Betrachtungen zu den Gesprächen mit Ramana Maharshi - Suleiman Samuel Cohen - E-Book

Betrachtungen zu den Gesprächen mit Ramana Maharshi E-Book

Suleiman Samuel Cohen

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Beschreibung

Die umfangreichen "Gespräche mit Ramana Maharshi", die Munagala Venkataramiah von 1935-1939 aufgezeichnet hat, sind das Standardwerk über die mündliche Belehrung des Maharshi, des großen Weisen vom Berg Arunachala, schlechthin. Sie wurden rein chronologisch verfasst, sodass es keine thematische Ordnung gibt. Hinzu kommt, dass die Frager völlig verschiedene spirituelle Hintergründe hatten und sich daher die Antworten des Maharshi unterschieden. S.S. Cohen hatte von 1936 bis 1950 bei Ramana Maharshi verbracht und war auch nach dessen Tod im Ashram geblieben. Er war mit seiner Lehre in Theorie und Praxis sehr vertraut und übte sie selbst. Hier legt er eine Art Führer oder Handbuch zu den "Gesprächen" vor, indem er eine Auswahl davon thematisch sortierte und erläuterte. Somit ist dieses Buch eine sehr gute Einführung in die verschiedenen Aspekte der Lehre Ramana Maharshis und ihre Anwendung.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Übersetzerin

Vorwort von S.S. Cohen

Kapitel 1: Glück und Leid

Kapitel 2: Leben, Tod und Wiedergeburt

Kapitel 3: Schicksal und freier Wille

Kapitel 4: Siddhis und Visionen

Kapitel 5: Brahmacharya, Einsamkeit und soziales Leben

Kapitel 6: Die Welt

Kapitel 7: Gott

Kapitel 8: Heilige Schriften und Gelehrsamkeit

Kapitel 9: Das Selbst oder die Wirklichkeit

Kapitel 10: Herz und Geist

Kapitel 11: Wahres und falsches Schweigen

Kapitel 12: Gnade

Kapitel 13: Konzentration, Meditation und Samadhi

Kapitel 14: Der Jnani oder Jivanmukta

Anhang: Kevala Kumbhaka

Glossar

Literaturverzeichnis

Vorwort der Übersetzerin

S.S. (Suleiman Samuel) Cohen (1896-1980)1 stammte aus einer armen Familie im Irak. Schon früh trieb es ihn auf der Suche nach der Wahrheit und einem spirituellen Meister nach Indien. Schließlich kam er zu Ramana Maharshi, bei dem er von 1936 bis zu dessen Tod 1950 blieb. Auch danach verließ er den Ramanashram nicht.

Cohen pflegte einen engen Umgang mit Sri Ramana und war sehr vertraut mit seinen Lehren, die er auch praktizierte. Über seine persönlichen Erfahrungen mit seinem Meister und die Ereignisse im Ashram schrieb er das Buch „Guru Ramana“ (in deutscher Übersetzung mit demselben Titel), die vorliegenden Betrachtungen zu den Gesprächen, eine Abhandlung über Advaita mit dem Titel „Advaita Sadhana“ und übersetzte Ramanas Vierzig Verse und das Srimad Bhagavatam ins Englische.

Die Gespräche mit Ramana Maharshi, die Munagala Venkataramiah, ein enger Verehrer des Maharshi, von 1935 bis 1939 aufgezeichnet hat, gelten als das Standardwerk über die mündlichen Belehrungen des Maharshi schlechthin. Es enthält in kurzen Schilderungen die Vorfälle im Ramanashram und ausführlich die Gespräche des Meisters mit den verschiedenen Besuchern und Anhängern, denen Venkataramiah beiwohnte.

Da dieses „Tagebuch“ chronologisch geführt wurde, mischen sich darin alle möglichen Themen und Fragen der verschiedenen Verehrer und Besucher mit ihren jeweiligen Hintergründen und Erfahrungen und die entsprechenden Antworten des Maharshi. Cohen versucht hier, eine gewisse thematische Struktur zu schaffen. So können seine Betrachtungen als eine Art Leitfaden oder Handbuch zu den Gesprächen dienen und zugleich eine Anleitung für die spirituelle Praxis nach der Lehre Sri Ramanas sein. Durch den engen Kontakt mit dem Meister und seine eigenen Erfahrungen unter seiner Führung besaß Cohen die Kompetenz, solch einen Leitfaden zu erstellen. Trotzdem wird dem Leser sehr ans Herz gelegt, auch die umfangreichen Gespräche mit Ramana Maharshi zu lesen, da darin noch unendlich viel mehr zu entdecken ist und da sie lebendig die Atmosphäre im Ashram jener Tage vermitteln.

Gabriele Ebert

1 Seine ausführliche Biografie ist enthalten in: Ebert: Ramana Maharshi und seine Schüler, Bd. 2

Vorwort von S.S. Cohen

Es mag überflüssig sein, einen Kommentar zu Sri Ramana Bhagavans Worten zu schreiben, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lassen. Dennoch gibt es Tausende lernbegierige Sucher, die nicht das Privileg hatten, die Lehre direkt von den Lippen des Meisters zu hören, und die es als hilfreich empfinden und glücklich sind, eine Erklärung von denen zu erhalten, die sie gehört haben. Ihnen zuliebe habe ich aus dem umfangreichen Werk, den inzwischen weithin bekannten „Gesprächen mit Ramana Maharshi“, solche Edelsteine herausgesucht, die meiner bescheidenen Meinung nach die Lehre gut und umfassend darstellen können, wobei ich jedem Zitat, „Text“ genannt, meine eigenen Überlegungen als „Anmerkungen“ hinzugefügt habe, um die Herkunft zu kennzeichnen. Darüber hinaus habe ich sie gesichtet und in Kapitel unterteilt, um das Studium jedes einzelnen Themas zu erleichtern.

Ich halte es für unerlässlich, hier kurz etwas über die Entstehungsgeschichte der „Gespräche mit Ramana Maharshi“ zu sagen. Das Buch trägt den Namen „Gespräche“, weil darin in Form eines Tagebuchs Gespräche aufgezeichnet wurden, die Besucher und Verehrer mit dem Meister über spirituelle Themen fast genau vier Jahre lang – von April 1935 bis Mai 1939 – geführt haben. In jenen Jahren hieß es „Das Tagebuch“ („The Journal“). Etwa während der Hälfte dieses Zeitraums wurde es von Sri M. Venkataramiah, dem verstorbenen Swami Ramananda Saraswati, am Ende jedes einzelnen Gesprächs in der Darshan-Halle, bei dem er anwesend war, fortgeführt. Sri Bhagavan2 antwortete so gut wie nie in Englisch, sondern immer in Tamil, wobei der Tagebuchschreiber oft selbst dem Fragesteller vor der gesamten Zuhörerschaft die Antwort ins Englische übersetzte. Aber Fragen in Telugu und Malayalam beantwortete Bhagavan in denselben Sprachen, und die Antworten in der letzteren Sprache sind für den Tagebuchschreiber, der kein Malayalam verstand, verloren gegangen.

Daher ist die Sprache dieses Tagebuchs die des Schreibers. Häufig ist es eine Paraphrase der Antworten des Meisters, gelegentlich seine eigenen Worte, die ins Englische übertragen wurden, denn es war unmöglich, im Nachhinein alles aufzuschreiben, was er gesagt hatte, oder mit ihm Schritt zu halten, selbst wenn man die Antworten wortwörtlich an Ort und Stelle aufgeschrieben hätte. Was wir wollen, ist die Wahrheit, wie von Bhagavan dargelegt, und diese Wahrheit ist hier alles, was zählt.

Die Lehre Sri Bhagavans hat inzwischen weltweite Anerkennung erlangt und hat ernsthafte Sucher aus allen fünf Kontinenten angezogen, sowohl wegen ihrer frischen Einfachheit als auch wegen ihrer handfesten Rationalität, die sowohl den Kopf als auch das Herz anspricht. Sie lässt sich in dem alten Diktum „Erkenne dich selbst“ oder „Suche den Suchenden“ zusammenfassen, das der Meister in der einen oder anderen Form in praktisch jeder Antwort, die er gibt, dem Fragenden einzuschärfen versucht. Finde den Fragesteller, fordert er, und du wirst die Wahrheit erkennen, die alle deine Probleme löst und deine Zweifel beseitigt.

Frieden, unter welchem Namen und in welcher Form auch immer er auftritt – Glück, Wissen, Befreiung, Wahrheit usw. – ist das bewusste und unbewusste Ziel und der Zweck allen menschlichen Strebens, denn, so sagt uns der Meister, er ist das eigentliche Wesen unseres Seins, unseres Selbst. Das Streben nach sich selbst ist letztlich ein Streben nach Frieden, aus dem es kein Entkommen gibt. Es gibt kein Gefühl, keinen Gedanken, keine Handlung, die nicht auf dem Fundament des Selbst steht. Selbsterhaltung oder Selbstliebe ist der vorherrschende Instinkt in jedem Leben. Als Gott, der Herr, den Kindern Israels in der Wüste befahl, ihren Nächsten zu lieben wie sich selbst (Levitikus XIX, 18), meinte er, dass das höchste Gut, das ein Mensch einem anderen geben kann, darin besteht, ihn so sehr zu lieben, wie er sich selbst liebt, denn die Selbstliebe ist die stärkste aller Leidenschaften und die Grundlage aller Gefühle. Wir wissen von der Selbstaufopferung mancher Mutter für ihr Kind in höchster Gefahr und eines Patrioten für sein Land, aber die Befriedigung, die sich aus dieser Selbstaufopferung ergibt, gilt dem Selbst. „Mein Kind“, „mein Land“ stehen eindeutig für das ‚Ich‘ oder Selbst. Was geopfert wird, ist nur der Körper und nicht das Selbst, das niemals zerstört und geopfert werden kann, da es reines Wissen, reiner Geist ist.

Wir suchen daher das Selbst in allem, in jedem Umstand und in jedem Augenblick. Es ist die Eigenliebe oder Selbstsucht, die uns dazu bringt, zu begehren, zu arbeiten, zu lernen, zu konkurrieren, uns anzustrengen und Politiker, Verwalter, Wissenschaftler, Schwarzmarkthändler, Glücksspieler, Philanthrop, Patriot und schließlich Yogi zu werden. Es ist die Selbstliebe, die uns den Himmel erforschen lässt, die Erde umgraben und die Ozeane ausloten. Aber ach, da diese Selbstsuche unintelligent ist, erfolgt sie außerhalb des Selbst und hat daher nur wenig Erfolg, wenn überhaupt. Um das Selbst zu suchen, müssen wir uns dem Selbst zuwenden, nicht dem Nicht-Selbst.

Wenn die Menschen sich also mit ihren Problemen, Fragen und Beschwerden um den Meister scharen, weiß er, dass sie nur das Selbst suchen, und wendet sie dem Selbst zu.

„Ihr stellt all diese Fragen um eures Selbst willen“, sagt er ihnen gewissermaßen. „All eure Bemühungen waren bisher auf das Wohl eures Selbst gerichtet. Versucht nun herauszufinden, ob dieses Wohl ein echtes Gut und dieses Selbst euer wahres Selbst ist. Ihr habt dieses Gut in der falschen Richtung gesucht, in falschen Dingen und an falschen Orten, weil ihr euch über eure eigene Identität geirrt habt. Was ihr für euch selbst gehalten habt, seid ihr gar nicht. Euer Instinkt der Selbstliebe hat sich mit eurer Sinneswahrnehmung vermischt und euch in diese Zwangslage gebracht. Ihr seid einem Schwindel zum Opfer gefallen, und um von ihm gerettet zu werden, habt ihr euch die Mühe gemacht, mit eurer Last von Sorgen und Elend als Gepäck in diesen Ashram zu kommen.

Was ihr jetzt tun solltet, ist zu lernen, was das Selbst ist, und es dann direkt zu suchen. Schweift nicht zu irrelevanten Angelegenheiten ab, zu Körpern, Koshas, Involution und Evolution, Geburt und Tod, zu übersinnlichen Visionen und Klängen usw., denn all das sind glamouröse Nebensächlichkeiten, die euch von der Wirklichkeit eurer selbst wegführen und euch in der Täuschung der Sinne festhalten, aus der ihr jetzt zu entkommen versucht. Wichtig ist nicht, was ihr wahrnehmt, denkt oder tut, sondern WAS IHR SEID.“

Sinneswahrnehmungen, Vorstellungen, Empfindungen und Handlungen sind bloße Träume, bloße Bilder in dem Bewusstsein, das sie wahrnimmt. Sie steigen wie Träume vom Träumer auf, lenken seine Aufmerksamkeit für eine Weile ab und verschwinden darin. Sie verändern sich unaufhörlich, haben einen Anfang und ein Ende, aber der Denker und Wissende, der reine Intelligenz ist, bleibt ewig. Der Wissende ist also unzerstörbar. Das Licht der Erkenntnis kommt nur von ihm, dem Subjekt, niemals vom Objekt, vom Körper. Was wir also unser Selbst nennen, ist nicht der Körper, der geboren wird, wächst und stirbt, der aus zahllosen inhomogenen Teilen besteht, die nicht denken, nicht suchen, nicht wahrnehmen und nicht verstehen. Wir sind die intelligente, unteilbare Einheit ‚Ich‘ – das Leben selbst – das den Körper durchdringt und benutzt, das sieht, aber nicht gesehen werden kann, hört, aber nicht gehört werden kann, riecht, aber nicht gerochen werden kann, erkennt, aber nicht erkannt werden kann, denn es ist immer ein Subjekt, niemals ein Objekt. Weil wir unser ‚Ich‘ nicht sehen, hören oder riechen können, verwechseln wir es mit dem Körper, den man sehen, hören und riechen kann. So wird der Selbstinstinkt, der ‚Ich‘-Sinn, mit den Sinneswahrnehmungen verwechselt und verliert sich in der Welt der sinnlichen Empfindungen, aus der ihn niemand retten kann, außer der höchste Führer, der göttliche Guru.

So ist der Wissende oder Träumende allein wirklich. Das Gewusste ist ein bloßer Traum. Dies fasst die Lehren der Srutis zusammen und deckt sich mit der Erfahrung von Sri Ramana Bhagavan.

Der Suche zu folgen, bis das Selbst verwirklicht ist, ist der Weg des Jnana, des höchsten Wissens, der Befreiung und der ewigen Glückseligkeit – ein Weg, den der Meister von allen Seiten betrachtet und in allen Einzelheiten erörtert hat. Er hat alles gesagt, was gesagt, und alles offenbart, was offenbart werden kann. Und was er nicht gesagt und offenbart hat, ist kaum wissenswert.

Dies also stillt den Hunger aller Wahrheitssuchenden. Der Sadhaka oder Yogi, der die Lehre erprobt, wird in ihr reichlich Material finden, das ihn auf seiner inneren Suche leitet. Was dem einen Sadhaka auf seinem Weg nach vorn hilft, mag einem anderen nicht helfen, aber jeder Sadhaka wird in ihr die Hinweise entdecken, die ihm am meisten helfen, für sich selbst die Methode zu finden, die am besten zu ihm passt und die ihn direkt zum Ziel führt. Wer darin nach langen, ausführlichen Vorträgen über die Regeln der Meditation und des Samadhi sucht, wie er es über die Gesetze der Physik und Mathematik gewohnt ist, wird vergeblich suchen, denn wir befassen uns hier nicht mit sinnlichen Problemen und Gleichungen der gewöhnlichen Welt der Flüssigkeiten und Festkörper, der Dauer und Dimensionen, sondern mit den Hindernissen des suchenden Geistes selbst, der seinen eigenen Urzustand erkennen will – Hindernisse, die niemand als derselbe Geist durch Selbstuntersuchung und Selbstbeherrschung beseitigen kann, ohne die Hilfe irgendeines sinnlichen Mediums oder wissenschaftlichen Instruments.

Vellore, S.S.C.

2 Ramana Maharshi wurde von seinen Verehrern allgemein als „Bhagavan“ bezeichnet, was Herr, auch Gott bedeutet und eine Ehrenbezeugung ist.

Kapitel 1: Glück und Leid

1. „Wie kann man Leid vermeiden?“

Der Meister antwortet: „Hat das Leid eine Gestalt? Das Leid ist nur ein unerwünschter Gedanke. Der Geist (mind) ist nicht stark genug, um ihm zu widerstehen. Er kann durch die Verehrung Gottes gestärkt werden.“ 2413

Anmerkung: Bhagavan stößt gleich zu Beginn auf den Kern der menschlichen Probleme, die die Folgen der menschlichen Vergehen, Gedankenlosigkeit, Begierden, Sünden usw. sind, nämlich das Leid. Er versucht, den Menschen die Augen zu öffnen, indem er fragt: „Hat das Leid eine Gestalt?“ Sicherlich ist das Leid kein fester, schwerer Gegenstand, der uns auf den Kopf fällt und vernichtet. Es ist ein rein geistiges Phänomen, ein bloßer Gedanke, den ein starker Geist mit ein wenig Anstrengung vertreiben kann. Doch leider ist der Geist der Menschen im Allgemeinen durch mangelnde Kontrolle, starke Anhaftung, Egoismus und Unwissenheit geschwächt, sodass er jedem Unglück, das ihm widerfährt, ausgeliefert ist. Bhagavan schlägt einige Methoden zur Stärkung des Geistes vor. Die Verehrung Gottes ist wahrscheinlich eine der einfachsten. Die Kontemplation des höchsten, reinsten und erhabensten Ideals erhebt den Geist und schließt alle anderen Gedanken aus, einschließlich derer, die das Leid verursachen. Nach und nach erlangt der Geist Reinheit und Ausgeglichenheit und damit dauerhaften Frieden, den kein Unglück erschüttern kann.

2. „Ich habe keinen Geistesfrieden. Etwas verhindert ihn – wahrscheinlich mein Schicksal.“

Bhagavan antwortet: „Was ist Schicksal? Es gibt kein Schicksal. Gib dich hin, und alles wird gut. Wirf die ganze Verantwortung auf Gott. Trage die Last nicht selbst. Was kann dir das Schicksal dann anhaben?“ 244

Anmerkung: Die Fragestellerin ist eine Dame, eine Maharani mit großem seelischem Kummer. Bhagavan ist gerührt. Er gibt den Trost, dass alles von Gott getragen wird und dass man seine ganze Last durch Hingabe auf Ihn werfen sollte. Dies scheint einen anderen Ton anzuschlagen als in der vorherigen Antwort, in der die Verehrung Gott empfohlen wurde. Hier geht es um Hingabe, was praktisch auf dasselbe hinausläuft wie die Verehrung durch Kontemplation. Kontemplation oder Meditation ist auch Hingabe, denn das Aufgeben aller Gedanken, außer denen der Meditation, ist ein Verzicht auf die ganze Welt. In der Tat ist das Aufhören des Denkens die größte Hingabe. Obwohl die Meditation nur für eine begrenzte Zeit am Tag aufrechterhalten werden kann, wird sie sehr kraftvoll, wenn sie über Jahre hinweg täglich wiederholt wird.

Mit „es gibt kein Schicksal“ meint Bhagavan nicht, dass es kein Prarabdha gibt. Wir sind uns alle einig, dass es eines gibt. Er will damit sagen, dass das Prarabdha unbemerkt an uns vorbeizieht, sobald wir uns wirklich und wahrhaftig hingeben. Es erledigt sich selbst, während unser Geist in seine Gedanken an Gott vertieft ist. Denn das Schicksal ist so empfindungslos wie der Körper und hat daher keine Macht über den Geist, es sei denn, der Geist ist seinen eigenen Gedanken und Gefühlen verfallen wie beim gewöhnlichen Menschen.

3. „Shiva übergab Vishnu all Seine Besitztümer, durchstreifte die Wälder, die Wildnis und Friedhöfe und lebte von erbettelter Nahrung. Er fand, dass Nicht-Besitz auf der Skala des Glücks höher als Besitz steht. Das höhere Glück ist die Freiheit von Angst – der Angst, wie man den Besitz schützen und nutzen kann usw.“4 225

Anmerkung: Dies ist nicht als Rat an uns zu verstehen, Shiva nachzuahmen, nämlich uns mit Asche zu beschmieren, in Krematorien oder auf Friedhöfen zu leben und unsere Nahrung zu erbetteln, um Glück zu erlangen, denn dann gäbe es auf den Friedhöfen mehr Lebende als Tote, und es gäbe mehr Bettler als Angebettelte. Wir müssen nur die Moral daraus ziehen, dass Besitztümer nicht zum Seelenfrieden beitragen, wie es in der letzten Textstelle am Beispiel der Maharani veranschaulicht wurde, die auf der Suche nach Frieden war.

Außerdem dürfen wir diese Geschichte nicht wörtlich nehmen. Shiva ist Parameswara, der Herr von Kailas, der höchste Yogi, der Seinen Anhängern Glückseligkeit und Jnana verleiht. Worin besteht für Ihn, den geborenen Jnani, die Notwendigkeit, irgendetwas aufzugeben, um Jnana und Glück zu erlangen? Mit oder ohne Besitz ist Er die höchste Glückseligkeit selbst. Diese Übergabe Seiner Besitztümer an Vishnu ist ein Schauspiel, das uns eine Lektion in Entsagung erteilen will, die allein zu ewigem Glück führt, genau das Gegenteil von angehäuftem Reichtum.

Darüber hinaus bringt das bloße Aufgeben von Besitztümern kein Glück, wenn der Geist weiterhin Amok läuft und sich selbst Schwierigkeiten schafft, die viel schlimmer sind als der Besitz. Die mentale Einstellung gegenüber dem Reichtum und der Welt muss sich ändern.

4. „Wenn das Glück auf den Besitz zurückzuführen ist, dann sollte es zunehmen und abnehmen, je nachdem, ob der Besitz zunimmt oder abnimmt, und es gäbe kein Glück, wenn man nichts besitzt. Aber ist das wahr? Bestätigt die Erfahrung dies?

Im Tiefschlaf ist man ohne Besitz, auch ohne den eigenen Körper, und doch ist man dann höchst glücklich. Jeder wünscht sich den Tiefschlaf. Die Schlussfolgerung ist, dass das Glück dem eigenen Selbst innewohnt und nicht auf äußere Ursachen zurückzuführen ist. Man muss sein Selbst verwirklichen, um sich den Vorrat an ungetrübtem Glück zu erschließen.“ 3

Anmerkung: Das ist ganz einfach gesunder Menschenverstand. Das Glück des Schlafes ist für alle offensichtlich. Wir nennen ihn Ruhe, was ein anderes Wort für Komfort, für Frieden ist, ungeachtet der Tatsache, dass wir aller Besitztümer beraubt sind, einschließlich unseres Körpers. Diese Glückseligkeit des Schlafes ist das kostbarste Erbe des Menschen, der Tiere und der Pflanzen, die keinen Besitz oder Reichtum irgendeiner Art haben. Es ist eine Glückseligkeit, die nicht von äußeren Umständen oder Bedingungen kommt, sondern aus dem eigenen Innern – dem eigenen Wesen. Jedem nachdenklichen Menschen steht es offen, sich dessen selbst zu vergewissern, und es bedarf keiner großen Anstrengung, dazu zu gelangen.

5. „Was ist Glück? Liegt es im Selbst, im Objekt oder im Kontakt zwischen dem Subjekt und dem Objekt?“

Bhagavan: „Wenn wir mit einem begehrenswerten Objekt in Berührung kommen oder uns an es erinnern und wenn wir von unerwünschten Kontakten oder der Erinnerung daran frei sind, sagen wir, dass wir glücklich sind. Solches Glück ist relativ und wird besser als Vergnügen bezeichnet. Aber wir wollen absolutes und dauerhaftes Glück. Dieses liegt nicht in Objekten, sondern im Absoluten. Es ist Frieden, frei von Schmerz und Vergnügen. Es ist ein neutraler Zustand.“ 28

Anmerkung: Der Friede, der das wahre Glück kennzeichnet, ist weder Schmerz noch Vergnügen, denn beides sind aktive Zustände, die aus dem Kontakt des Subjekts mit dem Objekt sowie aus der Erinnerung daran hervorgehen, wozu das Subjekt aus sich selbst herausgehen muss, um das Objekt zu verfolgen, während der Frieden dem Wesen des Subjekts selbst innewohnt, wie wir es am Beispiel des Tiefschlafes bewiesen haben. Dieser Friede hat keine Beziehung zum Objekt, dem Nicht-Sein. SEIN ist Frieden, ist Glückseligkeit. Glückseligkeit ist also immer als unser eigenes Selbst vorhanden. Wir müssen nur sein – nicht denken oder tun –, um ewige Glückseligkeit zu genießen. Denn das Denken ist immer mit einem Sinnesobjekt verbunden – dem Körper oder anderen Körpern, – und niemals mit dem Selbst. Vergnügen, das das Ergebnis dieses Kontakts ist, muss zwangsläufig vergänglich sein, während die Glückseligkeit vom Wesen oder Selbst ausgeht, dem unveränderlichen, festen Subjekt, das der Denker aller Gedanken und der Ausführende aller Handlungen ist und zu jeder Zeit und unter allen Umständen dasselbe ist.

6. „Es gibt einen Zustand jenseits von Mühe und Mühelosigkeit. Bis er verwirklicht ist, ist Anstrengung notwendig. (Dies ist der Zustand von Samadhi, der glückselig ist.) Nachdem man diese Glückseligkeit auch nur einmal gekostet hat, wird man immer wieder versuchen, sie wiederzuerlangen. Nachdem man einmal die Glückseligkeit des Friedens erfahren hat, möchte man ihn nicht mehr missen oder sich anders engagieren. Es ist genauso schwierig für einen Jnani, sich mit Gedanken zu beschäftigen, wie für einen Ajnani, frei von Gedanken zu sein. Den Jnani beeinträchtigt keine Art von Aktivität. Sein Geist bleibt immer in ewigem Frieden.“ 141

Anmerkung: „Mühe und Mühelosigkeit“ sind Tun und Untätigkeit, jenseits derer der Zustand des Seins steht, zu dessen Verwirklichung die Anstrengungen der Meditation, d.h. Sadhana, notwendig ist. Sobald man die Glückseligkeit einmal gekostet hat, kann sie weder vergessen noch aufgegeben werden. Mit anderen Worten: Sobald wir die Aktivitäten des Geistes, Denken, Fühlen usf., transzendieren, werden wir immer danach streben, sie zu transzendieren, um erneut das glückselige Sein zu kosten, bis wir Beständigkeit in letzterem erlangen. Dann wird das Denken so schwierig sein, wie es anfangs schwierig ist, es zu unterdrücken, mit dem Ergebnis, dass wir immer in Frieden bleiben werden, unabhängig davon, was wir tun oder nicht tun. Dies ist der Sahaja Samadhi-Zustand des Jnani, der ungetrübte Glückseligkeit ist. Selbst sein Handeln wird als Untätigkeit betrachtet, weil es mühelos ist.

7. „Das Universum existiert aufgrund des ‚Ich‘-Gedankens. Wenn dieser endet, ist auch das Leid zu Ende. Die Person, die im Schlaf existiert, existiert auch jetzt im Wachzustand. Im Schlaf gibt es Glück, aber Leid im Wachsein. Im Schlaf gab es keinen ‚Ich‘-Gedanken, aber jetzt im Wachzustand ist er da. Der Zustand des Glücks im Schlaf ist mühelos. Wir sollten daher danach streben, diesen Zustand auch jetzt zu erreichen. Das erfordert Anstrengung.“ 222

Anmerkung: Bhagavan wird nicht müde, uns die Wahrheit einzuschärfen, dass Glück nur aus dem Selbst kommt. Wenn immer der Gedanke an sich selbst, an ‚ich‘, auftaucht, gibt es auch eine Gedankenwelt – du, sie, er und eine Million anderer Dinge, – und wenn immer es eine Welt gibt, gibt es auch Leid. Das kann man als ein unumstößliches Gesetz betrachten. Die Welt ist also ein Zustand des Leids. Einer, der sich im Elend befindet, nimmt Drogen oder trinkt sich in den Schlaf, damit er sich selbst und sein Elend für einige Zeit in der Seligkeit des Schlafes vergessen kann, wo Freiheit von Gedanken und damit vom Leid herrscht. Nachdem er über sein Leid geschlafen hat, wacht der Betäubte auf, um es wieder aufzunehmen. Um also dauerhaft vom Leid frei zu sein, müssen wir unseren Schlaf fortsetzen, sogar im Wachzustand, in der Welt selbst. Dies ist das Ziel aller yogischen Praktiken und wird Samadhi genannt, was Schlaf im Wachzustand bedeutet oder Sushupti in Jagrat. Darauf müssen alle Anstrengungen gerichtet werden.

8. Das Eichhörnchen wartet auf eine Gelegenheit, aus seinem Käfig zu entweichen.

Der Meister bemerkt: „Alle wollen raus. Da ist keine Hürde zu hoch. Das Glück liegt im Inneren und nicht außerhalb.“ 229

Anmerkung: Der Meister liebt Analogien aus dem Alltag, und diese ist treffend und schön. Das Eichhörnchen ist der Jiva, der aus seinem „Zuhause“ – dem Selbst oder dem Herzen – flieht, um den Schmerz und das Vergnügen der Welt der Vielfalt zu genießen, obwohl es Heimatlosigkeit bedeutet, ein Fremder in der Fremde zu sein.

„Alle wollen raus“ trifft auf die große Mehrheit der Menschen zu, die sich lieber vom Schattenspiel der Welt täuschen lassen, als „zu Hause“ in ihrer Ruhe und Stille zu bleiben.

Das kleine Eichhörnchen war ein Jungtier, das der Ashram in einem Käfig hielt, um es vor den räuberischen Katzen zu schützen. Jungtiere, die versehentlich aus ihren Nestern auf den Bäumen fielen und hilflos zurückblieben, wurden von Bhagavan aufgenommen, der sich um sie kümmerte, bis sie ausgewachsen waren und für sich selbst sorgen konnten. Dann ließ er sie frei.

9. „Seele, Geist, Ego sind bloße Worte. Sie sind keine wirklichen Wesenheiten. Bewusstheit ist die einzige Wahrheit. Ihr Wesen ist Glückseligkeit. Glückseligkeit allein existiert. Genießer und Genuss verschmelzen beide in ihr. Freude besteht darin, den Geist nach innen zu wenden und im Inneren zu halten, Schmerz darin, ihn nach außen zu schicken. Es gibt nur Freude. Die Abwesenheit von Freude wird Schmerz genannt. Das Wesen des Menschen ist Freude – Glückseligkeit.“ 244

Anmerkung: Bewusstsein, Selbst, Sein sind ein und dieselbe Realität. Wie wir bereits gesehen haben, ist das Selbst glückselig. Wir sind in unserem Wesen Glückseligkeit. Aber wenn wir „hinausstürmen“, um die Metapher der letzten Anmerkung zu verwenden, wenn wir uns nach außen richten, den Körper für uns halten und ihm einen besonderen Namen geben, werden wir zu etwas anderem als wir selbst, zum Körper und seinem Namen. Dann sind wir keine Glückseligkeit mehr. Wir nehmen das Leiden des Körpers von Herrn So-und-so auf uns. Mit anderen Worten, wir glauben, das Nicht-Selbst zu sein, und stellen uns in gleicher Weise das Leiden und den Schmerz des Nicht-Selbst vor. Extrovertiertheit ist die Ursache für diese falsche Vorstellung. Anstatt innerlich auf den reinen und glückseligen Seher der Welt zu schauen, blicken wir nach außen auf die elends- und krankheitsbeladene Welt und auf den vergänglichen Körper des Sehers, den wir mit dem Seher selbst verwechseln.

„Seele, Geist, Ego sind nur Worte. Bewusstheit ist die einzige Wahrheit.“ Dies ist eine rechtzeitige Erinnerung daran, dass wir uns nicht in Begriffen verlieren sollten, die überhaupt keinen Sinn machen. Bhagavan ist außerordentlich praktisch. Niemand weiß, was Seele oder Ego ist, obwohl wir die Worte mechanisch wiederholen, aber jeder weiß, was Gewahrsein ist, was Bewusstsein und Unbewusstsein bedeuten, denn wir sehen täglich Menschen in einem unbewussten Zustand vor unseren Augen – im Schlaf, in Ohnmacht oder unter Anästhesie. Deshalb verwendet der Meister das Wort Bewusstsein für das Selbst und für alle seine Synonyme – Seele, Geist (spirit), Verstand (mind), Wissen, Intelligenz und sogar Ego, was eine falsche Bezeichnung für das Selbst ist.

10. „Dein Wesen ist Glück. Du sagst, dass dies nicht offensichtlich ist. Sieh, was dich an deinem wahren Wesen hindert. Es wird dir aufgezeigt, dass das Hindernis die falsche Identität ist. Beseitige den Irrtum. Der Patient muss selbst die Medizin einnehmen, um seine Krankheit zu heilen. Wenn, wie du sagst, der Patient zu schwach ist, um sich selbst zu helfen, dann muss er ruhig bleiben und dem Arzt freie Hand lassen. Das ist Mühelosigkeit.“ 295

Anmerkung: Die erste Hälfte dieses Textes wurde bereits behandelt. In Bezug auf den Patienten und die Medizin hatte der Fragesteller dafür plädiert, sich „bedingungslos in die Hände des Arztes zu begeben“. Es liegt auf der Hand, dass der Guru das Selbst nicht im Namen des Schülers sehen kann, denn er sieht nur sein eigenes Selbst. Der Schüler muss seine geistige Einstellung ändern und selbst die vom Guru verordnete Medizin einnehmen, um die falsche Identifikation zu beseitigen. Es reicht nicht aus, sich auf seine Schwäche zu berufen und sich von der Verpflichtung, Sadhana zu üben, zu befreien, denn jeder kann das Gleiche tun und sich selbst von den Anstrengungen ausnehmen. Bhagavan schlägt vor, dass der Schüler sich vollständig dem Guru ergeben muss, wenn er „zu schwach“ ist, um sich selbst anzustrengen. Diese Alternative scheint den meisten „schwachen“ Suchern zu gefallen, denn sie befreit sie von der Notwendigkeit, sich anzustrengen. Die Frage ist nun, ob dieser schwache Schüler stark genug ist, sich hinzugeben. Wenn er nicht in der Lage ist, eine kleine Anstrengung zu machen, um seinen Geist zu konzentrieren, woher will er dann die Kraft haben, die weitaus größere Anstrengung der Hingabe, die ständiges Erinnern erfordert, aufzubringen? Wenn der Fragesteller sich so „bedingungslos“ hingegeben hätte, wie er glaubt, würde er nicht kommen und um Gnade bitten, sondern wäre selbst derjenige, der Gnade gewährt, nämlich ein Guru.

Im nächsten Dialog werden wir Bhagavans eigene Ansicht zu diesem Punkt hören. Ich gebe den ganzen Dialog in der Originalfassung wieder, um die oben genannten Punkte zu verdeutlichen.

Anfänger müssen sich von der Tatsache leiten lassen, dass keine Anstrengung, die sie auf diesem Weg machen, vergeblich ist. Jeder muss alle Stufen auf diesem Weg durchlaufen, um ein Adhikari zu werden, so wie jeder Mensch die Kindheit und Jugend durchlaufen muss, um zum Erwachsensein zu reifen.

11. F: „Kann ich die Gnade des Gurus erhalten?“

A: „Die Gnade ist immer da.“

F: „Aber ich fühle sie nicht.“

A: „Wenn man sich hingibt, wird man die Gnade verstehen.“

F: „Ich habe mich mit Leib und Seele hingegeben. Ich bin der beste Richter meines Herzens. Dennoch fühle ich die Gnade nicht.“

A: „Wenn du dich hingegeben hättest, wäre die Frage nicht aufgetaucht.“ 317

Anmerkung: Dass der Fragesteller ernsthaft und entschlossen ist, kann niemand leugnen. Er hat sich mit „Leib und Seele“ hingegeben, worüber er „der beste Richter“ ist. Warum lässt ihn dann die Gnade im Ungewissen? Ist die Gnade parteiisch oder das Selbst herzlos? Wir müssen entweder die Weisheit und Güte des Selbst oder die Vollständigkeit der Hingabe anzweifeln. Da ersteres undenkbar ist, muss der Fehler bei letzterem liegen. Bhagavans abschließende Antwort, dass die Bitte um Gnade „nicht aufgetaucht“ wäre, wenn Hingabe erfolgt wäre, entlarvt die Illusion, unter der die meisten Menschen, die den Anspruch auf Hingabe erheben, auch wenn sie „mit Leib und Seele“ hinzufügen, in dem Handel stehen. Die Selbstanalyse, die gewissenhafte und ehrliche Untersuchung der eigenen Motive und der Geheimnisse des eigenen Herzens und Geistes, ist ein sehr wesentlicher Teil unseres Sadhanas, ein Hilfsmittel für Vichara und Dhyana. Sie beseitigt alle Täuschungen der Suchenden. Es sind sogar Personen bekannt, die sich einbilden, dass sie, wenn sie überzeugend mit dem Guru sprechen, von ihm alles bekommen können, was sie wollen. Die Selbstanalyse beseitigt diese Dummheit und bringt sie zu einer vernünftigen Sichtweise über die Rolle des Gurus im Verhältnis zum Schüler.

12. „Jeder Mensch strebt nach Glück, verwechselt aber das mit Leid verbundene Vergnügen mit Glück. Solches Glück ist vergänglich. Seine falschen Aktivitäten verschaffen ihm kurzlebiges Vergnügen. Leid und Vergnügen wechseln sich in der Welt ab. Was gibt es, auf das nicht Leid folgt? Der Mensch sucht es und lässt sich auf es ein. Unter leid- und lustbringenden Dingen zu unterscheiden und sich nur auf das glücksbringende Streben zu beschränken, ist Vairagya (Leidenschaftslosigkeit).“ 302

Anmerkung: Ist das Ende dieses Textes eine gute Definition von Vairagya? Nicht unbedingt in seinem Verlauf, aber sicherlich in seinen Ergebnissen. Entsagung ist Glück. So etwas wie Glück gibt es nicht in der Welt, denn die Welt ist das Nicht-Selbst. Wie wir bereits bewiesen haben, ist das Selbst allein das unverfälschte Glück. Es ist ein Widerspruch, eine Tugend oder Eigenschaft in ihrem Gegenteil zu suchen, wie z.B. Liebe in Hass, Frieden in Angst, Licht in Dunkelheit etc. Das Glück in einem Bereich zu erwarten, der dem Glück feindlich gegenübersteht, nämlich in der Welt, ist eine vergebliche Erwartung. Dennoch beruhen die Aktivitäten aller Menschen auf dieser falschen Erwartung, und sie glauben, diese Rechnung müsste aufgehen. Diese Selbstvergiftung ist wie der Rausch des Opiumkonsumenten, der sich in eine künstliche Glückseligkeit hineindopt. Doch das Selbst setzt sich unaufhörlich durch, und von Zeit zu Zeit reift ein Mensch durch harte Schläge zur Erkenntnis seines beklagenswerten Zustands. Dies ist der Vairagi, der angehende Mukta, der danach strebt, sich von der Gewohnheit des Opiumkonsums zu heilen.

13. „Der Wunsch nach Glück ist ein Beweis für das immer vorhandene Glück des Selbst. Wie könnte sonst das Verlangen danach entstehen? Wenn Kopfschmerzen für den Menschen natürlich wären, würde niemand versuchen, sie loszuwerden. Man wünscht sich nur das, was natürlich für einen ist. Glück, das natürlich ist, kann man nicht erwerben. Die ursprüngliche Glückseligkeit wird durch das Nicht-Selbst verdunkelt, das Nicht-Glück oder Unglück ist. Der Verlust des Unglücks ist gleichbedeutend mit dem Gewinn von Glück. Wenn das Leid beseitigt ist, wird die Glückseligkeit, die allgegenwärtig ist, als gewonnen bezeichnet. Glück vermischt mit Unglück ist nur Unglück.“ 619

Anmerkung: Vieles in diesem Text wurde bereits besprochen. Die erste Zeile ist sehr aufschlussreich. Dass jedes Lebewesen sein eigenes Wohlergehen wünscht, ist unumstößlich, denn es ist ein angeborener Instinkt, der dem Leben selbst innewohnt und der letztlich zur Wiederentdeckung seiner selbst als ewig glückselig führt.

Wenn das Glück unser eigenes Selbst ist, wie der Text erklärt, wie kann es dann sein, dass es uns in dieser Welt so sehr fehlt, dass wir so viel Mühe aufwenden müssen, um es zu erlangen? Die Antwort ist, dass wir zu keiner Zeit ohne es sind. Es ist jetzt und war immer als unser eigenes Wesen vorhanden. Aber, so erklärt Bhagavan, diese „ursprüngliche Glückseligkeit“ wurde durch die scheinbar angenehme Welt verborgen, die die Sinne geschaffen haben. Die äußeren Objekte, das Nicht-Selbst, das sehr attraktiv ist, hat unsere Aufmerksamkeit in Anspruch genommen und uns von der Wahrnehmung des Selbst weggelockt. Doch Vergnügen, vermischt mit Leid, ist nichts als Leid. Beseitige die Schöpfung der Sinne, und die unvermischte Glückseligkeit offenbart sich. Es ist nicht nötig, nach dem Glück als solchem zu streben, sondern die künstlichen Vergnügungen der Welt zu beseitigen, die ihrem Wesen nach Leid sind, um in ewiger Glückseligkeit zu sein. Dies ist die Hauptaussage des Textes. „Der Verlust des Unglücks ist gleichbedeutend mit dem Gewinn von Glück.“

Die Aussage, dass „man nur das begehrt, was natürlich ist“, bedeutet nicht, dass etwas dem eigenen Wesen entspricht, nur weil man es begehrt. Das würde der Lehre einen anderen Anstrich geben. Damit ist gemeint: Wenn die Glückseligkeit nicht unsere Existenz wäre, warum sollten wir sie so sehnlichst wünschen? Es bedeutet auch, dass sogar unsere gewöhnlichen Sehnsüchte auf das Glück des Selbst abzielen.

14. „Warum muss es jetzt Leiden geben?“

Bhagavan: „Wenn es kein Leiden gäbe, wie könnte dann der Wunsch entstehen, glücklich zu sein? Wenn dieser Wunsch nicht entstünde, wie könnte dann die Suche nach dem Selbst erfolgreich sein? Was ist Glück? Ist es ein gesunder und schöner Körper oder regelmäßige Mahlzeiten und dergleichen? Selbst ein Kaiser hat endlose Mühen, auch wenn er gesund ist. Alles Leiden ist auf die falsche ‚Ich-bin-der-Körper‘-Vorstellung zurückzuführen. Sie loszuwerden, ist Jnana.“ 633

Anmerkung: Du verwöhnst den Körper mit allen Annehmlichkeiten – Gesundheit, die beste Nahrung und Pflege, Wohlstand, reichlich Freizeit, gutes Aussehen, körperliche Annehmlichkeiten usw. –, doch das verschafft kein Glück. Wenn überhaupt, dann vervielfacht es die Schwierigkeiten aus einer Reihe von offensichtlichen Gründen. Moralische Gesundheit allein, unabhängig von materiellen Annehmlichkeiten, führt zur Ruhe, denn sie bringt ein hohes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber dem Körper mit sich. Je mehr wir also unsere Aufmerksamkeit und anhängliche Liebe für den Körper verringern, desto mehr nähern wir uns der Glückseligkeit des Selbst. Dies ist eine ständige Widerlegung des Glaubens, dass der Körper unser Selbst ist, und ein Augenöffner für diejenigen, die sich einerseits den Frieden des Geistes wünschen und andererseits ihren Körper mehr verehren als eine Abbildung Gottes.

Ist Leiden ein unausweichliches Übel? Bhagavan verneint. Es ist im Gegenteil ein Segen, denn es bringt zur Besinnung und zwingt uns, tiefgründig zu denken und die Suche nach der Befreiung vom Leiden zu beginnen.

Die drei Punkte, die dieser Text zweifelsfrei beweist, sind daher: (1) der Körper ist nicht der Mensch, (2) der Mensch ist von Natur aus ohne Leid und (3) das Leid, das eine Hinzufügung ist, kann durch Selbsterkenntnis beseitigt werden.

3 Die Zahl bezeichnet die Talk-Nummer, der das Zitat entnommen ist. Mit Geist ist in der Regel “mind” gemeint. Falls eine andere Bedeutung zugrunde liegt, wird sie in Klammer angefügt. (Anm. d. Übers.)

4 Es gibt viele Erzählungen über Shiva. Eine davon erzählt, dass er Vishnu seinen ganzen Besitz übergab, um als Asket durch die Wildnis zu streifen. (Anm. d. Übers.)

Kapitel 2: Leben, Tod und Wiedergeburt

1. Dem Meister wurde die Nachricht vom Tod eines Bekannten überbracht. Er bemerkte: „Gut. Die Toten sind in der Tat glücklich. Sie sind die lästige Überwucherung – den Körper – losgeworden. Der tote Mensch trauert nicht. Die Überlebenden trauern um ihn. Fürchten die Menschen den Schlaf? Im Gegenteil, sie umwerben ihn, und beim Aufwachen stellen sie fest, dass sie einen glücklichen Schlaf hatten. Doch der Schlaf ist nichts als ein vorübergehender Tod. Der Tod ist ein langer Schlaf.“ 64

Anmerkung: Bhagavan weist auf den offenkundigen Gegensatz in unserem Verhalten in den beiden Zuständen von Tod und Schlaf hin, die gleich sind, außer in Bezug auf die Dauer. Auch hierüber können wir nicht sehr sicher sein. Wir hassen den Tod, aber wir rennen mit aller Macht dem Schlaf hinterher, und zwar so sehr, dass wir, wenn wir ein paar Nächte schlaflos bleiben, ärztliche Hilfe suchen und Schlaftabletten schlucken, wenn nicht sogar zu drastischen Morphium-Injektionen greifen. Für den vorübergehenden Tod, den wir Schlaf nennen, breiten wir unsere Betten aus und freuen uns darauf, indem wir mit dem alten Seemann singen:

„Oh Schlaf, er ist ein sanftes Ding,

geliebt auf der ganzen Welt.

Maria, die Königin, sei gelobt.

Sie sandte den sanften Schlaf vom Himmel,

der in meine Seele glitt!“5