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Prävention und Rehabilitation sind wichtige Bausteine zeitgemäßer Personalarbeit: Gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen schaffen und Fehlzeiten verkürzen, um die knappen Mitarbeiterressourcen bestmöglich zu nutzen. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) heißt die gesetzlich vorgeschriebene Fürsorgepflicht.
Als Partner des Arbeitgebers oder Dienstherrn und der Beschäftigten gestalten Personal- und Betriebsräte sowie Mitarbeiter- und Schwerbehindertenvertretungen das Verfahren maßgeblich mit.
Das Praxis-Handbuch Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) erklärt verständlich:
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Seitenzahl: 296
Veröffentlichungsjahr: 2019
4. Auflage
© WALHALLA Fachverlag, Regensburg
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Krankheit überwinden, Beschäftigung sichern
Prävention und Rehabilitation sind wichtige Bausteine zeitgemäßer Personalarbeit: Gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen schaffen und Fehlzeiten verkürzen, um die knappen Mitarbeiterressourcen bestmöglich zu nutzen. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) heißt die gesetzlich vorgeschriebene Fürsorgepflicht.
Als Partner des Arbeitgebers oder Dienstherrn und der Beschäftigten gestalten Personal- und Betriebsräte sowie Mitarbeiter- und Schwerbehindertenvertretungen das Verfahren maßgeblich mit.
Das Praxis-Handbuch Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) erklärt verständlich:
Die gezielte Suche nach dem leidensgerechten ArbeitsplatzBEM erfolgreich einführen und praktizierenIT-gestützte Vereinfachung von Arbeitsschritten im BEMRechtliche Standards zur Fürsorgepflicht und zum DatenschutzBEM als Baustein in einem modernen Betrieblichen GesundheitsmanagementNeue Erkenntnisse zum Verhältnis von BEM und Erwerbs- bzw. DienstunfähigkeitAktuelle RechtsprechungRaymund Gels, Dipl.-Verwaltungswirt (FH), langjährige Erfahrung in der Personalarbeit des öffentlichen Dienstes, Leiter des Teams Ärztliches und wissenschaftliches Personal und Beauftragter für Berufungsangelegenheiten im Geschäftsbereich Personal des Universitätsklinikums Münster.
Achim Richter M.A. M.A., Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Rechtsanwalt, Berater und Trainer im Arbeits- und Tarifrecht des öffentlichen und kirchlichen Dienstes.
Vorwort
1. Krankheit im Arbeits- und Dienstverhältnis
2. Ziele des BEM
3. Gesetzliche Grundlagen
4. Interne und externe Partner des BEM
5. Verankerung des BEM in Betrieb und Dienststelle
6. Ablauf des BEM
7. Instrumente und Wege des BEM
8. Exkurs: Kündigung wegen Krankheit
9. Sozialleistungen nach dem SGB
10. Beteiligungsrechte der Interessenvertretung
11. Dienst-/Betriebsvereinbarung
12. Anlagen zur Dienst-/Betriebsvereinbarung
13. Literaturhinweise
Auszüge aus referenzierten Vorschriften
Gesundheit als neue Herausforderung
Abkürzungen
Die alternde Arbeitswelt stellt, verbunden mit der starken Zunahme der Arbeitsintensität und -komplexität, Unternehmen und Verwaltungen vor große Herausforderungen. Mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) hat der Gesetzgeber dem öffentlichen und kirchlichen Arbeitgeber eine in diesem Rahmen stehende Verpflichtung übertragen: Arbeitnehmer, Beamte und Auszubildende haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf das Angebot und die Durchführung einer Prävention im Betrieb bzw. in der Dienststelle.
Was die einen als Fortschritt loben, kritisieren die anderen als „Bürokratisierung der Arbeitswelt“. Der Sache nach liegt eine spezielle Fürsorgepflicht gegenüber Beschäftigten vor. Staat und Kirche räumen den Fürsorgepflichten regelmäßig einen hohen Stellenwert ein, während in der Praxis – mit Blick auf die betrieblichen bzw. unternehmerischen Strukturen – noch immer eine gewisse Skepsis oder gar Zurückhaltung gegenüber dem BEM zu verspüren ist.
Die Verpflichtung zur Durchführung von BEM stellt insbesondere kleinere Verwaltungen vor enorme Anforderungen. Gleichzeitig wird den Betriebs-/Personalräten bzw. der Mitarbeitervertretung, aber auch der Schwerbehindertenvertretung eine wichtige Rolle eingeräumt. Dieses vom Gesetzgeber vorgeschriebene Instrument der Personalentwicklung wird auch wegen der aktuellen Fragen zum Datenschutz oftmals mehr als Belastung denn als Chance begriffen und zuweilen eher „lieblos“ in der Personalabteilung angesiedelt oder sogar ganz unterlassen.
Ziel dieses Leitfadens ist es, das BEM als sinnvolles Instrument einer modernen, zukunftsorientierten Personalarbeit zu verstehen sowie rechtssicher und erfolgreich ein- und durchzuführen.
Wir freuen uns, nunmehr diese vierte, unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung sowie der Regelungen des Bundesteilhabegesetzes und der Datenschutzgrundverordnung gänzlich aktualisierte und ergänzte Auflage vorlegen zu können. Unseren Leserinnen und Lesern möchten wir die Anregungen (weiter-)geben, die wir in unserer Beratungs-, Verwaltungs- und Schulungspraxis gesammelt haben.
Unser besonderer Dank gilt Ursula Drosihn, die als Personalleiterin der Fachhochschule Münster im Namen des Präsidiums unser Buchprojekt von Anfang an unterstützt, sowie Frank Hermeyer als Leiter der Personaladministration des Universitätsklinikums Münster, der im Namen des Geschäftsbereichsleiters Einblicke in die Durchführung des BEM und in verschiedene Produkte der Anwendungssoftware zur Automatisierung von Arbeitsschritten im BEM ermöglicht hat.
Achim RichterRaymund Gels1. Die alternde Arbeitswelt
2. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
3. Arbeitsunfähigkeit und Dienstunfähigkeit
4. Betriebsärztliche Untersuchung
5. Umfang und Grenzen der Fürsorgepflicht
6. Umfang und Grenzen der Mitwirkungspflichten des Beschäftigten
7. Vom Krankenrückkehrgespräch zum modernen Betrieblichen Gesundheitsmanagement
8. Das BEM als Fundament
Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts wird die Bevölkerung in Deutschland bis zum Jahr 2060 auch bei der Annahme einer verstärkten Zuwanderung aus dem Ausland schrumpfen. Die Gesellschaft in Deutschland altert: Im Jahr 2013 lag der Anteil der Menschen über 60 Lebensjahre bei 27,1 Prozent, bis 2050 wird er auf 37,6 Prozent und bis 2060 weiter auf 38,2 Prozent steigen. Die Bevölkerungszahl verringert sich bei dieser Vorausberechnung von 80,8 auf 73,1 Millionen.
Der demografische Wandel betrifft die gesamte Volkswirtschaft. Auch der öffentliche und kirchliche Dienst kann die Augen für diese sich verändernden Rahmenbedingungen nicht verschließen, zumal im Jahre 2016 bereits jeder vierte Beschäftigte über 55 Jahre alt war (vgl. www.bmi.bund.de, Links: „Demografie“; www.bpb.de, Links: „Nachschlagen“, „Zahlen und Fakten: Die soziale Situation in Deutschland“).
Für die Personalplanung bedeutet das konkret: Im Jahr 2030 wird der Anteil der Menschen in der Altersgruppe von 50 bis 64 bzw. 74 Jahre 38 bis 39 Prozent des Arbeitskräftepotenzials stellen (vgl. Mehrhoff/Schönle-Knufmann-Happe, S. 14; Landau/Pressel-Dostal, S. 269 ff. m. w. N., vgl. auch www.demografie-portal.de, Links: „Informieren“, „Ihre ausgewählten Fakten“, „Erwerbsbevölkerung schrumpft und altert“; siehe auch Kistler, PersR 2009, S. 472 ff.).
Das gilt unabhängig von abweichenden rechtlichen Ausgangspositionen im (kirchlichen) Arbeits- und Dienstverhältnis. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund das Eintrittsalter für die Rente bzw. das Pensionsalter erhöht. Damit verbunden ist die steigende Zahl sogenannter leistungsgewandelter Mitarbeiter. Ursachen hierfür sind neben der natürlichen altersbedingten Abnahme der Leistungsfähigkeit, Krankheit und/oder (Schwer-)Behinderung. Hinzu kommt, dass die Arbeitsbelastung durch die Menge und die Komplexität der Arbeit sowie den damit einhergehenden Zeitdruck in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat. Arbeitnehmer und Beamte müssen künftig wohl mehr persönliche Mittel in die eigene Gesundheit investieren.
Darüber hinaus wird – auch öffentlichen und kirchlichen – Arbeitgebern in Zukunft Mangel an uneingeschränkt leistungsfähigem (qualifiziertem) Personal drohen. Die Vorschläge für eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters werden vehement abgelehnt, denn eine Beschäftigung über 67-Jähriger erscheint derzeit im Regelfall für Arbeitgeber bzw. Dienstherrn und Mitarbeiter kaum als ernstzunehmende Perspektive.
Dementsprechend ist im eigenen wirtschaftlichen Interesse ein anderer Umgang mit Arbeitsbelastungen sowie drohender bzw. akuter Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und (Schwer-)Behinderung erforderlich.
Da die Arbeitsleistung immer älter werdender Mitarbeiter immer intensiver ausgenutzt wird, ist die Beschäftigungssicherung durch Prävention und Rehabilitation zu einer Pflichtaufgabe des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn geworden. Vor dem Hintergrund zunehmend schwieriger Rahmenbedingungen und steigender Anforderungen im Arbeitsalltag ist geboten, im Rahmen der Personalplanung einen gesundheitlich voll einsatzfähigen und leistungsbereiten Personalbestand zu sichern (vgl. Richter/Gamisch/Mohr, TV SuE, S. 20 ff.).
Aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen müssen Betriebs-/Personalrat bzw. Mitarbeiter- sowie Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden, sofern der Beschäftigte nicht widerspricht (s. u.).
An dieser Stelle setzt § 167 Abs. 2 SGB IX an, wonach Unternehmen und Verwaltungen verpflichtet sind, ein BEM vorzuhalten und dem Mitarbeiter bei Vorliegen der Voraussetzungen anzubieten.
Die Bildung einer Interessenvertretung im Sinne des § 176 SGB IX (§ 93 SGB IX a. F.) ist keine Voraussetzung für die Durchführung des BEM (BAG 30.09.2010, 2 AZR 88/09, NZA 2011, S. 39 sowie BAG 27.11.2011, 7 AZR 402/10 – juris).
„Zahlreiche Gespräche“ ersetzen dieses Instrument nicht (LAG RP 02.04.2009, DÖD 2009, S. 222; vgl. auch BAG, 18.10.2017, 10 AZR 47/17, BAGE 160, 325–336 sowie BAG 20.11.2014, 2 AZR 755/13, BAGE 150, 117–131).
In diesem Zusammenhang darf das BEM nicht mit der „stufenweisen Wiedereingliederung“ gemäß § 44 SGB IX verwechselt werden, was in der Praxis nach wie vor häufig vorkommt. Sogar Betriebsärzte müssen ausdrücklich auf den Unterschied hingewiesen werden (vgl. die entsprechenden Hinweise in ASUpraxis 2010, S. 37).
Unklare Begriffsbestimmungen können fatale – rechtliche – Folgen haben.
Zum Einstieg in das Thema werden zunächst die maßgeblichen Begriffe definiert.
Die folgende Feststellung klingt zunächst banal, doch ist vielen öffentlichen und kirchlichen Arbeitgebern z. B. nicht bewusst, welcher „Arzt was untersucht“. Den Autoren sind zudem Fälle bekannt, in denen sich Ärzte mit Hinweis auf ihre (vermeintliche) (Schweige-)Pflicht geweigert haben, diejenigen Untersuchungen durchzuführen, zu denen sie sich zuvor vertraglich (!) verpflichtet haben. In diesem Zusammenhang helfen klare Definitionen im Arbeitsrecht:
Beschäftigte können „krank“ werden. Unter Krankheit versteht die Rechtsprechung einen „regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand, der einer Heilbehandlung bedarf“. Regelwidrig ist ein körperlicher oder geistiger Zustand dann, wenn er nach allgemeiner Erfahrung unter Berücksichtigung eines natürlichen Verlaufs des Lebensgangs nicht bei jedem anderen Menschen gleichen Alters und Geschlechts zu erwarten ist. Nicht als Krankheit im medizinischen Sinne anzusehen ist das gewöhnliche altersbedingte Nachlassen der Leistungs- oder Konzentrationsfähigkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 07.12.2005, 5 AZR 228/05; siehe Treber, § 3 Rn. 14, Fußnote 31 m. w. N. auf die Rechtsprechung).
Nicht jede Krankheit führt zur „Arbeitsunfähigkeit“. Diese liegt vor, wenn die Krankheit den Arbeitnehmer objektiv außerstande setzt, die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende Leistung zu erbringen, oder er diese nur unter der Gefahr verrichten kann, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert oder die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde (ständige Rechtsprechung; vgl. BAG 07.08.1991, 5 AZR 410/90; siehe Treber, § 3 Rn. 21, Fußnote 65 m. w. N.).
Nicht jeder Kranke ist arbeitsunfähig und gelegentlich wird Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, obwohl es an einer Krankheit fehlt.
Die Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit obliegt ggf. dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK; siehe § 275 SGB V). Unter bestimmten Voraussetzungen muss der MDK eine Untersuchung des Arbeitnehmers durchführen.
Vertrauensärztliche Untersuchungen haben (nicht selten) andere Ziele als die des Arbeitsschutzes, für den gemäß § 3 ASiG der Betriebsarzt zuständig ist (zu den Organen der Unfallverhütung vgl. Kollmer, Rn. 368 ff.).
Dabei gilt es, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Seit Ende der 1980er-Jahre wurden sogenannte (Kranken-)Rückkehrgespräche modern – und berüchtigt. Betriebs-/Personalräte bzw. Mitarbeitervertretungen beanstand(et)en die „Jagd auf Kranke“. Im Vordergrund stand die Leistungsoptimierung: Diejenigen, die nicht (mehr) wollten oder konnten, sollten „Farbe bekennen“ (vgl. Bitzer). Dabei sollen Rückkehrgespräche im Gegenteil Anerkennung und Wertschätzung zum Ausdruck bringen (vgl. Bitzer/Weinschenk).
Ein zeitgemäßes System der BGF bzw. des BGM sowie des BEM darf nicht an dieses veraltete Instrument anknüpfen.