Rennbahn auch liebte, fragte Frank sich doch voller Sorge, woher sein Vater, der nun schon seit ein paar Jahren arbeitslos war, auf einmal so viel Geld hatte, um sie zu bezahlen. Frank wusste, dass nur wenige Kinder so eine Modell-Rennbahn besaßen. So etwas kostete Hunderte von Pfund. Und Papa besaß keine Hunderte von Pfund.

Kurz nach Franks Geburtstag bekamen sie immer wieder Besuch von fiesen Männern, die an ihre Wohnungstür hämmerten.

Sie fuchtelten mit Zetteln herum und schrien irgendetwas von offenen Schulden. Dann drängten sie sich an Frank vorbei in die Wohnung und nahmen alles mit, was sie für einigermaßen wertvoll hielten. Erst kam der Fernseher dran, dann das Sofa und schließlich Franks Hochbett.

Als Frank einmal nicht an die Tür ging, traten sie sie einfach ein. An diesem Tag nahmen sie die Modell-Rennbahn mit.

Nach diesen Besuchen sah Papa immer ganz verzweifelt aus und saß nur noch schweigend da. Frank tat sein Bestes, um seinen traurigen Papa wieder aufzumuntern.

«Sei nicht traurig, Papa», sagte er. «Ich hole unsere Sachen eines Tages alle zurück, das verspreche ich. Wenn ich erwachsen bin, dann werde ich Rennfahrer so wie du.»

«Komm her, Sohn, und gib mir einen Knuddler.»

Die beiden umarmten sich, und damit war alles wieder gut. Sie waren vielleicht arm, doch im Herzen fühlte Frank sich niemals arm. Es war ihm egal, dass seine Pullover so viele Löcher hatten, dass kaum noch Wolle drum herum war. Es interessierte ihn nicht, dass er seine Schulbücher in einer Plastiktüte tragen musste, die immer riss. Bald schon war es normal, dass in ihrer Wohnung nur noch eine Glühbirne funktionierte, die sie abends von einem Zimmer ins andere mitnehmen mussten.

Das lag daran, dass der Junge den besten Papa auf der Welt hatte. Jedenfalls dachte er das.

Kapitel 5Streng geheim

Eines Abends, sie aßen gerade kalte Baked Beans in ihrer kalten Wohnung, gab Papa beim Abendessen etwas bekannt.

«Ab heute wird alles anders.»

Frank sah seinen Vater beunruhigt an. Auch wenn die beiden nichts besaßen, mochte der Junge doch alles so, wie es war. Papa legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter.

«Das ist kein Grund, sich Sorgen zu machen, Kumpel. Alles wird besser werden.»

«Aber wie?»

«Unser Leben wird sich ändern. Ich habe einen Job.»

«Toll, Papa! Das freut mich aber für dich!»

«Ich freue mich auch», antwortete Papa, aber er sah gar nicht erfreut aus.

«Was ist das für ein Job?»

«Ein Fahrerjob.»

«Stockcar-Fahren?», fragte Frank aufgeregt.

«Nein», sagte Papa. Er schien zu überlegen. «Aber ich werde schnell fahren. Sehr schnell.»

«Wow!» Franks Augen leuchteten auf wie die Scheinwerfer eines Autos.

«Ja! Wow! Und ich verdiene Geld. Viel Geld. Wir können uns den Fernseher zurückholen.»

«Der Fernseher ist langweilig. Ich höre lieber deine Rennfahrergeschichten.»

«Okay, Kumpel, dann holen wir uns das Sofa zurück!»

Der Junge dachte nach. Es war nicht besonders gemütlich, beim Essen auf einer Holzkiste zu sitzen. «Aber mich stören die Splitter im Hintern gar nicht.»

«Ehrlich?», lachte Papa, und dabei wackelte er auf der Holzkiste vor und zurück.

«Autsch! Jetzt habe ich noch einen!»

«Ha! Ha!»

«Also gut, also gut. Ich weiß, was du wirklich wiederhaben willst.»

«Was?»

«Deine Modell-Rennbahn.»

Der Junge schwieg. Die Rennbahn vermisste er wirklich. «Ja, vielleicht, Papa.»

«Es tut mir wirklich leid, dass sie die mitgenommen haben, Kumpel.»

«Nicht schlimm, Papa.»

Frank spürte, dass irgendwas an seinem Vater merkwürdig war – er wusste nur nicht, was. Lag es an diesem geheimnisvollen Job?

«Also, was wirst du denn fahren, Papa? Einen Rennwagen?»

«Nein, ich muss zwar schnell fahren, aber auf normalen Straßen.»

«Einen Krankenwagen?»

«Nein.»

«EINEN FEUERWEHRWAGEN?»

«Nein.»

Der Junge riss die Augen auf. «Doch nicht für die Polizei?»

Papa brachte es fertig, gleichzeitig zu nicken und den Kopf zu schütteln. «So was in der Art, ja.»

Frank zerbrach sich den Kopf. «Papa, was meinst du mit ‹So was in der Art›?»

«Na ja, das ist STRENG GEHEIM.»

«ERZÄHL’S MIR!», verlangte der Junge.

«Es wäre ja nicht mehr STRENG GEHEIM, wenn ich es dir erzähle!»

«Na ja, aber beinahe STRENG GEHEIM.»

«Ich kann nicht, Kumpel. Tut mir leid. Aber ich werde dafür bezahlt. Sehr gut bezahlt. Mit sehr viel Geld. Und wir können uns Sachen kaufen. Massenhaft Sachen. Neue Schuhe, Spielsachen, Computerspiele, was immer du willst.»

Frank sah mit Sorge, wie die Augen seines Vaters immer größer wurden. Es klang alles zu schön, um wahr zu sein.

«Aber ich brauche nicht massenhaft Sachen, Papa. Ich brauche nur dich.»

Das nahm Papa den Wind aus den Segeln. «Ja, ja, mach dir keine Sorgen. Ich werde hier sein. Ich gehe nirgendwohin.»

«Versprochen?»

«Ja, ja, versprochen, Kumpel.»

«Und du wirst auch nicht verletzt?», fragte der Junge. Auf keinen Fall wollte er, dass sein Vater auch noch sein linkes Bein verlor.

«Versprochen!», sagte Papa und hielt drei Finger seiner rechten Hand hoch. «Pfadfinderehrenwort. Ha! Ha!»

«Du warst doch nie bei den Pfadfindern.»

«Das macht nichts. Nun iss deine Baked Beans auf, du musst jetzt ins Bett!»

Wie alle Kinder auf der Welt wusste Frank genau, wann seine Schlafenszeit war und wann nicht. «Aber jetzt ist noch nicht Schlafenszeit!», protestierte er.

«Die Zeit, in der du schlafen gehst, ist Schlafenszeit.»

Diese Logik ärgerte Frank.

«Das ist unfair! Wieso muss ich denn jetzt schon ins Bett?»

«Tante Flip kommt gleich, um auf dich aufzupassen.»

«Oh nein», antwortete Frank.

«Nun sei nicht so. Sie ist die einzige Familie, die wir haben. Und das Beste an ihr ist, dass sie immer bereit ist, zum Babysitten vorbeizukommen.»

«Ich bin aber kein Baby!»

«Das weiß ich, Kumpel.»

«Wo gehst du überhaupt hin?»

«Ich treffe mich nur mit Leuten im Pub.»

«Kann ich mitkommen, Papa?»

«NEIN!»

«BITTE!», bettelte der Junge.

«Nein! Das ist nur was für Erwachsene. Außerdem dürfen Kinder gar nicht in den Pub.»

«Aber ich will mit.»

«Sorry, Kumpel, das geht nicht. Jetzt komm, gib mir einen Knuddler.»

An diesem Abend war der Knuddler noch fester als sonst. Papa hielt seinen Sohn immer ein wenig länger im Arm, wenn er sich um etwas Sorgen machte. Frank war nicht dumm. Er wusste, dass irgendwas faul war. Er wusste nur nicht, was.

Noch nicht.

Kapitel 6Der Geruch von alten Büchern

Tante Flip war nicht Franks Tante. Sie war Papas Tante. «Flip» war die Kurzform von Philippa, und sie gab stets damit an, dass sie vom feinen Teil der Familie abstammte, obwohl es so einen feinen Teil gar nicht gab. Tante Flip roch nach alten Büchern. Das lag vermutlich daran, dass sie Bibliothekarin war. Sie trug eine Brille, deren Gläser dicker waren als das Glas eines Haifischtanks. Ihre Vorstellung von einem gemütlichen Abend war, einen Stapel ihrer unveröffentlichten Gedichtbände mitzubringen, die sie Frank dann laut vorlas.

Und Tante Flip hatte viele Gedichtbände geschrieben:

Frank hasste Gedichte. Tante Flip las ihm ihre Gedichte über Wolken und Stachelbeeren und Regentage und Vogelgesang und Körperpuder vor. Für Frank war das Zuhören die reinste QUAL.

An diesem Abend ärgerte Frank sich besonders darüber, dass er mit Tante Flip allein sein musste, während sein Vater zu seinem superaufregenden, STRENG GEHEIMEN DAS-KANN-ICH-NICHT-MAL-MEINEM-SOHN-ERZÄHLEN TREFFEN ging. Frank zog sich mürrisch den Schlafanzug an und schob dann den Kopf ins Wohnzimmer.

«Gute Nacht, Tante Flip!», sagte er schnell und wollte gleich wieder verschwinden.

«Noch nicht!», flötete die Dame.

«Wie bitte?»

«Heute darfst du ausnahmsweise länger aufbleiben, junger Mann.»

«COOL!», rief der Junge.

«Ja! Du darfst länger aufbleiben, damit ich dir ein paar meiner Gedichte vorlesen kann.»

Das war definitiv nicht cool.

«Ich weiß ja, wie sehr du sie magst», sagte sie.

«Ich bin wirklich sehr müde», schwindelte Frank und tat, als müsste er gähnen, wobei er sich ausgiebig reckte.

«Du wirst gleich nicht mehr müde sein, junger Mann, denn ich habe eine Überraschung für dich! Magst du Überraschungen?»

«Das kommt drauf an. Was ist es denn?»

«Wenn ich dir das sage, ist es ja keine Überraschung mehr», sagte Tante Flip.

Der Junge dachte nach. «Hat die Überraschung was mit Gedichten zu tun?»

«Ja! Woher wusstest du das?»

«Das hab ich bloß so geraten», seufzte Frank.

Tante Flip öffnete ihre Handtasche und holte ein in Leder gebundenes Buch hervor. Sie hielt es in den Händen wie einen heiligen Gegenstand. Vorsichtig schlug sie die erste Seite auf.

«Das erste Gedicht habe ich über dich verfasst, Frank.»

Die Vorstellung, ein Gedicht über sich selbst zu hören, war Frank furchtbar unangenehm. Es fühlte sich ungefähr so an wie damals, als Frank in der Schulkantine Würstchen gegessen hatte, die nicht genug erhitzt worden waren, und dann sehr schnell zur Toilette laufen musste, weil er dachte, sein Hintern würde gleich explodieren.

Tante Flip machte plötzlich sehr seltsame Geräusche mit ihrem Mund. Erst klang sie wie ein wieherndes Pferd.

Als Nächstes gab sie sehr hohe Brummgeräusche von sich, dass einem die Ohren schmerzten. Es klang, als würde jemand mit dem Finger auf dem Rand seines Glases herumfahren.

Frank stopfte sich die Finger in die Ohren. «Ist das das Gedicht?», schrie er über den Lärm hinweg.

Flip starrte den Jungen an, als wäre er verrückt.

«Nein! Ich wärme nur meine Stimme an! Gut. Jetzt bin ich bereit. Dieses Gedicht heißt einfach ‹Frank›, und es stammt von mir.»

Die Augen seiner Tante glänzten vor Tränen, so gerührt war sie über die pure Schönheit ihres eigenen Gedichtes.

«Nun?», fragte sie schniefend. Lobheischend sah sie Frank an.

«Nun was?», fragte der Junge.

«Nun, was hältst du von diesem Gedicht über dich?»

«Mmmm. Ich finde, das Gedicht war sehr …»

«Ja?»

Frank war alt genug, um zu wissen, dass man manchmal zu einer Notlüge greifen muss, um andere Menschen nicht zu verletzen.

«Dichterisch! Es war ein sehr dichterisches Gedicht.»

Die Tante war überwältigt vor Glück. «Ich danke dir! Das ist wirklich ein hohes Lob. Jeder Dichter möchte, dass seine Gedichte dichterisch klingen. So, eines haben wir schon, dann sind es nur noch neunundneunzig.»

«Ich muss jetzt ins Bett!»

«Bist du sicher?»

«Absolut. Ich muss jetzt sofort ins Bett!»

«Wie wäre es, wenn ich dir noch ‹Eine Liebe in Altrosa› vorlese?»

«Das würde ich wirklich gern hören, aber …»

«Oder ‹Ein paar Zeilen über meinen Käsefuß›?»

«Ich kann wirklich nicht …»

«Aber die ‹Ode an eine Pfütze› wirst du lieben! Platsch, platsch, platsch, der Regen platscht …»

«