Barley Mill - Unwritten (1) - Maddie Sage - E-Book

Barley Mill - Unwritten (1) E-Book

Maddie Sage

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Beschreibung

Harper kehrt nach der Beerdigung ihrer Großtante ihrem alten Leben in New York City den Rücken zu, um nach dem abgebrochenen Politikstudium endlich ihren eigenen Weg zu finden. An der Barley Mill University trifft sie auf den Basketballer und Frohnatur Brooks, der davon träumt, eines Tages in der NBA zu spielen. Brooks’ unbeschwerte Art zieht sie an und lässt sie vergessen, dass sie ihr Spiegelbild kaum erträgt. Plötzlich steht jedoch Harpers Vergangenheit vor der Tür, wegen der sie überhaupt erst aus der Großstadt geflohen ist. Was beide nicht wissen: Auf dem Campus werden sie schon länger von jemandem beobachtet, der ihre Geheimnisse aufdecken will …

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Prolog
1 Harper
2 Brooks
3 Harper
4 Brooks
5 Harper
6 Brooks
7 Harper
8 Brooks
9 Harper
10 Brooks
11 Harper
12 Brooks
13 Harper
14 Brooks
15 Harper
16 Brooks
17 Harper
18 Brooks
19 Harper
20 Brooks
21 Harper
22 Brooks
23 Harper
24 Brooks
25 Harper
26 Brooks
27 Harper
28 Brooks
29 Harper
30 Brooks
31 Harper
32 Brooks
33 Harper
34 Brooks
35 Harper
36 Harper
Epilog
Danksagung

Maddie Sage

 

 

Barley Mill University

Harper & Brooks

(Barley-Mill-University 1)

 

 

 

 

 

 

Dieser Titel ist auch als Taschenbuch erschienen. Barley Mill – Unwritten

 

Copyright

© 2024 VAJONA Verlag

Alle Rechte vorbehalten.

[email protected]

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags

wiedergegeben werden.

 

 

Lektorat: Vanessa Lipinski

Korrekorat: Désirée Kläschen

Umschlaggestaltung: VAJONA Verlag unter Verwendung von

selbstgezeichneten Motiven von Diana Gus

Satz: VAJONA Verlag, Oelsnitz

 

VAJONA Verlag

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für alle, die hin und wieder gern vor

Entscheidungen oder den eigenen Gedanken davonlaufen.

 

Ich hoffe, ihr könnt eine Weile innehalten und den Moment genießen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

I don’t want other people

to decide who I am.

I want to decide.

 

Emma Watson

 

 

Prolog

 

 

Mit Sack und Pack stehe ich mitten in der fremden Kleinstadt, in die mich meine Recherche geführt hat. Mein Koffer ist schwer, ich bin mit klobigem Gepäck angereist. Alles, was sich in der letzten Zeit angesammelt hat, befindet sich darin. Tage und Nächte habe ich mir um die Ohren gehauen. Über ein Jahr hat es gedauert, bis ich endlich eine heiße Spur hatte.

Jetzt stehe ich vor dieser Mühle im Stadtzentrum und weiß nicht, wohin mich all das führen wird. In eine Sackgasse? Oder doch auf die richtige Spur? An einen finsteren Ort oder an einen, an dem die Sonne scheint?

So lange bin ich gerannt und gerannt und gerannt. Nirgendwo angekommen, weil ich kein Ziel vor Augen hatte. Plötzlich sehe ich ein Ende. Einen Sinn, einen Zweck in alldem, was ich verfolgt habe. Das hier wird ein Neuanfang. Für mich. Allein für mich.

Aber ich werde dich finden.

Und das wird Konsequenzen haben, das versichere ich dir.

 

1 Harper

Von meinem Sitzplatz aus schaue ich nach vorn zu der riesigen Aufnahme von Großtante Judith, auf der sie einen eigentümlichen Hut mit ausladender Krempe und leuchtend roten Lippenstift trägt. Sicherlich war sie auf dem Weg zu einem dieser Pferderennen, mit denen sie auf halblegale Weise ihre Rente aufgebessert hatte.

»Hast du zugenommen, Harper?«, hallt mir die Stimme ihres Geistes durch den Kopf.

Ausgerechnet hier auf ihrer Beerdigung fällt mir das letzte Gespräch mit ihr ein. Nicht, dass wir uns viel unterhalten hätten. Die wenigen Momente, in denen sie mir ihre Aufmerksamkeit geschenkt hatte, kann ich an zwei Händen abzählen. Oft sprachen wir über mein Gewicht oder die Art, wie ich durch den Raum schritt. Ersteres war ihr meist zu viel, Letzteres zu überheblich.

»Das Leben in New York hat dich verändert, Schätzchen. Der Umgang mit diesen High-Society-Törtchen ist nicht gut für ein so junges Ding wie dich. Das habe ich deiner Mutter immer wieder gesagt.«

Kunstvoll ließ sie ein Stück Kandiszucker in ihren obligatorischen Früchtetee fallen. Mit gespitzten Lippen schlürfte sie das dampfende Gebräu und hinterließ am Rand der Porzellantasse einen halbmondförmigen Abdruck. »Aber Helen hat schon immer nur an sich gedacht.«

Sie rümpfte die Nase, als ich nach meiner Tasse griff und sie mit beiden Händen umschloss, was weder grazil noch damenhaft wirkte. Ich war mir sicher, dass ich sie mit diesem Verhalten provozierte, da sie Etikette stets in Großbuchstaben schrieb. Als ich mir den Gaumen an dem viel zu heißen Getränk verbrannte, fluchte ich leise und stellte die Tasse klirrend auf den Unterteller.

»Zu deiner Frage: Ja, Judith, ich habe zugenommen. Zwei Kilo, um genau zu sein.«

Sie verzog angewidert das Gesicht.

Ich schnaubte und ärgerte mich darüber, meine Zeit mit dieser sinnlosen Unterhaltung zu vergeuden. Als gäbe es nichts Wichtigeres als die Zahl auf meiner Waage.

Wäre ich bloß nicht hergefahren.

Lippenstift klebte an Judiths Schneidezähnen, was mir ins Gedächtnis rief, dass sie ganz und gar nicht so perfekt war, wie es auf den ersten Blick wirkte. Auch wenn sie zu gern vorgab, unfehlbar zu sein. Eine Eigenheit, die meiner Mutter ebenfalls anhaftet wie ein nass gewordenes Pflaster, auf dem sich bereits Fusseln sammeln.

Nur diese Erkenntnis rettete mich davor, meiner Großtante ein Stück Kandis an den Kopf zu werfen. Sie wollte stets nur das Beste für mich, auch wenn das in ihrer Vorstellung untrennbar an mein Gewicht geknüpft war.

Aus meinen Erinnerungen gerissen, lasse ich meinen Blick zurück zu ihrem Porträt gleiten, dessen Rahmen mit goldenen Schnörkeln verziert ist. Unwillkürlich frage ich mich, ob die Zähne unter ihrem verhaltenen Lächeln ebenfalls rot sind. Erfahren werde ich es nie.

Glücklicherweise kann niemand von den Trauergästen meine Gedanken lesen. Sie würden mich für furchtbar undankbar halten. Schließlich hinterließ Judith mir ein kleines Vermögen, das durch zwei Scheidungen und die Pferdewetten beträchtlich gewachsen war. Auch wenn ich es mit meinem Bruder und meiner Cousine teilen muss, bleibt genug für ein ganzes Leben.

Judith hatte keine nahen Angehörigen. Nur ihre Nichten: meine Mutter und deren Schwester. Beiden gönnte sie nicht einmal den Dreck unter den Fingernägeln. Stattdessen vermachte sie ihr gesamtes Vermögen lieber uns.

Ich habe nicht danach gefragt, denn ich mache mir nichts aus Geld. Zumindest nicht mehr. Was merkwürdig klingen mag, aber, wenn man einmal im Großstadtdschungel der Upper East Side verloren ging, wohl kein allzu großes Wunder ist.

Im Hintergrund ertönt ein dramatisches Musikstück, das jemand auf der Orgel spielt. Typisch Judith, die um keinen spektakulären Auftritt verlegen war.

Ein Schauer läuft mir über den Rücken und ich ziehe meine Strickjacke fester um die Schultern. In Kapellen ist es immer so verdammt kalt, selbst wenn die warme Spätsommersonne durch die Buntglasfenster scheint. Als ob sie sich keine Heizungen leisten könnten. Aber vermutlich gehört das zum Gesamtpaket dazu und mir würde etwas fehlen, wenn ich nicht frieren würde. Zumindest war mir auch während der heuchlerischen Kirchgänge zu Weihnachten immer eiskalt. Ich war jedes Mal erleichtert, wenn es wieder nach Hause ging. Kirchen sowie Kälte gehören definitiv nicht in die Top Ten meiner Lieblingsorte und -temperaturen.

Ich lasse meinen Blick über die dunkle Menge wandern und frage mich, in was für einer Beziehung die vielen Besucher wohl zu Tante Judith standen. Zu ihren Lebzeiten hatte ich nicht das Gefühl gehabt, sie hätte viele Freunde. Bekannte und etliche Damen, die zum Teekränzchen und einem Plausch über die sicher zahlreichen Neuigkeiten aus Barley Mill vorbeikamen. Aber echte Freunde? Fehlanzeige. Sie war nie eine genügsame Person gewesen und wusste stets an jedem etwas auszusetzen.

Doch ich möchte nicht über eine frisch an einem Herzinfarkt Verstorbene lästern. Vor allem, da sie vermutlich nicht mal über meine sechzig Kilo hinweggekommen wäre. In ihren Augen ein absoluter Weltuntergang.

Deine zynischen Gedanken werden nicht besser, Harper.

Ich hole tief Luft, spüre ein Grummeln in meiner Magengegend aufsteigen und ärgere mich, vor der Fahrt nach Barley Mill keinen Proviant eingepackt zu haben. Hoffentlich macht sich mein leerer Bauch nicht durch lautstarke Geräusche bemerkbar. Dann würde Judiths Foto sich zu einer gereizten Grimasse verziehen, um mir zu sagen, dass meine Etikette zu wünschen übrig ließe.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich ein reichhaltiges Buffet. Das Wasser läuft mir bereits im Mund zusammen. Hoffentlich haben die Caterer für Macarons gesorgt. Judith hat diese kleinen Dinger verabscheut, weshalb ich sie erst recht geliebt und zu jedem meiner Besuche als Gastgeschenk mitgebracht habe. Allein dafür werde ich wohl ewig in der Hölle schmoren.

Wehmütig schaue ich auf meine Armbanduhr. Eine halbe Stunde sitzen wir schon hier. Inzwischen ist meine linke Pobacke eingeschlafen und ich versuche sie durch unauffälliges Hin-und-Her-Rutschen wieder aufzuwecken. Vergeblich.

Ich lehne mich gegen die hölzerne Rückbank und verschränke die Finger ineinander. Dann sieht es wenigstens so aus, als würde ich beten.

 

 

 

Die Hotelhalle ist riesig und gespickt mit Gästen, die allesamt skurrile Hüte tragen. Mit meinem kleinen Fascinator gehöre ich ebenfalls zu dieser hübsch anzusehenden Trauergemeinde. Judith hat in ihrem Testament den Dresscode für ihre Beerdigung festgelegt. Der Begriff ›Zufall‹ existierte in ihrem Wortschatz nicht.

Ich platziere mich am Buffet und lade mir Unmengen an Essen auf den Teller. Als ich in Richtung der Tische schlendere, greife ich mir eine Handvoll Macarons, von denen ich mir bereits auf dem Weg eines in den Mund stopfe. Nur mit Mühe kann ich ein genussvolles Stöhnen unterdrücken.

Kirsche und Banane – köstlich.

Davon werde ich mir später noch einige schnappen. Und wenn ich dann ein Kilo mehr auf der Waage habe, ist da niemand, der sich um mein Gewicht schert.

»In deinem Kopf möchte ich wirklich nicht stecken.« Mein Freund nähert sich mir mit geschmeidigen Schritten.

»Stimmt«, gebe ich augenrollend zurück. »Mein Kopf ist ein dunkler Ort voller Hirngespinste, die du eh nicht nachvollziehen kannst, schon klar. Was soll das, Caleb? Nur weil ich scharf auf dieses Essen bin?«

In seinem Blick lese ich Unverständnis, das er mit einem tonlosen Lachen überspielt. Auf seinem Teller befinden sich ein Häppchen und eine winzige Schale Salat. Keine Macarons. Als ich sein Essen mit dem Turm auf meinem Teller vergleiche, fühle ich mich automatisch schlecht.

»So viel?« Caleb nickt in Richtung meines Tellers.

Wortlos lasse ich ihn stehen und setze mich auf den freien Platz neben Dad. Er mustert meinen Mount Everest an Essen, dann gleitet sein Blick zwischen Caleb und mir hin und her. Einen Moment zu lang ruht er mit seinen Augen auf meinen Händen. Er muss nichts sagen, denn ich weiß auch ohne Worte, was er denkt, und vor allem, wonach er sucht.

Meine Finger versteifen sich und ich balle sie unter der Tischdecke zu Fäusten. Plötzlich ist mir der Appetit vergangen. Ich starre auf meinen Teller und schlucke die aufkommende Wut hinunter.

»Wie schön, euch zu sehen.«

Eine vertraute Stimme ertönt hinter mir, doch ich drehe mich nicht um. Ich weiß, dass ich sie kennen sollte, kann sie aber nicht so recht zuordnen.

»Wer hätte gedacht, dass wir uns auf Tante Judiths Beisetzung wieder über den Weg laufen?« Eine blonde Frau mit dezentem Hütchen lässt sich uns gegenüber nieder. Das Tischgesteck steht in meinem Blickfeld, weshalb ich nur die Hälfte meiner Tante sehe.

»Theresa. Wie geht es dir, Liebes?«

Ich erkenne den affektierten Unterton in der Frage meiner Mutter. Mir war es schon immer unverständlich, weshalb sie den Kontakt zu ihrer Schwester abgebrochen hat. Bei den wenigen Wortwechseln, die ich in den letzten Jahren mit meiner Tante hatte, kam sie mir eher sympathisch vor. Nicht wie jemand, zu dem man den Kontakt abbrechen würde.

Im Augenwinkel entdecke ich meine Cousine, die sich gleich zwei Teller beladen hat. Ich grinse.

Nachdem Clover uns mit einem schmalen Lächeln begrüßt hat, streift sie ihre schwarze Lederjacke ab und schiebt sich ein Törtchen nach dem anderen in den Mund.

Calebs entgeistertem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hätte er nicht damit gerechnet, dass meine Cousine kinnlange, rosafarbene Haare und ein Septum besitzt. Beim Schlucken bewegt sich der Choker um ihren Hals und ihre Augen sind dunkel geschminkt. Beinahe habe ich das Gefühl, ich könnte seine Gedanken lesen. Dass er sich Clover anders vorgestellt habe, normaler irgendwie. Eben mehr wie mich.

Sie leckt sich rasch die Krümel von den Lippen und betrachtet meinen Freund mit hochgezogenen Augenbrauen. Caleb wendet sich sofort ab und widmet sich seinem Blattsalat.

Judith meinte immer, mein Haar hätte die Farbe von Haselnüssen. Und sie hasste Haselnüsse, da sie dagegen allergisch war.

Verglichen mit Clover komme ich vielleicht unscheinbar daher. Aber auch wenn es äußerlich so wirken mag, ist es in meinem Inneren kein bisschen langweilig. Womöglich ist es kein so dunkler Ort, wie ich es Caleb vorhin beschrieben habe. Doch ebenso wenig scheint die Sonne aus meinem Herzen heraus.

Ich habe meine Cousine schon immer um ihre lockere, ungebundene Art beneidet. Etwas, das womöglich die Wolken um mein Herz vertreiben und wieder Platz für die Sonne machen könnte. Endlich frei von diesen Zwängen zu sein, von dieser perfekten Version meines Selbst.

Nachher würde ich Clover ausquetschen, um mehr über ihr Leben zu erfahren, an dem ich schrecklich lang nicht teilgenommen habe. Ich weiß noch, wie wir früher stets über alles geredet hatten.

Als ich in die Elementary School ging, hatten meine Eltern meist den ganzen Tag gearbeitet und ich fuhr nach dem Unterricht mit zu Clover. Dad hatte eine erfolgreiche Software für Landwirte in und um Barley Mill entwickelt und unendlich viel zu tun. Mom hingegen stieg die politische Karriereleiter mit großen Schritten empor und wir zogen Knall auf Fall nach New York City. Damals dachte ich noch, meine Heimatstadt wäre groß. Doch im Vergleich zum Big Apple war Barley Mill wirklich ein Kaff, wie Mom es immer wenig liebevoll nannte.

»Du bist so groß geworden, Harper. Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen? In dem Jahr an Weihnachten, kurz bevor Mutter gestorben ist, oder?«, fragt Theresa und ein Lächeln zupft an ihren Mundwinkeln. »Wie geht es dir?«

Grandma war unerwartet an einer verschleppten Lungenentzündung verstorben. Das ist mittlerweile sieben Jahre her. Ich war damals gerade dreizehn. Seitdem habe ich, außer in den sozialen Medien, nicht mehr viel von meiner Tante und meiner Cousine gehört.

»Ja, es ist schon ewig her.« Ich lächle bedauernd und überlege einen Moment lang, wie es mir geht. Ob sie die Wahrheit hören will? Möchte ich ihr bis ins kleinste Detail erklären, was momentan alles in meinem Leben schiefläuft?

Ich entscheide mich dagegen. Stattdessen wird mein Lächeln breiter. Auch wenn ich weiß, dass mein Gesicht eher einer Fratze gleicht.

»Mir geht es großartig, und euch?«

Small Talk ist etwas für Fremde.

Für Menschen, die in keiner Beziehung zueinander stehen und nicht wissen, worüber sie sich sonst unterhalten sollen. Ich bin mir nicht sicher, ob Theresa und Clover mir über die Jahre hinweg fremd geworden sind. Früher waren sie meine Familie, die wichtigsten Menschen meiner Kindheit. Doch jetzt weiß ich nicht mehr, welchen Platz sie in meinem Leben einnehmen.

»Das freut mich zu hören. Ich arbeite seit Kurzem in einer Kanzlei in Philadelphia und Clover studiert seit zwei Jahren Tiermedizin in Barley Mill. Eine waschechte Townsend.«

Davon hatte ich auf Instagram erfahren. Ebenso davon, dass an der Barley Mill University ein geschichtsträchtiger Geist herrscht und jede Fakultät nach dem jeweiligen Gründer benannt wurde. Die Studierenden identifizieren sich stark mit ihren Fachbereichen. Jedenfalls war es das, was auf der Webseite der Uni gestanden hatte.

Theresa strahlt ihre Tochter an, die sich gerade ein Käsehäppchen in den Mund stopft. Clovers graublaue Augen leuchten und sie nickt so energisch, dass ihre rosafarbenen Locken im Takt mitwippen. Rasch kaut sie das Essen und ihre Lippen verziehen sich zu einem strahlenden Lächeln.

»Falls irgendjemand an der Uni etwas anderes behaupten sollte, lass dir eins gesagt sein: Townsends sind die Besten. Franklins sind die Schlimmsten.« Sie schmunzelt. »Spaß beiseite. Das Studium ist echt spannend. Genau das, was ich schon immer machen wollte. Auch wenn ich beschissen viel lernen muss. Die Tiere sind’s mir aber wert.«

Mein Magen krampft beim freudigen Klang ihrer Stimme. Die Macarons brennen in meinem Bauch und ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange. Meine Finger bohren sich in meine Oberschenkel, wodurch die Strumpfhose von den Nägeln in Mitleidenschaft gezogen wird. Eine Laufmasche kommt zum Vorschein und verhöhnt mich mit ihrer Anwesenheit. Für den Bruchteil einer Sekunde schließe ich die Augen, atme tief durch und versuche mich zu sammeln.

»Das freut uns zu hören, Clover. Du konntest schon immer gut mit Tieren«, meint Mom und kippt ihrer Aussage einen großen Schluck Champagner hinterher.

Die Atmosphäre am Tisch ist zum Zerreißen gespannt. Ich habe keine Ahnung, was zwischen meiner Mutter und ihrer Schwester vorgefallen ist. Aber so unterkühlt, wie die beiden miteinander kommunizieren, kann nicht alles so rosarot sein wie Clovers Haarfarbe.

»Und was machst du momentan, Harper? Studierst du auch?«

Der Ausdruck auf Theresas Gesicht wirkt aufrichtig, und wenn die Lage nicht so hoffnungslos verzwickt wäre, hätte ich ihre Nachfrage unter Umständen in die Kategorie freundlich, wenn auch penetrant eingeordnet. Doch in dieser Situation fällt mir keine bessere Beschreibung als mein Todesurteil ein.

Blut schießt mir in die Wangen. Mein Mund wird trocken und ich fühle mich, als würde ich seit Wochen eine Wanderung durch die Steppen Afrikas unternehmen. Ganz unmöglich erscheint mir das hinsichtlich der vernebelten Erinnerungen an die letzten Tage nicht. Ich habe mich weder besinnungslos betrunken noch Drogen genommen. Trotzdem verschwimmt die letzte Woche vor meinem geistigen Auge.

Als nach einer unangenehm langen Pause immer noch kein Wort aus mir herauskommt, ergreift meine Mutter die Initiative.

»Oh, Harper hatte bis vor Kurzem Ambitionen, in meine Fußstapfen zu treten. Sie wurde an der Columbia angenommen und studierte Politikwissenschaften.« Sie trinkt ihr Glas aus, sicherlich das dritte oder vierte. Mit einem Wink bestellt sie eine Kellnerin heran und lässt sich nachschenken.

Unterdessen mustern mich die Leute an den umliegenden Tischen mit neugierigen, meist argwöhnischen Blicken, denn Mom hat nicht gerade leise gesprochen. Einzig in Theresas und Clovers Augen entdecke ich so etwas wie Bedauern. Einen Hauch von Mitleid. Ich bin froh, dass mein Bruder in New York bei einer Nanny geblieben ist. Er braucht nicht mitzubekommen, wie die Stimmung hier umschlägt.

»Du sprichst in der Vergangenheit, Helen«, stellt Caleb fest und schaut dabei nicht meine Mutter, sondern mich an.

Es kommt mir vor, als würde die gesamte Hotelhalle den Atem anhalten und die Ohren spitzen. Vergessen ist die Trauer um Judith, die ohnehin niemand wirklich kannte.

Mom stellt ihr halb leeres Glas zurück auf den Tisch und mustert mich von oben bis unten. »Offenbar kam ihr in den Sinn, sich selbst zu finden und alles hinzuschmeißen.«

Jede einzelne Silbe trieft vor Spott. Um ihre Augen bilden sich zornige Falten und ihre Stirn kräuselt sich.

Caleb starrt mich entsetzt an. Seine grauen Augen betrachten mich einen Moment lang eingehend. Dann verändert sich seine Miene. Er wirkt angefressen, weil ich ihm etwas verheimlicht habe. Dabei hatte er doch sonst vollen Zugriff auf meinen Terminkalender und sämtliche meiner Uninotizen. Nur meine Gedankenwelt habe ich irgendwann vor ihm verschlossen.

Es quietscht, als er mit dem Stuhl nach hinten rückt. Er pfeffert die Serviette auf den Teller vor sich. Seine Lippen sind zu einer Linie gepresst.

»Das ist nicht dein Ernst, oder?«

Mir ist jeglicher Wortschatz entfallen. Der fiese Unterton meiner Mutter trifft mich hart. Ebenso die Blicke, die ich in meinem Rücken spüre. Als hätten die anderen Gäste nur darauf gewartet, das Gespräch eskalieren zu sehen. Ich suche nach Dads Hilfe, aber er weicht mir aus. Mir gefriert das Blut in den Adern.

»Es ist ihr voller Ernst. Sie zieht dieses Semester nach Barley Mill, um hier an der Uni Journalismus zu studieren. Und eine dieser sagenumwobenen Reyes zu werden.« Mom speit die Worte aus, als wären sie Gift in ihrem Mund. »Als würde es nicht ausreichen, eine Cunningham zu sein.«

Du wirst niemals gut genug sein.

Aufgebracht schüttle ich den Gedanken von mir. Auch wenn ich weiß, dass es stimmt.

Ich schlucke meinen Zorn hinunter, verschränke die Arme vor der Brust und stelle sie mir als imaginären Schutzschild vor.

Ja, Mom, Journalismus.

Worte zu finden, war mir noch nie schwergefallen. Ich liebe ironische Kolumnen und Satiremagazine, Beiträge über spannende Persönlichkeiten haben mich schon immer magisch angezogen. Mein Blick blieb weit weg von den Zeitschriften, die meiner Meinung nach viel zu oft ein falsches Frauenbild vermitteln. Nämlich das, dem Judith auch verfallen ist. Auf dem Titelblatt prangt eine Schlagzeile darüber, wie wichtig es ist, sich selbst zu lieben. Nur, dass einhundert Seiten später die neueste Trenddiät vorgestellt wird, bei der man in einer Woche fünf Kilo abnehmen könne.

»Und wann genau hattest du vor, mir davon zu erzählen?«

Ich hatte ihn in diesen Plan nicht eingeweiht, denn ich wusste, er hätte ihn mir ausreden wollen. Mir war nicht wohl dabei gewesen, ihn auszuschließen, doch ich hatte keine andere Wahl gehabt.

Kalter Schweiß sammelt sich in meinem Nacken. Ich weiß nicht, wieso ich mich in mein Schneckenhaus zurückziehe. Für Konfrontationen bin ich meist gut gewappnet und ich weiß, was zu erwidern ist. Ich bin selten um eine schlagfertige Antwort verlegen. All das habe ich im Debattierklub gelernt, zu dem Mom mich bereits in der vierten Klasse anmeldete.

Ausgerechnet heute verlässt mich dieses Talent, dank dem ich normalerweise Bestnoten vorweisen kann. Mir schwirrt der Kopf. Ich will nach einem Gedanken greifen, suche nach einer schlüssigen Erklärung, einer glaubwürdigen Ausrede – aber finde nur Leere.

»Heute« ist alles, was aus mir rauskommt. Ich hatte wirklich vor, ihn in mein Vorhaben einzuweihen. Nach der Beerdigung hätte ich ihm mein von Judith geerbtes Apartment hier in Barley Mill gezeigt und gehofft, dass er so begeistert wäre wie ich. Von einem der Vororte waren es nur wenige Meilen bis zur Unistadt. »Wirklich. Ich habe nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet.« Sein Gesicht verzieht sich zu einer harten Miene. Der Hohn sprüht aus seinen Augen. Einige quälend lange Sekunden blinzelt er nicht. Dann weicht der Spott einer anderen, nicht weniger beunruhigenden Emotion. Unglauben.

»Das ist ein Scherz.«

Caleb packt meinen Oberarm, zieht mich auf Augenhöhe mit sich. Als wolle er die ihm nicht passenden Gedanken aus meinem Kopf vertreiben. »Harper, sag mir, dass das einer deiner blöden Witze ist.«

Der Griff um meinen Arm wird fester, denn er scheint meinen Ausdruck richtig zu interpretieren. Langsam löse ich mich aus meiner Schockstarre. Wut blubbert durch meinen Körper wie überkochende Milch. Ich meine es ernst. Verdammt ernst.

»Lass mich los«, fauche ich durch zusammengebissene Zähne.

»Harper …« Eine unterschwellige Drohung klingt in seiner Stimme mit.

Ich hoffe, der Blick, den ich ihm zuwerfe, ist frostiger als die Arktis.

»Caleb, nimm deine Hand da weg!«

Um uns herum herrscht Totenstille. Unser Gespräch ist wie ein Verkehrsunfall. Man möchte nicht hinsehen, kann sich aber nicht abwenden. Die Sache ist allerdings, dass die Geier der High Society von Barley Mill Tratsch eine Meile gegen den Wind riechen. Diese Gestalten stürzen sich auf alles, was nur annähernd Zündstoff liefert. Ich kenne das allzu gut von den Frauen aus New York, denn ich bin eine von ihnen. Oder zumindest war ich eine von ihnen.

Als sich Calebs Umklammerung nicht lockert, verliere ich die Geduld. Ich würde den Labertaschen hier eine Szene vom Feinsten bieten. Hollywoodreif. Etwas, wovon sie noch Wochen später erzählen können.

Meine Haut prickelt und ich weiß, dass es falsch ist, aber ich bin es leid, mich von jedem in meinem Umfeld kleinhalten zu lassen. Die Worte meiner Freundin Maybelle schwirren durch meinen Kopf.

Nur weil die anderen es nicht sehen wollen, heißt das nicht, dass dein Licht nicht scheinen darf. Du bist der Main Character in deinem eigenen Leben.

Mit meiner rechten Hand greife ich in das Schälchen mit Krabbensalat, den ich zuvor hatte verputzen wollen. Ihn jetzt in Calebs Gesicht zu klatschen, ist allerdings ein größerer Genuss.

Es platscht.

Ich vernehme das erschrockene Einziehen von Luft um mich herum. Meine Taktik ist aufgegangen. Seine Augen sind von der Mayonnaise verklebt und auf seiner Wange prangen ein paar Krabben. Endlich lässt er mich los.

Auf der anderen Tischseite entdecke ich Clovers breites Grinsen. Zu allem Überfluss stiehlt sich auch ein verstohlenes Lächeln auf meine Lippen. Während sich in der Hotelhalle niemand zu atmen traut, habe ich alle Mühe damit, nicht in Gelächter auszubrechen.

»Es ist kein Scherz, Caleb«, knurre ich mit Nachdruck.

Mittlerweile hat er sich von der Mayo in seinem Gesicht befreit und stiert mich wütend an.

»Dann ist es aus zwischen uns«, erwidert er laut genug, damit es jeder hört.

Mein Herz rast, als ich das letzte bisschen Drama aus der Situation herauskitzeln will. Die Drehbuchschreiber in Los Angeles wären neidisch. Sollen die Tratschtanten doch etwas Feuer bekommen.

Ich tauche meine Hand noch einmal in die Salatschüssel, greife ordentlich zu und werfe das Essen erneut auf ihn, wobei einige Krabben auf dem Versace-Kleid meiner Mutter landen.

»Fahr zur Hölle«, rufe ich, mache auf dem Absatz kehrt und schlecke auf dem Weg nach draußen die Reste des Salates von meinen Fingern.

 

 

2 Brooks

If there was no tomorrow, how hard would you play today?

Der Spruch über unseren Spinden in der Umkleide einer der Franklin-Sporthallen begleitet mich seit über zwei Jahren fast jeden Tag und ist zu so etwas wie meinem Lebensmotto geworden, obwohl ich diese Kalenderweisheiten eigentlich ziemlich nervig finde. Meist handelt es sich dabei doch nur um leere Worthülsen, die einem ein besseres Gefühl geben sollen, nachdem man einen beschissenen Tag hatte.

Carpe diem. You only live once.

Manche Leute mögen diese Sprüche motivieren, etwas zu verändern oder das Leben in vollen Zügen zu genießen. Ich halte davon nichts, denn ich wusste schon früh, dass ich hart arbeiten muss, um meine Träume zu verwirklichen. Aber das war schon immer in Ordnung für mich und ich habe es auch ohne Mottokalender hierhergeschafft.

»Hey, Tanner, denkst du etwa schon an die Party morgen bei Gigi? Pippa und die anderen Cheerleader sollen wohl auch da sein.« Rhysand wirft mir einen Blick zu, der keinen Raum für Interpretation lässt. Jeder aus der Mannschaft weiß, dass ich ein Auge auf Pippa geworfen habe, nachdem die Sache mit Scarlett in die Brüche gegangen ist.

Und was soll ich dagegen tun? Blond, Cheerleaderin und Basketballfan ist eben mein Typ.

Ich rubble mir mit dem Handtuch durch die Haare und trockne meine Schultern ab. »Nein, Kumpel. Ich fantasiere gerade von deinem durchtrainierten Oberkörper, an dem die Wassertropfen so sexy abperlen. Echt heiß.«

Er schüttelt grinsend den Kopf. »Dann träum weiter, der ist für Gigi reserviert.«

»Zu schade aber auch.«

Ich ziehe mir ein Shirt über den Kopf und steige in eine Jogginghose. Nachdem ich in meine Schuhe geschlüpft bin, lasse ich mich auf der Holzbank nieder und checke meine Nachrichten.

Clover hat mir ein SOS und dahinter ein paar rote Ausrufezeichen geschickt. Ich runzle die Stirn. Müsste sie nicht auf der Beerdigung ihrer Großtante sein, die ihr ein halbes Vermögen hinterlassen hat?

Ein weiteres SOS ploppt im Chat auf.

Bin ich schon wieder zu spät dran?

Nein, wir sind erst in einer halben Stunde verabredet.

Vielleicht ist etwas passiert?

Ich rufe sie an, doch sie drückt mich sofort wieder weg.

 

Clover: Komm einfach her.

 

Und noch mehr rote Ausrufezeichen.

Witzig. Sie wollte mir doch vor Ewigkeiten ihren Standort schicken. Woher soll ich jetzt wissen, wo diese verdammte Trauerfeier stattfindet? Ich atme tief durch, um mein Handy nicht gegen die Wand zu werfen. Clover raubt mir irgendwann noch den letzten Nerv.

 

Ich: Wenn ich wüsste, wo du bist, wäre ich schon vor fünf Minuten dagewesen, Ma’am …

 

Ich klaube meine Sachen zusammen und verabschiede mich von den Jungs, die nach wie vor über die Party sprechen.

Vor der Umkleide schaue ich erneut auf mein Handy, doch Clover hat noch nicht wieder geantwortet. Planlos stehe ich vor der Sporthalle und überlege ernsthaft, ob ich schon mal losfahre. Egal wohin. Hauptsache ich gebe vor, Ewigkeiten damit zugebracht zu haben, nach meiner besten Freundin zu suchen.

Ich hieve meine Sporttasche über die Schulter und mache mich auf den Weg zu meinem Wagen. Normalerweise nehme ich die Straßenbahn, um Sprit zu sparen. Aber Clover hat mich extra darum gebeten, sie im Notfall von dieser furchtbar langweiligen Feier abzuholen, bei der alle einen Stock im Arsch hätten. Also bin ich mit dem Auto zum Training gefahren.

Vor allem helfe ich ihr, weil sie vor Kurzem aus ihrer Townsend-WG geflogen ist und nur von Glück sagen kann, dass ihre Großtante ihr und ihrer Cousine das Apartment in Barley Mills Vorort vermacht hat. Sonst hätte sie bei Hudson und mir auf der Couch im Franklin-Viertel der Unistadt schlafen müssen und Gott bewahre, das hätten wir alle drei nicht ausgehalten, ohne dass einer dabei draufgegangen wäre.

Neben meinem Pick-up hält ein Cabrio, in dem ich Pippa, Gigi und zwei weitere Cheerleaderinnen entdecke, die den Sommer über nicht nach Hause gefahren oder schon früher zurück zum Campus gekommen sind. Sie winken mir zu, als ich mir durch die Haare fahre und meine Cap aufsetze. Eine Geste, die normalerweise ganz gut zieht. Keine Ahnung, warum.

Die Mädchen steigen aus und tragen kurze, enge Sporthosen und gemütlich wirkende Shirts mit dem Logo der Uni. Nackte Haut zu sehen, gefällt mir, wobei ich es doch meist lieber etwas subtiler mag. Trotzdem mustere ich die hübsche Blondine von oben bis unten. Als sich unsere Blicke kreuzen, sieht Pippa mich mit einem aufreizenden Funkeln an.

»Hey, Brooks«, begrüßt sie mich mit leicht nasaler Stimme und verruchtem Unterton. »Wie war das Training?« »Newman hat uns ganz schön hart rangenommen.« Ich beiße mir auf die Unterlippe, weil ich meinen zweideutigen Kommentar ziemlich witzig finde, auch wenn keine der Frauen lacht.

»Wir freuen uns schon darauf, euch bald wieder so richtig anzufeuern. Die neue Saison wird legendär.« Pippa klingt aufgeregt. »Hast du dir Cheer auf Netflix angeschaut? Ich habe ein bisschen Angst, dass Scarlett die nächsten zwei Semester für Daytona trainieren will. Gegen das Navarro College haben wir wohl keine Chance.«

Ich schüttle schwerfällig den Kopf, denn die Dokumentation wurde mir zwar vorgeschlagen, aber ich hatte kein Interesse an ihr.

Irgendwie hätte ich mir eine Unterhaltung mit Pippa weniger … normal vorgestellt. Ich dachte, wir würden uns gegenseitig mit unseren eindeutig zweideutigen Worten heißmachen. Und gegenseitig mit unseren Blicken ausziehen.

Aber die Luft ist völlig raus, als sie mit ihren dunkelblauen und weißen Pompons vor mir herumwedelt. »Go, Brooks! Go, Panthers! Go, BMU!«

Ich will nicht unhöflich sein, deswegen zwinge ich mich dazu, wenigstens den Daumen in die Höhe zu recken.

Langsam schleiche ich zur Fahrerseite meines Autos und schließe auf. Mit einem Ächzen werfe ich die Sporttasche in den Fußraum und schenke den Frauen ein breites Lächeln.

»Sehen wir uns morgen auf der Party?«

»Ich bin da«, meint Gigi und wirft dabei einen ihrer Pompons raschelnd in die Höhe.

Wäre auch blöd, wenn nicht, da die Feier in deinem Haus starten soll.

Ich bin genervt, weil Clover sich immer noch nicht gemeldet hat und offenbar davon ausgeht, ich könne hellsehen.

Eigentlich mag ich die Cheerleaderinnen und unterhalte mich gern mit ihnen, allein weil sie bei jedem Spiel tatkräftig für eine ausgelassene Stimmung sorgen und das Publikum anheizen. Als Sportler sollte man dafür immer dankbar sein, denn eine solche Unterstützung ist nicht selbstverständlich. Es sind bereits einige Freundschaften mit ein paar Leuten aus der Gruppe entstanden. Ich habe sie gern bei Partys dabei und finde es cool, wenn sie mich auch hin und wieder einladen. Erst letztes Frühjahr habe ich herausgefunden, dass Gigi ein Talent fürs Beerpongspielen hat. Außerdem erzählte sie mir, dass sie früher auch einmal Basketball gespielt habe.

Natürlich gibt es auch ein paar Arschlöcher, die meinen, Cheerleaderinnen wären nur zum Flachlegen da. Vermutlich ist denen nicht aufgefallen, dass es sich dabei um einen vollwertigen Sport handelt und sie beim Training alles geben. Mehr als der ein oder andere meiner Teamkameraden.

»Ich kann leider nicht. Mein Bruder feiert morgen in der Heimat seinen Geburtstag. Das hatte ich voll vergessen, als ich zugesagt habe.« Pippa macht einen Schmollmund und zuckt mit den Schultern.

»Oh, das ist ja blöd«, erwidere ich hölzern. Ich bin ein wenig enttäuscht darüber, sie morgen nicht zu sehen.

»Ist Rhysand noch in der Umkleide?« Gigi bindet sich die braunen Haare zu einem Zopf zusammen und starrt zur Sporthalle.

»Ja, er braucht immer etwas länger. Wisst ihr doch.«

Die Stille zwischen uns fühlt sich einen Moment lang unangenehm an. Ich möchte einen Spruch bringen, aber mir fällt nichts Passendes ein. Zweideutige Kommentare wären unangemessen, aber wenigstens ein kleiner Witz, der ihnen ein lautloses Schnauben entlockt, wäre drin gewesen, oder? Sonst hat das doch auch funktioniert. Warum ausgerechnet heute nicht? Oder bin ich so ein Vollidiot und habe nicht gemerkt, dass ich den anderen auf den Sack gehe, weil sie eigentlich lieber schon trainieren würden?

Ich habe keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, da in dem Moment mein Handy klingelt. »Alles klar, wir sehen uns. Viel Spaß beim Training«, verabschiede ich mich und pflanze mich in mein Auto.

Sobald ich die Tür hinter mir geschlossen habe, nehme ich das Gespräch an und halte das Telefon bei den Worten, die mir entgegengebrüllt werden, eine Armlänge von meinem Ohr entfernt.

»Brooks Tanner, willst du mich verarschen? Ich habe dir vor einer Viertelstunde zweimal hintereinander einen Hilferuf geschickt und du ignorierst das einfach?«

»Du weißt, dass ich das nicht ignoriert habe. Ich hab dich sogar angerufen, aber du hast mich weggedrückt. Und wie zur Hölle soll ich zu dir fahren, wenn du mir nicht sagst, wo du bist?«

Am anderen Ende der Leitung faucht sie etwas Unverständliches und scheint zu merken, dass ich recht habe. Im Hintergrund quatschen laute Stimmen durcheinander. Sie stöhnt genervt.

»Ich schicke dir meinen Standort.«

Endlich.

Das Einzige, worauf ich mich freue, ist das Essen im Mill Grill, zu dem wir später mit unseren Freunden verabredet sind, denn inzwischen knurrt mein Magen.

»Bin gleich da.«

Ich starte den Motor und halte mich einen Moment lang am Lenkrad fest. Die Klimaanlage stelle ich auf arktische Temperaturen und lehne mich mit dem Kopf gegen die Stütze.

Der Tag entwickelt sich in eine merkwürdige Richtung. Wenn das Training schon anstrengend war, hat mich das Gespräch mit den Frauen noch stärker runtergezogen. Und da ich keinen Schimmer habe, was mich bei dieser Veranstaltung erwarten wird, von der ich Clover abholen soll, fühle ich mich noch rastloser.

Aber auf irgendjemandes Kalender stand heute Morgen sicher carpe diem. Daher reiße ich mich zusammen und gebe dem Tag die Chance, einer der besten meines Lebens zu werden.

Dass ich nicht lache.

 

3 Harper

Nach gründlichem Händewaschen fliehe ich nach draußen und atme die lauwarme Spätsommerluft ein. Meine Glieder zittern noch immer vom vielen Adrenalin. Es fühlt sich falsch an, dass Caleb nun von meinen Plänen weiß.

Vor ihm und meiner Familie schäme ich mich für meine Träume. In ihren Augen wirkt das, was ich machen möchte, wie eine brotlose Kunst. Etwas, wovon es sich nicht leben ließe. Der Arbeitsmarkt sei begrenzt, die Chancen stünden schlecht. Da sei es doch besser, gleich einen handfesten Beruf zu erlernen. Zumal ich die besten Einstiegsvoraussetzungen mitbrächte.

Dabei will ich bloß die Kolumnen schreiben, die ich bereits hin und wieder in Zeitschriften veröffentliche. Ich möchte meine Worte als ein Sprachrohr für das Leben spannender Persönlichkeiten verwenden. Für Menschen, die ihre Ziele verfolgen, ohne es jedem recht machen zu wollen. Artikel, von denen ich mir wünsche, sie öfters in den Zeitungen zu lesen. Keine bescheuerte Gerüchteküche über die Privatsphäre von Stars, sondern Geschichten von echten Menschen, die vielleicht nicht groß in der Öffentlichkeit stehen, aber etwas erreicht haben, von dem viele nur träumen. Dafür braucht es keine Hochglanzmagazine, die im gleichen Atemzug mit Work-out-Trends und Selbstliebeartikeln werben. Zeitschriften, die ich bis vor ein paar Monaten selbst noch täglich konsumiert habe.

Ich will endlich über das schreiben, was mich wirklich interessiert, und nicht ständig Mom bei ihren politischen Statements nach dem Mund reden. Meine Meinung wird viel zu oft überhört.

Ich schiebe mit meiner Schuhspitze die winzigen Kieselsteine von links nach rechts, während mir das Zwitschern eines Vogels in den Ohren klingelt. Wenn ich wüsste, wohin ich gehen könnte, ohne schräg angeschaut zu werden, wäre ich schon längst verschwunden. So bleibt mir nichts anderes übrig, als im Vorhof des Hotels innezuhalten und darauf zu hoffen, dass mir niemand den Kopf abreißen wird. Ob ich mit der Szene vorhin zu weit gegangen bin?

Im Inneren des Gebäudes höre ich aufgebrachte Stimmen. Ein mir nur allzu bekannter Bariton nähert sich lautstark fluchend.

»Verdammt, Harper!«, brüllt Caleb, noch während er durch das Drehkreuz eilt.

Ich drehe mich von ihm weg und mache einige Schritte in die entgegengesetzte Richtung. Weg, am besten weit weg von diesem Kerl.

»Bleib bitte stehen. Wir müssen reden.«

Einen Teufel tue ich.

Stattdessen beschleunige ich, denn ich habe ihm nichts zu sagen. Das hatte ich eigentlich noch nie.

Und es wird mir jetzt erst vollkommen bewusst. Womöglich war es mir schon in New York aufgefallen, aber ich hatte es ignoriert und so getan, als wäre alles in bester Ordnung.

Früher mochte ich ihn sehr. Er war weltgewandt, charmant und erfolgreich. Erst mit der Zeit wurde mir klar, dass von mir erwartet wurde, eine Beziehung mit ihm zu führen. Und am Anfang hat es sich sogar wie das Paradies angefühlt, aber wenn man mit sechzehn Jahren hoch oben auf Wolke sieben schwebt, ist der Aufprall auf dem Boden der Tatsachen umso härter.

Immer öfter haben wir gestritten, sodass ich unsere Verbindung irgendwann nur noch über mich ergehen lassen habe. Nicht, weil ich es wollte oder ihn gar liebte, sondern weil wir auf Grußkarten so ein hübsches Paar abgaben.

Dafür schäme ich mich noch heute und ich wünschte, ich hätte gegenüber meiner Familie den Mut gehabt, den ich jetzt fühle. Ich hätte von Anfang an meinen Mund öffnen und über meine wahren Gefühle sprechen sollen.

Meine Haut kommt mir zu eng für meinen Körper vor. Es kribbelt in meinen Fingern. Das erste Mal in meinem Leben überrumpelt mich das Gefühl, jemandem heftig eine reinhauen zu wollen. Ich presse die Arme fest an meine Seite, um der Versuchung zu widerstehen.

Nur wenige Schritte später holt er mich ein und versperrt mir den Weg. Ich pralle unsanft gegen ihn, stolpere mit knirschenden Sohlen zurück.

»Komm zur Vernunft«, giftet er mich an. »Wie kannst du plötzlich alles hinschmeißen wollen?«

»Ganz einfach: Ich will diesen Mist mit dir nicht mehr.«

Vehement schüttelt er den Kopf, scheint nichts von dem zu verstehen, was ich von mir gebe. Als würde ich eine andere Sprache sprechen.

»Was denn für einen Mist? Du hast doch alles, was du brauchst.«

»Du weißt gar nichts, Caleb«, zische ich in all meiner Verzweiflung zurück.

»Doch. Ich weiß, dass du ein Niemand bist ohne den Namen Cunningham. Du bringst es zu nichts ohne die Privilegien, die deine Mutter euch erarbeitet hat. Du bist genauso eine Witzfigur wie deine hohlen Freundinnen. Wer außer mir interessiert sich schon für dich, Harper?«

Seine Worte hätten mich treffen müssen. Mir das Herz brechen müssen. Irgendwelche Schmerzen zufügen müssen. Doch sie öffnen mir nur weiter die Augen. Ich treffe die richtige Entscheidung. »Ich interessiere mich für Harper – ob Cunningham oder nicht. Und wenn ich die einzige Person auf diesem gottverdammten Planeten bin, die das tut«, wettere ich, wobei meine Stimme eine Oktave höher wandert.

Eine Ewigkeit lang starren seine nebelgrauen Augen mich an. Am Ansatz seines schwarzen Haares erkenne ich neben den Krabbenresten einen dünnen Schweißfilm. Trotz der zweiundzwanzig Grad im Schatten läuft ein frostiger Schauer über meine hitzige Haut.

»Du machst einen riesigen Fehler. Meinst du, du kannst einfach das Geld deiner Eltern nehmen und auf deren Kosten in diesem beschissenen Kaff leben? An einer Uni lernen, an der die Studierenden wie in Hogwarts-Häusern eingeteilt sind?« Um seine Mundwinkel herum bildet sich ein abfälliges Schmunzeln. Sein Blick flackert gefährlich. »Wie alt bist du noch mal? Sieben? Hoffst du immer noch auf deinen Brief, der dich in die Zauberschule einlädt?«

»Wer hofft nicht auf diesen Brief?«

»Hör auf, in deiner Parallelwelt zu leben und komm endlich in der Realität an.«

»Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.« Langsam werde ich ungeduldig. Mein Puls rast und ich überlege ernsthaft, ob mir nicht doch die Hand ausrutschen sollte. Aber eine Anzeige wegen Körperverletzung würde sich in meinem Lebenslauf sicher nicht gut machen. Und das hier bin ich auch nicht. Ich verabscheue Gewalt in jeglicher Form.

Also verschränke ich die Arme vor der Brust und presse sie so fest an meinen Körper, dass es wehtut. Der Bügel meines BHs drückt in meine Haut, doch ich lockere meine Haltung nicht.

»Du kannst nicht einfach so abhauen, Harper. Wir haben in New York ein gemeinsames Leben.«

»Muss ich dich daran erinnern, dass du vor nicht mal zehn Minuten mit mir Schluss gemacht hast?«

Seine Kiefermuskeln knacken. »Das war wohl eine Kurzschlussreaktion. Ich möchte nicht, dass du alles über Bord wirfst.«

Meine Hände ballen sich erneut zu Fäusten. »Dir geht es doch gar nicht darum, dass ich bei dir bleibe. Das Einzige, das du immer von mir wolltest, sind die Kontakte meiner Mutter. Mehr nicht.«

In seinem Inneren scheint etwas zu verhärten. Er tritt einen Schritt auf mich zu, ich mache zwei zurück. Als ich schlucke, fühlt es sich an, als hätte ich zuvor Glassplitter statt Macarons gegessen.

»Das ist nicht wahr«, meint er plötzlich sanft. »Ich liebe dich. Alles an dir. Komm schon, das weißt du doch.«

Er sieht mich einen Moment lang nachdenklich an. Als würde er nach Worten suchen, die jenseits seines Horizonts liegen. Oder die er niemals ernsthaft in Bezug auf mich denken würde. Sein Mund öffnet sich und völlig bedeutungslose Worte sprudeln hervor.

Ich schalte ab und höre nur vereinzelte Fetzen wie »etwas Besonderes«, »starke Verbindung« und »füreinander geschaffen«.

Leere Hülsen.

Sinnlose Phrasen, die er sich sparen kann.

Ich habe keinen Schimmer, was er damit erreichen will. Mir eine Liebe vorgaukeln, die niemals wirklich bestand? Hätte er nur einmal gefragt, wie es mir geht, hätte ich mich ihm vielleicht öffnen, eine richtige Verbindung mit ihm aufbauen können. Jeden meiner Versuche hatte er abgeblockt. Einmal hatte ich uns nach einem langen Arbeitstag etwas beim Inder bestellt, was er jedoch nicht anrührte. Stattdessen ging er ins Bett und beantwortete seine ungelesenen E-Mails. Ein anderes Mal schenkte ich ihm Konzertkarten seiner Lieblingsband, die er in der Schublade vergaß. Ein Auftritt, zu dem ich letztlich allein gegangen war, da er ohnehin einen zu vollen Terminkalender hatte.

»Gib uns noch eine Chance.«

Meine Wut steigert sich ins Unermessliche. Ich beiße die Zähne zusammen. Seine gerade Nase, die dünnen Lippen und der perfekt gestutzte Bart. Ein Anblick, der mich die letzten Jahre begleitet hat und dessen ich überdrüssig bin.

»Halt endlich die Fresse!«

Abrupt stoppt sein Redefluss.

Ich bin erschrocken über meine harschen Worte. Auch wenn er ein selbstverliebter Mistkerl ist, haben wir uns bis heute nie beleidigt. Dass ich ihn nun anschreie, lässt uns beide zusammenfahren.

Bevor ich mich von meiner aufgestauten Wut hinreißen lasse, legt sich eine kühle Hand auf meine Schulter. Sie lässt mein erhitztes Gemüt für einen Moment an Temperatur verlieren.

»Alles in Ordnung hier draußen?«

Clover erscheint in meinem Blickfeld. Ihre Haare hat sie zu einem winzigen Zopf zusammengebunden. Auf ihrem Kopf thront eine große, schwarze Sonnenbrille.

»Natürlich«, sagt Caleb mit gereiztem Unterton.

Alarmiert wandern Clovers dunkelblaue Augen über mein von Sorge und Wut verzerrtes Gesicht.

»Sicher?«

Ich schürze die Lippen, während sich in meinem Inneren ein donnerndes Unwetter zusammenbraut. Ein Kampf gegen mich selbst. Aber vor allem gegen diejenigen, die mich mein Leben lang zurückhalten wollten. Die mir verboten haben, eine eigene Meinung zu bilden und kundzutun.

»Vielleicht solltest du uns noch einen Augenblick alleinlassen.« Calebs Miene ist finster, sein Atem geht flach. An seiner Schläfe pocht eine Ader.

»Ach ja?«, wirft meine Cousine zurück.

»Ja, Miss Möchtegern-Punk.«

Mein inzwischen Ex-Freund kommt Clover näher, bevor er direkt vor ihr steht. Ich sehe schon vor mir, wie sie Stirn an Stirn umeinander herumtänzeln, um sich anschließend gegenseitig die Nase zu brechen. Sie lässt sich von ihm nicht einschüchtern und hält seinem eindringlichen Blick stand.

»Harper hat gesagt, du sollst endlich still sein und verschwinden, Mister Schnösel-Arsch.«

Jetzt weiß ich, warum ich früher zu meiner Cousine aufgeschaut habe. Sie stand schon immer auf meiner Seite.

»Macht der Typ Stress, Clover?«

Ich fahre zu der fremden Stimme herum.

Ein Mann mit grauer Cap läuft auf uns zu. Als er näher kommt, erkenne ich ein kleines Muttermal unter seinem linken Auge und eines seiner Ohrläppchen ziert ein silberner Ohrring. Seine Arme und Beine wirken trainiert, seine Hände sind zu Fäusten geballt.

»Nein, Brooks. Er wollte sowieso gerade wieder reingehen«, gibt meine Cousine zurück und stiert meinen Ex-Freund weiter an.

Dieser weicht einige Schritte nach hinten, gibt sich geschlagen. Es wird ihn wurmen, dass er von einer Frau in die Enge getrieben wurde. Seit er Brooks bemerkt hat, zieht er sich allerdings galant zurück.

»Mach keinen Blödsinn, Harper. Wir sprechen uns noch. Das hier ist noch nicht vorbei«, knurrt Caleb.

Langsamen Schrittes entfernt er sich, wobei das Knirschen der Kiesel unter seinen Füßen in meinen Ohren dröhnt. Erst nachdem er das Drehkreuz passiert hat, nimmt Clover mich in den Arm und ich komme wieder zu Atem.

»Seid ihr in Ordnung?«, fragt Brooks mit einer hochgezogenen Braue. Der besorgte Blick aus seinen blauen Augen gleitet über meine Cousine und mich hinweg, als würde er uns auf Kratzer oder Gewalteinwirkungen untersuchen.

Clover löst sich von mir, klatscht Brooks ab und sie stoßen ihre Fäuste gegeneinander. Ich betrachte den Handschlag amüsiert und meine Stimmung hebt sich sofort. Endlich ist das raus, von dem ich mich seit Jahren nicht getraut habe, es auszusprechen. Ich habe das Gefühl, meinem Traum einen Schritt näherzukommen und leichter atmen zu können.

»Alles bestens. Du bist gerade rechtzeitig gekommen, bevor ich dem Typen eine reingehauen hätte.«

Clover reckt den Arm in die Höhe und gibt vor, ihren kaum vorhandenen Bizeps anzuspannen.

»Klar, weil du ständig irgendwelchen Menschen auf die Schnauze haust.«

»Wenn jemand meine Cousine anschreit, kann ich schon mal zur Furie werden«, beteuert sie.

Brooks’ Augen wandern zu mir, in ihnen ruht ein interessierter Schimmer. »Also du bist Harper?«

Ich schaue zwischen Clover und Brooks hin und her. Scheinbar hat sie ihm mehr über mich erzählt als ich Caleb über sie. Was nicht verwunderlich ist, da ich mit ihm die letzten Monate ohnehin kaum gesprochen habe.

»Die bin ich. Und du bist Clovers Freund?«

Er grinst mich an, während meine Cousine hinter vorgehaltener Hand kichert.

»Nein, ich bin ein Freund von ihr, aber bestimmt nicht ihr fester Freund. Clover ist da ziemlich wählerisch und ich bin wohl nicht so ganz ihr Typ.«

Seine Zunge streicht sanft über seine Unterlippe und ich ziehe die Augenbrauen hoch. Wahrscheinlich erwartet er, ich würde verschämt zur Seite schauen und knallrot anlaufen.

Er weiß bestimmt ganz genau, wie er Frauen rumkriegt. Aber darauf habe ich gerade keinen Nerv, also verdrehe ich nur die Augen. Die Trennung von Caleb hat mir das letzte Bisschen Kraft für diesen Tag geraubt.

»Er ist übrigens ein Franklin«, informiert mich Clover. »Du erinnerst dich an das, was ich vorhin gesagt habe?«

Ich schmunzle. »Die Franklins sind die Schlimmsten.«

»Glaub mir, die Townsends überschätzen sich maßlos. Vor allem eine Bestimmte.« Brooks knufft meiner Cousine in die Seite, dann schaut er mich an. »Der Kerl da gerade war ja nicht unbedingt sympathisch. Was wollte er?«

»Wir haben uns vorhin getrennt.« Ich zucke mit den Schultern und mir fällt auf, dass Brooks über einen Kopf größer ist als ich.

In seinem Blick liegt Neugierde. »Oh, das tut mir leid. Scheinbar war das nicht sehr einvernehmlich.«

»Ich bin froh, dass ich ihn los bin«, gebe ich zu und wundere mich über meine ehrlichen Worte.

Caleb die Wahrheit zu beichten, war wie ein Befreiungsschlag und ich kann von Glück sagen, dass diese nervenzehrende Beziehung ein spontanes Ende genommen hat. Möglicherweise hätte ich mich von meinem Vorhaben abbringen lassen, wenn Caleb und ich vernünftig darüber gesprochen hätten. Aber seine Reaktion auf meinen Orts- und Studienwechsel zeigt mir, dass es die richtige Entscheidung war, ihm im Voraus nichts zu erzählen. Vermutlich hätte er sowieso nicht zugehört. Kein Wunder also, dass ich es aufgegeben habe, ihn in meinen Entscheidungsprozess mit einzubeziehen.

Von heute auf morgen buchte ich einen Umzugsservice, um eine Woche nach der Beerdigung von Judith meine Sachen aus New York nach Barley Mill karren zu lassen. Calebs und meine gemeinsame Wohnung würde dann für immer Geschichte sein. Wenige Tage noch und ich werde ein neues Leben beginnen. Nur indem ich meine verdammte Familie außen vor ließ, konnte ich meinem Traum, Journalistin zu werden, ein Stückchen näher kommen. Das, woran ich ständig gedacht hatte und von dem ich mir nie hätte vorstellen können, es eines Tages in die Tat umzusetzen. Ich hoffe, dieses Hochgefühl bleibt noch eine Weile. Denn die Zweifel sind bereits dabei, mich im Galopp einzuholen.

»Wollen wir die Party hier verlassen? Mit diesen steinalten Leuten da drin kriege ich schlechte Laune. Obwohl ich das Essen echt gut fand. Hast du diese kleinen Törtchen probiert?« Clover lächelt mich an. »Wir sind mit ein paar Freunden im Mill Grill verabredet. Es wird von der Barley-Fakultät geleitet und nur Studierende arbeiten dort. Du kannst gern mitkommen.«

»Meinst du, wir können schon abhauen?«

Ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Familie damit nicht noch weiter bloßstellen würde. Andererseits würden sie mir nach der Szene mit Caleb vermutlich sowieso die Augen auskratzen. Da kann ich ebenso gut von hier verschwinden.

»Willst du wirklich wieder da reingehen? Deine Mom wird inzwischen vielleicht die Krabben von ihrem Kleid gefischt haben, aber nachdem sie vier Gläser Champagner in sich reingekippt hat, bin ich mir nicht sicher, ob sie sich noch auf den Beinen halten kann.«

Ich stelle mir vor, wie meine Mutter durch die Hotelhalle torkelt und mit einer Serviette ihr Tausend-Dollar-Kleid malträtiert. Dabei schimpft sie über die Szene zwischen Caleb und mir. Dad und sie bestätigen einander, was für eine Enttäuschung ich doch sei, und mein Ex schält sich lautstark in die Hasstiraden mit ein. Darauf kann ich gut verzichten. »Du hast recht, lass uns verschwinden.«

Brooks schmunzelt. »Aber nur, wenn du mir von den Krabben erzählst.«

 

4 Brooks

Mir gefällt es, dass Harper den von mir empfohlenen Doppel-Chili-Cheese-Burger bestellt hat, denn das ist der beste Burger, den sie auf der Karte haben. Die perfekte Schärfe und jede Menge Käse. Da sie Hunger hat, nimmt sie noch eine Portion Pommes und eine große Cola dazu. Ich grinse in mich hinein. Da bleibt bestimmt noch was für mich übrig. Auch wenn ich mir selbst einen Burger mit Pommes bestellt habe, bin ich mir sicher, ihre Reste ebenfalls zu schaffen. Das Training heute war echt verdammt anstrengend. Ich schiele zu Clover, die sich einen dieser vegetarischen Burger mit Guacamole bestellt hat. Davon werde ich die Überbleibsel weder bekommen, noch möchte ich sie essen. Avocado ist was für Leute, die Pinienkerne über ihre Mahlzeiten streuen – zu denen zähle ich mich allerdings nicht.

Hudson, Bailey und Will betreten das Diner und steuern unsere übliche Sitznische an. Sie begrüßen Jayden hinter der Theke, der die Getränke für uns vorbereitet. Am frühen Nachmittag ist hier meist wenig los, sodass er hin und wieder zu uns rüberkommt und mit uns quatscht.

»Alter, Brooks, du hast schon wieder deine widerlichen Trainingssocken im Wohnzimmer liegenlassen. Das nächste Mal packe ich sie dir unters Kopfkissen«, meckert Hudson und lässt sich mir gegenüber nieder. Seine Freundin Bailey setzt sich seufzend neben ihn, gefolgt von Will.

»Alles klar, Mommy«, erwidere ich grinsend.

Ich werfe einen Blick auf Harper, die meine Freunde mit großen Augen mustert. Sie bleibt bei Will hängen und ich verkneife mir ein Stöhnen. Jede starrt ihn so an, weil seine Wangenknochen so markant sind, dass man sich daran schneiden könnte – Clovers Worte, nicht meine.

Doch seitdem sie das erwähnt hat, fällt mir auf, was für eine magische Anziehung Will auf Frauen hat. Eine Ausstrahlung, um die er weiß und die er ständig ausnutzt. Da kann man echt neidisch werden.

Er zwinkert Clover zu, bevor sein Blick auf Harper fällt. Sie sitzt neben mir, ist aber darum bemüht, mir nicht zu nah zu kommen, und auch ich lege es nicht darauf an, sie zu berühren. Nach der Szene vorhin mit ihrem Ex-Freund möchte ich sie sicher nicht in Verlegenheit bringen, weil ich ihr zu sehr auf die Pelle rücke.

»Hey, Süße, wer bist du denn?«

Will nickt ihr zu, doch sie lehnt sich mit einem genervten Seufzen nach hinten in die Polster.

»Ich bin nicht deine Süße, Freundchen.« Ihr Unterton ist freundlich, aber bestimmend, als sie ihre Arme wie automatisch vor der Brust verschränkt. »Ich bin Harper, Clovers Cousine.«

Ich will dem Drang widerstehen, sie abzuchecken. Dennoch kann ich nicht verhindern, dass ich ihre hübschen Züge bewundere. Das Hellblau ihrer Iriden, die kleine Nase, ihre sanft geschwungenen Lippen.

Rasch wende ich mich wieder ab, bemerke aber im Augenwinkel, wie perfekt die schwarze Spitze zu ihrem hellen Teint passt. Sie soll sich in unserer Gruppe wohlfühlen und nicht bedrängt werden, deswegen werfe ich Will einen mahnenden Blick zu, doch er ignoriert mich.

»Das merkt man sofort. Süße genannt zu werden, gefällt ihr auch nicht besonders«, gibt er breit grinsend zurück. »Es gibt bestimmt Kosenamen, mit denen Clover in gewisser Atmosphäre gern bezeichnet wird«, meine ich und kassiere einen harten Schlag gegen den rechten Oberarm.

»Klappe halten, Brooks.«

»Jawohl, Ma’am.« Ich hebe die Cap kurz an und setze sie wieder verkehrt herum auf meinen Kopf.

»Möchtet ihr auch was bestellen?« Jayden stellt die Gläser vor uns ab.

Harper betrachtet den Dreiviertelliter mit Argwohn.

Mehr Cola für mich. Check.

»Ich glaube, Bailey hat riesigen Hunger. Sie benimmt sich den ganzen Tag schon wie eine Diva«, sagt Hudson grinsend und stupst seine Freundin mit dem Ellenbogen an.

Diese wirft ihm einen bitterbösen Blick zu. »Niemand hat nach deiner Meinung gefragt. Aber ja, ich nehme Pommes.«

Jayden betrachtet die beiden Streithähne einen Moment, bevor er die anderen Bestellungen aufnimmt.

»Bei Bailey und Hudson vergeht übrigens kein Tag, an dem sie sich nicht die Köpfe einschlagen.« Ich wende mich an Harper, die an ihrer Cola nippt. Das Getränk hinterlässt einen feuchten Schimmer auf ihren Lippen, von denen ich meinen Blick nicht reißen kann.

Na, das fängt ja gut an.

Clover würde mir die Hölle heißmachen, wenn ich direkt am ersten Abend mit ihrer Cousine ins Bett springe. Abgesehen davon nehme ich an, dass Harper nicht der Sinn danach steht, sich sofort nach der Trennung auf einen neuen Kerl einzulassen – würde mir nicht anders gehen. Und überhaupt sollte ich nicht auf ihre Lippen starren.

Vor meinem inneren Auge sehe ich, wie Clover mir im Vollsprint zwischen die Beine tritt.

»Vielleicht sollte man nicht zu allem seinen Senf dazugeben«, zischt Bailey in meine Richtung.

Hudson zieht die Augenbrauen hoch und schüttelt sacht den Kopf. Mir fällt sein nicht gestutzter Bart auf, was nur bedeuten kann, dass er Bailey seit heute Morgen am Telefon hatte und sie ihn wegen irgendetwas, das ihr nicht passt, angemeckert hat. Die zwei sind wie Feuer und Wasser. Sie passen nicht zusammen und nehmen einander die Luft zum Atmen. Schon oft haben Hudson und ich über seine Beziehung gesprochen. Er meint, er will ihrer Liebe noch eine Chance geben. Immer und immer wieder.

Ich weiß nicht, ob er zu verknallt ist, um zu sehen, dass sie einander nicht guttun, oder ob er es nicht wahrhaben will. Je mehr wir uns darüber unterhalten, desto genervter wird er und umso weiter entfernt er sich von mir.

Seit Kurzem habe ich beschlossen, das Thema ruhen zu lassen und nur über sie zu sprechen, wenn er damit anfängt. Es ist seine Sache, und wenn er meint, glücklich zu sein, bin ich garantiert der Letzte, der ihn davon abhält.

»Wir haben von eurer verstorbenen Großtante gehört. Mein Beileid«, wechselt Will nicht ganz elegant das Thema.

»Danke. Ich bin eigentlich nur wegen der Beerdigung hier. Aber nächste Woche ziehe ich her. In drei Wochen beginnt mein Studium. Ich bin eine frischgebackene Reyes.«

»Die Literatur-Fakultät ist unfassbar gut«, sagt Hudson. »Ich bin für kreatives Schreiben mit Schwerpunkt Drehbuch eingeschrieben.«

Harper lächelt. »Du musst mir unbedingt von den Dozenten erzählen.«

Ich habe nichts dagegen, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass Harper herzieht. Nach ihrer Krabbengeschichte habe ich das Gefühl, dass sie eine ordentliche Portion Humor hat. Wenn sie nur halb so entspannt ist wie Clover, würden wir bestens miteinander auskommen.

»Wo wirst du wohnen?« Bailey lächelt das erste Mal, seitdem sie im Diner angekommen ist.

»Im alten Apartment meiner Großtante in der Vorstadt. Sie hat es Clover und mir vermacht.« »Gut, dass ich gerade aus meiner alten Townsend-WG rausgeflogen bin. Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, als mit meinem Cousinchen zusammenzuwohnen«, sagt Clover und wirft Harper dabei ein breites Lächeln zu.

»Hoffentlich haben sie dich nicht rausgeworfen, weil du zu wenig geputzt hast.«

»Eher zu viel, würde ich sagen. Prokrastination und so.«

In dem Augenblick bringt Jayden uns das Essen, auf das wir uns gierig stürzen. Vor allem ich, denn ich bin völlig ausgehungert. Unser Coach hat uns wirklich ganz schön rangenommen, obwohl noch Ferien sind und die Saison erst in fünf Wochen beginnt. Aber er will uns in Höchstform auf dem Spielfeld haben.

»Ihr sollt den Weicheiern der umliegenden Colleges ordentlich in den Arsch treten. Während die im Sommer ihr Fast Food gefressen, Mädels vernascht und ihren Pelz in die Sonne gehalten haben, habt ihr Blut und Wasser geschwitzt, weil ihr ein Ziel habt, Jungs. Ihr wollt in die NBA!«

Die Worte des Coachs hallen in meinem Kopf wider und ich weiß, dass er recht hat. Wenn wir unseren Traum verwirklichen wollen, müssen wir hart dafür kämpfen. Vom Faul-auf-der-Haut-Liegen, Junkfood und einer Auszeit wird man nicht fit. Auch wenn Coach Newman uns hin und wieder so lange sprinten lässt, bis reihenweise Spieler kotzen, will er uns auf die Realität vorbereiten. Wer in der NBA spielen möchte, wird nicht verschont. Es gibt zu viele gute Basketballer, als dass man es sich leisten könne, nicht jedes Mal sein Bestes zu geben.

Ich habe meinen Burger bereits weit über die Hälfte aufgegessen, als Clover und Harper überhaupt erst anfangen. Wegen meines Appetits sollte ich mich wohl schlecht fühlen, stattdessen stopfe ich die Pommes genussvoll in meinen Mund und freue mich darüber, dass mein Magen endlich nicht mehr knurrt.

»Der Burger ist der Wahnsinn, Brooks«, staunt Harper zwischen zwei Bissen und nickt mir anerkennend zu. Insgeheim feiere ich mich selbst für meine Empfehlung, denn meine Freunde sind meist nicht sonderlich begeistert, wenn ich ihnen neue Burger empfehle. Zu scharf, zu käsig, zu fleischlastig.

Seit Jayden hier arbeitet, darf ich hin und wieder in die Küche huschen und meiner Fantasie freien Lauf lassen. Zugegeben, manchmal geht mein Versuch nach hinten los, aber was soll ich sagen? Ich liebe Burger. Mein Leben lang werde ich ihnen verfallen sein. Die Vielfalt, die man zwischen zwei Burgerbrötchen entdecken kann, katapultiert mich immer wieder ins Schlaraffenland. Ich probiere alles auf meinen Burgern aus. Soßen, unterschiedliche Gemüsearten, Fleisch oder sogar Tofu. Wobei Clover mich zur fleischlosen Alternative gezwungen hat. Nachdem sie mir die Vorteile von Tofu erklärt hat, habe ich mich breitschlagen lassen und einen weißen Klotz mit Fett, Gewürzen und Rauchsalz in die Pfanne gehauen. Es schmeckte mir unerwartet gut, aber das gab ich vor meinen Freunden nicht zu, da ich Clover damit recht geben und sie mir das bis in alle Ewigkeit vorhalten würde. Letztes Jahr auf dem Campusfestival habe ich sogar ein Burgerpatty-Wettessen gewonnen.

»Endlich mal jemand mit Geschmack«, denke ich laut und klopfe Harper auf die Schulter. Sie reckt den Daumen in die Höhe, während sie sich Luft zufächelt.

»Verdammt, die Jalapeños sind aber echt scharf«, bringt sie ächzend hervor. »Ich glaub, ich spucke gleich Feuer.«

»Du hast behauptet, du magst es scharf.«

Sie wird knallrot und nimmt einen Schluck Cola. Ich weiß nicht, ob ihr Gesicht so rot ist, weil die Schärfe ihr in die Wangen steigt oder weil meine Worte zweideutig klangen. Jedenfalls ist es ziemlich niedlich, dass sie plötzlich so verschämt wirkt.

Ich schnappe mir eine Pommes von ihrem Teller und zwinkere ihr von der Seite zu. Harper stellt ihr Glas gar nicht mehr ab, sondern hält sich mit beiden Händen daran fest. Die Eiswürfel klirren gegen den Rand, als sie es erneut zu ihrem Mund führt.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und fühle mich diabolisch. Vielleicht ist jetzt der passende Zeitpunkt gekommen, ihr einen bescheuerten Spruch zu drücken. Ich bin mir sicher, dass wir denselben Humor teilen. Langsam lehne ich mich zu ihr, nur um erneut ein paar Pommes zu klauen. »Ganz schön heiß hier drin, oder?«

Sie verschluckt sich an ihrer Cola und prustet los. Ich freue mich, sie zum Lachen gebracht zu haben, da sie nach dem Eklat mit ihrem Ex-Freund ziemlich niedergeschlagen wirkte. Sie pult ein paar Jalapeños aus ihrem Burger, spießt sie auf ihre Gabel und hält sie mir hin.

»Iss.«

Ich grinse sie an und schüttle den Kopf.

Doch sie kreist mit der Gabel vor meinem Gesicht herum. »Oder traust du dich nicht?«

Herausforderung angenommen.

Bei so was bin ich leider viel zu leicht zu überreden. Vor allem, wenn jemand meine Fähigkeiten in Zweifel zieht. Und ich strotze nur so vor unerkannten Talenten. Besonders gut kann ich nämlich Jalapeños essen.