Benetton-Werbung in der öffentlichen Diskussion und als Thema im Kunstunterricht - Tatjana Katharina Schikorski - E-Book

Benetton-Werbung in der öffentlichen Diskussion und als Thema im Kunstunterricht E-Book

Tatjana Katharina Schikorski

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Beschreibung

Examensarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Pädagogik - Kunstpädagogik, Note: 1,0, Universität der Künste Berlin (Kunst, Fachdidaktik Kunst, Visuelle Medien), Veranstaltung: Erstes Staatsexamen, Prüfungsarbeit - Staatsexamensarbeit Fachdidaktik Kunst, Sprache: Deutsch, Abstract: Seit Ende der sechziger Jahre wurde der Kunstunterricht um den visuellen Bereich der Massenmedien erweitert. Der Einfluß der Werbung als ein immer mehr an Bedeutung gewinnender Teil massenmedialer Kommunikation wurde zum zentralen Gegenstand der didaktischen Überlegungen. Da das quantitatives Vorkommen der bewegten und stehenden Bilder der Werbung in der Öffentlichkeit zunehmend das der als Kunst definierten Bildmotive übertraf, beschäftigten sich die Kunstdidaktiker zunehmend auch mit ihnen. Seit Beginn der siebziger Jahre gehörte das Thema Werbung zu einem festen Bestandteil des Unterrichtes. Während zahlreiche Aufsätze, Artikel und Bücher der Kunstdidaktiker sich in ihren fachtheoretischen und praxisorientierten Überlegungen seit dieser Zeit hauptsächlich auf die Thematisierung konventioneller Werbeformen im Unterricht bezogen, entwickelte sich die Werbung weiter. Die Benetton-Werbung stellt in diesem Zusammenhang nicht nur eine extreme Form dieser Entwicklung dar, sie wird vielfach auch als eine neue Form von Werbung beschrieben, die einen Bruch mit den alten Formen signalisiert. Bis dahin weitgehend unübliche Strategien, wie der Wegfall des Produktes und der Werbebotschaft, die Assoziation des Markennamens mit negativen Eindrücken und das Schockieren durch das Übertreten gesellschaftlich festgesetzter ethischer und moralischer Normen, heben die Benetton-Werbung von den traditionellen Werbeformen ab. Die von dem Fotografen Oliviero Toscani für die Firma Benetton konzipierten Werbemotive erregten daher immer wieder großes Aufsehen in der Öffentlichkeit, die das Thema oftmals sehr kontrovers diskutierte. Nicht nur wegen ihrer gesellschaftlichen Brisanz, sondern vor allem aufgrund ihrer Andersartigkeit im Vergleich zu den mittlerweile ausgiebig im Unterricht besprochenen Werbeformen sollte die Benetton-Werbung bei den Überlegungen, wie mit der Werbung im Unterricht umgegangen werden kann, einbezogen werden. Inhaltsverzeichnis (Kurzform) 1. Einleitung 2. Traditionelle Werbung 3. Traditionelle Werbung im Kunstunterricht 4. Benetton-Werbung 5. Benetton-Werbung: Kunst oder Werbung 6. Didaktische Konsequenzen: Benetton-Werbung im Kunstunterricht 7. Schlußbetrachtung 8. Literaturverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

 

1. Einleitung

1.1. Zielsetzungen

1.2. Methodisches Vorgehen und Darstellungsgang

2. Traditionelle Werbung

2.1. Gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung der Wirtschaftswerbung

2.1.1. Funktion der Wirtschaftswerbung

2.1.2. Werbung und Gesellschaft

2.2. Praktiken der traditionellen Werbung

2.2.1. Traditionelle Mittel der Werbung

2.2.2. Traditionelle Werbestrategien und -methoden

2.3. Ziele und Methoden informativer und suggestiver Werbung

2.4. Analysemittel

2.4.1. Semiotik und Bildwissenschaften

2.4.2. Gesellschaftswissenschaften und Kritik

2.5. Werbeträger: das Plakat als Medium

2.6. Moderne Formen und Strategien der Werbung

2.6.1. Kommunikation und Public Promotions-Mischungen

2.6.2. Markenidentität, Produktablösung und das Werben mit Symbolen

2.6.3. Parodie und Selbstironie

2.6.4. Ästhetisierung

2.6.5. Reglementierungen der Werbung

2.7. Werbung und Kommunikation

3. Traditionelle Werbung im Kunstunterricht

3.1. Bedingungsfeldanalyse

3.1.1. Sozialisationstheoretische Überlegungen

3.1.2. Der Markt der Kinder

3.1.3. Vorkenntnisse und Einstellungen

3.2. Veränderungen in der Konzeption des Kunstunterrichtes seit 1969

3.2.1. Erweiterung des Gegenstandsbereiches

3.2.2. Methoden und Ziele

3.3. Fachtheoretische Überlegungen zum Kunstunterricht

3.3.1. Theoretische Überlegungen

3.3.2. Thema Werbung im Curriculum

3.4. Traditionelle Werbung in der kunstdidaktischen Praxis

3.4.1. Thematisierung von Aufbau und Funktion der Werbung

3.4.2. Verbale und visuelle Analyse in drei Schritten

3.4.3. Analyse und Interpretation optischer Gestaltungsprinzipien

3.4.4. Aufdecken von Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern

3.4.5. Analytische und produktive Beschäftigung mit der Verpackung

3.4.6. Vermittlung von Werbe- und Verkaufspraktiken

3.4.7. Weitere Hinweise auf Beispiele zum Thema Werbung im Kunstunterricht

4. Benetton-Werbung

4.1. Benetton-Werbung als eine neue Form der Werbung

4.2. Allgemeine Informationen zu der Firma Benetton

4.2.1. Marktwirtschaftliche Informationen

4.2.2. Die Kommunikation Benettons

4.3. Oliviero Toscani

4.3.1. Der Weg Toscanis zu Benetton

4.3.2. Toscanis Kritik an der traditionellen Werbung

4.4. Entwicklung der Benetton-Werbung/Kommunikation

4.4.1. ‘United Colors of the World’

4.4.2. ‘All the Colors of the World’

4.4.3. Politische Stellungnahme zum Golfkrieg

4.4.4. Bilder aus der Intimsphäre menschlichen Lebens

4.4.5. Die Reportagefotos

4.4.6. Die AIDS-Kampagne

4.5. Auswertung der Benetton-Werbung seit 1981 unter dem Aspekt der Kritik Toscanis an der traditionellen Werbung

4.6. Mittel der Benetton-Werbung

4.6.1. Provokation

4.6.2. Schockwerbung

4.6.3. Verstöße gegen die vorherrschende Ethik und Moral

4.6.4. Sympraxis

4.6.5. Paradigmenwechsel und Assoziation negativer Aspekte mit dem Markennamen

4.6.6. Erweiterung der Kommunikationskanäle

4.6.7. Selbstironie

4.6.8. Thematisierung gesellschaftlicher Fragen

4.6.9. Imagewerbung statt Produktwerbung

4.6.10. Ikonik der Bilder

4.7. Werbetheoretische Überlegungen zur Benetton-Werbung

4.8. Benetton in der öffentlichen Diskussion

4.8.1. Meinungen aus der Werbepraxis

4.8.2. Die Diskussion in der Presse

4.8.3. Die Diskussion in der breiten Öffentlichkeit

4.8.4. Zusammenfassung des Pro- und Contraverfahrens

5. Benetton-Werbung: Kunst oder Werbung

5.1. Der erweiterte Kunstbegriff und die Werbung

5.2. Schnittstellen von Kunst und Werbung in der Plakatkunst

5.3. Werbung in der Kunst

5.4. Kunst in der Werbung

5.5. Kunstvolle Werbung

5.6. Benetton-Werbung im Museum

6. Didaktische Konsequenzen: Benetton-Werbung im Kunstunterricht

6.1. Benetton-Werbung und curriculare Inhalte und Zielsetzungen des Kunstunterrichtes

6.2. Thematisierung der Werbestrategie Benettons

6.3. Thematisierung der Schnittstellen von Kunst und Werbung und ihren Grenzen

6.4. Thematisierung fotografischer Aspekte

6.5. Fachübergreifende Unterrichtsmöglichkeiten

6.6. Praktische Unterrichtsideen: Bildgegenüberstellungen

7. Schlußbetrachtung

7.1. Resumee

7.2. Desiderata

7.3. Weiterführende Gedanken

8. Literaturverzeichnis

 

1. Einleitung

Seit Ende der sechziger Jahre wurde der Kunstunterricht um den visuellen Bereich der Massenmedien erweitert. Der Einfluß der Werbung als ein immer mehr an Bedeutung gewinnender Teil massenmedialer Kommunikation wurde zum zentralen Gegenstand der didaktischen Überlegungen. Da das quantitatives Vorkommen der bewegten und stehenden Bilder der Werbung in der Öffentlichkeit zunehmend das der als Kunst definierten Bildmotive übertraf, beschäftigten sich die Kunstdidaktiker zunehmend auch mit ihnen. Seit Beginn der siebziger Jahre gehörte das Thema Werbung zu einem festen Bestandteil des Unterrichtes. Als Ausgangspunkt fachdidaktischer Überlegungen galten zum einen die Schriften von Gesellschaftswissenschaftlern, wie Wolfgang Fritz Haug, der mit seinem 1971 erstmals erschienenen Buch Zur Kritik der Warenästhetik den Anfang sozialwissenschaftlicher Werbeanalysen machte. Zum anderen stützen sich besonders die praxissorientierten Konzepte zum Thema Werbung im Unterricht auf die Ergebnisse der Semiologen, wobei hier zuvorderst Hermann K. Ehmers 1971 veröffentlichte Aufsatz über die Analyse der Doornkaat-Werbung herangezogen wird. Dessen zeichenntheoretische Untersuchung zu einem Motiv aus dem Bereich der Werbung rückte eine Bildkategorie in den Mittelpunkt, die vorher kaum für den Kunstunterricht in Betracht gezogen worden wäre. Ziel der Unterrichtseinheiten, die sich meist mit den traditionellen Formen der Wirtschaftswerbung befaßten, war es, die Schüler über die Strategien und Methoden der Werbekreativen aufzuklären und ihnen zu einem kritischen Bewußtsein gegenüber den unterschwelligen Manipulationsversuchen der Werbung zu verhelfen.

Während zahlreiche Aufsätze, Artikel und Bücher der Kunstdidaktiker sich in ihren fachtheoretischen und praxisorientierten Überlegungen seit dieser Zeit hauptsächlich auf die Thematisierung konventioneller Werbeformen im Unterricht bezogen, entwickelte sich die Werbung weiter. Als Reaktion auf den Bewußtseins- und Wertwandel in der Gesellschaft waren die Werbeproduzenten gezwungen, zu neuen bzw. ausgefalleneren Mitteln zu greifen, um die Aufmerksamkeit des inzwischen von den Bildern der Massenmedien zuhauf geradezu bedrängten Rezipienten zu gewinnen. Die Benetton-Werbung stellt in diesem Zusammenhang nicht nur eine extreme Form dieses Versuches dar; sie wird vielfach auch als eine neue Form von Werbung beschrieben, die einen Bruch mit den alten Formen signalisiert. Bis dahin weitgehend unübliche Strategien, wie der Wegfall des Produktes und der Werbebotschaft, die Assoziation des Markennamens mit negativen Eindrücken und das Schockieren durch das Übertreten gesellschaftlich festgesetzter ethischer und moralischer Normen, heben die Benetton-Werbung von den traditionellen Werbeformen ab. Die von dem Fotografen Oliviero Toscani für die Firma Benetton konzipierten Werbemotive erregten daher immer wieder großes Aufsehen in der Öffentlichkeit, die das Thema oftmals sehr kontrovers diskutierte. Während viele Kollegen Toscanis seine Kampagnen vom Standpunkt ihrer Werbewirksamkeit lobten, reagierten die Presse und die breite Öffentlichkeit überwiegend mit Ablehnung. Von anderer Seite wiederum wurden die Bilder Toscanis preisgekrönt und sogar im Museum ausgestellt. In diesem Falle wurde das Werbemotiv selbst zum Produkt. Das Veröffentlichen eines besonders provozierenden Motives konnte in einem bestimmten Kulturkreis verboten werden, während es an einm anderen Ort zur selben Zeit zu einem Kunstwerk erklärt wurde. Nicht nur wegen ihrer gesellschaftlichen Brisanz, sondern vor allem aufgrund ihrer Andersartigkeit im Vergleich zu den mittlerweile ausgiebig im Unterricht besprochenen Werbeformen sollte die Benetton-Werbung bei den Überlegungen, wie mit der Werbung im Unterricht umgegangen werden kann, einbezogen werden.

Da die Werbung und ihre Behandlung im Unterricht schon an sich ein weites Themenfeld darstellen, wird es aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit lediglich möglich sein, diejenigen Aspekte herauszuarbeiten, die für die vorgegebene Aufgabenstellung relevant sind. Viele Diskussionspunkte außerhalb des Themas können daher nur angedeutet werden und müssen unbearbeitet bleiben. Auch die Darstellung der Benetton-Werbung wird nur exemplarisch anhand besonders prägnanter und umstrittener Motive durchgeführt werden können. Die hier analysierten Bilder stellen einen repräsentativen Querschnitt aus der Benetton-Werbung dar. Bei der Auswahl wird es vornehmlich darum gehen, das Thema inhaltlich darzustellen und anhand der ausgesuchten Bildbeispiele und Literatur einen Eindruck in die facettenartige und doppelbödige Problematik zu geben. Die theoretischen und praktischen Überlegungen zu den didaktischen Konsequenzen beruhen ausschließlich auf der Betrachtung dieses Materials. Ich bin mir dessen bewußt, daß aufgrund der Komplexität der angeschnittenen Themen keine Aussagen getroffen werden können, die eine Verallgemeinerung zulassen. Mir kann es hier lediglich darum gehen, zum einen einige Aspekte zu beleuchten, die mir im Zusammenhang mit der mir gestellten Aufgabe als besonders relevant erscheinen und zum anderen die bestehenden fachdidaktischen Untersuchungen um die Impulse, die sich aus meinen Überlegungen ergeben, zu ergänzen. In Hinblick auf mein Vorhaben, die Verwendungsmöglichkeiten der Benetton-Werbung für den Unterricht zu beleuchten, ist es auch nicht notwendig, alle Diskussionspunkte, die die Motive Toscanis aufwerfen, zu bearbeiten.

1.1. Zielsetzungen

Mein Anliegen ist es zunächst, zu erfahren, wie sich die Benetton-Werbung von den traditionellen Werbeformen unterscheidet, bzw. ob es sich überhaupt bei den Bildkonzeptionen Toscanis noch um Werbung handelt oder ob die Benetton-Werbung eher als Public-Relations-Maßnahme gesehen werden sollte. In diesem Zusammenhang werden der Begriff Kommunikation und seine Schnittstellen und Abgrenzung zu dem der Werbung relevant. Inwieweit ist Werbung immer auch Kommunikation? Welche Art von Kommunikation betreibt die Benetton-Werbung und wie hebt sie sich von der der konventionellen Werbeformen ab. Welche Intention verfolgen die Sender - in diesem Falle das Kreativduo Oliviero Toscani und Luciano Benetton - mit ihrer scheinbar werbeunabhängigen Kommunikation? Darf eine Bekleidungsfirma überhaupt derartige Kommunikation betreiben? Fragestellungen wie die letztere tauchen immer wieder bei der Beschäftigung mit der Benetton-Werbung auf; da sie vom hier bearbeiteten Thema wegführen, können sie hier nur erwähnt, nicht aber gelöst werden.

Fragen wie diese führen jedoch auch mitten hinein in die von der Öffentlichkeit heftig und polarisierend geführte Diskussion über die ethische und moralische Legitimität der Benetton-Werbung. Anhand ausgesuchter Quellen werde ich versuchen, die konträren Meinungen zu den Bildkonzeptionen Toscanis repräsentativ darzustellen. Es soll dabei darum gehen, die Argumente für und gegen die Benetton-Werbung von unterschiedlichen Standpunkten her zu betrachten und zu zeigen, daß eine Beurteilung der Benetton-Werbung sehr auf die Richtung ankommt, aus der sie gefällt wird. Neben der Position, die Benetton- solle verboten werden, wird besonders auch die Frage nach ihrem künstlerischen Wert untersucht werden. Meine Überlegungen zielen dabei zum einen allgemein darauf, die Bereiche, in denen sich Kunst und Werbung berühren, definitorisch zu erfassen. Es geht mir hier darum, den Kunstanspruch der Benetton-Werbung zu erörtern und zu zeigen, inwieweit sie einen Brückenschlag zwischen Kunst und Werbung darstellen kann, bzw. wo die Grenze zwischen beiden Bereichen liegen.

Am Ende der Arbeit werde ich mich mit den Konsequenzen ausseinandersetzen, die aufgrund der Benetton-Werbung im Unterricht gezogen werden müssen. Ich frage, ob und wie die Benetton-Werbung die Behandlung von Werbung im Kunstunterricht verändert, und will versuchen, die Relevanz der Berücksichtigung der Benetton-Werbung als einer neuen Art von Werbung aufzuzeigen. Zum anderen möchte ich Empfehlungen aussprechen, welche Aspekte ästhetischer Praxis Lehrende bei der didaktischen Arbeit mit dem Thema nutzen können und welche Besonderheiten beachtet werden sollten. Meine Gedanken richten sich damit u.a. auf meine spätere berufliche Praxis. Ich hoffe, mit dieser Arbeit zu einem aktuellen, immer wieder auf verschiedenste Weise diskutierten und ethisch, politisch und theologisch relevanten Thema einen Impuls für die Thematisierung von Werbung im Unterricht geben zu können.

1.2. Methodisches Vorgehen und Darstellungsgang

Kapitel zwei dieser Arbeit wird sich mit verschiedenen Aspekten zur traditionellen Werbung auseinandersetzen. Dabei wird es eingangs darum gehen, die gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung der Wirtschaftswerbung darzustellen. Um die Benetton-Werbung im weiteren Verlauf den überkommenen Formen gegenüberzustellen, ist es erforderlich, vorab auf die Praktiken, Methoden und Ziele der konventionellen Wirtschaftswerbung einzugehen, wobei der Schwerpunkt auf deren suggestiven Formen liegt. Anschließend werden die Analyseverfahren zur Werbung sowohl aus dem Bereich der Semiotik und Bildwissenschaften, als auch der Gesellschaftswissenschaften vorgestellt werden. Beide Methoden, Werbung zu analysieren, werden im daran anschließenden Kapitel drei, das sich mit der Thematisierung von Werbung im Unterricht beschäftigt, unmittelbar wieder aufgenommen werden. Da sich meine Untersuchungen zur Benetton-Werbung ausschließlich auf die unbewegten Bilder Toscanis in Anzeigen- und Plakatform beziehen, scheint es mir außerdem wichtig, auf die spezifischen Eigenschaften des Plakates als Medium einzugehen und seine Vor- und Nachteile als Werbeträger anzusprechen. Um zu untersuchen, ob es sich bei der Benetton-Werbung um eine neue oder nur extrem modernisierte Form von Werbung handelt, werden im folgenden Kapitel moderne Formen und Strategien der Werbung behandelt werden. Die Definition von Werbung und Kommunikation, bzw. deren Abgrenzug und Schnittstellen stellen die Basis für die im vierten Kapitel durchgeführte Erörterung der Kategorisierung der Benetton-Werbung dar.

Ähnlich wie die oben beschriebene Themeneinheit werden die in Kapitel drei zusammengetragenen Ergebnisse zur traditionellen Werbung im Kunstunterricht dazu dienen, die anschließende Diskussion über die Benetton-Werbung und ihre Relevanz für den Unterricht zu fundieren. Sowohl die Darstellung der fachtheoretischen Konzepte als auch die der unterrichtspraktischen Unternehmungen seit dieser Zeit werden für die folgenden Teile der Arbeit von Bedeutung sein.

Kapitel vier wird sich mit verschiedenen Aspekten der Benetton-Werbung auseinandersetzen. Nachdem zu Beginn anhand der neuesten Kampagne die innovative Art der Benetton-Werbung vorgestellt worden sind, werden allgemeine Informationen zur Firma Benetton und zu dem Fotografen Oliviero Toscani gegeben werden. Toscanis Kritik an der traditionellen Werbung wird - nachdem die Entwicklung der Benetton-Werbung/kommunikation erörtert und dargestellt worden ist - unter dem Aspekt seiner eigenen Argumentation ausgewertet werden. Anschließend wird es um die Analyse der Mittel der Benetton-Werbung gehen. Dabei wird auch diskutiert werden, inwieweit sich Toscanis Bildkonzeptionen tatsächlich von denen der traditionellen Werbung abheben. Die in der öffentlichen Diskussion thematisierten Aspekte zur Benetton-Werbung leiten direkt über zu der in Teil fünf stattfindenden Diskussion, inwieweit den Motiven Toscanis Kunstcharakter zugesprochen werden kann.

Das fünfte Kapitel setzt sich mit verschiedenen Aspekten auseinander, unter denen sich die Benetton-Werbung als Kunst einordnen ließe. Ich werde mich in diesem Zusammenhang sowohl mit künstlerischen Unternehmungen, die sich auf Werbung und Produktkultur beziehen, als auch auf Werbemotive, die sich künstlerischer Motive bedienen beschäftigen. Es geht mir dabei vor allem darum, zu untersuchen, inwieweit die Benetton-Werbung einer bereits laufenden Entwicklung folgt oder ob sie sich, wie u.a. der Frankfurter Museumskurator Christoph Amman beschreibt, einen eigenständigen Kunstanspruch geschaffen hat.

Im sechsten Kapitel dieser Arbeit werde ich schließlich untersuchen, inwieweit die Benetton-Werbung für den Unterricht relevant ist und für welche Klassenstufen die Motive der einzelnen Kampagnen eingesetzt werden können. Dabei möchte ich zum einen die Notwendigkeit aufzeigen, die neuen Formen der Werbung im Kunstunterricht zu thematisieren. Zum anderen wird es darum gehen, die fotografischen Aspekte der Bilder Toscanis auf ihre Möglichkeiten hin zu untersuchen, die ihre Betrachtung im Kunstunterricht liefern können. Ebenfalls wird das Potential der Benetton-Werbung mit Bezugnahme auf die Ergebnisse aus Teil fünf auf ihre Möglichkeiten hin untersucht, die Schnittstellen von Kunst und Werbung im Unterricht zu bearbeiten. Besonders wichtig sind mir dabei die Überlegungen zu innerfachlich themenübergreifenden und fächerübergreifenden Möglichkeiten, die die Motive der Benetton-Werbung eröffnen. Nachdem ich verschiedene Ebenen und Themenbereiche auf ihre Gelegenheiten, die Benetton-Werbung zum Thema zu machen analysiert habe, werde ich am Ende unterrichtspraktische Ideen und Vorschläge für die Arbeit mit dem Bildmaterial entwickeln.

In der Schlußbetrachtung werden die Ergebnisse zusammengefaßt und diskutiert. Hier werden Schlußfolgerungen gezogen und Konsequenzen erwogen. Der Ausblick bietet einen Überblick über Fragen, die offen geblieben, oder im Entstehungsprozeß der Arbeit entstanden sind und hier nicht bearbeitet werden konnten.

Begriffsklärungen

Vorab möchte ich einige Begriffe klären und Festlegungen vornehmen, die für alles Folgende relevant sind.

1. Zu den männlichen und weiblichen Sprachformen: Der besseren Lesbarkeit wegen werde ich in meiner Arbeit darauf verzichten, an jeder Stelle die männliche und zusätzlich die weibliche Form auszuformulieren. Wenn ich die männliche Form benutze, meine ich damit allgemein männliche und weibliche Personen gleichermaßen.

2. ´Schüler`: Obwohl die aufgeführten Unterrichtsbeispiele und Überlegungen oftmals jeweils entweder aus dem Bereich der Grundschule oder der weiterführenden Schule genommen sind, beziehen sich meine Aussagen, wenn nicht an der betreffenden Textstelle ausdrücklich spezifiziert, immer gleichermaßen auf Kinder und Jugendliche. Die aus den Altersunterschieden resultierende Akzentuierung des Unterrichts ist im konkreten Fall der Unterrichtsplanung vorzunehmen. Ich gehe davon aus, daß die zu erarbeitenden Möglichkeiten und Strategien sowohl für den Unterricht im Grundschulbereich, als auch in der weiterführenden Schule möglich sind.

3. ´Kunstunterricht`: In den vergangenen Jahren hat es unter den Fachtheoretikern um den Begriff ´Ästhetische Erziehung` zunehmend heftige Diskussionen gegeben. Ich werde in Kapitel 3.2. in Verbindung mit dem Thema Werbung im Kunstunterricht zwar notgedrungen kurz auf die Erweiterung der Fachgegenstände des Kunstunterrichtes zu sprechen kommen, dennoch nicht weiter auf den fachdidaktischen Disput oder die Geschichte des Faches eingehen.

In Berlin heißt das Fach ´Bildende Kunst`. Ich werde im Folgenden der Begriffsbestimmung des Lehrplanes folgen, der den Begriff der ´Ästhetischen Erziehung im Fach Bildender Kunst` verwendet (vgl. Vorläufiger Rahmenplan für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule. Grundschule, Fach Bildende Kunst. 1979). Wenn ich von ´Kunstunterricht` spreche, meine ich damit ästhetische Erziehung und beziehe mich damit auf die Konzeption, die der Fachdidaktik zugrunde liegt. Meine Überlegungen beziehen sich immer auf das Konzept der ästhetischen Erziehung für das Unterrichtsfach Bildende Kunst.

4. ´Literaturverzeichnis`: Der größere Teil der Angaben im Literaturverzeichnis erscheint als Zitat oder direkter Beleg auch im Text dieser Arbeit. Auf einige der unter Kapitel acht aufgeführten Literaturangaben wird dagegen nicht explizit verwiesen; sie verdienen dennoch einen Platz in der Liste, da sie bei der Bearbeitung des vorliegenden Themas zum besseren Verständnis sowie zur Bestätigung bereits getroffener Aussagen herangezogen wurden.

2. Traditionelle Werbung

 

Werbung ist der planmäßige Einsatz von Personen, Mitteln und Techniken zur gezielten Beeinflussung menschlichen Verhaltens, zur Weckung von Bedürfnissen oder Verbreitung ideeller Güter.[1]

 

Kapitel zwei wird verschiedene Aspekte der traditionellen Werbung, vornehmlich der Wirtschaftswerbung, beleuchten. Die folgenden Ausführungen sollen damit vor allem die Funktion erfüllen, die Voraussetzungen für die Thematiken in Kapitel drei und vier zu klären. Die zusammengestellten Diskussionen und Ergebnisse zu einigen ausgewählten Teilgebieten des Werbebereiches werden im weiteren Verlauf der Arbeit benötigt, um darauf aufbauend gesellschaftliche Notwendigkeiten und die Art ihrer Durchführung im Unterricht darzustellen (s. Kap. 3), Abgrenzungen zur Benetton-Werbung vorzunehmen und die dabei analysierten Unterschiede zur traditionellen Werbung auszuwerten (s. Kap. 4 und 5) und schließlich aus den Ergebnissen Konsequenzen für den Unterricht zu erarbeiten (s. Kap. 6).

 

Die Thematisierung der gesellschaftlichen und ökonomischen Bedeutung der Wirtschaftswerbung sowie ihrer Praktiken, Ziele und ihrer Effizienz sind wichtig, um den Sinn curricularer Zielsetzungen und unterrichtspraktischer Vorgehensweisen zu verdeutlichen. Die Notwendigkeit der Beschäftigung mit dem Thema Werbung im Unterricht wird besonders deutlich an den Ausführungen im Teilkapitel über die Analysemittel der Werbung und ihrer gesellschaftswissenschaftlichen Kritik. Das Beschreiben der traditionellen Mittel und Strategien sowie der semiotischen Besonderheiten der Werbung stellt gleichzeitig eine wichtige Anschauungs- und Diskussionsbasis für die Untersuchung der spezifischen Formen und Zielsetzungen der Benetton-Werbung dar. Das Herausarbeiten einiger spezifischer Merkmale der Werbeträger im Allgemeinen und der Bildanzeige, bzw. des Plakates im Besonderen scheinen in Hinblick auf die Themenstellung des vierten Kapitels ebenso unumgänglich, wie die in diesem Teil der Arbeit folgenden Unterkapitel über die modernen Formen und Strategien der Werbung.

 

2.1. Gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung der Wirtschaftswerbung

 

Das folgende Unterkapitel befaßt sich mit der Wirkung, die die Wirtschaftswerbung sowohl auf die Gesellschaft als auch auf die Wirtschaft ausübt. Dabei wird es zunächst um die Funktion der Wirtschaftswerbung und anschließend um die Verbindung zwischen Werbung und Gesellschaft gehen.

 

2.1.1. Funktion der Wirtschaftswerbung

 

Werbung gilt als ein unverzichtbarer Bestandteil der Freien Marktwirtschaft. Die Grundlage des modernen Wirtschaftssystems ist die Spannung zwischen den menschlichen Bedürfnissen und Wünschen und ihrer Befriedigung. Die Wirtschaft versucht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, die „in Gütern ausgedrückten Bedürfnisse“[2] zu decken. Damit die Unternehmen mit ihren Produkten Gewinne erwirtschaften können, müssen sie das Interesse potentieller Käufer finden.

 

Werbung erfüllt in diesem Zusammenhang die wichtige Funktion, „latente“ Bedürfnisse in „offene“ [3] umzuwandeln sowie neue zu schaffen und Kaufwillen zu erzeugen. Auf diese Weise wird der Bedarf nach neuen Produkten geweckt. Ein Produkt im Sinne unternehmerischer Leistung entsteht durch das Hinzukommen von Gebrauchsanleitung, Installation, Wartung, Image, usw. - Leistungen, die das Produkt mit den Merkmalen ausstattet, die für den Interessenten den erwarteten Nutzen auch wirklich erbringt. Christian Kapferer erklärt in diesem Zusammenhang: „Erst die subjektive Beurteilung eines Nachfragens im Markt läßt ein Produkt im obigen Sinne entstehen“[4].

 

Aufgrund des technologischen Fortschritts und der Massenproduktion werden zunehmend Absatzmärkte für Produkte gesichert bzw. neue geschaffen. Da Produkte gleicher Produktionszweige sich oft sehr ähneln, müssen künstliche Unterscheidungskriterien produziert werden. Sowohl Erkenntnisse aus der Motivanalyse, als auch der Tiefenpsychologie werden zu diesem Zwecke herangezogen (vgl. Krauß/Rühl, p. 38).

 

Da heutzutage die meisten Bürger innerhalb der westlichen Industrienationen ihren Grundbedarf ohne Schwierigkeiten decken können, streben sie danach, mit ihrer Kaufkraft gehobenere Bedürfnisse zu befriedigen. Zum einen erweitert die Werbung ihren Bedürfnishorizont bzw. weckt bis dahin latent existierende Wünsche; zum anderen hat sie eine besondere Bedeutung im Bereich der Massenartikel, die in der Regel plan- und entscheidungslos erworben werden. Ein hoher Bekanntheitsgrad sowie eine breite Streuung sichern den Absatz der Massenware und bedingen einander: Einerseits erklären sich die Geschäfte nur bereit, Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen, für die stark genug geworben wird, so daß sie eine ausreichend hohe Publizität und Nachfrage aufweisen; andererseits lohnt sich aufwendige Werbung nur, wenn viele Verkaufsstellen vorhanden sind.

 

2.1.2. Werbung und Gesellschaft

 

Innerhalb der Wirtschaftswerbung verfolgt die Absatzwerbung das Ziel, die Gesellschaft ganz bewußt mit Hilfe spezieller Kommunikationsmittel zu einem den absatzwirtschaftlichen Zwecken dienenden Verhalten zu veranlassen. Dabei gibt konventionelle Werbung jedoch stets vor, am Wohl des potentiellen Konsumenten interessiert zu sein. Letztendlich dient sie aber auschließlich dem obersten Ziel der privatwirtschaftlichen Unternehmen, nämlich, wie A. Hermanns erklärt, „der Erzielung einer zufriedenstellenden Rentabilität auf lange Sicht“[5]. Das oberste Ziel der Wirtschaftswerbung besteht in der Verhaltensbeeinflussung und Verhaltensänderung der konsumierenden Gesellschaft zu Gunsten des produzierenden Unternehmens.

 

Der Appell an die Bedürfnisse des Menschen ist für die Existenz der Werbung unerläßlich. Nach H.-F. Rathenow ist Werbung

 

...abstrakt nie ohne das gesellschaftliche Umfeld, und immer vor dem Hintergrund des jeweiligen wirtschaftlichen Systems, letztlich die geistig-kulturelle Situation einer Gesellschaft widerspiegelnd, zu denken[6].

 

Das Individuum wird demzufolge von seinen konsumorientierten Mitmenschen veranlaßt, seine Lebensinhalte materiell auszurichten und um die Steigerung seines Lebensstandardes bemüht zu sein.

 

Erwirtschaftet eine Werbekampagne dem Produkt nicht den erhofften Käuferkreis, wird die Herstellung des Artikels in der Regel eingestellt. Andererseits bietet der Markt viele Produkte an, die wegen der Intensität erfolgreicher Werbung verkauft werden. Die Effektivität der Produktwerbung wird offensichtlich daran, daß der Konsument bei der Wahl eines bestimmten Artikels auf ein oftmals fast unüberschaubar großes Angebot zurückgreifen kann. Die Zeitschrift Warentest legt dem Käufer die Unterschiede zwischen werbegepriesenem Artikel und seiner realen Qualität dar.

 

2.2. Praktiken der traditionellen Werbung

 

In Anbetracht der großen Fülle gleichartiger Konsumgüter und der daraus resultierenden Konkurrenz unter den Herstellern genügt es mittlerweile nicht mehr, nur die jeweiligen Vorteile der Produkte anzupreisen. Mit der gesuchten Entscheidung muß die Befriedigung von Gefühlen und bereits vorhandenen oder durch die Werbung erst geschaffenen Bedürfnissen suggeriert werden. Das folgende Unterkapitel wird zeigen, daß es sich dabei meist in erster Linie um Formen von Leitbildern, Lebenszielvorstellungen, oder Appelle an das Gewissen und Verantwortungsgefühl handelt. Vorab sei jedoch noch darauf hingewiesen, daß die Leitbilder und Lebenszielvorstellungen sich stets gesellschaftlich und historisch im Wandel befinden (vgl. Mohn, p. 249). Diese Beobachtung trifft bereits auf die Informationen zu, die über das Produkt gemacht werden. Während die Werbung in der Vergangenheit überwiegend die Reinheit (z.B. Waschmittel, Kosmetika), Schnelligkeit (z.B. Autos, Kommunikationsmittel), bzw. den guten Geschmack (z.B. Süßigkeiten, Getränke) des zu verkaufenden Produktes anpries, wird heute zunehmend für die gleichen Waren analog zum modernen Umwelt- und Gesundheitsbewußtsein mit Umweltfreundlichkeit, sparsamem Verbrauch und Bekömmlichkeit geworben[7].

 

Neben dem oftmals eher irrationalen Werbeversprechen werden gleiche Waren zusätzlich mittels Produktgestaltung und Warenverpackung differenziert, wobei es letztendlich zuvorderst um die Verkaufsteigerung des beworbenen Produktes geht. Dabei wird versucht, die Konkurrenz auszuschalten und das eigene Produkt mittels sprachlicher und visueller Reize hervorzuheben. Punkt 2.2.1. stellt in groben Zügen die geläufigsten Mittel der traditionellen Werbung dar. Punkt 2.2.2. wird sich im Anschluß mit der Art und Weise des Werbens befassen und zeigen, daß Werbung sich sozio-kultureller, entwicklungs- und sozialpychologischer Erkenntnisse bedient.

 

2.2.1. Traditionelle Mittel der Werbung

 

In den seltensten Fällen ist es heutzutage noch die Qualität des Produktes, die den Konsumenten zum Kauf anregen soll. Oftmals soll mehr, wie Wolfgang Fritz Haug schon 1971 in seiner Abhandlung zur Kritik der Warenästhetik beschreibt, das bloße „Gebrauchswertversprechen“ als der tatsächliche „Tauschwert der Waren“[8] den Konsumenten zum Kauf veranlassen. Helga Kämpf-Jansen spricht in diesem Zusammenhang von einem Zusatznutzen, bzw. einem „Appetenzsymbol“, sowie einem „erweiterten Gebrauchswert“[9] und erklärt an derselben Stelle:

 

Waren müssen also über den Gebrauchswert hinausgehende Eigenschaften haben, sie müssen glücklich machen, zufrieden, schön, begehrenswert und frei. Sie müssen Ängste bannen und mit ihren Versprechungen den Wunschvorstellungen von einer schönen heileren Welt nahekommen.[10]

 

Je nach Produktart bedient sich die Werbung bestimmter Darstellungsmuster, in denen die Wunschvorstellungen von Glück, Liebe, Schönheit und Freiheit eine wichtige Rolle spielen. Sie benutzt dabei Emotionen, Vorurteile, Wunschvorstellungen, Wissen und Erfahrungen der Rezipienten zu ihrem Zweck (vgl. Kämpf-Jansen, 1989a, p. 17).

 

Zu den bekanntesten Beispielen zählt wohl der legendäre ´Marlboro-Mann`, der uns seit Jahrzehnten auf großflächigen Plakaten, Kinoleinwänden und vor der Sanktionierung von Zigarettenwerbung im Fernsehen auch auf dem Bildschirm zu Hause das abenteuerliche und freie Leben des Tabakkonsumenten der Marke Marlboro vorgelebt hat: Ein Mann in Jeansjacke und fransenbesetzter Lederhose sitzt auf einem Holzlattenzaun, der waagerecht im unteren Drittel des Bildes durch das Bild läuft. Das Gesicht der Person ist nicht vollständig erkennbar, da sie den Kopf leicht nach unten links neigt, um sich eine Zigarette anzuzünden und ein heller Cowboyhut dabei die Augen verdeckt. Am rechten, am Lattenzaun abgestützten Fuß ist eine Spore erkennbar, über dem linken Knie, das angewinkelt ist, hängt ein zusammengerolltes Seil. Der aus dem rechten Bildrand ragende Körper eines Stieres, der hinter dem Zaun steht, läßt vermuten, daß es sich hierbei um eine Lasso handelt, das der Cowboy kurz zuvor benutzte, um das Tier zu fangen. Daraus und aus der lässigen Körperhaltung des Mannes ergibt sich der Anschein, daß er nach getaner Arbeit eine Pause einlegt. Der Hintergrund ist verschwommen und rötlich-schwarz gehalten. Person und Tier werden von Hinten beleuchtet, es scheint also Abend zu sein. Die sich in den Händen des Mannes befindende Zigarette wird durch verschiedene Bildelemente betont: Zunächst einmal zeigen die beiden angewinkelten Arme des Cowboys in die Richtung der Zigarette, da er beide Hände zum Anzünden benötigt. Weiterhin weist die Spitze seines Hutes pfeilartig auf die Zigarette hin. Schließlich führt aber auch die Verlängerung des Büffelhorns direkt in die Richtung der Zigarette. Oberhalb der Szene ist mit dicken weißen Lettern quer über das ganze Format der Schriftzug ´Medium` eingeblendet. Darunter befindet sich in denselben Buchstaben etwas kleiner der Slogan ‘Your way to flavour`. in der linken oberen Ecke ist schrag eine kleine rot-weißfarbige Marlboro-Zigarettenpackung abgebildet. Die beschriebene Anzeige ist lediglich eine Variante vieler ähnlicher Abbildungen der Marke Marlboro. Der die Männlichkeit mit allen ihren Klischees symbolisierende einsame Raucher mit Cowboy-Hut und Sporen stellt außerdem kein Einzelphänomen dar; wie unter Punkt 2.2. bereits angedeutet, wird für Produkte zunehmend mit einem auf die Zielgruppe zugeschnittenen Lebensstil geworben. So kann es in der Welt der Werbung vorkommen, daß ein Fahrer der Automarke Twingo prinzipiell flotter ist, ein Mann durch den Besitz einer Rolex-Uhr beliebter bei Frauen wird, und ein Mensch durch den Besitz eines mit Pfefferminzgelee gefüllten Schokoladenstückes namens After Eight quasi in die englischen Aristokratie aufsteigt.

 

Zu den Mitteln, mit denen typischerweise für Konsumgüter wie Alkohol, Zigaretten und Autos geworben wird, gehören in erster Linie Frauen. Der Körper einer jungen, attraktiven Frau kann im einfachsten Fall als Blickfänger eingesetzt werden und vermag so, die Aufmerksamkeit auf ein noch so banales Produkt zu lenken. Zum anderen kann der bewundernde Blick einer schönen Frau (vgl. Kirchhoff, 1969) oder ihre Berührung (vgl. Goffmann, p. 114) zur Aufwertung eines Produktes bzw. als Indikator für den durch den Besitz des Produktes erhöhten Status des Besitzers eingesetzt werden. Neben dem Werbemittel Frau werden aber auch häufig direkte oder subtil angedeutete sexuelle Reize und erstrebenswerte Fernziele für die Umsatzsteigerung eines Produktes verwendet. Die Argumentation für eine Ware wird also zunehmend den Symbolen angehängt (vgl. Krauß/Rühl, p. 38). Um dieses Prinzip zu verdeutlichen, scheint es sinnvoll, noch einmal auf den ´Marlboro-Mann` zurückzukommen, der ironischerweise nur wenige Jahre nach den Werbeproduktionen an Lungenkrebs starb. Selbst wenn es sich im konkreten Fall um einen für die Zigarettenbranche ungünstigen Zufall gehandelt haben sollte, ist dennoch allgemein die gesundheitsschädigende Wirkung des Tabakgenusses nicht mehr bestritten. Jeder Raucher wurde in der Regel innerhalb seines Lebens auf verschiedenste Weise über die Gefahren des Tabakkonsums aufgeklärt; zudem schreibt ein Gesetz den gedruckten Hinweis auf die Schädlichkeit auf der Zigarettenpackung und dem Werbeplakat für Tabak sowie darüber hinaus in verbaler Form im Werbespot für Zigaretten vor. An dieser Stelle drängt sich die Frage, warum aufgeklärte Menschen ihrer Gesundheit schaden, Mitmenschen mit ihrem Rauch belästigen und obendrein dafür Geld ausgeben, besonders hartnäckig auf.

 

Die Erklärung findet sich in der formalen und inhaltlichen Analyse von Werbung. Dem Konsumenten wird ein subjektiver Zusatznutzen mitverkauft, der einen attraktiven Ersatzwert darstellt und die Einwände gegenüber der gesundheitsschädigenden Wirkung von Zigaretten in den Hintergrund treten läßt. Es werden Leitbilder geschaffen, die allgemein idealisiert werden, bzw. eine potentielle Gruppe von Käufern anziehen. Bartsch zufolge sind es besonders junge Menschen, die versuchen, sich an Menschen zu orientieren, die keine Kontaktschwierigkeiten im personalen und gesellschaftlichen Bereich haben (p. 185). Da sie selber noch unsicher sind und nach sozialer Identität streben, wählen sie selbstbewußte, junge und erfolgreiche Personen als Leitbilder (s. Kap. 3). Besonders die Zigarettenwerbung versteht es mit Hilfe ausgefeilter psychologischer Kenntnisse, der Zigarette in der Hand eines derart attraktiven Idols eine ein problemloses und glückliches Leben signalisierende Symbolkraft zu verleihen. Das Rauchen einer bestimmten Zigarettenmarke kann auf diese Weise auch für den erwachsenen Verbraucher Beruhigung und die Lösung verworrener Situationen, Zugehörigkeit zur ´großen, weiten Welt`, Erfolg, einen gehobenen Status, Lebensfreude, Luxus und Individualität verbürgen (vgl. Krauß/Rühl, p. 11).

 

Auf die Bedürfnisse von Schülern stellt sich besonders geschickt die Werbung für Süßwaren ein. Sie wirbt unterschwellig mit Anerkennung in der peer-group, Geborgenheit im Elternhaus und verspricht ihnen neue Abenteuer und Energien. Indem sie den nichtkonsumierenden Menschen isoliert, während der Konsument meist fröhlich inmitten seines Freundeskreises dargestellt wird, sobald er sich im Besitz des kleinen Leckerbissen befindet, übt sie latent sozialen Druck aus. Weiterhin wird besonders der kindliche Verbraucher mit dem Kauf einer Süßigkeit oftmals mit kleinen Werbegeschenken, wie Abzieh- und Klebebildern, Malbüchern, kleinen Figuren u.a. belohnt. Eine geschickte Art, sich über einen längeren Zeitraum in die Welt der Kinder einzubringen, besteht außerdem im Beilegen von Sammelbildern beliebter Motive.

 

Ähnliche Praktiken lassen sich im Wesentlichen auch in anderen Branchen wiederfinden. Lediglich die Schwerpunkte der Kampagnen werden produkt- und zielgruppenspezifisch verändert. Getränkewerbung wirbt bspw. oft mit überschäumender Lebensfreude, Lässigkeit und Energie. Das beworbene Getränk scheint die Zugehörigkeit zur modernen, schwungvollen jungen Welt zu sichern, in der Freizeit, ein frisches, prickelndes Lebensgefühl und Erleichterung vorherrschen. Der durch Limonade, Kakao, Bier oder Champagner verursachte Gaumengenuß wird zum erhöhten Lebensgenuß. Besonders Alkoholwerbung verkauft gleichzeitig die gemütliche Freizeitrunde, Eleganz, Erotik. Arzneimittelwerbung dagegen stellt häufig den streßgeplagten aber erfolgreichen Berufstätigen bzw. die zärtliche gutmeinende und engagierte Mutter dar[11]. Weiterhin zeigt traditionelle Waschmittelwerbung die stets saubere, aktive Hausfrau, das schöne Heim, die glückliche Familie, gesunde Kinder, sowie einen anerkennenden Ehemann im Falle der geglückten Entfernung des feindlichen Schmutzes. Besonders in der Waschmittelwerbung geht es oftmals besonders darum, das beworbene Produkt von sogenannten ´herkömmlichen Waschmitteln` abzuheben[12]. Autowerbung betont dagegen in den Anzeigen neben dem Prestigewert eines Autos besonders Zusatzattribute, wie Intellektualität, Schwung und Stärke. Traditionellerweise werden die Personenfahrzeuge als Statussymbole selbstbewußter Jugend, aufstrebender Männlichkeit, bzw. dynamischen Unternehmertums angeboten. Die Werbung suggeriert dem Konsumenten in all diesen Beispielen aus unterschiedlichen Bereichen die Möglichkeit, durch den Kauf eines bestimmten Produktes sein Leben positiv verändern zu können. John Berger u.a. beobachten dabei, daß die Werbung ihn von einer solchen Veränderung überzeugt, „indem sie uns Menschen vorführt, die anscheinend verändert wurden, und darum zu beneiden sind“[13].

 

Alle Beispiele weisen eine gemeinsame Struktur auf: Mit Hilfe der Leitbildwerbung verspricht das Produkt einen sozial attraktiven Zusatznutzen, indem es verborgene oder offene Bedürfnisse anspricht oder durch z.T. maßlose Übertreibungen und Versprechungen auf sich aufmerksam macht (vgl. Bartsch, p. 186).

 

2.2.2. Traditionelle Werbestrategien und -methoden

 

Traditionelle Werbung spricht den Rezipienten in der Regel mit Schlagworten an, die sich leicht einprägen lassen. Die Slogans können sowohl befehlenden oder belehrenden, als auch vertrauenerweckenden, behauptenden und euphorisch-mitreißenden Charakter haben. Zusätzlich ist die Aussage meist leicht verständlich, um dem Rezipienten möglichst geringe Anstrengungen abzuverlangen und sein Aufnahme- und Erinnerungsvermögen nicht unnötig zu strapazieren (vgl. Krauß/Rühl p. 38). Zu den sprachlichen Mitteln der traditionellen Werbung zählt Gabriele Bechstein zusätzlich Neologismen (p. 327-362). Als auffälligste syntaktische Erscheinung bezeichnet sie die Verwendung des unvollständigen, oft sehr kurzen Satzes in Prosatexten. Werbung bedient sich meist eines weitgehend überregionalen, intersozialen Vokabulars für Produktnamen, um eine möglichst breite Schicht zu erreichen (z.B. Diplomat, Polycolor, Mars). Karl Graak beobachtet zu den genannten sprachlichen Erscheinungen zusätzlich den kreativen Einsatz von Adjektiven sowie die Verwendung möglichst flüssiger Sprache und Metaphern mit oftmals lyrischer Qualität (p. 23). Als typisch gelten weiterhin Superlativhäufungen und qualifizierende Adjektive. Darüberhinaus arbeitet die Werbung mit Wort- und Buschstabenspielen, rhetorischen Fragen, Interpunktion, Thesen und Antithesen sowie mit Zitaten, Euphemismen und Negationen. Die Ratschläge des Werbeproduzenten Joachim Bürger bestätigen die Annahmen über die von der Werbung verwendeten Strategien: Er rät vor allem zur Verwendung origineller, kurzer und einprägsamer Texte. Ebenfalls betont er die Effektivität einer rhythmischen Sprache, die flüssig zu lesen ist sowie vokalreicher Worte und leicht verständlicher Texte, die das Wesentliche offenbaren, außerdem einfacher, geläufiger und moderner Begriffe.

 

Weiterhin gehört das Prinzip der Wiederholung zu den wirkungsvollsten Strategien der Werbung. Reime und Repitationen von Informationen können auf verschiedene Weise erfolgen: Innerhalb der Werbebotschaft kann permanent die Aussage in analoger oder abgewandelter Formulierung wiederholt werden, oder es werden unterschiedliche Darstellungsformen fotografischer, zeichnerischer, akustischer und sprachlicher Art benutzt. Zusätzlich werden die Anzeigen oder Spots oftmals in gewissen zeitlichen Abständen oder über einen längeren Zeitraum in sämtlichen Medien wiederholt gezeigt, oder Einzelanzeigen werden zu Kampagnen zusammengefaßt, die dasselbe Thema in variierter Form rezipieren. Zusätzlich werden Aussagen über Produkte oder Warengattungen im außerwerblichen Kommunikationsbereich zur Sprache gebracht. Durch diese Form der indirekten Wiederholung spielt die Werbung auf den alltäglichen Erfahrungsbereich der Rezipienten an und schiebt das jeweilige Produkt in den Interessenkreis, ohne den Verdacht auf Werbung zu erregen. Oftmals scheinen es besonders die irrationalen Aussagen und eine gewisse Spannung zwischen Bild und Text bzw. die undurchsichtige Vermischung konkreter Informationen mit mythischen Elementen zu sein, die eine erfolgreiche Werbung ausmachen.

 

Hermann K. Ehmer beobachtete dazu in seinem Aufsatz „Von Mondrian bis Persil“, 1971:

 

Versöhnung von Himmel und Erde, Natur und Technik, durch Irrealität der Faszination erfahrbar gemacht und damit alte Schuldfragen vergessen lassend: das kennt die Werbung schon lange.[14]

 

Er weist darauf hin, daß viele Zeichensysteme eine Sprache benutzen, die von anderen semiotischen Systemen ausgeborgt scheint. Den Ursprung ihres gemeinsamen Konnotationssystems bildet dabei primär der religiöse Vorstellungsbereich. Die scheinbar vielen verschiedenen Bilder aus der Werbung gehen letztendlich auf relativ wenig Inhalt zurück: Luxus und Genuß, Fröhlichkeit, Optimismus, Idealismus, Partnerschaft, Gemeinsamkeit, Liebe und Sex, Sauberkeit und Reinheit. Diese Werte tauchen meist mehrfach kombiniert miteinander auf. Die oben genannten Grundeinstellungen, Verhaltensweisen und Erfahrungen werden nicht nur eingesetzt, um eine Steigerung des Absatzes zu bewirken, sondern sie werden darüber hinaus selbst zum Produkt, das konsumiert werden soll. Werbung bezieht sich beispielsweise immer auf Natur als einer höheren Instanz, sowie auf Kultur und damit auch auf Nationalität und Religion (vgl. Ehmer, p. 187f.; s. Kapitel 2.4.1.).

 

Eine weitere Strategie besteht in der schlichten Überspringung des Kaufaktes: Der Text enthält, wie Dieter Baacke in seinem Aufsatz „Der Traurige Schein des Glücks“, 1971, feststellt, zusätzlich zum Kaufappell das Bild mit dem unausgesprochenen Versprechen, das bspw. in der Begrifflichkeit ´Ultra Soft` enthalten ist (p. 230). Auf diese Weise wird der Text verstärkt und bekommt seine appellativ-emotionale Wirkung. Das Glück wird hier vorweggenommen unter Ausblendung des noch zu bewältigenden Kaufaktes und des möglichen Scheiterns.

 

2.3. Ziele und Methoden informativer und suggestiver Werbung

 

Die Ausführungen in Kapitel 2.2. haben gezeigt, daß der Werbung in der Regel nicht primär an der Vermittlung eines hohen Informationsgehaltes gelegen ist. Der potentielle Käufer wird kaum mit der Beschaffenheit bzw. den Vor- und Nachteilen des Produktes selbst vertraut gemacht. Die Werbung stützt sich dagegen vielmehr auf psychologische Erkenntnisse, wobei besonders behavioristische und gedächtnistheoretische Forschungen der Werbung nützliche Möglichkeiten der Steuerung bieten[15].