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Wahrsagerei? Kompletter Blödsinn! Das jedenfalls will Alina ihrer Freundin beweisen und schnappt sich auf einem Jahrmarkt kurzerhand einen völlig fremden Mann, um ihn bei einer Hellseherin als ihren Freund auszugeben. Mal sehen, was diese Prophetin sich über ihre angebliche Beziehung so ausdenkt! Eine halbe Stunde später steht Alina völlig perplex vor dem Zelt. Die Wahrsagerin hat sie nicht nur mit vielen Dingen aus ihrem Leben konfrontiert, die sie gar nicht wissen konnte - einschließlich der Tatsache, dass Alina und Aaron gar kein Paar sind - , sondern sie hat ihnen auch noch versichert, dass die beiden die ekstatischsten Nächte ihres Lebens miteinander haben könnten. Alina ist fassungslos. Was soll sie denn mit dieser absolut überflüssigen Info anfangen? Sie hat bereits eine harmonische, erfüllende Beziehung mit einem strebsamen Steuerberater, den sie demnächst heiraten will. Da kommen wilde Nächte mit einem fremden Typen - der auch noch Tattoos und viel zu übertriebene Muskeln hat - selbstverständlich überhaupt nicht in Frage! Gern würde sie diese dämliche Prophezeiung einfach vergessen und Aaron niemals wiedersehen, doch das Schicksal hat etwas anderes mit ihr vor ...
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Alina
Kapitel 2
Alina
Kapitel 3
Alina
Kapitel 4
Alina
Kapitel 5
Alina
Kapitel 6
Alina
Kapitel 7
Alina
Kapitel 8
Alina
Kapitel 9
Alina
Kapitel 10
Alina
Kapitel 11
Alina
Kapitel 12
Aaron
Kapitel 13
Alina
Kapitel 14
Alina
Kapitel 15
Aaron
Kapitel 16
Aaron
Kapitel 17
Alina
Kapitel 18
Alina
Kapitel 19
Alina
Kapitel 20
Alina
Kapitel 21
Alina
Kapitel 22
Alina
Kapitel 23
Alina
Kapitel 24
Alina
Kapitel 25
Alina
Kapitel 26
Alina
Ein Jahr später
Impressum
„So ist es“, bestätigt Aaron mit fester Stimme und drückt meine Hand. „Wir sind Kunden und wollen zu Ihnen. Wir sind sehr gespannt, was Sie uns sagen werden.“
Zara nickt uns zu und greift nach einem Schild, das am Eingang steht. Darauf ist zu lesen: Bitte nicht stören. Hier findet gerade eine Session statt.
Sie bewegt sich nach draußen und stellt das Schild vor das Zelt. Dann kehrt sie zu uns zurück und bedeutet uns mit einer einladenden Geste, ihr hinter den Vorhang zu folgen.
Jetzt wird es bunt. Das Zelt ist mit Tüchern in allen Farben ausgeschlagen; wahrscheinlich auch, damit die Geräusche der Kirmes nicht eindringen. Jedenfalls ist es erstaunlich ruhig, wenn man bedenkt, dass draußen die Hölle los ist. Auch die Teppiche sind bunt und farbenfroh. Auf den Teppichen befinden sich kunterbunte Sitzkissen in unterschiedlichen Größen. Aus zwei kleinen Lautsprechern dringt meditative Musik und die Luft ist erfüllt von einem Duft aus Rosen und anderen Blumen.
„Setzen Sie sich auf einen Platz, an dem Sie sich wohl fühlen“, fordert Zara uns auf und lächelt uns herzlich zu. „Sie können sich so hinsetzen, wie Sie gerade zueinander stehen. Also entweder eng nebeneinander oder weiter auseinander – ganz, wie Sie möchten.“
Aha, wusste ich es doch! Jetzt geht es also schon los mit den subtilen Fragen. Wenn wir uns weit auseinander setzen, dichtet sie uns ein Beziehungsproblem an. Wenn wir ganz eng zusammen sitzen, denkt sie, wir wären schwer verliebt. Tja, wie setzt man sich hin, wenn man sich gar nicht kennt? Rücken an Rücken? Ratlos sehe ich meinen angeblichen Freund an. Er lächelt mir zu, drückt wieder meine Hand und zieht mich zu einem Sitzkissen, neben dem er auf dem Boden Platz nimmt. Er sitzt so dicht neben mir, dass ich seine warme Haut spüre. Komischerweise ist mir das gar nicht unangenehm. Eher im Gegenteil. Ich weiß nicht warum, aber ich bin plötzlich furchtbar aufgeregt.
Zara sieht uns aufmerksam an. Ich rutsche unruhig auf meinem Sitzkissen hin und her und habe das Gefühl, dass sie mir bis auf den Grund meiner Seele blicken kann. Das ist natürlich Quatsch. Trotzdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie viel mehr sehen kann, als mir lieb ist.
Mit trockenem Mund und klopfendem Herzen sehe ich dabei zu, wie sie ihre Karten mischt und dabei die Augen geschlossen hält. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, bis sie damit aufhört. Dann breitet sie die Karten in Fächerform auf ihrem runden, goldenen Tisch mit merkwürdigen Ornamenten aus. Sie lächelt uns warmherzig an.
„Ich bitte Sie beide, jeweils drei Karten zu ziehen. Konzentrieren Sie sich und versuchen Sie zu erspüren, welche der Karten Ihnen zuwinkt.“
Mir geht so vieles durch den Kopf.
Das ist doch alles Blödsinn.
Es ist totaler Zufall, welche Karten ich ziehe.
Außerdem spricht keine der Karten zu mir.
Wenn ich das Ganze wiederholen müsste, würde ich völlig andere Karten ziehen.
Und dann wäre alles in meinem Leben völlig anders?
Das ist der größte Schwachsinn aller Zeiten! Ich sollte aufstehen und gehen.
Doch ich bleibe wie festgetackert sitzen, während meine linke Hand über den Karten schwebt. Ich weiß nicht, welche ich ziehen soll. Macht es einen Unterschied? Ist das nicht völlig egal?
Meine Augen treffen Aarons Augen. Es sieht genauso verwirrt aus wie ich. Was denkt er jetzt? Was geht in ihm vor? Ist er auch so aufgeregt? Aber es ist doch nur ein Spiel. Ein Spiel, mit dem ich beweisen will, dass das alles hier völliger Quatsch ist. Fange ich jetzt etwa an, es ernst zu nehmen?
Zara dreht die Karten, die wir gezogen haben, in Zeitlupe um. Eine Weile sagt sie nichts und wiegt den Kopf bedächtig hin und her. Dann beginnt sie zu schmunzeln.
„Zuerst mal weiß ich natürlich, dass Sie kein Paar sind“, erklärt sie.
Ich merke, wie Aaron zusammenzuckt und ich tue es ebenfalls. Aber was bedeutet das schon? Vielleicht war sie draußen und hat uns belauscht. Aber nein, sie hatte doch eine Session mit den beiden Mädchen, oder?
„Sie kennen sich überhaupt nicht“, fährt Zara fort. „Aber ich kann nicht sehen, warum Sie zusammen zu mir gekommen sind. Vielleicht wollen Sie mich testen?“
Ich schlucke und schäme mich plötzlich ganz furchtbar.
Zara hebt die Hand, als wolle sie abwenden, dass ich etwas sage.
„Schon gut“, sagt sie lächelnd. „Das macht nichts. Es gibt viele Menschen, die zu mir kommen und nicht an Hellseherei glauben. Das ändert sich allerdings, wenn sie mich wieder verlassen.“
Ihr Lächeln wird noch breiter.
„Ihr beide kennt euch nicht, aber ich möchte euch trotzdem etwas verraten. Zwischen euch gibt es etwas sehr Besonderes. Etwas, das viele Menschen nicht ein einziges Mal in ihrem Leben erleben, das ihr beide aber miteinander haben könntet.“
Aaron und ich drehen unsere Köpfe zueinander und blicken uns neugierig an. Was kann das sein?
„Ihr fragt sicher, was das ist“, wiederholt Zara meinen Gedankengang. „Ich werde es euch verraten. Es ist eine delikate und sehr schöne Sache. Ich kann offen sprechen?“
Aaron und ich nicken wie hypnotisiert. Ich kann förmlich spüren, wie sich die Stimmung im Raum verändert hat. Wir sind angespannt, aber auf eine positive und freudige Art und Weise.
„Die meisten Menschen haben in ihrem Leben durchschnittlichen Sex, wissen es aber nicht, weil sie nichts anderes kennen“, beginnt Zara. „Es ist wie Hunger haben und etwas essen. Ganz schön und man ist danach befriedigt. Wenn man nichts anderes kennt, ist das auch völlig in Ordnung.“
Zara macht eine Pause. Gebannt hängen wir an ihren Lippen, Aaron genauso wie ich.
„Es kommt sehr selten vor, dass zwei Menschen sich finden, für die Sex nicht einfach nur Sex ist“, fährt Zara fast singend fort. „Es gibt Dimensionen beim Sex, die erleben nur ganz wenige Menschen. Es ist wie ein Urknall, das Tor zum Himmel, ein Stück vom Paradies, ein rauschhafter Zustand. Diese Menschen machen nicht einfach nur Sex, sondern sie zelebrieren das körperliche Zusammensein und treiben sich in nie gekannte Sphären. Wenn man es nie erlebt hat, kann man es nicht beschreiben. Aber der Unterschied ist gewaltig.“ Sie lächelt verklärt, während ich den Atem anhalte und mich kaum noch rühren kann.
„Genau das würde euch beiden blühen, wenn ihr miteinander ins Bett gehen würdet. Absolute Ekstase, Hingabe, eine einzigartige körperliche Verbindung. Und zwar dauerhaft. Ihr würdet süchtig nacheinander werden und nie wieder voneinander loskommen. Aber was ihr daraus macht, bleibt selbstverständlich euch überlassen.“
Mein Gaumen ist ganz trocken und mein Herz schlägt wie ein Presslufthammer. Das ist doch jetzt wohl nicht ihr Ernst, oder? Diese Frau nimmt uns auf den Arm. Sie macht sich über uns lustig, weil wir ihr einen Streich spielen wollten. Ganz klar. Sie will uns verarschen.
Ich spüre, wie Aaron neben mir ganz steif geworden ist. Er sitzt so aufrecht, als habe er einen Stock verschluckt.
„Ich weiß, dass Ihnen meine Prophezeiung nicht in den Kram passt“, sagt Zara und sieht mir direkt in die Augen. Wieder habe ich den Eindruck, sie sieht da ganz viel; auch das, was ich normalerweise vor den Menschen verberge.
„Sie sind mit einem Mann liiert, den Sie heiraten wollen. Es stimmt alles. Sie sind beide beruflich in guten Positionen tätig, verdienen gutes Geld, verstehen sich im alltäglichen Leben. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Vorausgesetzt, das ist es, das Sie wirklich glücklich macht.“ Zara holt tief Luft.
„Aber Sie unterdrücken auch Ihre lebendige, wilde, verrückte Seite. Die können Sie mit diesem Mann nämlich nicht ausleben. Und auch der Sex ist nur mittelmäßig, wenn ich das mal so offen sagen darf. Dieser Mann bietet Ihnen die Sicherheit, die Sie in Ihrer vorherigen Beziehung vermisst haben. Die haben Sie jetzt. Dafür müssen Sie aber Ihr kindliches Naturell hintenanstellen. Sie sollten sich sehr gründlich überlegen, ob Sie damit glücklich werden.“
Ich bin wie erstarrt. Woher zum Teufel weiß sie das alles? Denn das Unglaubliche ist, dass es stimmt. Ich denke zwar nie bewusst darüber nach, aber jetzt, wo ich es so klar formuliert höre …
„Außerdem hat Ihr Freund ein Geheimnis vor Ihnen“, höre ich die Singsang-Stimme wie durch Watte. „Es ist etwas sehr Elementares, aber ich kann nichts Näheres erkennen. Er weiß noch nicht, ob er es Ihnen sagt. Wenn ja, könnte das Ihre Beziehung gefährden.“
Zara wendet sich Aaron zu.
„Sie lassen nichts anbrennen und versuchen, Ihre innere Leere dadurch zu füllen, dass Sie eine Frau nach der anderen abschleppen. Aber das funktioniert immer nur für einen kurzen Moment. Sie haben einen schweren Verlust erlitten, den Sie immer noch zu kompensieren versuchen. In Wirklichkeit haben Sie Angst davor, noch einmal Nähe zuzulassen und sie dann wieder zu verlieren. Dabei sehnen Sie sich wie alle Menschen nach der großen Liebe. Nach der einen Frau, mit der Sie glücklich werden können. Nach Ihrer Seelenverwandten, mit der Sie alles teilen können. Sie suchen Sie in jeder Frau, mit der Sie ins Bett gehen und sind nach jeder weiteren Affäre enttäuscht, weil Sie sie wieder einmal nicht gefunden haben. Sie hatten sie, aber sie wurde Ihnen genommen. Darüber sind Sie bis heute nicht hinweg gekommen.“
In dem Zelt ist es plötzlich so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Scheu drehe ich meinen Kopf zu Aaron. Er ist kalkweiß und wie erstarrt. Zara muss voll ins Schwarze getroffen haben.
„Im Leben geht es darum herauszufinden, wer man ist und was einen glücklich macht“, fährt Zara fort. „Manche Menschen finden es niemals heraus. Ich kann Ihnen mit auf den Weg geben, dass es keinesfalls materielle Güter sind, die Sie glücklich machen werden. Äußerlichkeiten führen niemals zum Glück. Man muss innerlich mit sich im Reinen sein und einen Partner finden, bei dem man die beste Version seiner selbst ist. Mit dem richtigen Partner fühlt man sich besser als ohne ihn, um es ganz einfach zu formulieren.“
Sie schweigt einen Moment und ich verknote meine Hände ineinander. Tausend Gedanken stürzen plötzlich auf mich ein, und viele davon will ich gar nicht denken.
„Bei Ihnen ist viel verschüttet, das Sie ausgraben sollten“, wendet sie sich wieder an mich. „Sie haben für Ihren Freund viel von sich aufgegeben. Denken Sie darüber nach, ob das richtig ist.“
Woher kenne ich diese Worte? Richtig, von Feli. Die hat mir das schon so oft gesagt, aber ich wollte es nie hören.
Zara nickt in Aarons Richtung.
„Sie sollten darüber nachdenken, ob Sie sich jeden Tag aufs Neue beweisen müssen, was für ein toller Hecht Sie sind“, sagt Zara, doch es klingt nicht negativ, sondern gutmütig und liebevoll. So, als ob eine Mutter zu ihrem erwachsenen Sohn sprechen würde, der ein bisschen neben der Spur ist.
Zara lächelt warmherzig.
„Sie sind beide sehr liebevolle Menschen, die das Herz am rechten Fleck tragen“, sagt sie. „Es kommt allerdings nicht immer zum Vorschein. Manches ist zugeschüttet. Und Sie, meine Liebe, sollten sich nicht immer ausnutzen lassen. Gerade Ihre Verwandtschaft übertreibt es manchmal, wenn sie Sie um den einen oder anderen Gefallen bittet. Sie können schlecht Nein sagen, weil Sie geliebt werden wollen, aber Sie sollten auch an sich denken.“
Ich zucke zusammen. Genau das sagt mir Felicitas auch andauernd. Ständig lädt meine Schwester Lisa ihre beiden Kinder bei mir ab, weil sie angeblich so viel zu tun hat. Ich arbeite als freie Grafikerin zu Hause, was Lisa damit gleichsetzt, dass ich den ganzen Tag Zeit habe. Jedes Mal, wenn sie wichtige Termine hat wie zum Beispiel einen Friseur- oder Kosmetiktermin, werden Philippa und Maurice bei mir geparkt. Lisa setzt voraus, dass ich mich darüber freue, wenn ich die beiden betreuen darf. Und irgendwie gelingt es mir nie, es abzuwehren, dass sie einfach über meine Zeit verfügt.
Bei meiner Mutter ist es auch nicht viel anders. Sie schneit dauernd unangemeldet herein, quatscht mich stundenlang voll und ist der Ansicht, dass ich zur Not auch nachts arbeiten kann. Da sie seit der Trennung von meinem Vater allein ist und mir leid tut, habe ich ihr wenig entgegen zu setzen und erdulde ihre Besuche, obwohl ich dann manchmal wirklich noch bis weit in der Nacht über meiner Arbeit sitze. Aber ich bringe es einfach nicht übers Herz, sie rauszuwerfen.
„Denken Sie immer daran, dass es manchmal besser ist, jemand anderen zu verletzen, als sich selbst“, gibt Zara mir einen weisen Rat. „Jeder ist für sich selbst verantwortlich und jeder muss für sich selbst sorgen. Denken Sie ein bisschen mehr an sich und kümmern Sie sich in erster Linie um sich und nicht um Ihre Verwandten, die eigenmächtig über Ihre Zeit verfügen. Lernen Sie nein zu sagen.“
Ich sehe Zara verstört an. Sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Das sind doch keine Sachen, die man jedem sagen kann, oder? Nein, das glaube ich nicht. Mein Helfersyndrom ist schon ziemlich speziell und ich muss zugeben, dass ich mich schon oft darüber geärgert habe.
„Sie sind nicht der Macho, den Sie gerne bei den Frauen spielen“, sagt Zara zu Aaron. „In Wirklichkeit sind Sie ein höchst sensibler, sanftmütiger, liebevoller Mensch. Sie haben sich aus Schutz diese Maske übergestülpt und jetzt kommen Sie nur schwer davon los. Dabei sind Sie unter Ihrer rauen Schale ein weicher, sensibler Mann. Den dürfen sie ruhig auch mal zeigen. Er ist nämlich sehr liebenswert. Sie müssen sich nicht hinter der Schale des Bad Boys verstecken. In dieser Schale ziehen Sie nämlich Frauen an, die Ihnen nicht das geben können, was Sie sich wirklich wünschen.“
Vorsichtig drehe ich meinen Kopf ein wenig und merke, wie Aaron schluckt und total getroffen aussieht. Das, was Zara sagt, muss ihn ziemlich aufwühlen. Ob sie damit bei ihm genauso recht hat wie bei mir? Was für ein Schicksal hat er erlitten? Hat ihn seine Freundin verlassen?
Zara sagt weitere Dinge über unsere Eigenschaften und Interessen, aber das rauscht alles an mir vorbei. Mir schwirren zwei Sachen im Kopf herum: Ich habe mich aus Sicherheitsdenken für eine Beziehung entschieden, in der nicht all meine Bedürfnisse abgedeckt werden, und ich stelle das Wohlergehen anderer über mein eigenes und lasse mir zu viel aufbürden.
„Ich sehe, ich habe Ihnen einiges nähergebracht, über das Sie nachdenken sollten“, lächelt Zara. „Lassen Sie sich Zeit. Das sind keine Dinge, die man von heute auf morgen ändern kann.“
Aaron räuspert sich.
„Kann ich Ihnen noch eine Frage stellen?“, sagt er.
„Natürlich“, nickt Zara. „Fragen Sie mich, was immer Sie wollen.“
Aaron holt hörbar Luft und spielt an seinen Ringen herum.
„Warum haben Sie uns gesagt, dass wir beide den besten Sex aller Zeiten miteinander haben könnten?“, will er mit belegter Stimme wissen. „Ich meine, was sollen wir mit dieser Info anfangen? Diese Frau hier hat einen festen Freund. Sie wird wohl kaum ihre langjährige Beziehung aufs Spiel setzen, um auszutesten, ob Sie möglicherweise Recht haben.“
Zara lächelt und verschränkt ihre Finger ineinander.
„Das bleibt Ihnen überlassen“, erklärt sie. „Ich wollte es Ihnen mitteilen, weil es wirklich sehr selten ist. Was Sie damit anfangen, müssen Sie selbst wissen. Natürlich können Sie es auch einfach vergessen und weiterleben wie bisher. Das ist ganz allein Ihre Entscheidung.“
Aaron wirft mir einen schnellen Blick zu.
„Aber was bedeutet das genau?“, hakt er nach. „Sind wir füreinander bestimmt? Sollten wir ein Paar werden? War es Schicksal, dass wir uns heute hier getroffen haben?“
Zara lächelt immer noch.
„Ich kann Ihnen nur die Möglichkeiten aufzeigen, aber den Weg müssen Sie selbst gehen“, erwidert sie. „Ich habe Ihnen gesagt, dass der Sex zwischen Ihnen beiden phänomenal sein würde. Wie Sie das bewerten und ob Sie daraus eine Partnerschaft machen möchten, das müssen Sie selbst entscheiden. Das kann ich Ihnen nicht vorschreiben. Und wie es zwischen Ihnen als Paar laufen würde, hängt natürlich auch davon ab, wie sehr Sie an sich arbeiten. Wenn Sie weiterhin den Macho spielen, könnte es schief gehen. Wenn Sie zu Ihrer sensiblen und einfühlsamen Seite stehen, kann es funktionieren. Es hängt immer davon ab, was Sie selbst für sich tun. Der andere ist nicht für Ihr Wohlergehen verantwortlich. Und wenn Sie mit sich selbst nicht klarkommen, kommen Sie auch mit Ihrem Partner nicht klar. Sie werden immer Ihre Schwierigkeiten auf den anderen projizieren und demzufolge niemals glücklich werden. Das Wichtigste ist, dass Sie erst mal selbst ein glücklicher Mensch werden. Und dazu habe ich Ihnen beiden einiges gesagt. Letztlich hängt es von Ihrer Selbstfürsorge ab, ob Sie miteinander – oder auch mit einem anderen Partner – glücklich werden können.“
Aaron und ich tauschen einen vorsichtigen Blick. Was genau heißt das? Dass man mit jedem Menschen glücklich werden kann, so lange man mit sich selbst im Reinen ist? Ist das wirklich so? Es gibt bestimmt Menschen, die besser zu einem passen als andere. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich mit jedem Mann auf der Welt glücklich werden könnte.
Und mit Aaron schon gar nicht, weder im Bett noch sonstwo.
„Es war sehr erhellend“, fasst Aaron zusammen, als wir etwas benommen vor dem Zelt stehen.
„Das liegt in der Natur der Dinge“, erwidere ich. „Schließlich ist Zara eine Hellseherin.“
Ich bin völlig fertig. Das gibt es doch einfach nicht, dass eine wildfremde Frau so detailliert über mein Leben Bescheid weiß! Alles hat gestimmt und sie hat mir Sachen gesagt, die tief in mir schlummern und die ich eigentlich gar nicht hören will. Aber jetzt, wo ich sie gehört habe, kann ich sie nicht mehr länger verdrängen. Sie sind jetzt an der Oberfläche.
Wir räuspern uns gleichzeitig und grinsen uns etwas unsicher an.
„Ähm … stimmt das denn, was sie über dich gesagt hat?“, will ich wissen. „Oder war das alles an den Haaren herbeigezogen?“
Aaron kratzt sich am Kopf und verzieht sein Gesicht.
„Nein … also, ja“, stottert er und scheint nicht so recht zu wissen, was er sagen soll. Er holt tief Luft.
„Es hat schon gestimmt“, antwortet er schließlich und sieht immer noch total verwirrt aus. „Ziemlich genau sogar. Ehrlich gesagt war ich sehr überrascht, fast schon geschockt.“
„Ich auch“, sage ich. „Es war verblüffend, wie sie alles auf den Punkt gebracht hat. Ich kann mir einfach nicht erklären, woher sie das weiß. Natürlich gibt es ein paar allgemeine Sätze, die man praktisch jedem sagen kann, aber ich fand ihre Aussagen sehr detailliert, du nicht?“
„Doch“, stimmt Aaron mir bei und sieht genauso perplex aus, wie ich mich fühle. „Das fand ich auch. Und tatsächlich lohnt es sich, über einiges nachzudenken.“
Wir wechseln einen raschen Blick. Das, was wir beide noch aussprechen wollen, liegt zum Greifen nah in der Luft. Aber trotzdem traut sich keiner von uns, es in Worte zu fassen.
„Wenn so vieles gestimmt hat, glaubst du, dass auch das stimmen würde, was sie über uns beide gesagt hat?“, nehme ich schließlich meinen ganzen Mut zusammen und starre auf meine Schuhspitzen.
Aaron lacht etwas verlegen und wirkt ganz anders als noch vor einer guten halben Stunde, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Da wirkte er sehr selbstbewusst. So, als ob ihn nichts erschüttern könnte. Jetzt wirkt er nachdenklich und etwas angeschlagen – und authentisch.