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Im Rahmen einer Weiterbildung für Dozenten an Hochschulen trifft die Kommunikationsspezialistin und Unternehmensberaterin Helena Steinberg auf die Universitätsprofessorin Magdalena von Arnim, die von der jungen schönen Frau sofort angetan ist. Nicht wissend, dass die, auch auf sie einen Eindruck hinterlassene, faszinierende und erfahrene Frau seit langem mit einem eigenen Kompetenzzentrum an der Universität auf der Suche nach einer Managerin mit den Eigenschaften und dem Auftreten Helenas ist, muss Helena zunächst mit den Avancen einer Kollegin umgehen, die sich ihr offen zugetan fühlt, und ihre eigene Position für die anvisierte Laufbahn überdenken und orientieren.
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Seitenzahl: 75
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Ein helles Lachen, aus vollem Herzen kommend, drang durch das allgemeine Raunen, durch die vielen Gespräche und Geräusche in der Alten Mensa der Universität.
Es war ein schönes, bewunderndes und anerkennendes Lachen, das sich dem Mund einer schlanken, in ihrem schwarzen Nadelstreifenanzug noch zierlicher wirkenden dunkelhaarigen Frau am Zehnertisch, fast in der Mitte des überfüllten Speisesaals befindlich, so unvermittelt entwand.
Gleichsam angesteckt lachten weitere Frauen am Tisch, augenscheinlich verschiedenen Altersgruppen zugehörig – jedoch keine Studierenden mehr – mit dieser, auffallend an der Giebelseite des Tisches sitzenden, Unbekannten.
Ihre Augen waren von einem irisierenden Grünbraun, die gebräunte Haut durch das enganliegende, schlichte, ausgeschnittene weiße Shirt noch dunkler wirkend, und ihre Hände gestikulierten heftig zur Unterstreichung des Gesagten, was die Zuhörenden mit Begeisterung aufnahmen und sich drängten, dem Gespräch Weiteres hinzuzufügen.
Die interessante Akteurin schien jenem Alter der jüngeren Dozentinnen bereits entronnen, dennoch säumte an jeder ihrer Seiten, den köstlichen Wildbraten genießend, eine jüngere Frau ihre anmutige Gestalt, von zwei älteren Lehrenden, die aus ihrer Erfahrung berichtend dem Gespräch ab und an hinzutraten, gespannt den Ausführungen der am anderen Ende Sitzenden folgend.
Das auffallend schöne Lachen war nicht mehr unbemerkt geblieben, denn bereits an den benachbarten Tischen blickten sich die dort sitzenden Frauen, hier in kleineren Gruppen befindlich und zuweilen nahezu intim zu zweit die Speisen genießend, interessiert an, wer die junge Frau wohl kenne. Unstrittig war, dass diese bisher an dieser Einrichtung nicht in Erscheinung getreten sein mochte, denn zu interessiert schaute man auch von den anderen Tischen zu jenem, an dem die Gespräche längst fortgesetzt worden waren und der nun den Nachtisch, köstlichen Fruchtquark in kleinen Schälchen genießend, zum Gesprächsinhalt erhoben hatte.
Eine Mittfünfzigerin in elegantem Wollkostüm und mit einem fein drapierten Schal sah schon eine ganze Weile fasziniert zu der immer noch Unbekannten am Zehnertisch.
Sie saß allein und in Blickrichtung, und sie konnte, ohne ihren Körper unnatürlich zu verschieben, die anziehende Frau, deren volle Schönheit sich durch ihr gesamtes Erscheinungsbild entfaltete, beobachten.
Mit einem leichten Lächeln und unmerklich tieferen Atemzügen, als es an diesem Freitagmittag üblich gewesen wäre, blickte sie zu der Unbekannten, genoss deren harmonische, schlanke Gesichtszüge und die makellosen Zahnreihen bei jedem Wort und jedem Satz, den die immer interessanter werdende Frau den zügigen Gesprächen schenkte, um diese zu beleben – wie die unglaublich reizvolle und faszinierende Gestalt ihrer Person es ohnehin auch ohne Worte geschafft hätte, Interesse und Aufmerksamkeit zu erregen.
Die Ältere, gänzlich in ihre teilnehmende Beobachtung Versunkene, war langjährige Professorin am Kulturwissenschaftlichen Institut der Universität. Sie hatte sich nach einer langen Laufbahn in der Wissenschaft gänzlich der Kulturanthropologie gewidmet – und damit einer Disziplin verschrieben, die die Wechselwirkung zwischen dem Menschen und seinen jeweiligen Kulturräumen versucht zu durchdringen und die die Liebe zum Menschen und zur Gesellschaft untersucht.
Gerade in jener Tatsache, dass Menschen in der Lage sind, anderen Individuen zu begegnen und – bewusst oder unbewusst – einen Bezug des Anderen zu sich selbst herzustellen und sich selbst in und mit deren Augen wahrzunehmen, sich in einen gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang einzuordnen und in diesem zu entfalten, wird zum zentralen Forschungsgegenstand erhoben.
Nicht jeder verstand es, diese Kontexte, die Bezugsräume zu verstehen und zu durchdringen, und nur einem äußerst aufmerksamen Beobachter wäre aufgefallen, dass der hochinteressierte Blick der erfahrenen Wissenschaftlerin auf der ihr unbekannten, neuen Besucherin der Mensa an jenem übervollen Freitag im Herbst mehr war als nur der experimentelle Augenaufschlag auf ein neues Studienobjekt. Er war weitaus mehr als eine Analyse des verbalen und nonverbalen Geschehens, der möglichen Identität oder des Habitus' jener Frau, die offenbar heute als Gast zusammen mit den anderen Frauen am Mittagstisch an diesen Standort gekommen sein musste, und vermochte sich mehr und mehr Raum zu verschaffen an diesem Tage. Die Wissenschaftlerin war konzentriert und hatte sich inzwischen bis zu ihrem Dessert – roter Grütze mit Vanillesoße – vorgearbeitet.
Der durchdringende Blick, der rasche Atem und die bewegungslosen, kühl-versachlichten, äußerst disziplinierten Gesichtszüge jener Wissenschaftlerin waren von heftiger innerer Erregung geprägt, und binnen weniger Sekunden hatte sie auf die von ihr selbst aufgeworfenen Fragen zur Person der Unbekannten eine durchdringende Analyse getätigt, die sie aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung treffen konnte und die ihren eigenen Dessert höchst angenehm bereicherte. Jene Analyse war zum Resultat gekommen, dass die Unbekannte eine Unternehmerin, die keinesfalls als hauptamtliche Dozentin oder Wissenschaftlerin dieser oder einer anderen Hochschule, sondern allenfalls als Lehrende nebenberuflich an einer anderen Hochschule tätig, etwa zwischen 35 und 40 Jahre alt, ungebunden, beruflich selbständig, und mit weitreichenden, sehr repräsentativen und kommunikativen Erfahrungen agierend heute zu einer separaten Weiterbildung an diese Universität gekommen sein musste.
Sie verfügte außerdem über stark interdisziplinäre und fachübergreifende Fähigkeiten, was auf eine vielfältige berufliche Erfahrung schließen ließ, und mit höchster Wahrscheinlichkeit war sie auch privat – trotz ihrer umfassenden Wirkung auf andere Menschen – völlig ohne Abhängigkeiten zu anderen Personen.
Wie hatte sie dies feststellen und ableiten können? Zunächst galt folgendes:
Die Unbekannte hatte bisher nicht ihre Aufmerksamkeit gefunden, was angesichts ihrer überragenden klassischen Gestalt und der Wirkung auf die Beteiligten nur den Schluss zuließ, dass es sich nicht um eine – auch sonst in Erscheinung tretende – Beschäftigte des Lehrkörpers oder der Koordinationsstellen im Hochschulmanagement jener altehrwürdigen Universität handeln konnte.
Die schöne Unbekannte war höchstens vierzig Jahre alt, wahrscheinlich jünger, um die 37. Ihre Kleidung und ihr überaus eleganter, dennoch konsequenter Stil und die sichere Gesprächsführung, die Sitzposition und der gesamte Habitus ließen auf eine freie Position außerhalb der wissenschaftlichen Laufbahn schließen. Sie war durchaus akademisch ausgebildet, wahrscheinlich sogar in mehreren Bereichen, weil sie sich mit den so unterschiedlichen Tischnachbarinnen, die augenscheinlich vergeistigt wirkten (jede auf eine andere Weise), so treffend und adäquat unterhalten konnte.
Die Themen kreisten um wissenschaftliche Inhalte und schienen recht ausdifferenziert.
Überall konnte diese hinreißend attraktive und begeisternde Frau mitreden, ohne sich etwa aufzudrängen. Sie verstand es, den anderen Frauen das Gefühl der Bestätigung zu geben, sie förmlich aufzubauen und zu coachen.
Um als Dozentin an einer Hochschule in Erscheinung zu treten, musste sie mindestens promoviert sein. Sie schien jedoch nicht – wie üblicherweise Wissenschaftlerinnen innerhalb oder nach ihrer jeweiligen Promotions- oder Habilitationsphase – einzig ihrem Fachgebiet behaftet und zur Kommunikation mit anderen Bereichen kaum befähigt oder gewillt zu sein, sondern aufgeschlossen, zugänglich und lebhaft, einfach ganz und gar souverän.
Demnach musste sie es sich leisten können, Wissenschaft als Nebenbeschäftigung und nicht im Haupterwerb zu betreiben, was stets nur von Menschen mit jener Leichtigkeit so gehandhabt werden konnte, die davon nicht leben mussten.
Die Art und Weise ihrer Gesprächsführung konnte sie nur im eigenständigen, aus allen beruflichen Hierarchien herausgelösten Handeln und Wirken erworben haben, und ihr Kleidungsstil sprach ebenfalls dafür, dass es sich nicht um eine Frau als Heimchen am Herd handeln mochte:
Der sehr elegante und edel verarbeitete, dennoch schlicht gehaltene, dunkle, schlank geschnittene Hosenanzug mit den feinen eingearbeiteten Nadelstreifen, das weiße, leicht ausgeschnittenes Shirt, das die sportliche Eleganz betonte, wirkten formal, jedoch nicht aufdringlich, eher zurückhaltend und ließen darauf schließen, dass sie sich in ihrem Berufsleben konsequent, überzeugend, aber eben auch unangepasst durchsetzen und ihre Individualität herausstellen konnte.
Diese junge, vor Dynamik und Energie sprühende Frau liebte es zu kommunizieren, Anregungen zu geben, kreative Ideen zu stiften, und sie genoss es, sich einzubringen und lebhaft zu engagieren. Die Spontaneität und die Ästhetik ihrer sichtbaren positiven Grundeinstellung deuteten darauf hin, dass sie sich auch beruflich mit diesem Bereich beschäftigte. Folglich war sie selbständige Unternehmerin mit einer eigenen Beratungsagentur für Kommunikation, Medien und PR. Da die Teilnehmerinnen sich angeregt unterhielten und völlig losgelöst vom üblichen Geschehen in der Mensa ihren eigenen Vor-lieben nachgingen – vom recht teuren Mittagessen bis zur ausgiebigen Nachspeise – konnten sie nicht an eine Mittagspause der üblichen Beschäftigten gebunden sein.
Sie widmeten sich auch ausnahmslos nur ihren eigenen Gesprächen, ohne überhaupt Anteil an den an anderen Tischen und dort befindlichen Personen zu nehmen, also waren sie alle nicht dieser Universität zugehörig, sonst hätten sie – und dies war völlig verständlich – auch einmal über jemanden in der Nähe gesprochen und in dessen Richtung geschaut, wie es auch unter Akademikern üblich war.
Da die Frauen sich offenbar schon kannten und als Gruppe abgrenzbar zu den anderen Speisenden waren, mussten sie in einer Weise verbunden sein, die außerhalb der Funktionen des Lehr- und Forschungspersonals an dieser Universität standen.
Dass sich hier so verschiedene Fachgebiete zusammenfanden, ließ deshalb noch einen weiteren Schluss zu:
Der Zehnertisch versammelte eine Reihe von Gästen, die nicht etwa zu einer gemeinsamen Konferenz oder wissenschaftlichen Tagung gekommen sein mussten – denn hier wären alle diese Teilnehmer dann mit einem etwa gleichartigen Wesen und Erscheinungsbild identifizierbar, und je nach Fach- und Forschungsrichtung dann doch sehr leicht zu erkennen gewesen.
Also konnte es sich nur um eine Weiterbildungsveranstaltung von Teilnehmerinnen fremder Universitäten und Hochschulen an dieser Universität handeln, und wenn die Teilnehmerinnen sich so angeregt unterhielten, mussten sie sich bereits vorher gekannt haben und nicht zum ersten Mal zusammen im Kontext einer Veranstaltung mit Lehrcharakter zusammengekommen sein.
Damit konnte das interessante Zehnerteam nur an einem Zertifikatskurs teilnehmen, der heute seine Block- bzw. Tagesveranstaltung an dieser Universität organisiert hatte.