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Jacky fällt aus allen Wolken: Sie ist schwanger – und zwar von einem dieser versnobten Geschäftsmänner, für die sie sich so gar nicht begeistern kann. Wie konnte sie nur mit so einem Exemplar im Bett landen? Jeremy ist genauso entsetzt. Niemand ist so weit von seiner Vorstellung einer idealen Partnerin entfernt wie die aufmüpfige und chaotische Jacky. Aber als sie sich in dieser schicksalshaften Nacht an ihm festklammerte und ihn fast anflehte, mit ihr ins Bett zu gehen, konnte er als Gentleman alter Schule doch nicht nein sagen! Zähneknirschend beschließen beide, sich trotz aller Widerstände näher kennenzulernen – dem ungeborenen Kind zuliebe. Doch leider ist dieser Versuch nicht gerade von Harmonie gekrönt. Der erfolgreiche Rechtsanwalt und die flippige Autorin sind einfach zu verschieden. Haben sie trotzdem eine Chance, nicht nur Eltern zu werden, sondern vielleicht sogar ein Liebespaar?
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 - Jacky
Kapitel 2 - Jacky
Kapitel 3 - Jacky
Kapitel 4 - Jeremy
Kapitel 5 - Jeremy
Kapitel 6 - Jacky
Kapitel 7 - Jacky
Kapitel 8 - Jacky
Kapitel 9 - Jacky
Kapitel 10 - Jeremy
Kapitel 11 - Jacky
Kapitel 12 - Jacky
Kapitel 13 - Jeremy
Kapitel 14 - Jacky
Kapitel 15 - Jacky
Kapitel 16 - Jeremy
Kapitel 17 - Jacky
Kapitel 18 – Jacky
Kapitel 19 - Jeremy
Kapitel 20 – Jacky
Kapitel 21 – Jacky
Kapitel 22 - Jacky
Epilog - Jacky
Impressum
„Sie sind schwanger, Frau Lindner.“
Meine Gynäkologin strahlt mich an, als habe sie mir soeben eröffnet, ich hätte eine Million im Lotto gewonnen. Das wäre mal wirklich eine gute Nachricht!
„Ich bin schwanger?“, wiederhole ich blöde und werfe einen Blick auf das Ultraschallbild. Also, ein Baby sehe ich da aber nicht. Kein Kopf, keine Arme, keine Beine … Meine ansonsten sehr kompetente Frauenärztin muss sich irren.
„Das kann nicht sein“, schiebe ich nach. „Es ist völlig unmöglich.“
Frau Weingarten lacht.
„Es ist aber trotzdem so. Hier, sehen Sie den Punkt in der Mitte?“
Sie zeigt auf einen hellen Fleck neben tausend anderen hellen Flecken. Ich sehe da ehrlich gesagt überhaupt nichts. Ich habe vor zwei Jahren nicht mal Myome erkannt, die so groß waren wie ein Tennisball.
„Ich sehe nichts“, beharre ich. „Und ich kann überhaupt nicht schwanger sein. Meines Wissens ist es nur ein einziges Mal in der Geschichte der Menschheit passiert, dass eine Frau ein Kind bekommen hat, ohne mit einem Mann zu schlafen. Und auch das zweifele ich stark an. Bei mir jedenfalls ist es unmöglich.“
„Da stimme ich Ihnen zu.“
Frau Doktor Weingarten betrachtet immer noch das Ultraschallbild.
„Ich gehe auch davon aus, dass Sie Sex hatten. Denken Sie mal scharf nach.“
„Ich habe mich vor zwei Jahren von meinem Freund getrennt“, erkläre ich. „Und seitdem habe ich mit keinem Mann mehr …“
Ich halte inne.
Ach du Schreck.
Hilfe!
Nein, bitte nicht!
Ich hatte doch Sex!
Ein einziges Mal!
Aber das kann nicht sein!
Das darf nicht sein.
Bitte, bitte nicht!
Nicht von dem!
Nicht von diesem langweiligen Anzugträger!
„Ich sehe, es ist Ihnen doch noch eingefallen“, sagt meine Frauenärztin vergnügt.
„Er freut sich bestimmt genauso sehr wie Sie.“
Fassungslos starre ich meine Ärztin an. Ist sie blind? Sie sieht auf dem Monitor einen Punkt, wo gar keiner ist, und jetzt meint sie auch noch zu sehen, dass ich mich freue?
„Ich freue mich nicht“, mache ich klar. „Ganz und gar nicht. Ich kenne diesen Typen überhaupt nicht.“
„Immerhin waren Sie mit ihm im Bett“, stellt meine Gynäkologin sachlich fest.
„Also können Sie ihn nicht ganz so schrecklich finden.“
„Ich war an diesem Abend nicht mehr zurechnungsfähig“, erläutere ich niedergeschlagen.
Um die ganze Wahrheit zu sagen: Ich war betrunken.
„Sind Sie wirklich sicher, dass ich schwanger bin?“
„Ja, ganz sicher.“ Frau Weingarten nickt. „Sie sind in der sechsten Woche. Kommt das zeitlich hin?“
Ich fahre mir übers Gesicht. Meine Cousine Liana hat im Wonnemonat Mai ihren 40. Geburtstag gefeiert und jetzt schreiben wir Mitte Juni. Ich würde sagen, das kommt zeitlich perfekt hin. Erschöpft nicke ich.
„Haben Sie denn gar nichts gemerkt?“, erkundigt sich die Überbringerin der – wie sie fälschlicherweise annimmt – frohen Botschaft.
„Hatten Sie Ihre Periode?“
„Nein, nicht so wirklich“, flüstere ich.
Jetzt, wo sie mich daran erinnert, fällt mir auf, dass ich meine Tage schon eine Weile nicht mehr hatte. Aber ich achte da auch nicht so drauf und führe kein Buch darüber. Ich habe keinen bescheuerten Regelkalender und fand es schon immer albern, was für ein Tamtam Frauen mit dieser elenden Bluterei machen. Ich bin jedes Mal froh, wenn der Scheiß vorbei ist. Naja, jetzt ist er dann wohl tatsächlich für ein paar Monate vorbei.
„Lassen Sie die Neuigkeit erstmal sacken“, empfiehlt Frau Weingarten mir tröstend.
„Sie können sich ja noch überlegen, was Sie tun werden.“
„Ja“, sage ich matt, ohne zu verstehen, was sie überhaupt meint.
„Und lassen Sie sich einen neuen Termin in zwei Wochen geben“, schiebt sie nach.
Ich klettere von dem Untersuchungsstuhl und begebe mich in die Umkleidekabine, die ich jedes Mal aufs Neue lächerlich finde. Ich meine, was soll das? Beim Umziehen darf mir meine Ärztin nicht zusehen, aber ansonsten kann sie mit einem Dildo ähnlichen Stab in mir rumstochern? Total bescheuert, echt.
Ich greife nach meinen Klamotten und ziehe mich in Zeitlupe an.
Schwanger.
Ich.
Von dem Typen.
Das kann echt nicht wahr sein!
Sie muss sich irren.
Ich will, dass sie sich irrt.
Ich beschließe, mir auf dem Nachhauseweg mindestens drei Schwangerschaftstests zu holen. So sicher sind die schließlich auch nicht. Aber einer wird ja wohl zuverlässig sein. Der Test, der ein negatives Ergebnis anzeigt, den nehme ich.
Gedacht, getan. Leider sind alle drei Tests positiv. Ich sitze wie zur Salzsäule erstarrt auf dem Badewannenrand und bin innerlich völlig leer. Es ist ein Albtraum. Also stimmt es tatsächlich. Ich bin schwanger.
Hilfe, ich muss sofort mit jemandem reden. Wer käme da eher in Frage als meine beste Freundin Lara. Sie arbeitet zwar gerade, aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Ich platze, wenn ich nicht mit ihr sprechen kann!
Lara und ich kennen uns schon seit der Schulzeit und haben alles miteinander erlebt. Den ersten Kuss, den ersten Sex, die erste Beziehung, die erste Trennung … Also, wir haben das nicht miteinander erlebt, sondern jeweils mit irgendwelchen Jungs. Wir sind nicht lesbisch. Oh Gott, ich bin völlig neben der Spur. Wenn ich lesbisch wäre, könnte ich jetzt wenigstens nicht schwanger sein.
In meinem Kopf geht alles durcheinander und ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Okay, das ist jetzt nicht wirklich was Neues, denn verwirrt bin ich eigentlich immer, aber so schlimm wie heute ist es selten. Fast laufe ich vor ein Taxi, als ich über die Straße renne.
Endlich erreiche ich Toys for Fun. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich um ein Erotikfachgeschäft. Lara arbeitet hier und hat sich vor einem Jahr den Boss des Unternehmens geschnappt. Das war eine echt schräge Story: Leon hatte sich als Journalist ausgegeben und dann haben die beiden ein Sexspielzeug nach dem anderen getestet. Leider habe ich das alles live nicht mitgekriegt, weil ich gerade für ein halbes Jahr in Amerika war. Naja, jetzt sind sie jedenfalls zusammen und sehr glücklich. Sie sind wirklich ein süßes Paar und immer noch total scharf aufeinander.
Ich hoffe, es ist niemand im Geschäft, der unbedingt einen Vibrator ausprobieren will, denn ich muss Lara dringend allein sprechen.
Atemlos stürme ich in den Laden und sehe mich gehetzt um. Nein, kein störender Kunde weit und breit. Aber wo ist Lara? Hoffentlich treibt sie es nicht gerade mit Leon im Nebenzimmer. Das wäre den beiden durchaus zuzutrauen.
„Lara, bist du da?“, rufe ich. „Ich bin’s, Jacky. Wo steckst du? Packst du gerade Dildos aus oder Penisquetscher?“
„Nein, ich sortiere Elektroden-Hodenbeutel“, kommt es gedämpft von irgendwoher.
Trotz meiner desolaten Situation fange ich an, albern zu kichern. Elektroden-Hodenbeutel ist Laras und mein Lieblingsbegriff in der Welt des Spielzeugs für Erwachsene. Peniskäfige finde ich auch noch total abgefahren. Überhaupt gibt es hier ziemlich schräge Sachen für ziemlich schräge Leute. Ich meine, wie kann man seinen Schwanz, den die meisten Männer als ihr Allerheiligstes betrachten, in eine Art Käfig stecken, in dem sich Dornen befinden? Die Kerle sind doch echt nicht mehr ganz bei Trost. Lara erzählt manchmal Geschichten, die man in jedem Comedy Programm verwenden könnte.
Der Vorhang schiebt sich zur Seite und Lara erscheint mit einem Karton in der Hand.
„Hey, Süße, was machst du denn hier?“, begrüßt sie mich, stellt den Karton auf den Tresen und breitet ihre Arme aus.
„Brauchst du einen neuen Womanizer?“
„Nein, ich brauche eine Schulter zum Ausweinen“, seufze ich und falle ihr um den Hals.
„Ich habe gerade die absolute Hiobsbotschaft bekommen.“
Lara blickt mich verwundert an.
„Lass hören!“
„Ich bin schwanger“, sage ich schlicht.
Laras Gesicht ist Gold wert und wenn ich nicht so angekratzt wäre, würde ich ein Foto machen und es im Internet posten. So blöd hat sie noch nie aus der Wäsche geguckt.
Lara reagiert genauso wie ich.
„Du bist schwanger?“, wiederholt sie mit schreckgeweiteten Augen.
„Aber … wie denn das? Du hattest doch gar keinen Sex, oder habe ich da was verpasst?“
„Einmal“, korrigiere ich düster. „Ich hatte in den letzten zwei Jahren ein einziges Mal Sex. Erinnerst du dich an Lianas Geburtstag? Der war sowas von langweilig und ich bin fast eingeschlafen. Irgendwann habe ich vor lauter Verzweiflung angefangen, einen Cocktail nach dem anderen zu trinken – und ich vertrage bekanntlich keinen Alkohol. Ich konnte kaum noch laufen und dieser Typ hat mir freundlicherweise angeboten, mich nach Hause zu fahren. Und da sind wir irgendwie im Bett gelandet. Das Blöde ist, dass ich mich überhaupt nicht mehr daran erinnern kann. Am nächsten Morgen war der Kerl jedenfalls weg und ich habe nichts mehr von ihm gehört. Ich weiß nicht mal, wie er heißt. Es war mir aber auch egal. Ich wollte ihn gar nicht wiedersehen. Er war überhaupt nicht mein Typ. Okay, er sah schon ziemlich gut aus, aber er war in Anzug und Krawatte unterwegs und wirkte wie ein typischer Geschäftsmann. Also nichts für mich.“
Lara hört geduldig zu, obwohl sie die Geschichte natürlich kennt, wie mir gerade einfällt. Egal, dann hört sie sie eben zweimal.
„Aber … habt ihr denn nicht verhütet?“, will sie wissen.
Verzweifelt schüttele ich den Kopf.
„Das weiß ich eben nicht. Ich kann mich an die Nacht nicht erinnern und demzufolge auch nicht daran, ob er sich eine Tüte über den Dödel gezogen hat.“
Lara legt den Arm um mich und zieht mich an sich.
„Mensch, du Arme. Das tut mir so leid. Komm mal her.“
Sie hält mich fest und streichelt meinen Rücken. Ach, das tut so gut! Ich lehne meinen Kopf an ihre Schulter und schließe die Augen. Wenigstens ist sie für mich da. Das war sie schon immer. Sie wird mich auch diesmal nicht im Stich lassen.
„Was hast du jetzt vor?“, erkundigt sie sich. „Willst du das Kind bekommen oder abtreiben lassen?“
Ich löse mich von ihr und fahre mir durchs Gesicht.
„Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Aber ich glaube, an eine Abtreibung brauche ich gar nicht erst zu denken. Das bringe ich einfach nicht übers Herz.“
„Das denke ich auch“, nickt Lara. „Du rettest jede Fruchtfliege aus deiner Apfelschorle und freust dich, wenn sie überlebt. Und du sammelst Nacktschnecken im Regen, damit sie niemand zertritt. Wie könnte jemand wie du ein Kind abtreiben lassen?“
„Ein Kind ist es noch nicht“, stelle ich richtig und denke an den hellen Punkt, den ich kaum gesehen habe.
„Im Moment ist es nur ein Zellhaufen. Aber trotzdem. Es würde ein Baby werden, wenn ich den Dingen ihren Lauf ließe. Und außerdem möchte ich unbedingt Kinder haben und meine biologische Uhr tickt immer lauter. Vielleicht ist das meine letzte Chance.“
„Hm“, macht Lara. „Alles soweit richtig. Bloß … eigentlich wolltest du immer den passenden Partner dazu haben. Und der war bisher nie da. Glaubst du, dieser Businessman ist es?“
„Natürlich nicht“, wehre ich sofort ab. „Für mich kommt nur ein brotloser Künstler in Frage. Musiker, Schauspieler, Fernsehstar – Hauptsache, arm und erfolglos.“
Lara grinst.
„Für ein Baby wäre es nicht schlecht, wenn der Kindsvater ein bisschen Kohle hätte. Weißt du, was er beruflich macht?“
„Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal seinen Namen. Aber den kann ich leicht herauskriegen. Liana hat hunderttausend Fotos gemacht und im Internet eingestellt. Auf einem ist er bestimmt dabei.“
„Super. Wir gucken sofort nach.“
Lara läuft zum Empfangstresen und tippt flink etwas auf ihrem Laptop ein. Ich folge ihr, rufe Facebook auf und dann Lianas Profil. Es dauert nur wenige Sekunden, bis ich mich durch Millionen von Fotos klicke.
„Da!“, schreie ich plötzlich los. „Da ist er! Das muss er sein!“
Fieberhaft zoome ich das Bild näher heran.
Er steht sogar neben mir. Ich habe untertrieben: Er sieht nicht nur ziemlich gut aus. Er sieht fantastisch aus.
„Wow, das ist ja eine echte Sahneschnitte“, stellt auch Lara fest. „Selbst in seinem Anzug sieht er durchtrainiert aus. Und auch vom Gesicht her … also, den würde ich auch nicht unbedingt von der Bettkante schubsen. Natürlich nur, wenn es Leon nicht gäbe.“
Ich starre auf das Bild. Ich mag keine Männer in Anzug und Krawatte. Bei mir müssen sie am liebsten zerrissene Jeans oder Lederjacken tragen und flippig aussehen. Aber selbst ich muss zugeben, dass dieser Typ ein schönes, markantes Gesicht hat und glatt als Model arbeiten könnte. Und den Anzug kann er schließlich ausziehen. Was er vor sechs Wochen augenscheinlich auch getan hat.
Mir wird ein bisschen heiß, als ich mir vorstelle, dass ich es mit diesem schönen Mann getrieben habe. Und jetzt bekomme ich ein Baby von ihm! Das ist wirklich total abgefahren.
„Er heißt Jeremy“, informiert Lara mich. „Jeremy Klaas.“
„Schöner Name“, finde ich. „Gefällt mir.“
Jeremy … ja. Klingt richtig gut. Passt auch zu Jacky, nebenbei bemerkt.
„Du könntest es ihm natürlich auch verschweigen“, macht Lara einen kreativen Vorschlag.
„Wenn du ihn blöd findest und ihn nicht dein Leben lang an der Backe haben willst, wäre das eine Möglichkeit. Andererseits kostet ein Kind viel Geld und es wäre nur fair, wenn er sich daran beteiligen müsste.“
Ich denke kurz über ihre Idee nach, schüttele jedoch dann den Kopf.
„Nein“, sage ich bestimmt. „Das wäre nicht fair. Es ist schließlich auch sein Kind und er hat ein Recht, von dessen Existenz zu erfahren.“
Lara nickt. „Das finde ich auch. Ich bin froh, dass du das so siehst. Und ich bin noch froher, dass du dieses Kind bekommen möchtest, trotz der etwas merkwürdigen Umstände. Ich werde dir helfen, wo immer ich kann.“
„Das ist total lieb von dir.“
Ich nehme meine Freundin noch mal in die Arme.
„Dann werde ich dem zukünftigen Vater mal die frohe Botschaft übermitteln“, beschließe ich. „Er freut sich bestimmt wahnsinnig.“
Als ich nachmittags wieder zu Hause ankomme, geht es mir ein bisschen besser. Ich habe stundenlang mit Lara geredet und jetzt erscheint mir die Lage nicht mehr ganz so schlimm. Schließlich wollte ich immer ein Kind haben, und nun ist es eben so weit. Es wäre zwar schöner gewesen, wenn es innerhalb einer intakten Beziehung entstanden wäre, aber die habe ich nun mal nicht. So dramatisch ist es nicht, wenn ich das Kind allein großziehe. Dieser Jeremy wird sich finanziell beteiligen – und alles ist gut. So der Plan.
Am nächsten Tag sehe ich die Situation komplett anders. Auf einmal erscheint es mir unmöglich, das alles allein zu stemmen. Ich bin für ein anderes Wesen verantwortlich, und zwar ein Leben lang. Ich habe niemanden, der mir hilft. Was, wenn ich total überfordert bin? Was, wenn ich das alles nicht schaffe? Was, wenn mir das Kind später Vorwürfe macht, dass es keinen richtigen Vater hat, weil ich unbedingt mit einem Typen schlafen musste, den ich überhaupt nicht kenne? Was, wenn ich kurze Zeit später meinen Traummann kennenlerne, den das Kind stört?
Ich wische mir die Tränen aus den Augen. Wäre es eine Option, dass dieser Jeremy und ich uns des Kindes wegen zusammenraufen? Einfach nur deshalb, um dem Kind ein richtiges Elternhaus zu geben? Könnten wir als Wohngemeinschaft funktionieren? Wir müssen kein Paar sein, aber möglicherweise eine Zweckgemeinschaft. Zumindest so lange, bis das Kind aus dem Gröbsten heraus ist.
Oder ist das Quatsch? Sollte ich das Kind doch besser abtreiben lassen oder es zur Adoption freigeben?
Schützend lege ich meine Hand auf meinem Bauch. Nein, auf gar keinen Fall. Dieses Lebewesen, das in mir heranwächst, werde ich niemals weggeben oder wegmachen lassen. Das bringe ich einfach nicht übers Herz. Es ist mein Kind und ich werde es lieben und behüten. Es wird schon irgendwie gehen und ich werde eine Lösung finden, wenn ich im Moment auch noch nicht weiß, welche. Vielleicht fällt diesem Jeremy etwas ein. Schließlich ist er zur Hälfte an der Entstehung des Babys beteiligt. Ich muss ihn so schnell wie möglich aufsuchen.
Dank Facebook erfahre ich nach wenigen Klicks, was er beruflich macht und wo er arbeitet. Er ist Rechtsanwalt in einer international tätigen Kanzlei und dort einer der Partner. Einen Doktortitel hat er zu allem Überfluss auch noch. Spießiger geht es kaum. Andererseits ist unser Baby finanziell dann hoffentlich abgesichert.
Unser Baby – wie das klingt! Noch spüre ich nicht mal, dass es in mir wächst. Und mit diesem Jeremy bringe ich das auch nicht in Verbindung. Es ist eine äußerst skurrile Situation.
Ich notiere mir die Adresse der Kanzlei und mache mich auf den Weg. Ich halte es für besser, Jeremy einen Überraschungsbesuch abzustatten, als ihn vorher über mein Erscheinen zu informieren. Wahrscheinlich weiß er sowieso nicht, wer ich bin.
Also schwinge ich mich auf mein Fahrrad und brause zum Potsdamer Platz, wo der Herr Anwalt residiert. Vor einem riesig hohen Gebäude halte ich an und kontrolliere die Adresse auf dem Zettel. Ja, hier muss es sein.
Ich binde mein Rad an einer Laterne an und gehe auf das Gebäude zu. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, einem Mann gegenüberzutreten, den ich einerseits nicht kenne und der andererseits der Vater meines zukünftigen Babys ist. Ich fühle einen Anflug von Trauer in mir aufsteigen. So sollte das eigentlich nicht sein. Eigentlich sollten es zwei sich liebende Menschen sein, die sich gemeinsam auf ihr Baby freuen. Das hätte das Baby verdient. Ich will nicht, dass es Eltern hat, die sich nicht kennen. Allein wegen des Babys entschließe ich mich spontan, Jeremy kennenlernen zu wollen. Vielleicht können wir wenigstens Freunde werden.
In einer Halle werde ich von einem Portier gefragt, zu wem ich möchte. Erst dann wird der Aufzug freigeschaltet. Plötzlich fährt mir der Schreck direkt in die Glieder. Was, wenn er eine Freundin hat? Diese Möglichkeit habe ich noch gar nicht in Betracht gezogen. Andererseits – wäre er dann mit mir in die Kiste gehüpft?
Nein, beruhige ich mich sofort. Ich kann sicher ausschließen, dass er liiert ist. Das wäre allerdings der Supergau schlechthin. Jetzt klopft mein Herz noch stärker.
Die Aufzugtür öffnet sich und ich stehe in einem Empfangsraum. Hinter einem Tresen erhebt sich ein junges Mädchen in einem perfekt sitzenden Kostüm mit einer perfekten Hochsteck-Frisur und einem perfekten Make up. Klar, in Jeremys Welt ist sicher alles perfekt. Da passe ich mal so gar nicht rein. Er wird noch seine Freude an mir haben.
„Guten Tag“, begrüßt mich Miss Perfect. „Was kann ich für Sie tun?“
„Ich müsste dringend Jeremy sprechen“, erkläre ich.
Das Mädchen mustert mich von oben bis unten. Ich trage kein Kostüm, sondern eine durchlöcherte Jeans und ein T-Shirt mit der Aufschrift Stromausfall. Kein Internet. Habe mich mit meiner Familie unterhalten. Sie scheint ganz nett zu sein.
„Haben Sie einen Termin?“, fragt sie freundlich.
„Nein“, erwidere ich. „Aber es ist wichtig. Sehr wichtig. Und privat.“
„Selbstverständlich. Wen darf ich melden?“
„Jacky Lindner“, stelle ich mich vor. „Aber Jeremy wird der Name nicht viel sagen.“
Ich finde, dass das Mädchen mich merkwürdig ansieht. Wahrscheinlich zieht sie sofort die richtigen Schlüsse, allerdings ohne Baby.
„Ich werde Sie anmelden und fragen, ob er Sie empfängt“, teilt sie mir mit, dreht sich um und verschwindet hinter einer Ecke. Ob sie was mit Jeremy hat? In dem Fall fragt sie ihn ganz bestimmt nicht. Soll ich ihr nachlaufen und Jeremys Büro stürmen?
Zwei Minuten später taucht das Mädchen wieder auf und winkt mich zu sich.
„Sie können zu ihm gehen“, verkündet sie.
„Danke, Frau Manthey“, höre ich eine tiefe Stimme.
Das muss Jeremy sein. An seine Stimme kann ich mich übrigens auch nicht erinnern, aber sie gefällt mir auf Anhieb.
Ich straffe meine Schultern und betrete einen großen, hellen Raum. Jeremysteht am Fenster, hat die Hände in den Hosentaschen vergraben und sieht mich abwartend an.
Wow. Er sieht sogar noch besser aus als auf den Facebook Fotos. Groß, muskulös, durchtrainiert, tolles Gesicht, Hammeraugen. Nicht mal sein grauer Anzug stört mich. Und mit diesem umwerfenden Mann war ich im Bett? Ich kann es selbst kaum glauben. Wie habe ich den denn rumgekriegt?
Geistesgegenwärtig schließe ich die Tür. Es muss schließlich nicht jeder mitkriegen, was ich zu sagen habe.
„Hallo, Jeremy“, beginne ich die Konversation. „Wahrscheinlich weißt du gar nicht, wer ich bin. Ich heiße Jacky. Wir haben uns bei dem Geburtstag meiner Cousine Liana kennengelernt.“
Jeremy zieht seine Augenbrauen in die Höhe, macht aber keine Anstalten, seine Hände aus den Hosentaschen zu nehmen und mir die Hand zu geben. Was für ein arroganter Schnösel! Ich wusste es doch.
„Ich weiß, wer du bist“, erwidert er und schaut mich nicht gerade freundlich an.
„Du weißt, wer ich bin?“, wiederhole ich, bevor ich es kapiere.
Natürlich weiß er, wer ich bin. Ich hatte an dem Abend einen Blackout, weil ich zu viel gesoffen habe. Er ganz sicher nicht.
„Natürlich“, erwidert Jeremy und guckt jetzt geradezu finster aus der Wäsche.
„Ich leide schließlich nicht an Gedächtnisschwund. Überdies pflege ich nicht ständig mit mir unbekannten Frauen ins Bett zu gehen.“
„Aber bei mir hast du mal eine Ausnahme gemacht“, versuche ich einen lahmen Scherz.
Jeremys Blick wird noch finsterer.
„Was ist denn? Habe ich dich gezwungen?“, frage ich alarmiert.
Oh mein Gott, habe ich ihn etwa mit einem Elektroschocker schachmatt gesetzt, ihn gefesselt und geknebelt und dann vergewaltigt?
„Eigentlich wollte ich dich nur nach Hause bringen und dich sicher dort absetzen“, erwidert Jeremy.
„Aber du wolltest unbedingt noch einen Absacker mit mir nehmen. Da du kaum noch laufen konntest, habe ich dich in deine Wohnung getragen. Dort hast du dich an mir festgeklammert und mich nicht mehr losgelassen. Dann hast du angefangen, mir die Klamotten vom Leib zu reißen. Widerstand war zwecklos. Und naja, ich bin schließlich auch nur ein Mann.“
„Was habe ich getan?“, flüstere ich schamerfüllt und würde am liebsten im Boden versinken.
„Du hast gesagt, du hättest seit zwei Jahren keinen Sex mehr gehabt und wo ich schon mal da sei, könne ich mich doch nützlich machen“, erklärt Jeremy trocken.
„Das habe ich schließlich auch getan. Ich kann sehr hilfsbereit sein.“
Ich starre ihn entsetzt an. Ich werde nie, nie, nie wieder einen Tropfen Alkohol trinken, das schwöre ich. Kann ich wegen der Schwangerschaft auch gar nicht.
„Das war aber nett von dir“, sage ich mit schwankender Stimme.
„Ich kann mich leider überhaupt nicht mehr erinnern. An nichts.“
„Kein Wunder, du warst hackedicht“, sagt Jeremy schadenfroh.
„Es scheint dir aber trotzdem großen Spaß gemacht zu haben. Jedenfalls hast du nach der ersten Runde nach mehr geschrien.“
Ich fasse mir an den Kopf. Oh mein Gott, es wird immer peinlicher. Ich glaube, ich will gar keine Details wissen.
„Wie viele Runden waren es denn?“, frage ich dann aber doch.
„Och, so einige“, gibt Jeremy bekannt. „Als wir einmal angefangen hatten, konnten wir nicht mehr aufhören. Schade, dass du dich nicht mehr daran erinnern kannst.“
„Hm.“ Ich muss das, was er gesagt hat, erst mal verarbeiten.
„Aber wenn es so gut war, wieso haben wir uns dann nicht wiedergesehen?“, fällt mir ein.
Jeremy zuckt mit den Schultern.
„Du hast erklärt, dass du nicht auf Männer in Anzug und Krawatte stehst und ich dir viel zu spießig bin.“
Jeremy sieht richtig beleidigt aus, was ich gut verstehen kann.
„Oh“, mache ich erschüttert. „Das habe ich wirklich gesagt?“
Jeremy nickt. „Hast du.“
„Das ist aber merkwürdig“, charakterisiere ich mich selbst. „Wenn die Nacht so toll war, hätte es mir doch egal sein können, was für Klamotten du trägst. Zumal du sie ja wohl ausgezogen hast.“
„Das habe ich in der Tat. Du meintest, du magst keine Geschäftsmänner und Anwälte schon gar nicht.“
Das stimmt. Eigentlich. Aber auch nur, weil ich mit Geschäftsmännern bisher immer Spießigkeit und Engstirnigkeit verbunden habe. Vielleicht war das etwas kurzsichtig gedacht. So richtig weit bin ich mit meinen Hungerleidern/Künstlern bisher ja auch nicht gekommen. Vielleicht sollte ich mein Beuteschema noch mal überdenken. Jetzt zum Beispiel.
Jeremy holt tief Luft.
„Warum bist du gekommen? Nach all der Zeit? Was willst du von mir? Soll ich mich wieder nützlich machen?“
Ich werde flammend rot.
„Nein, natürlich nicht“, stammele ich. „Ich wollte dir etwas Wichtiges mitteilen. Ach so, vorab noch eine Frage: Haben wir … ähm … hast du Kondome benutzt?“
Jeremy kratzt sich am Kopf.
„Ja, natürlich. Es wäre unverantwortlich gewesen, das nicht zu tun. Zum Glück hattest du einen reichhaltigen Vorrat. Ich konnte mir Farbe und Größe aussuchen. Ich hatte selbstverständlich keine dabei. Ich bin schließlich nicht mit dem Vorsatz zu Lianas Geburtstag gegangen, eine Frau abzuschleppen.“
Was du aber trotzdem getan hast, also tu bloß mal nicht so.
„Ähm … hast du die Kondome richtig benutzt?“, stelle ich eine selten blöde Frage.
Jeremy runzelt die Stirn.
„Richtig benutzt? Wie soll man ein Kondom denn falsch benutzen? Oder glaubst du, ich hätte es mir umgebunden und eine Schleife drum gemacht?“
„Okay, anders“, mache ich den nächsten Versuch. „Haben wir es besonders wild miteinander getrieben?