Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts - Alexander von Ungern-Sternberg - E-Book

Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts E-Book

Alexander Von Ungern-sternberg

0,0

Beschreibung

Für alle Geschichtsbegeisterten, Feministinnen und Leser, die sich für die vielfältigen Lebenswege außergewöhnlicher Frauen interessieren, ist 'Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts' von Alexander von Ungern-Sternberg ein absolutes Muss. Durch die einfühlsamen Porträts und die tiefgründige Analyse der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen jener Zeit bietet dieses Buch einen inspirierenden Einblick in das Leben und Wirken einiger der bedeutendsten Frauen des 18. Jahrhunderts. Eine lehrreiche Lektüre, die sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt und die historische Bedeutung weiblicher Persönlichkeiten hervorhebt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 374

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Alexander von Ungern-Sternberg

Berühmte deutsche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts

Historische Biografien: Gräfin Aurora von Königsmarck, Fürstin Amalie von Gallitzin, Caroline Neuber, Angelika Kauffmann, Anna Louisa Karsch, Frau von Krüdener & Gertrud Elisabeth Mara

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-3786-9

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Gräfin Aurora Königsmark
Fürstin Amélie Galitzin
Anna Louise Karsch
Angelika Kaufmann
Elisabeth Mara
Frau von Krüdener
Caroline Neuber

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Keine Biographien sollen diese Darstellungen sein, keine historischen Aufsätze in strengem und belehrendem Styl, sondern Bildnisse an die bunte Teppichwand des Jahrhunderts geheftet, in einem Rahmen, wie er dem jedesmaligen Portrait zukommt, bald barock, bald zierlich, bald ein einfacher Goldleisten, immer aber im Zusammenhange mit den Ornamenten des Saals, mit dem Schmuck des Amöblements, mit dem Muster des Teppichs. Das Jahrhundert bleibe dem Beschauer immer gegenwärtig: neben den einzelnen Gestalten laufe noch immer die Arabeske der Zeit fort, ja die einzelnen Gestalten seien nur Ausläufe und Endknospen der Arabeske. So hat's der Autor mit diesen Bildnissen gemeint. Wir besitzen, obgleich nicht sehr zahlreich, Biographien über die meisten dieser Frauen, es wäre die Aufgabe des Historikers, diese mangelhaften Aufsätze zu ergänzen, kritisch das Gegebene zu beleuchten, das Fehlende zu ergänzen; aber diesen Zweck hatte der Sammler und Aufsteller dieser Bilder nicht vor Augen; ihm lag es daran, neben der gewissenhaften Zusammenstellung der Facta auch die Blüthenfrische des ehemaligen Lebens wieder herzustellen. Eine Biographie darf kalt, trocken, selbst gewissermaßen geistlos sein, und erfüllt dennoch ihre Aufgabe; ein Portrait muß neben der materiellen Wahrheit, durch ursprüngliches Leben, durch vibrirenden Reiz, durch Süße und Lieblichkeit des Ausdrucks fesseln, interessiren, erfreuen. Thut es das nicht, so ist's mißlungen. Ein Biograph braucht kein Bildnißmaler zu sein, ein Bildnißmaler muß aber nothwendig zugleich Biograph sein, wenn auch kein schulgerechter, strengkritischer. Ihm ist die Lebendigkeit seines Bildes die Hauptsache, jenem die Treue; ihm sind tausend Dinge wichtig, die zur Verstärkung des Ausdrucks, zur Förderung der größern Lebendigkeit dienen, er geht mit Liebe auf Nebendinge ein und schildert tausend kleine Details der Zeit, immer im Streben, seinem Hauptbilde frischeren Reiz zu verleihen; dem wissenschaftlichen Biograph ist's nur ums Factum zu thun, um die Feststellung eines Datums, die Beseitigung eines historischen Zweifels. Nicht die geschwungene Linie der Schönheit, sondern die gerade mathematische Linie, die am schnellsten und sichersten zum Zielpunkte führt, ist ihm die liebste. Um sprechend ähnliche und belebte Bildnisse zu malen, muß man etwas vom Dichter in sich haben, um gute Biographien zu schreiben gehört's nur, daß man ein gebildeter und gewissenhafter Kritiker und Sammler sei. Aus diesen Erörterungen folgt, daß dieses Buch nicht bestimmt ist in die Hände der Gelehrten vom Fach zu gelangen, sondern der Gunst des größern gebildeten Publikums anempfohlen wird, besonders den Frauen, die sich an den Gestalten der berühmten ihres Geschlechts erfreuen mögen, bald lächelnd über diesen oder jenen seltsamen Zug, der heutzutage eher Spott als Ruhm zur Folge haben würde, bald wahrhaft angeregt und zur Nachfolge begeistert durch große Tugenden und liebenswürdige Eigenschaften einer mit vollem Recht Berühmten. Hier und da sind die Bildnisse so aufgefaßt, daß auch die kokette Tracht, die seltsame Mode des Jahrhunderts, ein Blumenbouquet, ein schief aufgesetztes Hütchen, eine gepuderte Locke und ein Schönpflästerchen gerade sichtbar genug werden, um unseren schönen oder berühmten Zeitgenossinnen ein Lächeln über ihre Schwestern aus dem achtzehnten Jahrhundert zu entlocken: auch dies gehört zu dem, was wir früher über die Lebendigkeit eines Portraits sagten. Es ist die malice blanche des Portraitmalers, die das Recht jedes selbständigen Malers ausmacht, wenn er sie nur gehörig versteckt zu üben versteht, so daß man ihm nicht offener Bosheit anklagen kann. Befriedigt wird der Sammler und Aufsteller dieser Bildnisse sein, wenn dem Beschauer ein treffendes, wenn auch flüchtiges Bild des ganzen achtzehnten Jahrhunderts, dieses Jahrhunderts voll Glanz und Frivolität, voll Geist und Schönheit, aufgeht. Dahin ist hingearbeitet worden. Wir haben keine Memoirensammlungen, wie die Franzosen und Engländer, wir haben keinen St. Simon und keinen Chesterfield, der mit uns den Gang durch die Säle des glänzenden Jahrhunderts machte, um so mehr ist's Pflicht desjenigen, der die Glanzpunkte jener Tage darzustellen sich bemüht, der die beliebtesten und gefeiertsten Schauspielerinnen jener Zauberbühnen neu belebt und vorführt, daß er alle Mittel anwende, um nicht allein die einzelne Gestalt, sondern auch ihre ganze Umgebung dem Auge des Lesers mit jener Lebendigkeit vorzuführen, die ihn den Mangel an geistvollen und lebensfrischen Memoiren nicht fühlen läßt. Es wäre eine Thorheit, das Leben der Markgräfin von Baireuth, Friedrich des Einzigen Schwester, zu schildern, denn sie hat es selbst schon gethan, und zwar mit der größten Frische und Lebendigkeit der Auffassung; hätten wir über unsere anderen berühmten Frauen ähnliche Memoiren, so wäre ein solches Buch, wie das vorliegende, nicht allein überflüssig, sondern es könnte nur schädlich wirken, indem es schlecht wiederholte, was sehr gut im Original schon vorhanden ist, und vom Genuß der Quelle abhielte.

Gräfin Aurora Königsmark

Inhaltsverzeichnis

Um das Bild dieser berühmten Geliebten Königs August des Starken, die Voltaire die merkwürdigste Frau zweier Jahrhunderte nennt, dem Beschauer in das rechte Licht zu stellen, ist es unumgänglich nöthig einige von ihren Ahnen vorher flüchtig zu skizziren. Es sind interessante Gestalten darunter, Gestalten, welche die geschichtlichen Costüme zweier Jahrhunderte auf anziehende und für die Forscher belehrende Weise tragen; sie bilden einen Zug, der von der Grenze des dreißigjährigen Kriegs bis zu der des siebenjährigen herüberschreitet. Wahrlich, einen Verlust für deutsches Wissen kann man's nennen, daß wir so wenig Familiengeschichten besitzen. Hier ist eine, die, wenn auch flüchtig, bald aus diesem, bald aus jenem Archiv zusammengetragen, dennoch den vollen Reiz solcher Urkunden besitzt und Blicke in das innerste Leben der Zeit thun läßt. Wir sehen ein stolzes, reiches Geschlecht mit großem Geräusch über die Bühne der Welt gehen; die Männer entweder Helden oder Abenteurer, die Frauen entweder keusche Vestalinnen, treffliche Matronen, oder reizende Verführerinnen, anmuthig herumirrende Unheilstifterinnen. Ewig Tumult, ewig Intriguen, Prozesse und Geldnoth; stets befindet sich eine ganze Abtheilung der Familie auf Reisen, man kommt nie zur Ruhe, aber das ist's gerade, was diese seltsame Sippschaft interessant macht. Wir lernen durch sie fast das ganze damalige Europa kennen, sogar etwas von Asien und Afrika; der Türkenkrieg, die polnische Revolution, die deutschen Zwistigkeiten, alles findet seinen Platz; der Luxus und die Sittenzerrüttung der kleinen und großen Höfe wird lebendig vor unseren Augen, und tausend lustige Scenen, ärgerliche Klatschereien, in welchen irgend ein Glied der ewig beweglichen Familie verwickelt ist, lärmen und rauschen vor unseren Ohren. Aber auch das Entsetzen, der geheime Mord, die teuflische Intrigue, die unter parfümirten Manschetten versteckte blutige Mörderhand auch sie kommen zum Vorschein und füllen die Blätter unserer Familienchronik.

Der alte Marschall Königsmark ist der Ahnherr des Hauses, der Schöpfer des Reichthums und der Macht der Familie. Dieser alte Herr besteht vor dem Richterstuhl der Moral sehr schlecht. Er war im Kriege ein unermüdlicher Plünderer, ein nie rastender Beutemacher, ein schlauer und brutaler Degenknopf. Von Freiheit und Poesie, von dem chevaleresken Parfüm der Sitten, wodurch sich das Geschlecht auszeichnete, trifft man bei diesem alten Unheilstifter noch keine Spur. Es ist merkwürdig und zugleich betrübend zu sehen, wie er mit seinen zahllosen Feinden fertig wird. Er kommt nie zur Ruhe, und wenn auch die Fürsten, denen er dient, Frieden schließen, er fängt auf eigene Faust Krieg an.

Wir sehen ihn im Tumult des dreißigjährigen Kriegs sich herumtreiben. Welch ein Schauplatz für einen kecken und wenig scrupulösen Soldaten! Unter den berühmten schwedischen Helden, neben Horn, Wrangel, Banner und Torstensohn, nimmt er auch einen Platz ein, der Himmel weiß mit welchem Rechte; denn die Weisheit und Größe dieser Männer war ihm nicht zu Theil geworden, nur die soldateske Tapferkeit scheint er in hohem Grade besessen zu haben.

Im Jahre 1600 auf einem Familiengute in der Mark geboren, nimmt er noch in jungen Jahren kaiserliche Dienste unter dem Herzog Albrecht von Sachsen-Lauenburg, den das Gerücht den Mörder Gustav Adolphs nennt. Als dieser heldenmüthige König 1630 in Deutschland erscheint, verläßt Königsmark die kaiserlichen Dienste und geht zu den Schweden über. Hier fängt er nun an, seine Talente zu entwickeln. Mit selbstgeworbenen Heerhaufen durchzieht er Niederdeutschland, Böhmen und Schlesien, dergestalt plündernd, mordend und sengend, daß er den schwedischen Namen zum Schrecken der Welt macht. Böhmen blieb aber sein vorzüglicher Tummelplatz.

Der Abschluß des westphälischen Friedens kümmerte ihn wenig. So zog er vor die Reichsstadt Bremen und belagerte sie förmlich. Alle Welt schrie darüber, die Kabinette Frankreichs und Schwedens erhoben Klagen auf Klagen, und zu gleicher Zeit luden der Senat von Stockholm und das Reichskammergericht den Unruhstifter vor ihre Schranken. Er kam nicht. Der Uebermuth eines glücklichen Soldaten gegenüber den rechtlichen Einrichtungen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, diese bitterste Frucht, die uns die Kriege bringen, machte sich in seiner ganzen Schärfe schon bei unserm Helden geltend. Endlich begab er sich nach Stockholm und stimmte durch passende Geschenke, einen kleinen Theil seines Raubes, die Königin Christine zu seinen Gunsten um. 1650 wohnte er der Krönung dieser Fürstin bei, und sie machte ihn zum Statthalter des Fürstenthums Verden und des Herzogthums Bremen. Als Fürststatthalter schlug er seinen Sitz in Stade auf und baute ein prächtiges Schloß daselbst, das er zu Ehren seiner Gemahlin, eines deutschen Fräuleins, Agathenburg nannte.

Alles dieses misfiel am Hofe zu Stockholm sehr. Die schwedischen Großen konnten so viel Gunst und Glück einem Ausländer nicht vergeben, sie zettelten unaufhörlich Kabalen an, aber der alte Haudegen war der rechte Mann, um über Hofintriguen zu siegen. Er gab Geld her, wo er käufliche Naturen fand, er schlug zu, wenn er Schwächlinge vor sich sah, und so abwechselnd mit Degen und Ducaten schaffte er sich an dem gelehrten Hofe Christinens Platz und galt zuletzt, was das Befremdendste ist, sogar für einen Beschützer der Wissenschaften. Er, der die herrlichen Kirchen Prags mit wahrhaft vandalischer Wuth geplündert hatte, dessen Soldaten zerschlagen und zertrümmern mußten, was sie nicht fortführen oder verkaufen konnten, er saß in der Akademie zu Stockholm und vertheilte gnädig fürstliche Preise für Künstler und Gelehrte und sprach in den kleinen Abendgesellschaften Christinens ein Wort mit, wenn über die Verse Tibulls gestritten, oder ein alter classischer Autor citirt wurde.

Dergleichen wiederholt sich auch wohl jetzt, aber doch nicht mit dieser naiven Unverschämtheit. Die Wissenschaft, die sich damals noch nicht emancipirt hatte, bettelte an den Thüren der Großen um Gunst, und so kam es denn auch, daß rohe Krieger ihre Protectoren wurden und sich mit academischen Titeln schmücken durften. Dadurch suchten sich diese bedrängten Vereine vor Gewaltthätigkeiten zu schützen. Sie erreichten nicht immer ihren Zweck. Wenn ein brutaler Krieger Lust spürte, sich oder Anderen ein besonderes Schauspiel zu bereiten, so mußten jene armen Pedanten herhalten, und mehr als einmal geschah es in jenen Zeiten, daß gelehrte Männer, wenn sie wissenschaftliche Reisen antraten, von einem der kleinen Höfe eingefangen wurden, um an demselben als Hofnarren zu figuriren. Nur mit Zittern traten die gefährdeten Männer ihre Wanderungen an; immer mußten sie fürchten, daß die Locken ihrer majestätischen Perücken sich in Schellen verwandeln könnten. Sie riefen daher den Charlatanismus zu Hülfe, und versuchten es, durch einen erborgten Nimbus von übernatürlichen Kräften die rohe und spottsüchtige Gewalt im Zügel zu halten. Jetzt kam die Reihe, die Rolle der Narren zu spielen, an die Fürsten; Goldmacher und Sterndeuter betrogen sie und rächten die verfolgten Collegen.

In diesem Kriege, den die materielle Gewalt mit der Intelligenz führte, spielte unser alter Marschall ebenfalls eine Rolle, und er war schlau genug, es mit keiner dieser Mächte zu verderben. Die fruchtbringende Gesellschaft nahm ihn in ihren Schoos auf und er führt in ihren Registern den Namen des »Streitenden.«

So ging denn dieser alte Knabe mit Ruhm bedeckt zu Grabe. Er hinterließ der Familie ein jährliches Einkommen von 130,000 Thalern, ein colossales Vermögen für die damalige Zeit, er übergab ihr Landgüter und Schlösser und den Grafentitel. Das hieß nicht umsonst gelebt haben. Die Flüche, die an diesen zusammengeplünderten Schätzen hafteten, verhallten in die Luft, nur die Ehre, der Ruhm und das marmorne Denkmal blieben. Bei meinem Aufenthalte in Stockholm zeigte man mir sein Bild, und ich fand, daß es lebhaft an Peter den Großen erinnert. Ein kostbares Werk mit vielen Bildern und Documenten, das die Thaten dieses Mannes beschreibt und die Mythologie plündert, um Bezeichnungen und Vorbilder zu seinem Helden zu finden, erhielt sich noch lange in der Familie. Prag bewahrt ein anderes Denkmal; es bestand in Trümmerhaufen und Blutspuren. Man schreckte die Kinder mit dem Namen Königsmark wie in Deutschland mit dem Knecht Ruprecht. Das schwedische Document und das prager ergänzen einander.

Graf Karl Johann folgt jetzt, ein Enkel des Vorigen. Der alte Marschall hinterließ drei Söhne, von denen der jüngste, Otto Wilhelm, bei der Belagerung von Negroponte, der mittlere, Johann Christoph, in noch jungen Jahren durch einen Sturz vom Pferde, und der älteste, Curt Christoph, der Vater Karl Johanns, Philipp Christophs und der beiden Schwestern Aurora und Emilie, bei der Belagerung von Bonn starb. Die Familie hatte unterdeß ihr Ansehen noch erweitert. Dieser Vater Karl Johanns und unserer berühmten Aurora war mit Christina Wrangel vermählt, einer Tochter des Marschalls Hermann Wrangel, der seinerseits wieder eine Prinzessin von der Pfalz geheirathet hatte. Hierdurch war die Familie mütterlicher Seits mit Fürstenhäusern in Deutschland, väterlicher Seits fast mit dem ganzen Adel Schwedens verbündet. Man sieht, wie glänzend die Laufbahn sich geebnet zeigte, die diesem jungen Geschlecht beim Beginn seiner Lebenswanderung vom Schicksal vorgezeichnet war. Leider sollte jedoch von den Kindern Curt Christophs kein einziges das Ziel eines glücklichen und späten Alters erreichen, und es war bestimmt, daß der Stamm mit diesem so günstig Ausgestatteten aussterben sollte. Wir fassen für's Erste Karl Johann in's Auge.

War der alte Marschall nicht viel mehr als ein braver Soldat, ein kecker Beutemacher, so war sein Enkel schon mit der Poesie seines Standes bekleidet; er war ein vollkommener Ritter des siebzehnten Jahrhunderts, ein moderner Roland, unerschöpflich thätig in Liebes- und Waffenabenteuern, jung, schön, tapfer, verführerisch und ein übermüthiger Aristocrat. Der schwedische Hof, der sich damals in einer Krisis befand, an welchem sich die Parteien zankten und der Reichstag endlose Reden hielt, gab dem jungen Wildfang, der sehr früh den Schulbänken der Ritteracademie zu Stade entflohen war, wenig Aussicht zu glänzenden Thaten. Er ging nach Paris und dort, wo er seinen Oheim Otto Wilhelm fand, stürzten sich Oheim und Neffe in die galanten und gefährlichen Abenteuer der Hauptstadt. Der Oheim wurde dieses Lebens nicht überdrüssig, wol aber der Neffe. Ein kühner Geist waltete in dem jungen Körper, ein Ideal von Ruhm und Thatenglanz stand unverrückt vor seiner Seele.

So sehen wir denn den kaum achtzehnjährigen Jüngling nach Malta übersegeln, um seine Dienste dem Ordensmeister gegen die Barbaresken anzubieten. Auf einer der Ordensgaleeren zeigt er eine so verwegene Tapferkeit, einen so glänzenden Muth, daß der Orden, bestürzt und erfreut, sich bereit erklärt, ihn in seine Mitte aufzunehmen. Aber Graf Karl Johann ist Protestant, er zeigt auch nicht die geringste Bereitwilligkeit, dem Glauben seiner Väter zu entsagen, noch weniger ist bei ihm irgend eine Neigung sichtbar, das Gelübde der Keuschheit abzulegen. Dennoch erhält er das Ordenskreuz, und Raphael Cotonerus, der Ordensmeister, umarmt den jungen Helden öffentlich vor dem versammelten Capitel der Ritter. Jenes Kreuz und diese Umarmung sind Ehrenbezeugungen, die die Welt staunen machen, da sie von einem streng katholischen Orden einem Ketzer erwiesen worden. Welchen Glanz mußte diese Auszeichnung dem jungen Schweden verleihen! Unsere Zeit hat Mittel gefunden, jeden Orden frivol und fast alle werthlos zu machen. Nur eine bewegte Zeit der Thaten kann diesen kleinen Zeichen, die sonst wie eine Ironie der Fürstenlaune aussehen, einen bleibenden Werth verleihen.

Unser ritterlicher Abenteurer ging nunmehr von Malta nach Rom, nach Florenz, und der alten Stätte verliebter und gefährlicher Intermezzos, nach Venedig. Dieser Stadt der Masken und der Dolche, wo Melpomene, vereint mit Arlequin, die Säulenhallen durchzieht, trug auch der junge Schwede den Zoll der Jugend und des Muthes ab. Hier war es, wo er eine junge Gräfin Southampton kennen lernte, die sich entschloß, ihre Reichthümer und ihre Familie im Stich zu lassen, und ihm in Pagenkleidern überall hin zu folgen. In den Briefen Charlottens von der Pfalz, der Mutter des Regenten, Herzogs von Orleans, wird dieser romantischen Liebschaft gedacht, und zwar in jener anstößigen derben Weise, wie es die Herzogin liebte.

Die Stelle lautet: »Ma chére princesse (Karoline von Wales, geborene Markgräfin von Anspach), ich will Ihnen etwas auch in aparter Manier schreiben. Ich habe einen Grafen Königsmark gekannt, dem war eine junge englische Dame in Pagenhosen nachgelaufen. Er hatte sie bei sich zu Chambor, und weil kein Platz für ihn im Schlosse war, hatte er ein Zelt im Walde aufschlagen lassen und logirte darinnen. Auf der Jagd erzählte er mir seine Aventüre. Ich hatte Curiosität, den Pagen zu sehen, und ritt zu seinem Zelte; er rief den Pagen und präsentirte ihn mir. Ich habe in meinem Leben nichts Artigeres, als das Mädchen in Pagenkleidung war, gesehen; sie hatte schöne große braune Augen, ein artiges Näschen, einen schönen Mund voller schönen Zähne, denn sie lachte wie sie mich sah; sie merkte wohl, daß der Graf mir alles erzählt hatte. Sie hatte ihre eigenen Haare, braune mit großen Bouklen. Wie er von Chambor wegzog und nach Italien reiste, kam die Wirthin in einem Wirthshause gelaufen und schrie: Monsieur, courez vite lá-haut, votre Page accouche! – Sie bekam ein Töchterchen. Man steckte Mutter und Tochter in ein Kloster zu Paris. So lange der Graf gelebt, hat er wohl für sie gesorgt; er starb aber in Morca und der Page hat ihn nicht lange überlebt; sie ist wie eine Heilige gestorben. Das Töchterchen hat ein Freund vom Grafen, Madame de Montespans Neveu, versorgt; nach dessen Tode hat der König dem armen Mensch eine Pension gegeben. Ich glaube, sie ist noch im Kloster.«

So weit die alte originelle Dame, die mitten in der verfeinerten Hofsphäre Ludwigs XIV. nicht müde wurde, ihr deutsches Sauerkraut zu speisen und in Manieren und Sprache die deutsche Hausmutter zu spielen. – Der Graf ging von Venedig nach Madrid, dann hielt er sich in Holland einige Zeit auf, auch in Hamburg, kam dann an den Hof zu Stockholm, wo er mit den Anerbietungen, die man ihm machte, nicht zufrieden war, dennoch aber, wieder durch Fraueneinfluß, sich bestimmen ließ, eine diplomatische Sendung nach Windsor an den König Jacob II. zu übernehmen.

In England stellten ihm die Verwandten der Gräfin Southampton nach, verwickelten ihn in Zweikämpfe, und selbst der Gefahr einer Vergiftung war er ausgesetzt. Auf den Rath des Königs, der sich väterlich für ihn interessirte, verließ er Englands Boden, um sich auf der Flotte einzuschiffen, die nach Afrika bestimmt war, um Tanger zu belagern. Die Schiffe wurden durch widrige Winde zurückgehalten, und der ungeduldige junge Held nahm durch Frankreich und Spanien seinen Weg, um rasch vor Tanger anzulangen. Hier erntete er wieder Ruhm und Waffenehre. Die darauf folgenden Jahre werden in beständigen Kriegszügen hingebracht. Dreimal kehrt er nach Afrika zurück, wir finden ihn auf der britischen Flotte vor Algier, dann in Madrid, dann in Holland, in England, in Deutschland.

An der Spitze eines selbstgeworbenen französischen Regiments sehen wir ihn Courtrai belagern, wo er verwundet wird, aber dennoch bald darauf in rapidem Marsch nach Catalonien eilt, um das französische Heer mit dem Ruhm seiner Waffen zu unterstützen. In venetianische Dienste eingetreten, nimmt er unter dem Oberbefehl seines Oheims, Otto von Königsmark, an der Belagerung von Navarin und Modon Theil, und die gefahrvolle Unternehmung bei Argos zählt ihn mit unter die heldenmüthigsten Krieger.

Hier war jedoch seiner Laufbahn ein Ziel gesetzt. Nicht dem Schlachtentode fiel er zum Opfer, sondern einer Seuche, die ihn nach kurzem Schmerzenslager im Monat August 1686 in Morea dahinraffte. Er hatte noch nicht sein siebenundzwanzigstes Jahr vollendet. Seine sterblichen Ueberreste, mit denen seines Oheims, der bald nach ihm ebenfalls den bösen Einflüssen des Klimas unterlag, wurden in die Familiengruft nach Stade gebracht. So war dieses Epos beschlossen, dessen Held so viel Gefahr, Liebe und ritterliche Tugend der Welt gezeigt hatte. Das damalige Europa hatte auf seinem Welttheater einen hübschen Schauspieler weniger, die Paläste und Fürsten sahen aus ihren Räumen eine elegante Figur verschwinden, die Putzgemächer und Schlafkabinette der Frauen verloren ihren kecksten und siegreichsten Eindringling. Auch mit den Musen hatte er sich abgegeben, und zwar nicht auf eine so gezwungene und zweifelhafte Weise wie der alte Marschall, sein Großvater.

Welche Thränen und Seufzer mögen dem Sarge gefolgt sein, der seine Reise von Morea nach Stade antrat! Wie manches junge Herz in der Klosterzelle, im Palast und in der Hütte mag bei der Trauerbotschaft schmerzlich und krampfhaft sich zusammengezogen haben! Wir haben hierüber keine Nachrichten, und ohne die plauderhafte Feder der alten Prinzessin von Orleans wüßten wir nicht einmal die anmuthigen Details von dem Pagen. Auf diesen Pagen zurückzukommen, so starb er – oder sie – wie eine Heilige; so sagt uns nämlich unsere Berichterstatterin. Die Tochter, die ebenfalls im Kloster erzogen wurde, verlor ihre Pension, als Ludwig XIV. starb, und unter dem Namen einer Mademoiselle d'Holland trat sie in die Welt, vermählte sich mit einem gewissen Chevalier de Cavado, der ihr eine Rente von 40,000 Livres zusicherte, und hatte später die Undankbarkeit, die Schwestern ihres Vaters, Aurora und Emilie, in einen Proceß über die Nachlassenschaft des Grafen Königsmark, ihres Vaters, zu verwickeln. Der Proceß schlug nicht zu ihren Gunsten aus; dennoch verstieß Aurora, in angeborener Milde, dieses Kind der Liebe ihres Bruders nicht; sie that für dasselbe was nur in ihren Kräften stand.

Philipp Christoph war ein Bruder Karl Johanns, und ihm in sehr vielen Charaktereigenschaften ähnlich, an körperlichen Vorzügen ihn jedoch übertreffend. Wenn wir einem Portrait Glauben schenken wollen, das aus der Nachlassenschaft Aurora's stammt und sich jetzt im Privatbesitz in Dresden befindet, so glich er seiner schönen Schwester und vereinigte in seinen Gesichtszügen denselben Liebreiz mit demselben Adel und Geist. Die gewinnende Anmuth der Schwester war auch ihm eigen, aber sein Scherz war nicht so unschuldig, seine Spöttereien nicht so harmlos; er war muthwillig und boshaft, und da seine Keckheit sich keine Grenzen setzte, so ist ein großer Theil seines Misgeschicks dieser gefährlichen Gabe, die die Welt liebt, aber zugleich verfolgt, beizumessen. Er wich hierin von seinem Bruder ab, der auch darin das wahre Bild des chevalier sans peur et sans reproche war, daß er nie über Frauen oder zarte Verhältnisse spottete, was Philipp gern that, wenn es galt, einen schläfrigen Hofcirkel zu beleben und die Fürsten lachen zu machen.

Das Schicksal dieses jungen Mannes, der als der letzte seines Stammes fiel, ist ein wundersam schauerliches; es tauchen in demselben alle dunkelen Schrecken der Mordlust des Mittelalters auf, um sich mit dem feinen Gifthauch der modernen Intrigue des achtzehnten Jahrhunderts zu vereinigen. Noch weiß man nicht gewiß, wo und wie diese glänzende Erscheinung sich verlor, auf welche Weise ein junger Mann endete, der reich, übermüthig, angesehen, von den Fürsten geliebt, dem mächtigsten Adel entsprossen, seine Laufbahn begann. Sein Grab ist mit grausenhaftem Dunkel umhüllt. Tausende haben darnach geforscht und es nicht finden können. Seine unglückliche Schwester setzte ganz Europa in Bewegung, um das Geheimniß dieses Verschwindens aufzuklären; umsonst. Noch jetzt ist die Gruft, in welcher Philipp Christoph von Königsmark verschwand, eine von jenen mysteriösen Grabstätten, deren die Geschichte mehre zählt, ein Grab, das weder Mitwelt noch Nachwelt zu bezeichnen weiß, auf das keine Thräne der Andacht, kein Gebet des Gläubigen niedersank. Es steht ein altes Schloß in Deutschland; es geht eine Sage, daß man dort vor einem Jahrhundert zurück unter dem Parketboden eines Schlafgemachs ein männliches Skelet gefunden habe. (Reminiscences d'Horace Walpole. Paris 1826) Dies, behauptet man, waren die Ueberreste jenes Unglücklichen, aber historisch gewiß ist es keineswegs.

Nichts charakterisirt die Höfe des siebzehnten Jahrhunderts und des Anfangs des achtzehnten Jahrhunderts mehr als Thatsachen, wie wir jetzt eine berichten wollen. Welch ein Drama, abwechselnd Trauerspiel und Posse! Welch ein Durcheinander von Leidenschaften! Wie hört man an alle Thüren den Finger der Intrigue klopfen, wie schleicht die langen halbdunkeln Corridore entlang der verlarvte Amor, eine in parfümirte Spitzen und blutige Flore gehüllte Muse hinter sich schleppend! Wie rauscht im Saale der Tanz, wie fliegen auf silbernen Sohlen die berauschten Tänzer, wie tummelt sich der Maskenzug, indeß im einsamen Gemach die Sorge sitzt und der fahle Liebeskummer! Diese alten Schlösser mit ihren goldbrokatenen Wänden, ihren heimlichen Tapetenthüren, ihrem summenden Schwarm von Gästen, wie wunderlich stehen sie da, wenn wir sie aus der Ferne unsers kalten, geregelten, anständigen Jahrhunderts betrachten! Welche Glut schimmert aus diesen verhüllten Fenstern, die auf dunkle rauschende Bäume des Parks niederschauen, rothe Lichter auf die weißen Schultern und Hüften der Statuen werfend! Still! die Mandolinen girren, die Flöten kosen, durch die Taxusgänge des Parks flattert verbuhlte Seide, koketter Flor. Das schamhafte Blut der jungen Rose leuchtet im Dunkeln heller auf am Busen einer trunkenen Nymphe, die sich taumelnd in die Nacht einer Laube verliert. Seht jene Schaar junger Schäfer! Ihre kleinen Hüte, ihre Stäbe verwickeln sich jeden Augenblick in die Hecken, sie lallen Lieder, von denen Theokrit nichts weiß, sie führen Tänze auf, von deren Verschlingungen sich die keusche Terpsichore unwillig abwendet. Und jene Nymphe ist eine Nonne und diese Tänzer sind junge Priester. Wie gefällt euch das? Heißt das nicht das Leben genießen? Heißt das nicht alle Forderungen erfüllen, die ein leichtsinniges Jahrhundert an seine leichtsinnigen Kinder stellt? Ihr schüttelt das Haupt, ihr wollt von diesem Frevel nichts wissen, und doch – ich könnte euch ein Jahrhundert nennen, das diese bunten Sünden, diesen bacchantischen Wahnsinn des Genießens nicht kennt, ein Jahrhundert, ernst, prüde, pedantisch und kalt, ein Jahrhundert, das mit seiner Tugend und seinem Ernste prahlt, und das, in geheimen Lastern der Selbstsucht und der Habgier schwelgend, nicht gerade sehr hoch über jener Zeit steht.

Von dem frühern Leben unsers jungen Helden ist wenig zu sagen. Die Geschichte, die wir erzählen wollen, füllt eigentlich sein ganzes Leben aus. Er kämpfte auf dem Felde der Liebe und starb auf demselben mit eben dem düstern Ruhm, wie man auf dem Felde der Ehre zu sterben pflegt. Die arme Mutter, nachdem sie schon zwei ihrer Söhne verloren hatte, entließ mit großem Kummer diesen dritten, jetzt einzigen. Auch er ging auf Reisen, auch er fand sich bald in Venedig, welches das damalige Paris war, mit den jungen Fürstensöhnen Deutschlands zusammen. Hier lernte er den damaligen Kurprinzen, nachmaligen König August von Polen und Kurfürsten von Sachsen kennen. Beide fanden ihre größte Lust in Liebesabenteuern. August entwickelte schon hier jene Virtuosität, die ihn in der Folge berüchtigt machte und die späteren Genealogen bei Abfassung der Stammtafeln der sächsischen und polnischen Familien so oft in Verlegenheit setzte. Einzelne, aber nur sehr flüchtige Kriegsunternehmungen in Ungarn wider die Türken bildeten Episoden im vergnügensreichen Leben des jungen Königsmark. Um Kriegsruhm war es ihm nicht zu thun, wie seinem Bruder. Mit dem Kurprinzen heimgekehrt, trat er als sehr junger Obrist in die Dienste seines fürstlichen Freundes und ließ sich's wohl sein im Glanze und im Luxus des dresdener Hofes. Aber zwei so renommirte Liebesritter konnten nicht lange auf einem und demselben Felde friedlich neben einander Lorbern ernten. Der Graf entfernte sich und räumte dem Fürsten das Feld. August war unterdessen zur Krone gelangt, und nun begann der Pomp und der Tumult der Feste, die fast ein halbes Jahrhundert hindurch das kleine Sachsen zum Schauplatz alles Glanzes und aller Intriguen Deutschlands machten und die Blicke von ganz Europa auf einen Fürsten lenkten, der mit chevaleresker Anmuth sich auf einem schwankenden Königsthrone hielt und, von einem Serail schöner Frauen umgeben, es wagte, den großen Ludwig Frankreichs zu imitiren. Das größere und hellere Strahlen werfende Gestirn des preußischen Friedrich verdunkelte später diesen schönen, leichtsinnigen Fürsten, der mit dem Scepter spielte, als wäre es eine brillantene Busennadel.

Mit der Entfernung Königsmarks von Dresden und seinem Eintritt in die Dienste des Herzogs von Braunschweig zu Hanover entschied sich das tragische Loos unsers Helden. Um jedoch diese Katastrophe unseren Lesern klar vorführen zu können, müssen wir ein Blatt aus der Geschichte Hanovers aufschlagen. – Zwei Brüder herrschten in großer Nähe neben einander. Der kleine Hof zu Braunschweig-Lüneburg-Celle war der Sitz des ältern Bruders, des regierenden Herzogs Georg Wilhelm, die glänzendere und bei weitem mächtigere Hofhaltung in Hanover hatte Ernst August, Anfangs Herzog, später Kurfürsten von Braunschweig - Calenberg-Göttingen, an der Spitze. Georg Wilhelm hatte sich mit einer Französin, einer Mademoiselle d'Albreuse, vermählt, Ernst Augusts Gemahlin war die Tochter Friedrichs V. von der Pfalz, Sophie, jene berühmte Freundin Leibnitzens, jene Enkeltochter König Jacobs I., durch welche Verwandtschaft das Haus Braunschweig-Hanover auf den Thron Englands gelangte. Die beiden Brüder führten ziemlich offen mit einander Krieg. Georg kam von seinem Schloß zu Celle nie nach Hannover herüber, wenn es dort Feste gab; er mochte das Weib seiner Wahl, die Tochter, die sie ihm geboren, nicht dem Gespött der Schranzen am Hofe seines Bruders aussetzen; dagegen gab Ernst August deutlich zu verstehen, daß er auf das Erlöschen des Celleschen Stammes warte, um das Erbe, das eigentlich nie hatte getheilt werden sollen, wieder beisammen zu haben. Die diplomatischen Noten über diesen Gegenstand wurden eben nicht mit sehr großer Feinheit gewechselt. Der alte Georg Wilhelm fing nun seinerseits auch an zu cabalisiren und verrannte dem Bruder die Wege zur Erlangung der Kurwürde für das Haus Hanover. Als aber die Kurwürde dem Bewerber dennoch zu Theil ward, setzte er beim Kaiser durch, daß seine unebenbürtige Gemahlin in den Reichsfürstenstand und die Tochter zur Prinzessin erhoben wurden. Somit war der Allodialbesitz seiner Linie gesichert, und Ernst August sah seine Pläne auf die Cellesche Erbschaft scheitern. Es mußten nun andere Mittel in Anwendung gebracht werden, um zum Ziel zu gelangen. Da machte sich denn die Kurfürstin Sophie auf den Weg. Sie verließ auf einige Zeit ihre Bücher, ihre gelehrten Apparate, ihre Erdgloben und Himmelskarten, ertheilte gnädig ihrem berühmten Freunde die Erlaubniß, einstweilen nach Berlin zu gehen, wo eine andere fürstliche Schülerin, Sophie Charlotte, die erste Königin von Preußen, seiner wartete, und erschien am Hofe zu Celle, um ihren eigensinnigen Schwager zu bearbeiten. Es gelang. Georg Wilhelm gab sein Kleinod, den Glanz und den Ruhm seiner alten Tage, sein schönes, kluges, unschuldiges Mädchen, seine einzige Tochter hin und willigte in ihre Vermählung mit Georg Ludwig, dem ältesten Sohne des Kurfürsten. Sophie, glücklich, ihrem etwas verwilderten, rohen Sohne eine hübsche, tugendhafte Frau, und ihrem ländersüchtigen Gemahl die Cellesche Erbschaft überbringen zu können, kehrte im Triumph nach Hannover zurück, nach sich schleppend das arme Opfer, die unglückliche Sophie Dorothea, die hiermit den Dämonen jeglichen Misgeschicks, das ein fürstliches Haupt treffen kann, übergeben wurde.

Der Hof von Hanover im Jahre 1682 ist nur einer jener Schauplätze phantastisch lasterhafter Gruppirungen, wie wir sie oben leichthin skizzirt. Zwei Schwestern von dunkler Herkunft erschienen eines schönen Tages am Horizont dieses Hofes. Ernst August, ein Fürst, der die Schönheit suchte und den Geist nicht fürchtete, kam den Abenteuerinnen entgegen und nahm sie huldvoll auf. Die ältere wurde dem Hofmarschall Grafen Platen vermählt; die jüngere wählte einen Kammerherrn. Beide Schwestern blieben dabei ihren ursprünglichen Missionen treu, die ältere als Freundin des Kurfürsten, die jüngere als die seines Sohnes. Der Hofmarschall und der Kammerherr waren demnach Figuren, wie es deren an den Höfen damals zu hunderten gab. Die Gräfin Platen – denn an ihr Portrait müssen wir schon einige Pinselzüge mehr verwenden – war eine Frau, die mit der kleinen Kattunschürze der Putzmacherin anfing und mit dem Hermelinmantel aufhörte. Mit allen Leidenschaften einer Medea ausgerüstet, mit der Schönheit einer Helena und der wilden Gluth einer Phädra, verließ sie die dunkle, enge Hütte, um mit sicherm Schritt den Marmorboden der Paläste zu betreten.

Diese Gräfin Platen ist eine Frau, wie deren das achtzehnte Jahrhundert manche aufzuweisen hat, eine Frau, deren Schritte nichts zu hemmen im Stande ist und die jeden Weg, auch den durch die furchtbarsten Schrecken bezeichneten, sicher wandeln, um nachher am Ziele die Bewunderung der Mitwelt in Empfang zu nehmen. Gegen eine solche Gestalt voll unheimlicher Schrecken konnte sich die blühende, kindliche Unschuld nicht halten. Geknickt, gebrochen mußte die Blume dahinsinken.

Als die Prinzessin Sophie Dorothea zu Hanover erschien, fand sie bereits alle Gemüther gegen sich eingenommen. Der Kurfürst ließ es seine Schwiegertochter empfinden, daß er so lange und mit so großer Mühe nach ihrem Erbe getrachtet, und daß sie die Tochter des Mannes war, der es gewagt hatte, sich seiner Gelangung zur Kurwürde zu widersetzen. Ihr Gemahl, ein ewiger Jäger und Herumtreiber, nahm sie, als eine ihm Aufgedrungene, kalt auf und gab willig den Einflüsterungen seiner Geliebten, der Kammerherrin, Gehör, die Gründe genug hatte, den Einfluß der Prinzessin zu schmälern. Die Kurfürstin endlich, die die Partie gemacht und von der man hätte glauben sollen, daß sie der wirksamste Schutz der Schwiegertochter sein würde, gab, in ihre gelehrten Studien vertieft, wenig auf das Acht, was am Hofe vorging. So war, durch eine seltsame Verkettung von Umständen, Anfangs gerade diejenige, die später ihre erbittertste Feindin werden sollte, ihre erste wohlwollende, theilnehmende Gesellschafterin und Beschützerin – die Gräfin Platen. Unumschränkt am Hofe herrschend, fürchtete diese stolze Frau die scheue, schüchterne Prinzessin nicht, die von Niemanden geliebt, von Niemanden in ihren Rechten und ihrer Stellung geschützt wurde.

Die Lage der Verhältnisse wurde jedoch anders, als Königsmark am Hofe zu Hanover erschien. Wir haben schon bemerkt, daß er Dresden verließ, weil seine Triumphe dem gleichfalls triumphirenden fürstlichen Freunde auf die Länge beschwerlich fielen. Er benutzte eine genaue Bekanntschaft mit einem jüngern Sohne des Kurfürsten und kam nach Hanover, um als Gardeobrist in die dortigen Dienste zu treten. Das eigentliche Motiv seines Kommens war indeß wohl die Prinzessin, die seine Jugendgespielin gewesen, und zwar zu einer Zeit, wo die d'Albreuse noch nicht als rechtmäßige Gemahlin des Herzogs von Braunschweig -Lüneburg-Celle anerkannt war. Wie grausam war es nun von den Feinden der armen Prinzessin, wenn sie in der Freude, die sie empfand, den Gespielen ihrer glücklichen Kindheit wiederzusehen, in ihm endlich ein Herz zu finden, das sich mit der ganzen süßen Leidenschaftlichkeit gewohnter und früh geübter Freundschaftsrechte ihr zuwandte, einen Verrath an den Pflichten der Ehefrau und Fürstentochter erblickten! Freilich trat Sophie Dorothea mit dem vollen Stolz der Tugend auf; sie hielt es für unmöglich, daß ein Schatten des Verdachts auf sie fallen könne, und darum nahm sie die Weise edler Frauen an, die sich zwanglos und offen viel vor der Welt erlauben, weil sie sich im Geheim nichts erlauben.

Jetzt, da der Freund ihr zur Seite war, erschien sie wieder im Kreise der Genüsse; man sah sie auf Bällen und Maskeraden. Ihr munterer Geist, seine Flügel wieder regend, erfand Scherze, leitete kleine Ueberraschungen, erlaubte sich in heiterer Rede jene rosenfarbene Bosheit, die eine schöne Frau so gut kleidet. Sie wurde liebenswürdig, und sogar – wie abscheulich klingt dieses Wort! – ihrem Gemahl gefährlich. Da griff die Kammerherrin zu den Waffen; sie lief zu ihrer Schwester und machte diese auf die Gefahr aufmerksam. Zum ersten Mal in ihrem Leben hörte aber die Gräfin nicht auf Politik; sie dachte an etwas Anderes. Ihr Herz, oder vielmehr ihre Sinne waren eingenommen, sie liebte den schönen Königsmark, und alle Kurfürsten und Kurprinzen der Welt gingen sie in diesem Augenblick nichts an. Sie vernachlässigte ihre eigene Mission, wie hätte sie die der Schwester beachten sollen!

Die Kammerherrin, eine gemeine Natur, bemerkte kaum den Gemüthszustand der Schwester, als sie schnell nach einer andern Richtung hinlenkte, wo derselbe Erfolg durch andere Mittel erreicht wurde. Sie gab ihr zu verstehen, daß Königsmark ihrer Leidenschaft Hohn spreche, daß er schon seit lange der erklärte Geliebte der Kurprinzessin sei. Die stolze Schwester, gewohnt, überall zu siegen, hatte einen solchen Verrath für unmöglich gehalten, da der schlaue Königsmark, um seinerseits den Ruf der Prinzessin zu wahren, die zu rücksichtslos auftrat, sich vor der Welt die Miene gab, ein Verehrer der Hofmarschallin zu sein. Aufmerksam gemacht durch die arglistige Schwester, blickte jetzt das Auge der von Leidenschaft Berauschten schärfer, und nun beleidigten sie zu gleicher Zeit der sichere Stolz der Vertraulichkeit von Seiten der Prinzessin und die glatte, zweideutige Natur des jungen Ritters. Sie spähte, lauschte und war immerwährend auf der Hut.

Diese Espionnage langweilte den edeln Grafen; er wurde gegen die mächtige Schöne öffentlich kaltsinnig und abstoßend. Mit der Vertrauten seiner Jugend erlaubte er sich über die kühnen Verfolgungen der Gräfin zu spotten. Damals war man an den Höfen nicht so zart wie heutzutage, die Anspielungen, die Scherze, die Kritik der Sitte, Alles trug den Stempel der Moliereschen Lustspielmanier; die kleinen scandalösen Verse, die damals keusche, ja sogar strenge Frauen machten, würde heut zutage kaum ein von der Moral aufgegebener Dichter zu machen wagen. In welchem Styl und Geschmack sind die Briefe der Herzogin von Orleans geschrieben! Feinheit und Discretion waren zudem ganz und gar nicht Königsmarks Sache, der nach Dresden zum Carneval reiste und dort bei Hofe die scabrösen Anekdötchen zum Besten gab, die in Hanover auf Kosten der Gräfin in Umlauf waren.

Ein beim Weinglase plaudernder Cavalier, angefeuert durch einen lauschenden und Beifall klatschenden Damenchor, ist eben so wenig in den Grenzen zu halten, als der beutemachende glückliche Krieger auf dem Schlachtfelde. Die Anekdoten wurden immer schwunghafter, die Geschichtchen immer brillanter, und – die Gräfin in Hanover erfuhr Alles. Jetzt kam ihre Medeanatur an den Tag. Das Lustspiel ist aus, die Tragödie fängt an. Der Prinzessin und des Grafen Untergang war beschlossen. Wenn man die Briefe liest, die von dem Vorfall handeln, den wir jetzt in wenigen Worten erzählen wollen, und welche die unglückliche Aurora gesammelt und aufbewahrt hat, so starrt man wie vor einem Medusenhaupt zurück vor der wilden, raffinirten Rache, die die Beleidigte nahm. Es kommen Ausdrücke in diesen Briefen vor, die das Herz erbeben machen, und nicht Worte allein, Thaten, ekelhafte, empörende Grausamkeiten finden sich, wie sie der Kannibale gegen seine Opfer nicht scheußlicher auszuüben vermag, und jene Worte und diese Thaten spricht und vollbringt ein Weib!

Eines Abends schreibt der Secretär des jungen Grafen an Aurora und meldet ihr bestürzt und bekümmert, daß dies nun schon die dritte Nacht sei, die herankomme, ohne daß er Nachrichten von seinem jungen Gebieter habe, der ausgegangen sei und nicht zurückkehre. Er habe einen Gang in's Schloß machen wollen und sei nicht heimgekommen. Jetzt folgen Briefe auf Briefe, die immer dasselbe sagen. Der Graf kommt nicht zurück, er ist nirgends gesehen worden, er ist verschwunden, wie in die Erde gesunken, Niemand weiß von ihm. Die Hoflakaien haben ihn in einen Corridor gehen sehen; Einer will ihn in einem hellen Mantel auf dem Wege zu den Zimmern der Prinzessin gesehen haben. Zwischen jenem Corridor und diesen Gemächern liegt eine alte Halle, die früher zur Aufbewahrung von Waffen gedient; aus diesem düstern Raume hat man ihn nicht wiederkommen sehen. Nach anderen Nachrichten, die ein zur Nachtzeit über den Hof eilender Page mitgetheilt, ist auf den oberen Galerien in später Stunde ein Mann in hellem Mantel von zwei bewaffneten Häschern mit Blendlaternen in den östlichen Thurm geführt worden. Wieder andere Stimmen versichern flüsternd, der Graf habe nach der Oper einen Besuch bei der Prinzessin abgestattet und sei, auf dem Ruhebette derselben sitzend, von fünf Vermummten ergriffen, geknebelt und fortgeschleppt worden, während die Damen der Prinzessin und diese selbst in Ohnmacht gefallen. Von alle dem ist nichts als sicher ermittelt worden.

Lange Zeit glaubten auch die Zeitgenossen nicht an den Mord. Hier und da tauchte ein Graf Königsmark auf, bald in der zerlumpten Kleidung eines verfolgten Flüchtlings, bald in fremder Uniform; ja sogar in der Türkei, im Dienste des Sultans, wollte man jenen Unglücklichen wiedergefunden haben, der auf so räthselhafte Weise verschwunden war. Die armen Schwestern litten dabei sehr, wie man sich denken kann. Immer wieder hoffend, wurden sie immer wieder getäuscht. Oft drangen Betrüger sogar in ihre Vorzimmer und erpreßten Geld, indem sie die edelsten Schwestergefühle brandschatzten. Endlich schließt Aurora, müde dieser ewigen Täuschungen, ihre geheimen Acten.

Aus allen Beweisen, die sie sorgfältig gesammelt, geht nun ziemlich als Gewißheit hervor, daß auf Anstiften der Gräfin Platen der Graf Königsmark in jener Nacht meuchlings und unter Martern in einem Gewölbe des Schlosses gemordet und daselbst auch begraben worden. Der zum Tode Getroffene hat noch um einen Priester gebeten, den man ihm verweigerte. Zu Vollstreckern des Mordes, den ein eifersüchtiges, wüthendes Weib ganz allein veranlaßte, wurden die Vertrauten und Diener des Kurprinzen gebraucht, der gegen seine Gemahlin den Verdacht des Ehebruchs aussprechen mußte. Der Kurprinz selbst hat nie diese schmähliche Anklage veröffentlicht, auch für sich selbst schwerlich jenen Verdacht gehegt; er war aber indifferent und kalt gegen die Prinzessin, und ließ geschehen, was er weder verhindern wollte noch konnte.

Nächst dem kläglichen Schicksal des armen Königsmark nimmt das der Prinzessin Sophie Dorothea das Mitgefühl auf's Lebhafteste in Anspruch. Sie wurde auf das Schloß Ahlen verbannt und dort gefangen gehalten. Ihre Hofdamen unterwarf man einem grausamen, arglistig verfänglichen Verhör, das in den Papieren Aurora's sich ebenfalls noch aufgezeichnet gefunden hat.1 In dieser Gefangenschaft befand sie sich noch, als ihr Gemahl als Georg I. den Thron von Großbritannien bestieg; sie wollte ihren Kerker nicht verlassen, er war ihr lieb geworden. Ihr edles Gemüth, durch Poesie und Musik gehoben, durch einen großen Schmerz geheiligt, von einem rührenden und schuldlosen Liebesangedenken erfüllt, sah in der Nacht des Kerkers keine Nacht, in der Einsamkeit keine trostlose Oede. Die Perfidie der Welt, der uralte Treubruch, die ewig siegende Gemeinheit, die vergoldete Kette der Sclaverei hatten mit allzuheftigen Eindrücken ihre reine Seele gefoltert; sie wollte in die Gemächer nicht mehr zurück, die von Gold gleißen und an denen Blutflecke haften. Königsmark verdiente nicht durch seinen Leichtsinn, wohl aber durch seinen sühnenden, alle Schuld tilgenden, schreckenvollen Tod, in einem solchen Herzen zu wohnen.

Nächst dem tragischen Ausgange dieses Dramas fesseln uns auch anmuthige Episoden desselben. Die Aufsätze, die sich im Nachlaß Aurora's finden, sind theils von ungenannten Berichterstattern, denn es war sicherlich gar gefährlich, über diese Dinge im damaligen Deutschland laut zu sprechen, theils von Aurora's Hand geschrieben. So erfahren wir, daß Watteau in seinen berühmten Gemälden nur die Natur copirte, denn es werden hier ländliche Feste geschildert, wo im Garten oder auf der Wiese junge Männer und Frauen im Schäfercostüm Tänze aufführen und Spiele spielen, gerade wie Watteau sie gemalt hat. Aurora schreibt: »Wenn sie (nämlich die Gräfin Platen) mit ihm (mit Königsmark) zufrieden war, wußte sie nicht, wie freundlich sie mit ihm sein sollte. Einesmals zu Linzburg (ein kurfürstliches Jagdschloß) aßen der Kurprinz, die Kurprinzessin, Gräfin Knesebeck und Andere das Frühstück im Holze. Da war sie so contente, daß sie ihre Hautbois blasen ließ, den Grafen Königsmark bei der Hand nahm, eine gute Viertelstunde mit ihm herumtanzte, ihn immer in ihre Arme laufen ließ und sich so ridicülement dabei anstellte, daß die Kurprinzessin sich todt lachen wollte.«– Ein anderes Document, eine Aussage, von fremder Hand geschrieben, enthält das Bekenntniß eines Künstlers, der in Wachs modellirte, eine Kunst, die die Prinzessin lernen wollte, wie damals viele vornehme Damen. Dieser junge Mann erzählte, er sei gerade in dem Moment, als der Graf von den Vermummten überfallen und gebunden worden, im Zimmer der Prinzessin beschäftigt gewesen und habe sich beim Tumult hinter einen Fenstervorhang versteckt. Dieser selbe Zeuge will denn auch die Mordscene unten im Gewölbe mit angesehen haben, und zwar beschreibt er zugleich, wie man den Leichnam in einer Grube im Gewölbe verscharrt. Dieser Aussage widersprechen jedoch, wie wir schon oben bemerkt, andere Berichte. Ein unbestreitbares Factum bleibt, daß man die Leiche nicht fand, und daß trotz aller Reclamationen von Seiten des sächsischen Hofes, an dem damals Aurora allmächtig war, vom Kurfürsten keine gerichtliche Untersuchung und Bestrafung der Thäter zu erhalten war.

So starb der letzte der Grafen Königsmark; ein gräßliches Ende bei einem so stralenden Anfang. Sein Wappen und sein Schwert haben nicht, wie es beim Aussterben einer Familie gebräuchlich war, über seiner Gruft zerbrochen werden können. Er büßte für den Hochmuth und die Eitelkeit seiner Vorfahren.

Wir gehen jetzt zu dem Hauptgegenstande unserer Aufmerksamkeit über, zu dem Bilde Aurora's von Königsmark. Auf die Schwelle der geöffneten Pforten des achtzehnten Jahrhunderts, dieses Jahrhunderts voll Glanz und Frivolität, tritt sie als eine Gestalt, die unsere Blicke sogleich auf sich zieht, denn mit ihrer Schönheit kann keine wetteifern, ihre Anmuth hat nicht ihres Gleichen, und was ihren Geist betrifft, so ist er von jener köstlichen Frische und jener süßen, duftenden Fülle, wie er unter den Frauen aller Jahrhunderte nur in seltenen Beispielen vorkommt; vor allem aber war er in jener Zeit eine wundersame Erscheinung, wo noch die Nachstürme der barbarischen Sittenzerstörung des dreißigjährigen Krieges über das civilisirte Europa hinwehten. Wenn man diese junge Frau betrachtet, so erscheint sie wie eine Blume, mild und anmuthig, und dann wieder wie der Diamant scharf und blitzend. Das damalige Deutschland war nicht reif für ein Weib dieser Art, für einen eminenten schöpferischen Geist, den die Natur, wie im absichtlichen Contrast, in die weichste, schönste, weiblichste Körperform gekleidet hatte. Frankreich hätte diese Tochter des Genies und der Schönheit besser zu stellen, ihre Eigenschaften besser zu nützen gewußt. Friedrich August sah in ihr nichts als eine reizende Geliebte, während er in ihr einen Freund, einen Minister hätte sehen sollen. Er suchte bei ihr nur das Weib, während er bei ihr den Mann, den rettenden und kühnen Geist, den Genius seiner Krone hätte finden können. Dies Alles konnte Aurora sein; daß sie es nicht war, daß auch sie unter dem Fluche litt, der auf einem feigen und schwankenden Scepter ruhte, darf ihr nicht zur Last fallen. Dieser Satz darf jedoch nicht misverstanden werden. Wir wollen keineswegs einem Weiberregiment dieser Gattung das Wort reden, indem wir Aurora's Stellung als ihrer nicht würdig bezeichnen.