Before the Sun Shatters (Scandalous Secrets, Band 1) - Franka Neubauer - E-Book
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Before the Sun Shatters (Scandalous Secrets, Band 1) E-Book

Franka Neubauer

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Beschreibung

Was passiert, wenn die Sonne zerbricht? Als Sonnenschein Hollywoods steht Loraine am Höhepunkt ihrer Schauspielkarriere. Doch nach einem brenzligen Vorfall soll sie rund um die Uhr von einem Bodyguard begleitet werden – ein Albtraum! Da hilft es auch nicht, dass zwischen ihr und Wyatt Carter sofort diese Anziehung ist. Lori will einfach, dass er wieder verschwindet. Bis bedrohliche Nachrichten ihr den Boden unter den Füßen wegziehen und Wyatt ihr einziger Halt ist. Wyatt, der selbst etwas zu verbergen hat … Gefährliche Nähe und verborgene Gefühle im Rampenlicht In Band 1 ihrer Romantic-Suspense-Dilogie entführt uns Franka Neubauer in eine glamouröse Filmwelt voller Intrigen, Geheimnisse und Gossip. Spannung trifft auf Liebe an der wunderschöner Amalfiküste Italiens mit dem beliebten Trope Bodyguard x Schauspielerin. Dabei schreibt Franka Neubauer mit viel Humor und erschafft zudem berührende Momente mit tiefen Botschaften über Erfolg, Daddy Issues, Selbstwert und Schuldgefühle. Tauche ein in die spannend-romantische New-Adult-Reihe von Franka Neubauer!

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Seitenzahl: 502

Veröffentlichungsjahr: 2025

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INHALT

Liebe Leser*innen,

Playlist

scandalous secretsLoraine Lewis erobert Hollywood im Sturm

Kapitel 1Burn bright, little SunLoraine

Kapitel 2Screaming with my head under cold, cold waterLoraine

Kapitel 3Are you ready to play?Wyatt

Kapitel 4I once believed this life would be goldenLoraine

Kapitel 5How much will I lose before I lose myself?Loraine

Kapitel 6I know your secret, but will I keep it?Loraine

Kapitel 7Let’s play hide and seekWyatt

Kapitel 8That’s the price you pay for being lovedLoraine

Kapitel 9You can’t hide behind this smile foreverLoraine

Kapitel 10Even fairies can stop flyingLoraine

Kapitel 11What truth do you hide behind those big blue eyes?Wyatt

Kapitel 12I am watching every single stepLoraine

Kapitel 13The calm before the stormWyatt

Kapitel 14Everything is fineLoraine

Kapitel 15Trying to find the part of me I can’t remember losingLoraine

Kapitel 16I can’t give her upWyatt

Kapitel 17What if the truth is too painful to be told?Loraine

Kapitel 18Messenger: unknown. Feelings: shattered.Loraine

Kapitel 19I want to be the puppeteer and not just the dollLoraine

Kapitel 20Searching for answers in a storm of questionsWyatt

Kapitel 21Why does every bridge around me start collapsing?Loraine

Kapitel 22Plain pool truthsWyatt

scandalous secretsDie Wahrheit hinter dem Freundschafts-Aus von Hollywood-Liebling Loraine Lewis und Familienstar Amelia Young

Kapitel 23Can you suffocate on all the lies you told to keep breathing?Loraine

Kapitel 24Even suns can burn outLoraine

Kapitel 25Solar stormsWyatt

Kapitel 26Always the lover, never the lovedLoraine

Kapitel 27I’m so fucking messed upLoraine

Kapitel 28Sweet little Liar, all your lies will eat you upLoraine

Vier Jahre zuvorPretty faces do the ugliest thingsLoraine

Kapitel 29Lost between my past and presentWyatt

Kapitel 30All the secrets will be my downfallLoraine

Kapitel 31The bitter sweetness of loveLoraine

Kapitel 32The way to one’s heart is through their stomachLoraine

Kapitel 33Kiss my scars and heal my broken mindLoraine

Kapitel 34I hate you. I hate you! I HATE YOU!Wyatt

scandalous secretsSommer, Sonne, Liebeleien: Das steckt wirklich hinter der Pause von Loraine Lewis!

Kapitel 35I know you hate me, XOXOLoraine

Kapitel 36Use my weakness and taste my strengthLoraine

Kapitel 37What if I can’t save you?Wyatt

Kapitel 38Oh crap, it … was … a … trap …Loraine

Kapitel 39Start the getaway car and bring us somewhere far, far, farLoraine

Kapitel 40Maybe all my enemies were once my friendsLoraine

Kapitel 41I’ll just mess it up again and again and againWyatt

Kapitel 42Lori, oh Lori, you’re so fucking cluelessLoraine

Kapitel 43I will turn the world upside down to find youWyatt

Kapitel 44You will haunt me forever but you cannot hurt me anymoreLoraine

scandalous secretsEilmeldung: Mordgeständnis und Nervenzusammenbruch von SilverLake-Schauspielerin

EpilogI never knew how much I needed youLoraineDrei Monate später

Danksagung

Content Note

Für Tinto, meinen Co-Writer.

Wenn ich die Augen schließe, höre ich dich mauzen.

Und schnurren, aber darin warst du schon immer Weltmeister.

Du fehlst mir jeden einzelnen Tag.

Und für M. Weil du meine persönliche Sonne bist – an all den dunklen Tagen, aber besonders an den hellen.

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr auf der letzten Seite eine Content Note.

Achtung: Diese enthält Spoiler für die gesamte Geschichte!

Wir wünschen euch das bestmögliche Lesevergnügen.

Playlist

I Can Do It With a Broken Heart – Taylor Swift

Nothing New (feat. Phoebe Bridgers) (Taylor’s Version) (From The Vault) – Taylor Swift, Phoebe Bridgers

Gilded Lily – Cults

Daddy Issues – The Neighbourhood

The Smallest Man Who Ever Lived – Taylor Swift

Born To Die – Lana Del Rey

Timothée Chalamet – Lena&Linus

Gasoline – Halsey

Young and Beautiful – Lana Del Rey

Panic Room – Au/Ra

teenage dream – Olivia Rodrigo

Idontwannabeyouanymore – Billie Eilish

Block me out – Gracie Abrams

The Archer – Taylor Swift

War of Hearts – Ruelle

Wildest Dreams (Taylor’s Version) – Taylor Swift

Never Felt So Alone – Labrinth

Zombie – The Cranberries

I Wanna Be Yours – Arctic Monkeys

The Alchemy – Taylor Swift

Softcore – The Neighbourhood

This is what the drugs are for – Gracie Abrams

Die Sonne in deinem Zimmer – Edwin Rosen

Atlantis – Seafret

Matilda – Harry Styles

everything I wanted – Billie Eilish

I Hate It Here – Taylor Swift

UnbekanntDu hast dich mit der falschen Person angelegt, kleine Sonne.

Wärst du nicht gewesen, dann hätte die Rolle mir gehört. Du hast sie mir gestohlen und damit alles zerstört. Und jetzt werde ich dich zerstören.

Es wird Zeit, dass die Welt erfährt, was für eine herzlose Bitch du eigentlich bist.

Tick, tack, dein Untergang naht …

Loraine Lewis erobert Hollywood im Sturm

Erst vor einigen Wochen haben wir bekannt gegeben, dass Hollywoods Sonnenschein Loraine Lewis eine Nebenrolle in der düsteren Märchenadaption von Dornröschen spielen wird, und heute haben wir direkt die nächsten News: Loraine Lewis hat die Hauptrolle der Haven in der HBO-Verfilmung des New York Times-Bestsellers Smoke of Water erhalten! An ihrer Seite Samuele Romeo Rossi, unser liebster Italiener, dessen Schauspieldebüt bei The Young and the Beautiful uns immer noch im Kopf herumschwirrt. Die Dreharbeiten sollen noch diesen Sommer starten und wir können es jetzt schon kaum erwarten, die beiden auf der großen Leinwand anzuschmachten.

Für Samuele ist es bereits die dritte große Rolle seiner Karriere und auch Loraine ist von der Leinwand und den Glanzprojekten Hollywoods nicht mehr wegzudenken. Mit ihrem kurzen, aber sehr einprägsamen Auftritt in Before You Go hat sie bewiesen, wie viel Tiefe und Emotion sie verkörpern kann, bevor sie uns mit ihrer ersten Hauptrolle in Dear Sweet Innocence schließlich endgültig verzaubert hat. Nicht umsonst hat sie dafür sowohl den BAFTA als auch den People’s Choice Award gewonnen. Wir haben immer noch Gänsehaut allein bei dem Gedanken an den Film und ihre Leistung!

»Es ist unglaublich, die Hauptrolle in einem so begehrten Projekt spielen zu dürfen, vor allem wenn es an der Seite eines begabten Schauspielers wie Samuele ist«, sagte die 21-Jährige im Interview mit uns über Smoke of Water und beantwortete zudem eine unserer größten Fragen. »Ja, mir wurde auch die Hauptrolle in Aurora’s Thorns angeboten und es wäre bestimmt eine sehr spannende Aufgabe geworden. Doch zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits meinen Vertrag mit HBO unterzeichnet. Ich wollte zeitliche Überschneidungen vermeiden und glaube auch ehrlich, dass Cecilia James die bessere Wahl war – sie ist so bewundernswert!«

Wir sind uns sicher, dass da noch einiges auf uns zukommen wird, auch wenn wir uns noch gedulden müssen, bis wir Loraine als Haven sehen können. Aber wie heißt es so schön? Vorfreude ist die schönste Freude!

Welche Projekte sich auch noch ergeben werden – wir wünschen erst mal viel Erfolg bei den Dreharbeiten zu Smoke of Water und sind uns einer Sache ganz sicher: Loraine Lewis erobert Hollywood im Sturm und wir lieben es!

Burn bright, little Sun

Loraine

Ich würde verbrennen. Jede Sekunde würde ich umkippen und in Flammen aufgehen.

»Fucking hell!«, fluchte ich und versuchte verzweifelt zu atmen, wobei ich mir wild mit der Hand Luft zufächelte. »Ich habe die ganze Zeit gedacht, die Reaktionen der anderen wären übertrieben, aber shit, das ist … shit.« Ich wusste gar nicht, was ich dringender brauchte: Luft oder irgendetwas, um das Feuer in meinem Mund auszulöschen.

Ich befand mich gerade beim Dreh von Let’s get spicy, einer amerikanischen Show, die in den letzten Jahren enorme Beliebtheit gewonnen hatte. Ihr Konzept war es, Kandidaten verschiedenste scharfe Snacks und Gerichte zum Essen zu geben und daraufhin pikante Fragen zu stellen. Spicy im wahrsten Sinne des Wortes also.

Chris Jones, der Moderator der Show, lachte mich aus, während er sich lässig in dem türkisen Sessel zurücklehnte. Ich musste dahingegen meine Nägel in den pinken Stoff des Sofas graben, um nicht zu schreien. Wäre ich nicht gerade vor Schmerzen vergangen, hätte ich etwas nach ihm geworfen. Doch meine Servietten konnte ich nicht hergeben, schließlich warteten noch zwei weitere Überraschungen darauf, gegessen zu werden. Allein bei dem Gedanken daran, dass es noch schärfer werden würde, drang ein gequältes Wimmern über meine Lippen. Die blauen Takis waren bereits schlimm gewesen, von den Habañero Chips, die es immer zum Super Bowl gab, ganz zu schweigen.

»Das ist nicht lustig, Chris! Wie schaffst du das nur? Wie kannst du dich regelmäßig hierhinsetzen und diese Qual durchleben?«

»Die Opfer, die ich bringe, um interessante Gespräche zu führen.« Chris wischte sich den nicht vorhandenen Schweiß von der Stirn, bevor er mittels eines Strohhalms, an dem ein pinker Flamingo prangte, einen Schluck Milch trank. Ich hatte meinen eigenen Becher bereits so oft geleert, dass ich aufgehört hatte zu zählen.

»Anfangs wollte ich den Strohhalm mit dem süßen Panda noch mitnehmen, aber der würde mich wohl immer wieder an diesen Moment erinnern.« Ich schüttelte den Kopf. Für kein Geld der Welt würde ich das hier noch mal machen. Niemals. Unter keinen Umständen. Ich sah direkt in die Kamera und sagte: »Cecilia, es tut mir leid, dass ich behauptet habe, ich würde das easy schaffen. Ich schaffe es nicht, bitte rette mich.« Eine Träne lief mir über die Wange, ehe ich sie mir lachend mit einer unbenutzten Serviette wegwischte. Augenblicklich legte ich meinen Kopf in den Nacken und versuchte, mich nur auf die kahle Decke zu konzentrieren. Würde ich jetzt in die Studiobeleuchtung blicken, würden meine Augen bloß noch mehr tränen.

»Hilft es, wenn ich dir sage, dass bisher noch keine einzige Frau aufgegeben hat?«

»Das hilft mir überhaupt nicht, jetzt sterbe ich nicht nur vor Schärfe, sondern vor Scham, womöglich als erste Frau zu versagen. Von wegen Frauenpower und so.« Ich lachte erneut, auch wenn es viel mehr wie ein Schluchzen klang. »Weißt du, Chris, ich habe diese Show immer unfassbar gern geguckt. Kaum jemand stellt derart spannende Fragen und ist dabei auch noch so respektvoll wie du, aber das hier … das hier hat nichts mit Respekt zu tun, das ist Folter!«

Im Hintergrund hörte ich die Produktion kichern und ich warf einen Blick hinter die Kameras in den einladenden Raum. Als ich ihn betreten hatte, war da direkt ein wohliges Gefühl gewesen, was gewiss an der verspielten Einrichtung gelegen hatte. Doch von der anfänglichen Euphorie über die neonfarbenen Möbel war nichts mehr übrig. Zumindest bei mir nicht. Die Mitglieder der Produktion standen dagegen mit einem breiten Grinsen auf den Lippen da. Genau wie Karla, die in ihrer kobaltfarbenen Bluse deutlich herausstach.

Karla war die persönliche Assistentin meines Managers Griffin und träumte davon, irgendwann ihr eigenes Management zu eröffnen. Gerade gab sie sich aber noch damit zufrieden, Arbeit für andere zu erledigen, wobei sie immer mehr Verantwortung übernahm. Wie mich nach Los Angeles zu begleiten. Mit ihr an meiner Seite war dieses Business oftmals deutlich erträglicher.

»Bist du bereit für den vorletzten Bissen?« Chris hob die Brauen.

»Habe ich eine andere Wahl?«, jammerte ich.

»Du kannst jederzeit aufhören.«

»Und als erste Verliererin rausgehen? Niemals. Okay, Augen zu und durch.« Mit zittrigen Händen griff ich nach dem Cracker und tauchte ihn in den Dip, denn natürlich folgte nach den viel zu scharfen Snacks eine Soße, die mich in meine Albträume verfolgen würde. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber ich glaubte, meine Finger bereits kribbeln zu spüren. Mein Herz schlug definitiv schneller, als es sollte, während ich einen Blick auf das Etikett warf. »Widow Maker? Oh Gott, das kann ja nichts Gutes heißen.« Ich atmete einmal tief ein, bevor ich einen kleinen Bissen nahm. Kaum berührten meine Lippen die Soße, fing alles wieder an zu brennen. Und leider wurde es mit jeder verstreichenden Sekunde ein wenig schlimmer.

»Loraine, wir sind heute nicht nur hier, um über Aurora’s Thorns zu sprechen, der bald Premiere feiert. Du hast gerade auch die Dreharbeiten zu Smoke of Water beendet. Es war zwar nicht deine erste Hauptrolle, aber dennoch deine bisher größte. Und dann auch noch in einem Fantasy-Epos vom Produktionsriesen HBO. Wie fühlst du dich mit alldem?«

Die ehrliche Antwort war: erschöpft. Anfang letzten Jahres hatte ich das Angebot bekommen. Eine unglaubliche Gelegenheit. Nicht nur, weil es sich dabei um die Verfilmung eines New York Times-Bestsellers handelte, sondern vor allem wegen dem, was HBO plante. Schließlich wollten sie am Erfolg von Game of Thrones anknüpfen und neben House of the Dragon noch etwas Neues schaffen, das Fans abholte. Dass ich vor den Dreharbeiten jedoch auch noch eine Nebenrolle in Aurora’s Thorns gespielt hatte – einer düsteren Adaption von Dornröschen –, hatte zu einem harten Jahr geführt. Nach den Dreharbeiten zu Aurora war mir nur ein Wochenende geblieben, um meine Taschen in Schottland zu packen und nach Kroatien zu reisen, wo der Dreh mit HBO auf mich wartete. Als auch dieser geschafft war, hatte die Aurora-Pressetour begonnen, für die ich zwar nicht so wichtig wie die Hauptdarsteller war, jedoch trotzdem gebraucht wurde.

Doch nach der Premiere würde ich schlafen. Mindestens eine ganze Woche, vielleicht auch einfach einen ganzen Monat. Das würde ich brauchen. Denn sollte Smoke of Water im November – passend zur kalten und düsteren Jahreszeit – gut laufen, würde es im Frühjahr weitergehen. Dreharbeiten, Pressearbeiten und alles von vorne. Und von vorne. Und von vorne. Mir wurde schwindelig. Und dieses Mal nicht nur wegen der Flammen, die immer noch meinen Mund erfüllten.

Doch nichts von alldem sagte ich nun, stattdessen bemühte ich mich um ein breites Lächeln und erklärte: »Es ist eine riesige Ehre, diese Rolle spielen zu dürfen, ehrlich. Ich glaube, es gibt kaum etwas Schwierigeres als gute Buchverfilmungen, weil die Erwartungen ganz andere sind. Schließlich kennen die meisten die Story schon und wollen, dass wir sie genau so umsetzen, was aus vielen Gründen leider nicht mögli– bloody hell!« Ich hustete und griff erneut zur Milch. Die kalte Flüssigkeit schenkte mir zumindest für einen kurzen Moment einen Hauch von Erlösung. »Also, auch wenn nicht alles exakt übertragbar ist, haben wir unser Bestes gegeben. Ich habe mein Bestes gegeben und von dem, was ich bisher sehen durfte, war es meine stärkste schauspielerische Leistung jemals. Und das, obwohl ich keinen Charakter so gefühlt habe wie Quinn in Dear Sweet Innocence. Das ist bis heute die Rolle, auf die ich am stolzesten bin.«

Dear Sweet Innocence hatte ich meinen Durchbruch zu verdanken, er hatte mich jedoch emotional einiges gekostet. Schließlich hatte ich eine Neunzehnjährige gespielt, die sich in einen älteren Mann verliebte und von diesem langsam, aber sicher zu der Frau geformt wurde, die er sich wünschte. Da Quinn ohne Vater aufgewachsen war, fand sie in ihm die Liebe, die sie zuvor nie empfunden hatte. Eine harte Rolle, wenn man selbst aus ähnlichen Verhältnissen stammte.

»Und bald können sich die Fans auch selbst eine Meinung über Smoke of Water bilden«, fuhr ich fort, ehe ich erneut hustete. »Wenn das Interview ausgestrahlt wird, ist bereits der erste Teaser online und ich kann die Reaktionen kaum noch abwarten!«

Chris nickte interessiert und ich fragte mich, ob er vielleicht mittlerweile sämtliche Nerven in seinem Mund durch dieses bescheuerte Format weggeätzt hatte. »Du hast uns den Teaser ja bereits vorab gezeigt« – er pausierte kurz, bevor er sich zur Kamera drehte und die Moderationskarten an seine Lippen hob – »keine Sorge, mein Team und ich schweigen wie ein Grab! Aber er ist genial und wird die Fans sicher abholen. Konntest du denn etwas Wertvolles für dich aus dem Dreh mitnehmen?«

»Aus dem heutigen? Ja, dass ich absolut nicht gemacht bin für scharfes Essen. Ich sterbe schon fast bei japanischen Gerichten, selbst wenn ich darum bitte, meinen Ramen nicht zu stark zu würzen.«

Dieses Mal fing Chris wieder an zu lachen. Er hatte mir wirklich zu viel Spaß für meinen Geschmack. »Du hast es gleich geschafft. Bist du bereit für den letzten Dip?«

»Das letzte Mal, dass ich in meinem Leben etwas Scharfes esse? Oh verdammt, ja!« Mittlerweile klang mein Lachen so verzweifelt, dass ich mich vermutlich wie eine sterbende Robbe anhörte. Und so fühlte ich mich auch.

»Okay, Loraine, wir haben uns vor der Show in Ruhe deinen Instagram-Account angeschaut und es gibt da ein Bild, das definitiv mehr Kontext braucht. Kannst du uns erklären, was hier auf dem Foto passiert?«

Mein Mund würde zu Asche zerfallen. Jede Sekunde war es so weit. Der Schweiß lief mir über die Stirn und Schläfe, die Härchen standen auf meinen Armen und jetzt rann nicht nur eine Träne über meine Wange, sondern ein gefühlter Sturzbach. Schnell nahm ich erst einen weiteren großen Schluck Milch, dann einen noch größeren von dem O-Saft und zum Schluss noch mal von der Milch.

»Also. Das Foto«, begann ich schließlich und warf einen Blick auf den Bildschirm, den Chris mir hinhielt. »Das ist tatsächlich bei den Dreharbeiten zu Smoke of Water entstanden, während einem unserer freien Wochenenden. Wir hatten uns einen kleinen Wettbewerb überlegt, für den jeder das hässlichste Shirt anziehen musste, das er finden konnte.« Auf dem Foto sah man mich mit einem Top, auf dem ein riesiges Foto von Taylor Lautners Kopf abgedruckt war, das ihn mit seinen langen Haaren aus dem ersten Twilight-Film und einer schlecht gephotoshoppten Herzchensonnenbrille zeigte. »Das Shirt war ein Geschenk von meinem Drehkollegen, Samuele. Bitte, Chris, lade ihn als Nächstes ein. Sami ist die größte Mimose, die ich kenne. Ich brauche sein Interview mit dir!« Allein der Gedanke daran, meinen Co-Star leiden zu sehen, gab mir genug Kraft, um nicht zusammenzubrechen.

Samuele Romeo Rossi war unfassbar attraktiv und genauso charmant, wie es sein Zweitname ahnen ließ. Und einer der wenigen Freunde, die ich in diesem Business hatte. Durch die gemeinsamen Dreharbeiten in den letzten Monaten waren wir deutlich enger zusammengewachsen und Sami war fast zu dem Bruder geworden, den ich nie hatte. Und deshalb zog ich ihn auch so gern auf.

»Wenn du dir das wünschst, Loraine. Aber es könnte sein, dass er dich dann für seinen Schmerz zur Verantwortung ziehen wird.«

Ich schüttelte den Kopf, um die Schärfe loszuwerden, bevor ich nickte, weil ich Chris doch zustimmen wollte. »Das ist mir egal, mir ist alles egal. Nichts ist schlimmer als das, was ich gerade fühle. Fuck, fuck, fuck.« Mittlerweile wusste ich nicht mehr, ob ich lachte oder weinte oder was noch in meinem Körper vor sich ging. Das Einzige, das ich noch wahrnahm, war dieses alles verzehrende Feuer.

»Loraine, du hast es geschafft. Wir sind fertig.«

Eine gute Stunde – und mindestens zehn Minuten mit meinem Gesicht unter kaltem Wasser – später saß ich mit Karla und unserem Fahrer Sean endlich im Auto. Während wir die Straßen von Los Angeles passierten, vorbei an den hohen Gebäuden und den Palmen, erlaubte ich mir, für einen Moment die Augen zu schließen. Die Klimaanlage pustete mir kühle Luft ins Gesicht, was nach den Dreharbeiten und bei den warmen Außentemperaturen mehr als wohltuend war.

Vorgestern waren wir erst in New York gelandet, wo am Abend das Interview mit dem ganzen Aurora-Cast in der Tonight Show mit Jimmy Fallon stattgefunden hatte. Am nächsten Tag war ich früh aufgestanden, um direkt in einen Flieger nach L.A. zu steigen, um erst ein Interview mit süßen Welpen zu geben und anschließend zu Let’s get spicy zu fahren. Morgen ging es auch schon wieder nach London, wo die Premiere auf mich wartete. Nur noch dieser eine Abend und dann hätte ich vorerst Urlaub. Zumindest bis zum Sommer, weil dann die richtige Pressearbeit für Smoke of Water beginnen würde. Allein bei dem Gedanken daran wurde ich noch müder. Ich spürte die Erschöpfung in meinen Knochen und jeder einzelnen Faser meines Körpers. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal Ruhe gehabt hatte. Richtig durchgeschlafen und einfach gar nichts getan hatte. Allerdings schlief ich ohnehin seit Jahren nicht mehr richtig durch. Nicht seit –

Mein Telefon klingelte und ich verdrängte die aufsteigenden Erinnerungen, bevor es zu spät war. Als ich sah, dass meine beste Freundin mich anrief, huschte zumindest der Hauch eines Lächelns über meine Lippen.

Lilah und ich hatten uns bei den Dreharbeiten zu All Our Sanity kennengelernt, einem total abgedrehten Psychothriller, in dem ich die Hauptrolle gespielt hatte. Meinem Manager Griffin war es damals wichtig gewesen, dass ich so viele verschiedene Rollen wie möglich annahm, um mir ein großes Standing aufzubauen. Er wollte erst gar nicht zulassen, dass ich in eine Schublade gedrängt wurde und man mich für ein süßes Mäuschen hielt. Der Thriller, der so konzipiert war, dass er mit dem Verstand der Zuschauer spielte, hatte mir dabei einiges abverlangt. Mehr noch als die Rolle der Quinn.

Während dem Dreh von All Our Sanity war vor allem Lilah schnell zu einer Stütze geworden. Bei uns war es wie mit einem Puzzle gewesen, bei dem man auf Anhieb zwei passende Teile fand – es hatte sofort geklickt. Zwei Jahre war es nun her, dass wir durch unsere Vorliebe für Kaffee mit zu viel Sirup ins Gespräch gekommen waren, und seitdem war sie aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken. Persönlich hatten wir uns seit unserem gemeinsamen Urlaub im letzten Sommer jedoch nicht mehr gesehen, was bald ein Jahr her war. Umso glücklicher war ich, dass wir heute endlich zur selben Zeit in derselben Stadt waren.

»Hi, Lilah! Na, hast du dich schon entschieden, wo du nachher essen möchtest?«, begrüßte ich sie lächelnd.

Doch als ihr schmales Gesicht mit den immer leicht roten Wangen und der kleinen Stupsnase vor mir auftauchte, runzelte ich die Stirn. In ihren blonden Haaren, die meinen eigenen sehr ähnelten, befanden sich Clips und eine Visagistin trug ihr Make-up auf. Und auf ihren Zügen lag ein schuldbewusster Ausdruck.

»Es tut mir so leid, Lori, so, so leid! Du weißt doch von dem Tanzfilm, den Disney aktuell plant? Na ja, meine Agentin hat mir kurzfristig doch noch einen Platz im Casting besorgt. Als sie mich gestern Abend angerufen hat, ist das komplette Chaos über mich hereingebrochen. Ich wollte dir schon längst geschrieben haben, aber zwischen Koffer packen, Text lernen, Flug erwischen, noch mehr Text lernen und dem Casting habe ich es total verpeilt. Bitte sei nicht sauer!« Zerknirscht schob sie ihre Unterlippe nach vorne.

Enttäuschung breitete sich in mir aus. Ich hatte mich so sehr nach gemeinsamer Zeit mit ihr gesehnt. Doch beim Blick in ihre flehenden Augen konzentrierte ich mich schnell auf das, was jetzt wirklich zählte: Freude.

»Lilah, das klingt toll!« Und das tat es wirklich. Griffin selbst hatte mir vor ein paar Wochen erzählt, dass das Projekt das nächste große Dance-Franchise werden sollte. Natürlich hatte er damals mich für eine der Rollen gesehen. Doch ich brauchte wirklich dringend eine Pause. Und jetzt war ich froh, nicht gegen meine beste Freundin konkurrieren zu müssen.

»Es ist zwar nur ein Nebenpart, aber angeblich suchen sie gerade schon für den zweiten und dritten Teil! Wenn das Casting gut läuft, könnte die nächste Hauptrolle mir gehören. Ich weiß, ich weiß, ich darf mir nicht so viele Hoffnungen machen, sonst bin ich noch enttäuschter, wenn es nicht klappt. Aber Lori, ich habe die Beschreibung für den Charakter gelesen und es würde so perfekt passen. Keine Ahnung, worum es im zweiten Teil gehen wird, aber ich will die Hauptrolle! Das könnte so vieles ändern.«

Bei jedem ihrer Worte wurde ihre Stimme etwas schneller und aufgedrehter, was mich endgültig meine Enttäuschung über das geplatzte Treffen vergessen und stattdessen schmunzeln ließ. Wenn Lilah etwas wirklich begeisterte, wurde sie zu einem kleinen Wasserfall, der nicht aufhörte zu sprudeln. Und wenn es eine Sache gab, von der ich nie genug bekommen würde, dann dabei zuzuhören, wie meine liebsten Menschen über Dinge sprachen, für die sie brannten. Die Begeisterung anderer greifen zu können, war eines der schönsten Gefühle der Welt. Und auch wenn ich dieses Glück als Schauspielerin mit sehr emotionalen Fans oft erleben durfte, war es bei Lilah noch mal etwas anderes. Immerhin war sie das Einzige, was für mich einer Familie nahekam.

»Du weißt, wie ich dazu stehe: immer positiv denken! Allein dass du so kurzfristig noch zum Casting darfst, ist doch großartig. Das würden sie nicht machen, wenn sie nicht Potenzial in dir sehen würden. Potenzial, das du verdammt noch mal hast – und genau das wirst du ihnen jetzt beweisen! Fingers crossed!« Ich hielt meine verschränkten Finger in die Kamera, was sie zum Lachen brachte.

»Danke, Lori. Ich bin in einer halben Stunde schon dran und sterbe gleich vor Aufregung. Deshalb habe ich dich auch angerufen … wenn ich noch einmal über den Text gehe, kotze ich vor Nervosität.« Sie verzog das Gesicht und hielt das Skript in die Kamera.

»Du schaffst das, mach dich nicht so verrückt!«

»Das ist leichter gesagt als getan, vor allem von dir. Du bekommst die Rollen ja einfach, weil du du bist«, entgegnete sie. Mir war klar, dass sie die Worte keineswegs böse meinte, schließlich wusste ich, woher sie kamen, wie sehr Lilah in dem Business zu kämpfen hatte. Dennoch spürte ich, wie mein Lächeln erlosch.

Denn das war nicht die Wahrheit. Zumindest war sie das nicht immer gewesen. Für meinen Erfolg hatte ich einen großen Preis gezahlt … vielleicht einen zu großen. Ich hatte keine Beziehungen in die Filmwelt gehabt so wie Lilah mit ihrem Onkel, der als VFX-Spezialist an großen Projekten mitwirkte. Ich hatte gar keine Beziehungen gehabt, weil ich bereits seit meiner Kindheit auf eigenen Beinen stand. Nicht weil ich es wollte, sondern weil ich keine Wahl gehabt hatte. Schließlich hatte ich meinen Vater nie kennengelernt und meine Mutter hatte sich herzlich wenig für mich interessiert.

Lilah schien meinen Stimmungswandel nicht zu bemerken, denn sie fragte immer noch aufgeregt: »Wie liefen deine Interviews? Erzähl mir alles, vielleicht lenkt mich das ab!«

Ich schüttelte die Gedanken ab und meinte lächelnd: »Es lief gut! Das Welpeninterview ist und bleibt einfach das beste Interviewformat der Welt. Let’s get spicy kann ich wiederum echt nicht empfehlen. Mein Mund brennt immer noch und ich glaube, meine Lippen sind taub.« Jetzt schnitt ich eine Grimasse, was Lilah schmunzeln ließ.

»Du siehst auch echt fertig aus. Wie nach einem Marathon.«

»Die letzten beiden Dips waren auch ein Marathon. Oder besser gesagt: ein Spießrutenlauf durch die Hölle persönlich.«

»So schlimm ist das bestimmt gar nicht. Also ich würde es gern mal ausprobieren. Aber viel lieber wäre ich bei den Hundewelpen dabei.« Erneut schob sie ihre Unterlippe nach vorne und blickte mich mit großen Augen an.

»Irgendwann drehen wir wieder gemeinsam einen Film und dann sorge ich dafür, dass wir ein Interview mit kleinen Hundewelpen bekommen. Versprochen!«

»Das wäre schön. Du, sei mir nicht böse, aber ich muss auflegen. Ich sollte die Szene vielleicht doch noch einmal durchsprechen.«

Ich legte den Kopf schief, um meine beste Freundin besser mustern zu können. Der Schmollmund war verschwunden und nun nahm Traurigkeit ihr ganzes Gesicht ein. Wie gerne wäre ich jetzt bei ihr gewesen, um sie zu unterstützen. Wenn ich früher gewusst hätte, dass sie heute so einen wichtigen Termin in New York hatte, dann hätte ich die Termine in L.A. rausgezögert. Für mein eigenes Wohlbefinden wäre es gewiss auch nicht schlecht gewesen. Nur hatte Lilah ja selbst erst gestern von dem Casting erfahren.

»Du schaffst das, Lilah. Ich glaube ganz fest an dich und bin in Gedanken bei dir, okay?«

Für einen Moment sagte sie nichts, bevor sie seufzte und schließlich nickte. »Du hast recht, ich bekomme das schon irgendwie hin. Danke, Lori.«

»Wofür? Dass ich dich daran erinnere, wie super du bist? Gerne.« Ich grinste in die Kamera, was sie zum Lachen brachte.

Lilah verabschiedete sich von mir und kurz darauf wurde der Bildschirm auch schon wieder schwarz. Dass wir uns nicht sehen würden, sorgte immer noch für ein schmerzhaftes Ziehen in meiner Brust. Ich hätte alles für einen entspannten Abend mit meiner besten Freundin in ihrer Wohnung hier in L.A. getan. Pizza essen, zu viel teuren Wein trinken und für einen Moment vergessen, wer wir eigentlich waren. Nun würden wir das ein anderes Mal nachholen müssen. Aber vielleicht könnten wir dann auch direkt auf ihren Erfolg anstoßen.

Ich ließ mein Telefon zurück in meinen Schoß und meinen Kopf gegen die Scheibe sinken, die nicht mehr so kühl war wie zu Beginn unserer Fahrt. Erneut schloss ich die Augen. Nachdem ich mich heute nicht mit Lilah traf, würde ich den Abend im Zimmer verbringen. Mit teurem Essen und noch teurerem Wein, im Bademantel und mit der besten Gesichtsmaske, die ich finden konnte. Ganz entspannt.

»Was ist hier los?«

Karlas Stimme riss mich aus meinem kurzen Powernap. Ich blinzelte ein paarmal, da drangen auch schon die vielen Geräusche zu mir durch. Vor dem Hotel, in dem wir übernachteten, befand sich eine riesige Masse an Menschen. Das Blitzen unzähliger Kameras blendete mich schon durch die getönten Scheiben und ihre Rufe nach mir jagten mir eine Gänsehaut über die Arme.

»Anscheinend wurde geleakt, in welchem Hotel Miss Lewis untergekommen ist. Warten Sie.« Unser Fahrer Sean drückte auf den kleinen Knopf in seinem Ohr, mit dem er mit dem restlichen Sicherheitspersonal verbunden war. Ich konnte die hektischen Stimmen am anderen Ende hören. Mein Puls beschleunigte sich. »Wir können nicht durch den Hintereingang, dort ist die Lage sogar noch kritischer als hier. Ich werde umdrehen und Sie vorerst an einen anderen Ort bringen, bis sich alles beruhigt hat.«

»Wenn es sich überhaupt beruhigt. Sie wissen, dass ich hier übernachte. Bis sie mich nicht gesehen haben, werden sie nicht verschwinden. Ist schon okay, Sean, lassen Sie mich hier raus.«

Sean warf mir einen skeptischen Blick durch den Spiegel zu. Sofort drehte Karla sich zu mir um. Sorge zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, und auch ohne etwas zu sagen, wusste ich, dass sie das für keine gute Idee hielt.

»Wollen wir nicht lieber irgendwo etwas essen gehen, bis sich die Lage entspannt? Hier gibt es doch dieses neue Café, das du ausprobieren wolltest. Das mit den japanischen Soufflé Pancakes?«, schlug sie vor und schaute mich fast schon flehend an. Sie meinte es nur gut, das wusste ich. Aber alles, was ich wollte, war eine kalte Dusche und vielleicht einen Besuch im Spa des Hotels.

»Ich habe nicht wirklich Appetit und will einfach nur meine Ruhe. Das ist eine Hürde, die ich auf mich nehme. Ich werde es ganz einfach so machen wie immer, wenn die Paparazzi mir auflauern. Sie lächelnd ignorieren, ihnen keinen Grund für schlechte Presse geben und meine Aufmerksamkeit nur den Fans schenken.« Ich tätschelte beruhigend Karlas Hand. Dabei war mir klar, dass es nicht so leicht war, wie ich es klingen ließ.

Sie seufzte. »Wie du meinst.«

Sean sprach kurz in sein Funkgerät, ehe er sagte: »Die Security ist informiert und wird Sie aus dem Wagen ins Hotel begleiten. Für Ihre Rückreise werden wir noch mehr Personal organisieren.«

Ich nickte und hoffte, ich würde die nächsten Minuten schnell hinter mich bringen. Für die Fans – die echten Fans, die nicht nur auf ein gut verkäufliches Autogramm oder Foto aus waren, sondern mit mir reden oder mich umarmen wollten – taten mir solche Situationen immer am meisten leid. Denn diese Fans erreichten mich oft gar nicht erst.

Mein Blick war auf die Menschen vor mir gerichtet, die bereits tausende Fotos schossen, obwohl ich mich noch im Inneren des Wagens befand und überhaupt nicht zu sehen war. Doch niemand wusste, wann ich aussteigen würde, und sie wollten keine Sekunde verpassen. Schließlich war jede meiner Sekunden, die sie auf Kamera bekamen, für sie Gold wert.

»Okay, Sie können los«, sagte Sean.

»Pass bitte auf, Lori«, bat Karla mich, wobei Sorge ihre Stimme einnahm.

Ich legte meine Hand auf ihre Schulter, bevor sich auch schon die Tür des Wagens öffnete. Sofort schlugen die Geräusche auf mich ein. Die Kameras klickten noch mehr als zuvor schon und von allen Seiten hörte ich meinen Namen.

»Loraine! Schau zu uns!«

»Dreh dich nach hier, nach hier!«

»Lächle doch einmal für die Kamera!«

»Wie stehst du zu den Schwangerschaftsgerüchten?«

Am liebsten hätte ich die Augen verdreht und dem Fragesteller meinen Mittelfinger gezeigt. So stand ich zu diesen albernen Gerüchten, die immer dann hochkochten, wenn ich drei Gramm mehr auf die Waage brachte. Doch ich ging nicht darauf ein.

»Warum ist Samuele nicht bei dir?«

»Was sagst du dazu, dass er eure Beziehung öffentlich gemacht hat?«

In diesem Moment passierte mir der größte Fehler, der mir hätte passieren können. Ich blieb stehen. Dabei war eine der wichtigsten Regeln, die ich im Umgang mit Paparazzi gelernt hatte, niemals stehen zu bleiben. Man durfte ihnen unter keinen Umständen eine Angriffsfläche bieten.

Die Traube von Menschen drängte sich immer enger zusammen, um einen Blick auf mich zu erhaschen, und da passierte der zweite große Fehler. Die Security aus dem Hotel wurde von mir getrennt. Ich hatte keine Ahnung, wie das geschah, doch ehe ich michs versah, war die schwarze Gestalt, die mich sicher zum Eingang bringen sollte, einen Meter von mir entfernt. Und dann noch einen. Die beiden Sicherheitsmänner merkten es selbst erst, als es zu spät war. Auch wenn sie mit aller Mühe versuchten, an mich ranzukommen, befand ich mich plötzlich in einem Kreis aus Kameras und Schreien, die alle auf mich niederhämmerten. Mir wurden Fragen zu Samuele und mir gestellt, deren Ursprung ich einfach nicht verstand.

Im Geschrei der Menge hörte ich nur raus, dass anscheinend ein Foto von uns publik geworden war, das unsere Beziehung bestätigte. Eine Beziehung, die nicht existierte. Und mit ihrer Behauptung, dass Samuele irgendwas mit der Veröffentlichung zu tun hatte, hatten sie genau die Reaktion von mir bekommen, auf die sie aus gewesen waren. Ich hätte es besser wissen müssen.

Mühsam versuchte ich, mich durch die Menge zu kämpfen, um zurück zu meiner Security und ins Hotel zu gelangen. In mir brodelte es und mein Hass auf Paparazzi wurde noch größer. Wie konnte man so geil auf Geld sein, dass einem das Leben anderer vollkommen egal war?

Gerade wollte ich nach der Hand von einer der beiden Securitys greifen, die sich wieder zu mir zurückgekämpft hatten, da ging ein Ruck durch die Menge und ich stolperte. Verlor das Gleichgewicht und konnte mich nur noch mit Mühe auf den Beinen halten. Kaum hatte ich mich gefangen, gab es einen weiteren Ruck. Kaltes Plastik erwischte mich an der Stirn.

Und im nächsten Augenblick wurde alles schwarz.

Screaming with my head under cold, cold water

Loraine

Ich spielte mit dem goldenen Ring an meinem Zeigefinger, drehte ihn von links nach rechts und wieder zurück. Nur mit Mühe unterdrückte ich den Impuls, an meiner Nagelhaut zu knibbeln. Einen Impuls, der mit jeder verstreichenden Sekunde stärker wurde. Andererseits: Lieber zupfte ich an der losen Haut an meinen Nägeln, als das Risiko einzugehen, meine Schläfe zu berühren, wo das Pflaster klebte.

Quietschend öffnete sich die Tür des Büros, in dem ich auf meinen Manager wartete. Der Regen prasselte gegen die große Glasfront, hinter der sich die Skyline Londons erhob, und erinnerte mich daran, was ich gerade lieber tun würde: mich auf meinem Sofa unter der riesigen Kuscheldecke verkriechen und erst wieder aufstehen, wenn ich meine aktuelle Serie beendet hatte. Oder einfach gar nie wieder aufstehen, das wäre vielleicht sogar der beste Plan.

»Loraine, meine Liebe, wie geht es dir?« Griffin West trat in den Raum und zog mich zur Begrüßung in eine Umarmung. Sofort hüllte mich der Geruch seines teuren Parfüms ein, das er bloß im Büro trug. Bis heute hatte ich den Sinn hinter seiner Duftstrategie nicht verstanden, auch wenn er sie mir noch so oft erklärte. Für jeden Anlass gab es ein eigenes Parfüm. Er wollte damit einen Wiedererkennungseffekt kreieren. Doch war man nicht erkennbarer, wenn man immer den gleichen Duft trug, der einen ausmachte?

Als wir uns aus der Umarmung lösten, nutzte Griffin den kurzen Moment der Nähe, um mich gründlich zu mustern. Sofort fiel sein Blick auf das Pflaster und die zarte Schramme auf meiner Wange. Sanft berührte er mein Kinn, was mich zusammenzucken ließ, und drehte mein Gesicht zur Seite. »Tut es noch sehr weh?«

Ich schüttelte bloß den Kopf. »Ist schon okay.«

»Gut. Das ist gut.« Er ließ mein Kinn los und schenkte mir sein charmantestes Lächeln, bei dem jeder schwach wurde. Dann wandte er sich von mir ab, um an die luxuriöse Küchenzeile zu treten. Das italienische Marmor sah immer noch aus wie neu, was vermutlich daran lag, dass Griffin es regelmäßig austauschen ließ.

Ich ließ mich zurück auf den Stuhl fallen, in dem ich zuvor gesessen hatte. Sowohl der Jetlag meiner kurzen Reise sowie der … Zwischenfall mit den Paparazzi steckte mir immer noch schwer in den Knochen. Es ging mir gut. Ich war einfach nur schrecklich müde.

Griffin trug ein weißes Hemd, das er bis über die Ellenbogen hochgekrempelt hatte, wodurch seine gebräunten Unterarme zum Vorschein kamen. Auf seiner Brust prangte das Armani-Logo. Genau wie auf dem Gürtel, der seine schwarze Hose festhielt. Es war der gleiche Look wie immer, nur fand sich jeden Tag eine andere Luxusmarke auf seinen Klamotten wieder. Schließlich galt es in unserer Welt als ein Verbrechen, zwei Tage das Gleiche zu tragen.

»Möchtest du einen Kaffee oder Espresso? Ich kann auch meine Assistentin losschicken, um dir etwas zu holen. Ich weiß ja, wie sehr du diese süße Plörre magst.«

»Ich nehme nur einen Tee«, murmelte ich, denn ich hatte mir fest vorgenommen, meinen Koffeinkonsum etwas runterzufahren. An den schlechtesten Tagen war ich immerhin bei sechs Tassen. An den guten reichten manchmal drei.

Sofort wanderten Griffins Augenbrauen in die Höhe. »Kein Kaffee für dich? Normalerweise muss ich nach einem Termin mit dir meine Nespresso-Kapseln auffüllen.«

Ich zuckte bloß mit den Schultern, woraufhin sich sofort eine Falte auf seiner Stirn bildete. Als immer noch keine Antwort kam, drehte er sich noch einmal zu seiner Maschine und reichte mir kurz darauf eine Tasse mit heißem Wasser. Ich hatte keine Lust, ihm zu erklären, dass die ganzen Schmerztabletten dafür sorgten, dass mein Magen rebellierte. Noch mehr Mitleid in seinen Augen ertrug ich nicht.

»Minze«, sagte ich, bevor er mich nach der Sorte fragen konnte.

Ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. Vermutlich freute es ihn, dass ich immerhin meinem Tee treu blieb und noch nicht komplett durchgedreht war.

»Das Geschenk auf dem Tisch ist übrigens für dich«, erklärte er, als er mir eine Tasse reichte. »Von Samuele und seiner Managerin. Sie fühlen sich schrecklich wegen dem Vorfall.«

Ich verdrehte die Augen, weil es lächerlich war. Sie konnten nichts dafür, dass das verfluchte Scandalous Secrets – ein billiges Online-Magazin, dessen Inhalt noch billiger als ihre aufdringlichen Mitarbeiter war – einen Artikel voller Lügen gedroppt hatte. Darin wurde behauptet, dass Sami unsere Beziehung verkündet hätte. Dass er bereits nach einem Ring gesucht hätte. Und – natürlich – dass das gewiss etwas mit meinem wachsenden Babybauch zu tun hätte.

Lügen. Lügen. LÜGEN!

Auch Sami hatte ich bereits in mehreren Nachrichten versichert, dass ihn keine Schuld traf. Er hatte sogar nach L.A. fliegen wollen, um mich im Krankenhaus zu besuchen, was ich sofort abgelehnt hatte. Schließlich war das wirklich nicht nötig, immerhin war ich mit einem kleinen Kratzer davongekommen.

»Danke«, sagte ich trotzdem und zog das kleine Paket zu mir, ohne es zu öffnen.

Seufzend ließ Griffin sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen. Jetzt trennte uns das Mahagoni seines Schreibtischs und am liebsten hätte ich mich hinter dem Monitor zu meiner Linken versteckt. Denn Griffin musterte mich immer noch und mittlerweile erkannte ich den Ausdruck auf seinem Gesicht als Sorge, was mir ganz und gar nicht gefiel. Ich hob die Tasse an meinen Mund und pustete ein paarmal, sodass sich kleine Wellen auf der Oberfläche bildeten. Das hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf mich gehabt.

»Ich bin wirklich froh, dass es dir so weit gut geht und du keine größeren Verletzungen davongetragen hast.«

Ich zuckte mit den Schultern. »So schlimm war es jetzt auch nicht.«

Seine Augenbrauen wanderten in die Höhe. »Loraine. Dich hat einer der Paparazzi mit seiner Kamera erwischt und du warst für kurze Zeit bewusstlos. Du hättest dein Augenlicht verlieren können oder sonst was!« Seine Stimme wurde lauter und ich sofort kleiner. Auch wenn er recht hatte, wollte ich die Realität nicht so vor Augen geführt bekommen.

»Es war ein Unfall. Unfälle passieren.«

»So etwas sollte nicht passieren. Niemals. Wir können von Glück sprechen, dass du nur eine Nacht im Krankenhaus verbringen musstest.«

»Es tut mir leid«, sagte ich leise und sank weiter in den Stuhl. »Aber bis zur Filmpremiere ist die Schramme hoffentlich weg und dort werden sowieso alle mit Cecilia und den anderen beschäftigt sein. Danach ist der Unfall Schnee von gestern.«

Griffin schüttelte den Kopf. »Loraine, es geht mir doch nicht um die Premiere, sondern um dich. Die Schramme bekommt deine Visagistin überdeckt, und selbst wenn nicht, Promis sind schon mit schlimmeren Verletzungen in die Öffentlichkeit getreten. Was für mich zählt, ist deine Sicherheit. Und dass ich sie dir nicht mehr garantieren kann.«

Jetzt schüttelte ich den Kopf und ignorierte dabei das leichte Pochen hinter meiner Stirn. »Es ist alles gut. Das war ein einmaliger Fehler, der mir nicht noch mal passieren wird.«

»Nein, das wird er wirklich nicht.« Griffin räusperte sich und rutschte in seinem Stuhl hin und her. Er war nervös. Warum war er nervös? »Es war ja bereits zu erwarten, dass mit der Rolle bei HBO einige Änderungen auf uns zukommen würden. Deine Person erfährt gerade enorme Beliebtheit, noch mehr als sowieso schon.«

Ich hörte das Aber in seiner Stimme, noch bevor er weitersprach, und aus irgendeinem Grund reagierte mein Körper. Mein Herzschlag beschleunigte sich. »Aber?«

»Aber der Vorfall in Los Angeles hat uns gezeigt, dass nicht nur positive Veränderungen auf uns zukommen.« Griffin stoppte, verschärfte seinen Blick.

Ich lehnte mich nach vorne. »Griffin«, sagte ich zögerlich. Seine Mimik und sein Tonfall gefielen mir ganz und gar nicht.

Er schloss die Augen, atmete einmal tief durch. »Karla und ich sind uns einig. Wir haben einen Personenschützer für deine Sicherheit eingestellt, der ab sofort bei dir leben und immer in deiner Nähe sein wird. Für den Notfall.«

Mir wich die Farbe aus dem Gesicht und ich sackte zurück in den Stuhl. Meine Hände umklammerten die lederne Armlehne so fest, dass sie jeden Moment unter mir zerspringen musste. Personenschützer. Das war auch nur eine gehobenere Art zu sagen, dass er einen fucking Leibwächter für mich eingestellt hatte.

»Nein.«

Griffin seufzte. »Loraine.«

»Auf keinen Fall, nein. Ich brauche keinen verdammten Wachhund.«

»Personenschützer«, korrigierte Griffin mich, was ich mit einem Lachen kommentierte, das eher einem Schnauben glich.

»Personenschützer, Leibwächter, Bodyguard. Nenn es, wie du lustig bist, aber ich will keins davon. Nein.« Wie ein trotziges Kleinkind verschränkte ich die Arme vor der Brust.

Seine Augen schlossen sich und er fuhr sich mit den Fingern über die Schläfe. Ich wollte ihm wirklich keine Kopfschmerzen bereiten, immerhin verdankte ich meinem Manager eine ganze Menge, doch bei diesem Thema würde ich keine Kompromisse eingehen.

Wir hatten schon oft darüber gesprochen, der Ablauf war immer der gleiche. Es war in Ordnung für mich, dass ich für öffentliche Auftritte Security an die Seite gestellt bekam. Jemand, der jeden meiner Schritte verfolgte und mich zu jeder Tages- und Nachtzeit begleitete, war jedoch überhaupt nicht in Ordnung.

»Loraine«, seufzte Griffin auf diese ganz besondere Art, wie es enttäuschte Eltern taten, wenn man ihnen beichtete, dass man sie angelogen hatte. »Es dient lediglich deiner eigenen Sicherheit. Wenn es nach mir ginge, hättest du schon längst einen Personenschützer, aber du wolltest es nie.«

»Und daran hat sich auch nichts geändert. Punkt. Aus. Ende.«

»Normalerweise höre ich auf deine Wünsche und beachte deine Grenzen, das weißt du. Aber über diese muss ich mich hinwegsetzen. Es ist mir egal, was du denkst, dein Bodyguard ist bereits angestellt und wartet auf dich.«

Ich öffnete meinen Mund zum Protest, doch Griffin kam mir zuvor. »Ich tue das nicht, um dir zu schaden, sondern um dir zu helfen.«

»So fühlt es sich aber nicht an.« Ich wollte nicht traurig klingen, konnte jedoch nichts gegen meine zitternde Stimme tun. Das war die eine Sache, die ich nicht wollte, und das wusste er ganz genau. Warum tat er es also trotzdem?

»Sein Name ist Wyatt Carter und er ist gerade einmal ein paar Jahre älter als du. Das war uns sehr wichtig. Ich bin mir sicher, es wird dir leichterfallen, jemandem zu vertrauen, der in deinem Alter ist. Vielleicht siehst du ihn ja irgendwann als Freund und nicht als Angestellten.«

Ich würde niemandem vertrauen, egal, wie alt oder jung er war.

Diese Tatsache las Griffin vermutlich gerade auch in meinem Blick, denn er fuhr fort: »Er war der Beste in seinem Jahrgang. Er hat die Polizeischule mit Bravour abgeschlossen und ihm wurde nachgesagt, der jüngste Detective seit Langem zu werden, weil er eine solch außerordentliche Leistung erbracht hat. Stattdessen hat er sich jedoch für den Weg des Personenschützers entschieden. Die letzten zwei Jahre hat er bei einer Agentur gearbeitet, die vor allem für Politiker verantwortlich ist. Sein vorheriger Arbeitgeber hat ihn bedingungslos empfohlen. Es gab keinen Besseren als ihn.«

Ich sagte wieder nichts, was ihn erneut seufzen ließ.

»Loraine, bitte. Es ist alles schon schwer genug, kannst du da nicht auch noch gegen mich arbeiten?«

»Kein Bodyguard. Das hast du mir versprochen!«

»Ich weiß, dass ich es dir verspochen habe. Aber glaubst du wirklich, ich halte lieber mein Versprechen, um dich nicht zu kränken, als das Risiko zu vermeiden, dich noch mal ins Krankenhaus zu befördern? Nein. Ich weiß, du siehst es nicht so, aber es ist zu deinem Besten.« Griffin streckte seine Hand aus. Legte sie auf den Tisch und schenkte mir ein versöhnliches Lächeln.

Obwohl ich es wirklich nicht wollte, löste ich meine Arme aus ihrer Verschränkung und legte meine Hand auf seine. Und die Geste reichte, um mich ein wenig zu besänftigen. Griffin war all die Jahre nicht nur an, sondern vor allem auf meiner Seite gewesen. Er hatte alles für mich getan, tat es immer noch, würde es immer tun.

Kurz drückte er meine Hand und lächelte mich an, bevor er sich auch schon wieder abwandte, nach seinem Telefon griff und die Eins wählte. Karlas Nummer. »Karla, du kannst ihn jetzt gerne nach oben schicken. Er hat schon lange genug gewartet und wir sind so weit fertig.«

Seufzend grub ich meine Finger zurück in das kalte Leder der Armlehnen. Die kurze Ruhe war bereits wieder verschwunden. Die Vorstellung, ab sofort rund um die Uhr unter Beobachtung zu stehen, rund um die Uhr meine Sonnenscheinmaske aufrechtzuerhalten, erdrückte mich mehr, als jedes hautenge Kostüm es je könnte. Es war immer mein größter Traum gewesen, erfolgreich, beliebt und glücklich zu sein. Nur fehlte das Glück. Stattdessen war da blanke Angst, die sich ganz langsam in mir ausbreitete. Erst nur in Form meines Herzschlags, der mit jeder Sekunde an Geschwindigkeit zunahm, und dann auch als Kribbeln auf meiner Haut. Ein Gefühl, als würden tausende Ameisen über meinen Körper laufen und ihr Gift verteilen.

Das Klopfen an der Tür ließ mich zusammenzucken. Sofort verstärkte ich den Druck meiner Finger.

»Komm ruhig rein«, sagte Griffin freundlich. »Loraine, darf ich vorstellen, Wyatt Carter, dein neuer Bodyguard.«

Ich drehte mich zu der Person, die nun im Türrahmen stand, und setzte mein Pokerface auf. Mein Schauspielgesicht, das nie zerbrechen würde, egal, wie es in mir auch aussah.

Wie viel Wirkung es jedoch besaß, wenn ein Pflaster, eine blutige Schramme und tiefe Augenringe mein Gesicht zierten, war fraglich.

Wyatt Carter musterte mich genauso eindringlich wie ich ihn. Ich kam nicht umhin, seine muskulöse Statur sowie sein gesamtes Äußeres zu betrachten. Er trug ein schwarzes Hemd, das er bis zur Hälfte seines Unterarmes hochgekrempelt hatte. Unter dem Stoff lugten auf der einen Seite schwarze Efeuranken hervor, die sich bis auf seinen Handrücken zogen, und als mein Blick zum anderen Arm huschte, erkannte ich den Ansatz eines weiteren Tattoos. Eine schwarze Haarsträhne fiel ihm in die Stirn, was ihn jedoch nicht zu stören schien.

Er sah umwerfend aus.

Nur half seine offensichtliche Attraktivität nicht gegen die Tatsache, dass ich ihn nicht hierhaben wollte.

Dennoch huschte mir eine Gänsehaut über die Arme, als er im nächsten Moment sagte: »Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Lewis.« Seine Stimme war tief und trotzdem warm. Sie hatte etwas Scharfes und war trotzdem weich.

Oh Lord.

Schnell verbannte ich meine Gedanken und räusperte mich. »Loraine«, korrigierte ich ihn. Wenn er mich jetzt auch noch die ganze Zeit Miss Lewis nannte, würde ich endgültig durchdrehen.

»Sehr schön. Es freut mich, dass wir alles klären konnten, Loraine. Du kannst gerne schon gehen, während ich noch einige Dinge mit Wyatt bespreche. Er wird dann danach zu dir kommen.«

Das ließ ich mir definitiv nicht zweimal sagen. Ohne mich noch einmal umzudrehen, verließ ich Griffins Büro und ließ die Tür hinter mir einen Takt zu schwungvoll zuknallen.

Griffin konnte dankbar sein, dass ich nicht hier und jetzt anfing, laut zu schreien. Oder einfach in mich zusammenbrach.

Are you ready to play?

Wyatt

»Na komm schon, geh ran«, murmelte ich in das Telefon und betete, dass das andere Ende der Leitung mich nicht mehr länger mit Schweigen bestrafen würde. Oder vielmehr mit einem monotonen Piepen, das meinen Puls in die Höhe schießen ließ.

»Was gibt’s?«, kam endlich eine Antwort auf meinen Anruf zurück.

»Ich hab den Job«, brach es aus mir hervor. Erst, nachdem ich diese Worte ausgesprochen hatte, konnte ich wieder richtig atmen. Als hätten sie in den letzten Minuten dafür gesorgt, dass die Sauerstoffzufuhr zu meinem Gehirn immer weiter abgeschnürt wurde.

»Shit.« Es war nicht die Reaktion, die ich mir erhofft, aber die, die ich erwartet hatte.

»Du könntest dich auch einfach mal freuen.« Während ich mir das Telefon ans Ohr presste, schaute ich mich auf der Straße um. Ich lebte erst seit Kurzem in London und die Stadt ließ mich jeden Tag an meinem eigentlich sehr guten Orientierungssinn zweifeln. Hätte ich nicht bei meinem besten Freund unterkommen können, der gerade am Handy alles andere als freundlich klang, wäre ich hier noch verlorener gewesen. Mittlerweile wusste ich, mit welcher Linie ich zum Piccadilly kam und wo ich an der Tower Bridge einsteigen musste, um wieder zurück nach Hause zu kommen. Doch in der Gegend, in der sich das pompöse Glasgebäude von West Actors befand, war ich noch nie gewesen. Mein Blick huschte von rechts nach links, in der Hoffnung, endlich einen Zugang zur U-Bahn zu entdecken. Um es zu Loraines Wohnung zu schaffen.

Loraine Lewis.

Noch immer hatte ich das Bild vor Augen, wie wir uns vor einer Stunde begegnet waren.

Sie hatte so anders ausgesehen als erwartet. Nicht unnahbar oder berechnend, sondern zierlich. Nicht, weil sie so klein und schlank war, sondern weil sie so fragil wirkte. Aber vielleicht hatte das auch nur daran gelegen, dass sie ungeschminkt gewesen war, Sportleggings und einen zu großen Hoodie getragen und ihr blondes Haar in einem unordentlichen Zopf gebunden hatte. Vielleicht war das ihre Taktik. Fragil zu wirken, damit man nicht erkannte, wie sie wirklich war. Wie grausam.

»Ich kann mich nicht für dich freuen, weil ich es immer noch für einen absolut beschissenen Plan halte«, holte mich die Stimme meines besten Freundes in die Gegenwart zurück. »Was, wenn du auffliegst?«

Ich verdrehte die Augen und war froh, dass das nicht ans andere Ende der Leitung durchdrang. »Dafür müsste ich dämlich genug sein, um das zuzulassen. Etwas, das nicht passieren wird.«

Ein Seufzen erfüllte das Telefon und ich musste das Handy ein Stück von meinem Ohr entfernen. »Bist du dir sicher, dass du das Richtige tust, Wyatt?«

Ich presste meinen Kiefer zusammen. So fest, dass meine Zähne knirschten und sich meine Muskeln verkrampften. »Natürlich bin ich das. Ich habe mir die letzten Jahre nicht den Arsch für nichts aufgerissen«, blaffte ich – worauf ich mit einem Schweigen bestraft wurde, das ich mir vermutlich verdient hatte. »Sorry, das war so nicht gemeint.«

»Es gibt nichts, was ich tun kann, um dich davon abzuhalten, richtig?«

»Nein. Ich muss das einfach tun.« Mit jedem Wort war mein Puls schneller und die Wut, die seit so langer Zeit in meinen Adern kochte, heißer geworden. Es war mir egal, dass ich mit diesem Job alles aufs Spiel setzte, wofür ich die letzten Jahre gearbeitet hatte. Denn eine Stelle als Detective war nie das Ziel gewesen, genauso wenig wie als Bodyguard für irgendeine prominente Göre zu arbeiten, die weder mich noch andere hart arbeitende Menschen schätzte. Die Wahrheit herauszufinden, das war immer der Plan gewesen. Und den würde ich nicht aufgeben, weil ich Angst vor den potenziellen Konsequenzen hatte. Selbst wenn ich dafür meinen eigenen inneren Kompass für die nächste Zeit ausschalten musste. Ich hatte schon Schlimmeres durchgestanden, da würde ein wenig moralisch verwerfliches Verhalten mich nicht aus dem Konzept bringen.

»Versprich mir einfach nur, vorsichtig zu sein, okay? Wenn deine Vermutungen stimmen sollten, dann könnte diese ganze Aktion ziemlich nach hinten losgehen. Du weißt nicht, was dich erwartet.«

»Da hast du recht, aber weißt du, was unser Vorteil ist? Sie wissen es auch nicht.« Ein Grinsen legte sich auf meine Lippen. Und als ich dann auch noch endlich die Tube entdeckte, fühlte ich mich so, als könnte ich alles schaffen.

I once believed this life would be golden

Loraine

Ich hasste London. Ich hasste den Trubel, die Lautstärke, die roten Busse, die an jeder Ecke auf einen warteten. Alles war überfüllt von Menschen. Touristen fotografierten jeden Fleck auf dem Boden, als wäre er etwas Besonderes, und drängten sich zu den Sehenswürdigkeiten, als hätten sie den Big Ben nicht schon hundertmal auf Pinterest bewundert. Auf Fotos sah er dabei viel schöner aus als in echt. Alles von London sah auf Fotos schöner aus.

Am meisten hasste ich jedoch den Regen und die Kälte, die nie verschwanden. Wir hatten Anfang Mai und ich musste meinen Mantel immer enger um mich schlingen, um nicht zu erfrieren. Selbst der dicke Hoodie, den ich darunter trug und dessen Kapuze ich nutzte, um mich vor der Welt zu verbergen, bot keinen Schutz. Es regnete, als würde die Sintflut auf uns herabstürzen. So wie gestern. Und vorgestern. Und jeden einzelnen verdammten Tag in dieser verfluchten Stadt.

Vielleicht war ich melodramatisch, doch jetzt gerade verfluchte ich wirklich alles in meinem Leben. Außer vielleicht meinen Fahrer William, den ich gebeten hatte, mich ein paar Straßen früher rauszuschmeißen. Etwas, das meinem Chauffeur generell widerstrebte, bei so einem Wetter jedoch erst recht. Trotzdem hatte er es getan.

Mit dem Wissen, dass ab sofort immer jemand an meiner Seite sein würde, ob ich es wollte oder nicht, hatte ich den Spaziergang zu meiner Wohnung gebraucht. Es fühlte sich an wie der letzte Freigang, bevor ich zur Haft antreten musste.

In den Jahren, seit ich bei West Actors unter Vertrag stand und Griffin als meinen Manager bezeichnen durfte, hatte ich viele Höhen und Tiefen mit ihm durchgestanden. Es hatte immer wieder mal Phasen gegeben, während derer die Security vor meinem Appartement verstärkt werden musste oder ich nicht allein in die Stadt gehen konnte. Doch das hier war anders. Für die nächsten Monate würde Wyatt Carter Teil meines Lebens sein. Mir meine Flügel stutzen. Zumindest das, was von ihnen noch übrig war.

Die Straßen von Knightsbridge waren zum Glück relativ leer, was auch der Grund war, warum William mich früher rausgelassen hatte. Zwar mit einem lauten Seufzen und einem Blick, der Bände sprach, doch er hatte es getan. Auch wenn ich bis auf die Knochen durchnässt wäre, bis ich in meiner Wohnung ankam, kostete ich jede Sekunde aus.

Ein weiterer der roten Doppeldeckerbusse, die Touristen nutzten, um so viel wie möglich von London zu sehen, fuhr an mir vorbei. Automatisch zog ich die Kapuze enger und hielt meinen Kopf gesenkt. Dass ich mir eine Wohnung direkt am Hyde Park genommen hatte, war etwas, das alle in meinem Umfeld mit einem verwirrten Blick oder kritischen Naserümpfen kommentiert hatten. Ich solle mir lieber eine ruhigere Gegend suchen, vielleicht sogar außerhalb Londons, wo keine Menschenmassen waren und keine Fans auf mich warten konnten. Doch bei meinem ersten Kaffee am Morgen und der Teatime am Mittag eine Aussicht auf den einzigen schönen Fleck der Stadt zu genießen – das hatte ich mir früher immer gewünscht. Früher, als ich noch davon geträumt hatte, die roten Teppiche der Welt zu beschreiten und vor jeder Kamera das Fotomotiv Nummer eins zu sein. Bei dem Gedanken an mein jüngeres Ich und seine naiven Vorstellungen von der Zukunft entwich mir ein Schnauben. Zum Glück wurde das Geräusch jedoch vom Regen geschluckt.

Little-Loraine hatte einen ganz anderen Blick auf den Ruhm gehabt als ich nun. Sie hatte die Weltstars durch ihre rosarote Kinderbrille angehimmelt, die sie niemals absetzte, weil ihre Realität nicht nur grau, sondern vor allem grausam war. Und weil sie noch nicht ahnte, was sie eines Tages für den Ruhm tun würde.

Aber auch wenn ich London mit jedem weiteren Jahr mehr verabscheute und die Straßen meiner Heimat mir kaum fremder sein konnten, war mein Appartement die eine Sache, die ich nicht verlassen wollte. Vielleicht brauchte ich das für mein inneres Kind, damit es irgendwann Frieden finden konnte.

Als mein Handy klingelte, überlegte ich, es zu ignorieren. Doch ich war zu neugierig, um keinen Blick auf den Bildschirm zu werfen. Es war Karla. Nach kurzem Zögern ging ich ran.

»Loraine, hi! Wie geht es dir? Was macht dein Kopf?« Bei ihrer freundlichen Stimme und der Sorge, die sich in sie mischte, stieg die Wut in mir erneut auf. Diese Farce konnte sie sich wirklich sparen.

»Du hast es gewusst?«, platzte es aus mir heraus. Sofort senkte ich die Stimme wieder, um keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.

»Wovon sprichst du?« War ihre Verwirrung ehrlich oder nur gespielt?

»Davon, dass du und Griffin beide der Meinung wart, ich würde einen verfluchten Bodyguard brauchen. Wieso hast du mir nichts gesagt, Karla?« Der Zorn in meiner Stimme schwand langsam. Alles, was blieb, war die Enttäuschung über ihren Verrat.

»Mist, ich dachte, ich könnte vorher mit dir reden. Es tut mir leid, dass du es durch Griffin erfahren musstest, ehrlich. Ich wollte in L.A. mit dir darüber sprechen, aber dann kam alles anders und –«

»Moment mal«, unterbrach ich sie und blieb ruckartig stehen. »Es stand schon vor dem Zwischenfall in L.A. fest? Also war das nur eine blöde Ausrede, um meine Zustimmung zu bekommen?«

»Das … Ich … Es ist nicht so, wie es sich anhört.«

»Ich fasse es nicht. Ich dachte, du wärst auf meiner Seite.« Ohne ihre Ausrede abzuwarten, legte ich auf. Sie konnte mich mal. Sie alle konnten mich mal. Auch wenn ich es niemals aussprechen würde.

Als ich kurz darauf die orangefarbene Backsteinfassade mit den vielen weißen Details erblickte, wurde mein Herz schwerer. Einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, doch noch eine Extrarunde zu drehen und einfach die Stille und das Alleinsein zu genießen. Doch ich fror bereits und der Wunsch nach einer heißen Dusche war definitiv größer. Also ließ ich den Regen und die Freiheit draußen und betrat das Gebäude.

Im Inneren begrüßten mich sofort eine angenehme Wärme und der Duft von Lavendel. Auch wenn die Lobby durch ihren eleganten Stil etwas Steriles an sich hatte, beruhigte mich der Geruch jedes Mal. Vermutlich war es nur die Gewohnheit.

So wie immer ging ich direkt zum Fahrstuhl, wo ein Blick reichte, damit die Security mich durchließ. Egal, wer gerade Schicht hatte, ob ich bereits mit der Person gesprochen hatte oder nicht, sobald sie mich sahen, wusste jeder, was zu tun war.

Früher hatte ich immer gedacht, wenn ich in einem dieser luxuriösen Wohnkomplexe leben würde, dann würde ich jede Person kennen, die hier arbeitete. An den wenigsten Tagen besaß ich jedoch genug Energie, um Hallo zu sagen, geschweige denn eine Unterhaltung zu beginnen. So auch heute. Ohne ein Wort stieg ich in den Aufzug und nutzte die Schlüsselkarte, um bis in die oberste Etage zu fahren – das Penthouse. Vermutlich dachten alle hier, ich wäre eine unhöfliche reiche Göre, doch in Wahrheit war ich einfach nur ständig erschöpft.