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Im Amsterdamer Süden waren Betty Baer, geborene Sondheim aus Ober-Gleen in Oberhessen, ihr Frankfurter Mann Karl und ihr in Köln geborener Sohn Alfred in der NS-Zeit im Exil. Wie Tausende anderer deutschsprachiger Flüchtlinge. Wer waren zumindest einige von Bettys Nachbarinnen und Nachbarn, woher kamen sie, was ist aus ihnen geworden? Biografische Notizen als weiterer Beitrag des Bremer Geschichtsvereins Lastoria zur Erinnerungsarbeit und zum gemeinsamen Gedenken.
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Seitenzahl: 617
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Das Projekt „Deutschland auf der Flucht“
Letzte Adresse Biesboschstraat
Hessen
Norddeutschland
Westdeutschland
Berlin
Süd- und Ostdeutschland
Andere Länder
Gedenklied
Nachwort: Unvergessen
Literaturauswahl
Stolpersteine für Familie Frank am Merwedeplein.
Ein Neubau, errichtet in den späten Zwanzigern im Amsterdamer Süden, rote Klinker, weiße Fenster, eine offene, überdachte Treppe, die im Inneren des Hauses in den ersten Stock führt. Diese Stufen ist Betty hinaufgegangen, ihr Mann Karl, ihr Sohn Alfred, die Gestapo. Von hier sind Betty und ihr ältester Sohn nach Westerbork gekommen. Karl war schon 1940 an einem Herzinfarkt gestorben. Alfred hatte sich vergeblich um US-Visa bemüht. Um die Ecke haben die Franks gewohnt, nicht weit entfernt ein Nieder-Ohmener, der auf der „St. Louis“ gewesen war und wie Betty aus dem Vogelsberg kam.
In den Straßen mit den Flüssenamen liefen sich Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich, Pommern, Ostpreußen, und Schlesien tagtäglich über den Weg. Sie begegneten sich in den Läden, in der Schule, auf den Ämtern, vielleicht auch an hohen Feiertagen in der Synagoge. Deutsch haben sie gesprochen, vielleicht auch ein paar Brocken Jiddisch, die Kinder schon bald akzentfrei Niederländisch. Manche haben englische Vokabeln geübt für die weitere Flucht nach Übersee, die den wenigsten gelang. Wer waren Bettys Nachbarn, de buren van Betty, in Amsterdam Zuid?
In dem Gedenkprojekt „Deutschland auf der Flucht. Exil in Amsterdam Zuid 1933-1945“ unseres gemeinnützigen Bremer Geschichtsvereins Lastoria recherchiere ich seit 2015 Lebensdaten von NS-Verfolgten, die in der niederländischen Hauptstadt eine unfreiwillige Schicksalsgemeinschaft gebildet haben. Was lässt sich herausfinden über das Schicksal von Betty Baer, geborene Sondheim, aus Ober-Gleen, ihres Mannes Karl Baer aus Frankfurt am Main und ihres Sohnes Alfred, von Werner Deutschland aus Hemelingen, R. Gabriele S. Silten aus Berlin und vieler anderer deutschsprachiger Flüchtlinge, vorwiegend im Amsterdamer Süden? Ihnen allen und ihren Angehörigen ist dieses Projekt gewidmet, aber auch anderen Verfolgten des NS-Regimes und allen, die ihnen beigestanden haben. Wie Elfriede Roth und ihrer Familie aus Lauterbach (Oberhessen).
Karl und Betty Baer, geborene Sondheim.
Dank umfangreicher Forschung von Profis und Laien sind mittlerweile sehr viele biografische Informationen dokumentiert, allerdings nicht immer ausreichend vernetzt. Es gibt noch viele blinde Flecken in den Lebensgeschichten der Verfolgten, zu viele offene Fragen. Wenn Stolpersteine verlegt sind, enden häufig die ehrenamtlichen Recherchen. Aber nicht nur die wissenschaftliche Forschung geht weiter: Angehörige stellen Fotos und andere persönliche Daten online, Nachrufe erscheinen, Dokumente werden digitalisiert, Holocaustbiografien ins Deutsche übersetzt. Internationale, regionale und lokale Quellen wären abzugleichen, vorzugsweise online, und diese Arbeit ist ein winziger Beitrag dazu: Was steht auf Joods Monument, was auf Dokin, der Website von Miriam Keesing über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, was steht auf den Webseiten der Gedenkstätten, was auf Stolpersteinseiten und auf den Seiten von Ahnenforscherinnen und Ahnenforschern über die Menschen, die vor den Nazis geflohen und in die Niederlande gekommen waren?
In den folgenden Listen sind biografische Daten von Verfolgten des Naziregimes nach Herkunft geordnet, um der Verfolgten zu gedenken und die Suche für alle zu vereinfachen, die vor allem an lokalen oder regionalen Bezügen interessiert sind. Selbstverständlich ist die Dokumentation nicht ansatzweise vollständig. Es sind wenige Namen, wenn man bedenkt, wie viele Menschen in den Niederlanden vorübergehend Zuflucht gefunden hatten. Ein Kapitel über die Familie Baer aus unserem Oral-History-Projekt über Bettys Heimatort Ober-Gleen schicke ich voraus. Es handelt sich um die aktualisierte Fassung eines Textes, der seit 2017 auf meiner Website steht, und basiert auf einem Kapitel des Buches „Himmel un Höll" von 2016, dem Band 4 der Reihe über Ober-Gleen. Weitere Informationen finden sich in der 2023 veröffentlichten Dokumentation unserer Geschichtswerkstatt „Deutschland auf der Flucht" von 2022, im Hörbuch „Jiddisch Leben“, in den von mir in ehrenamtlicher Arbeit übersetzten Holocaustbiografien und anderen Veröffentlichungen unseres Geschichtsvereins.
Betty Baer mit ihren Söhnen Herbert (Mitte) und Alfred.
Joods Monument ist von dem aus Rotterdam stammenden Politologen, Historiker und Child Survivor Isaac Lipschits (19302008) gegründet worden und wird mittlerweile vom Jüdischen Kulturviertel Amsterdam (JCK) betreut. Die Dachorganisation der mit Geschichte befassten jüdischen Einrichtungen in Amsterdam verwaltet auch die einstigen Karteien des Judenrates, rund 157.000 Karten mit persönlichen Daten, die seit 2022 zum Weltdokumentenerbe gehören. Ausgangspunkt meiner Nachforschungen war Joods Monument, weitere genutzte Quellen wie die Internetseite von Miriam Keesing (Dokin) oder das Buch von An Huitzing und Tamara Becker über die Fotografin Annemie Wolff werden jeweils zusätzlich erwähnt, wie unter anderem auch Stolperstein-Seiten, Alemannia Judaica und Geni.com. Das Gros meiner Recherchen lief diesmal online. Auf die Links wird unmittelbar verwiesen. Die im Laufe unseres Projektes verwendete Literatur ist im Anhang aufgeführt.
Auf Joods Monument stehen aktuell mehr als 104.000 Namen. Bis vor einiger Zeit wurden ausschließlich Holocaust-Opfer aufgeführt, Überlebende nicht namentlich oder gar nicht erwähnt. Inzwischen fügen unter anderem Angehörige die Daten hinzu. Meine Suche habe ich zunächst auf Amsterdam Zuid begrenzt, im Laufe der Zeit aber auch andere Stadtteile und auch andere Städte und Regionen einbezogen bei der Suche nach einzelnen Lebensspuren und Vervandtschaftsbeziehungen.
Über diese Treppe kamen die Nazis.
Die sechsteilige Aufstellung der biografischen Notizen beginnt mit Hessen, gefolgt von Norddeutschland, Westdeutschland, Berlin, Süd- und Ostdeutschland, die sechste umfasst Österreich und andere, damals deutschsprachige Regionen, die heute überwiegend zu Polen gehören. Zur besseren Orientierung: Die Daten von Familien habe ich in der Regel dort eingeordnet, woher die Mehrheit der Familienmitglieder stammte. Bei Paaren unterschiedlicher Herkunft habe ich mich für eine Region entschieden. Auf einige, aber nicht auf alle Männer, Frauen oder Kinder, deren Geburtsort vom Lebensmittelpunkt ihrer Familie abweicht, wird in dem entsprechenden anderen Verzeichnis hingewiesen.
Und schon weil Fehler und Irrtümer nicht auszuschließen sind, bin ich für Rückmeldungen, auch zur weiteren Nutzung der Daten oder zu möglichen Kooperationen, dankbar. Erreichbar bin ich unter [email protected]. Es handelt sich, wie bei allen unseren ehrenamtlichen Vorhaben, um ein offenes Projekt. An Kooperationen ist unser Bremer Geschichtsverein immer interessiert, und wir danken für jegliche Form der Unterstützung, gerade auch über Sprachbarrieren hinweg. Was uns verbinden sollte, ist der Einsatz für die Menschenrechte und das Interesse an einer lebendigen, respektvollen Erinnerungskultur.
Monika Felsing Lastoria e. V.www.monikafelsing.de
Bremen 2023
Betty Baer, geborene Sondheim.
BETTY, KARL HERMANN UND ALFRED JOSEF BAER
Betty Baer (1892-1943), geborene Sondheim aus Ober-Gleen (Oberhessen), hat kein Grab. Nichts, auf das man einen Stein legen könnte, wie es auf jüdischen Friedhöfen Brauch ist. Aber es gibt einen Ort, um Stolpersteine im Gedenken an sie, ihren Mann und ihren ältesten Sohn zu verlegen: Ihre letzte selbst gewählte Zuflucht war eine Adresse in Amsterdam Zuid, einer Neubaugegend im Süden von Amsterdam. Die nächste Station der Familie hätte New York werden sollen, Washington Heights vielleicht, wo nahe Verwandte untergekommen waren. Für Betty Baer und ihren älteren Sohn Alfred wurde es Westerbork, für ihren Mann Karl Hermann Baer schon im Dezember 1940 Zeeburg, der größte jüdische Friedhof in den Niederlanden. Viele Nachbarinnen und Nachbarn der Baers in der Biesboschstraat sind jüdische Exilanten wie sie und stammen aus Hessen, Niedersachsen, Hamburg, Köln, Magdeburg oder Berlin.
Architektonisch wirkt die in den späten Zwanzigerjahren im Stil der Amsterdamer Schule errichtete Rivierenbuurt noch heute dermaßen modern, dass sie sich so gar nicht zur Kulisse eignen will für den Film, der im Kopf anläuft im Gedanken an die deutsche Besatzung der Niederlande. Auf dem Rasen, mit dem Rücken zum ersten Wolkenkratzer Amsterdams, steht seit 2005 die Skulptur eines Frankfurter Flüchtlingskindes, das 1945 in Bergen-Belsen umgekommen ist. Anne Frank hat am Merwedeplein 37 gewohnt, bis ihre Familie im Hinterhaus an der Prinsengracht untergetaucht ist. Ihre Statue soll an die mehr als 13 000 der 17 000 Juden und Jüdinnen aus der Rivierenbuurt erinnern, die von den Nazis ermordet worden sind. Einige Tausend Flüchtlinge aus deutschsprachigen Ländern waren darunter. Die Wohnung der Franks wird seit 2005 Schriftstellerinnen und Schriftstellern überlassen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten.
Vier Stolpersteine hat der Künstler Gunter Demnig am Merwedeplein 37 zum Andenken an die Franks verlegt. Einen für Edith, einen für Margot und einen für Anne, die im Holocaust umgekommen sind. Und einen für Otto, der die Konzentrationslager überlebt und das Tagebuch seiner jüngeren Tochter veröffentlicht hat. Gemeinsam mit Mirjam Pressler hat Gerti Elias, die Frau von Annes und Margots Cousin Buddy Elias (1925-2015), den Briefwechsel der Familie aufgearbeitet: „,Grüße und Küsse an alle. Die Geschichte der Familie von Anne Frank“ heißt ihr wundervolles Buch. Einige der zitierten Briefe und Karten gingen von der Herbstgasse in Basel an den Merwedeplein in Amsterdam.
In einem Amateurfilm von 1941 blickt Anne aus einem der Fenster im zweiten Stock, die auf den Platz hin gehen. Unten steigen Hochzeitsgäste in ihre Autos, der Platz, eine benachbarte Straße und Geschäfte sind zu sehen. Im Lebensmittelgeschäft von Salomon Cardozo werden vielleicht auch die Baers eingekauft haben, denn gleich um die Ecke hat Betty mit ihrem in Köln geborenen Sohn Alfred gewohnt. Ihr 15-jähriger Sohn Herbert ist 1939 mit einem Kindertransport nach England entkommen und hofft wie sie auf ein US-Visum. Ihr Mann, der 1890 geborene Frankfurter Bankkaufmann Karl Hermann Baer, ist im Dezember 1940 in Amsterdam an einem Herzinfarkt gestorben. Sein australischer Enkel David Baer hat im januar 2017 das Grab auf dem 300 jahre alten Friedhof gesucht.
Nach Karls Tod müssen Betty und Alfred versuchen, auf eigene Faust weiterzureisen. Schon in den Niederlanden aufgenommen zu werden, ist nicht einfach gewesen, denn seit 1934 ist die Zuwanderung von juden aus dem „Deutschen Reich“ beschränkt. Die niederländische Regierung überlässt es den jüdischen Gemeinden, sich um die Flüchtlinge zu kümmern.
In Westerbork nahe der Grenze richtet die jüdische Gemeinschaft ein Lager für jüdische Flüchtlinge aus Deutschland ein, das zum Deportationslager werden wird. „Kurz gesagt, ließ sich die niederländische Politik folgendermaßen zusammenfassen“, heißt es im Stadtführer „Jüdisches Amsterdam“ von Jan Stoutenbeek und Paul Vigeveno (S. 33): „Wer bezahlt für euch, was können wir aus euch herausholen und wie werden wir euch am schnellsten wieder los?“ Auch die Flüchtlinge haben es eilig, seit die Deutschen im Mai 1940 die Niederlande besetzt haben. Die ersten Razzien laufen im Februar, Juni und September 1941. Am 5. Dezember 1941 werden Juden, die keine niederländischen Papiere haben, aufgefordert, sich zu melden und freiwillig das Land zu verlassen.
Die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, zugleich das Hauptquartier des Sicherheitsdienstes (SD) und Sammelstelle für die Unglücklichen, die bei Razzien verhaftet werden, organisiert die als „Umsiedlung“ bezeichnete Deportation der niederländischen und der in die Niederlande geflohenen Juden in die Ghettos und Konzentrationslager im Osten Europas, alles in allem etwa 110 000 Menschen.
Bremer Polizeibeamte begleiteten viele dieser Transporte. Ihre Rolle ist in einer Ausstellung in Bremen und in dem Buch „Auswärts eingesetzt. Bremer Polizeibataillone und der Holocaust“ von Karl Schneider (2011) gründlich dokumentiert worden. Der Historiker Frank van Riet hat „De bewakers van Westerbork” geschrieben. Eine Ausstellung, basierend auf dem Buch, ist 2016/17 in der Gedenkstätte Westerbork gezeigt worden.
Vor einem halben Jahrhundert hat der Historiker Jacob Presser (1899-1970) die Vorbereitungen zum Mord an den in den Niederlanden lebenden Juden in dem Buch „Ashes in the Wind. The Destruction of Dutch Jewry“ minutiös protokolliert und sachkundig kommentiert. Veröffentlicht hat der Amsterdamer Professor, der auch den in mehrere Sprachen übersetzten KZ-Roman „De Nacht der Girondijnen” verfasst hat, das Buch 1965 nach fünfzehnjähriger Recherche unter dem Titel „Ondergang“.
Betty Baer überlässt es zeitweise ihrem Sohn, Luftpostbriefe an die Verwandten zu schreiben, um die eidesstattlichen Erklärungen (Affidavits) der Bürgen zu besorgen. Biesboschstraat 31, Amsterdam-Zuid, steht auf dem Briefkopf. Im Februar und März 1941 schreibt der Zwanzigjährige alle paar Tage an die Sondheims in New York, die ihnen Affidavits von einem gewissen Kane besorgt und mit dem jüngeren Sohn, Herbert, in engem Kontakt stehen. Bettys Bruder Siegmund Sondheim, seine Frau Jettchen und die Kinder Addi, Herbert und Rita sind 1939 gemeinsam mit der unverheirateten Schwester Bertha emigriert. Der Bruder Hermann und seine Frau Grete wohnen noch in der Melemstraße 6 in Frankfurt am Main.
Und auch sie sind mit Alfred und Betty in Kontakt. Im März 1941 haben die beiden einen Brief des amerikanischen Konsulats in Rotterdam erhalten. Offenbar verlangen die US-Behörden weitere „Beweise“ und Sicherheiten, unter anderem eine vom Treasury Department beglaubigte Fotokopie des letzten Einkommensbescheides des Bürgen Kane und das Formular 575. Alfred bittet darum, die Papiere nicht an das Konsulat, sondern „quiekest possible“ an ihn und seine Mutter zu schicken. Wie alle anderen, die die Gefahrenzone schnellstmöglich verlassen wollen, hoffen sie, dass das US-Konsulat in Rotterdam nun die Ausreisegenehmigungen erteilt, Visa vergibt und dass dann von Amsterdam aus Züge nach Lissabon fahren. Für seinen Bruder Herbert hat er in Köln schon eine Kopie der Geburtsurkunde besorgt, die er den Verwandten nach Amerika schickt.
Am 30. März 1941 sind die Papiere, auf die Betty und Alfred so dringend warten, noch immer nicht da. Herbert Baer bekommt kein US-Visum. Der 17-Jährige wird im Juli 1940 mit anderen Enemy Aliens (Feindesausländern) von England aus auf der „Dunera" ans andere Ende der Welt verschifft und dort in ein Lager gesperrt werden. Erica Fischer hat in ihrem biografischen Roman „Over the Ocean" darüber geschrieben. Auf der langen Liste der Internierten stehen der Name ihres deportierten Vaters, Erich Fischer und der von Herbert Baer (Over the Ocean, S. 124-147).
Nach Kriegsende kehrt Herbert Baer, der seine Eltern und seinen Bruder, seinen Onkel, seine Tante und weitere Angehörige verloren hat, nicht nach Europa zurück. Er gründet in Australien eine Familie und macht Karriere. Die Nachricht, dass er als erster Jude seit langer Zeit an der Aktienbörse in Melbourne zugelassen geworden war, wurde 1961 von der Association of Jewish Refugees in Groß-Britannien als Sieg gefeiert. Bis zu seinem Tod im Jahr 2015 besuchte Herbert Baer die Treffen der „Dunera Boys".
„Die Mauer aus Papier" hat Eva Schweitzer in dem Buch „Amerika und der Holocaust" das Kapitel über unerwünschte Flüchtlinge aus Europa genannt. Die Journalistin verweist auf den Immigration Restriction Act von 1924, der die Einwanderung stark einschränkte und Quoten für bestimmte Länder festlegte. „Niemand wurde aufgenommen, nur weil er verfolgt wurde. Es galten vielmehr die klassischen Arbeitsmarktprinzipien – wer kommen wollte, musste nachweisen, dass er gesund und fähig war, Arbeit aufzunehmen, sowie Freunde oder Verwandte hatte, die für ihn bürgten", stellt Schweitzer fest (ebenda, S. 49 f.) und nennt zugleich Beispiele für Antisemitismus im Außenministerium und in der konservativ-protestantischen Wählerschaft oder den von Hitler verehrten Henry Ford.
Nach Kriegsbeginn 1939 brauchten deutsche und österreichische Juden, die im Übrigen auch eine „Fluchtsteuer“ zahlen mussten, eine Ausreiseerlaubnis der NS-Behörden, um ein amerikanisches Visum zu bekommen. Ein „Stück Bürokratie aus dem Tollhaus“, kommentiert Eva Schweitzer diese Praxis (ebenda, S. 63). Außenminister Frances Hull war ohnehin dagegen, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen, und sein neuer Stellvertreter Breckinridge Long soll alle Botschaften angewiesen haben, immer mehr Belege zu verlangen und die Erteilung von Visa zu verzögern (ebenda, S. 62).
Und auch Präsident Theodor Roosevelt zögerte. Spezialvisa für Atomphysiker und Schriftsteller genehmigte er zwar 1940 noch. Im Grunde aber wollte auch er keine bedrängten Massen aus Europa mehr in die USA lassen, ganz egal, was auf der Freiheitsstatue stand. Es war Eleanor Roosevelt, die ein Emergency Rescue Committee unterstützte. Der amerikanische Journalist Varian Fry („Auslieferung auf Verlangen“) wurde in Marseille zum Fluchthelfer, ähnlich wie Ruth Gruber vom War Refugee Board, der Schwede Raoul Wallenberg in Ungarn oder Geertruida Wijsmuller-Meijer, besser bekannt als Tante Truus, die zahlreiche jüdische Kinder gerettet hat. Nicht zu vergessen die Wienerin Miep (Hermine) Gies und die anderen Helfer der Familien Frank and van Pels: Johannes Kleiman, Victor Kugler, Jan Gies and Bep Voskuijl.
Zurück zur Rivierenbuurt. Eine vertonte Fotostrecke auf Youtube zeigt das Viertel in seiner Anfangszeit. Die Mehrfamilienhäuser seien von Wohnungsbaugesellschaften und der Stadt errichtet worden, schreiben Tamara Becker und ihre Mutter An Huitzing von der Stiftung Wolff in der Broschüre „War Children of the Rivierenbuurt“ (Kriegskinder der Rivierenbuurt, Seite 6 f.). Die Mitglieder von sozialdemokratischen, allgemeinen, katholischen und protestantischen Wohnungsbaugesellschaften seien sehr froh darüber gewesen, in Häusern wohnen zu können, die nach damaligem Standard geräumig, modern und bezahlbar waren. In Wohnungen mit eigener Toilette, Duschbad und Zentralheizung.
In den frühen Dreißigern hatten sich Otto Frank und andere Geschäftsleute aus Deutschland in der Rivierenbuurt niedergelassen und ihre Familien nachkommen lassen. Als Nächste kamen unter anderem Kommunisten und Sozialdemokraten, die in Deutschland Gefahr liefen, in eines der ersten Konzentrationslager gesperrt zu werden, und jüdische Künstlerinnen und Künstler, die nicht länger auf deutschen Bühnen erwünscht waren. Katja Zaich, die heute in Amsterdam lebt und Niederländisch unterrichtet, hat ein Buch über das Schicksal von deutsch-jüdischen Künstlern geschrieben: „,lch bitte dringend um ein Happy-End.’ Deutsche Bühnenkünstler im niederländischen Exil 1933-1945“, Frankfurt am Main 2001. Einer von ihnen war der Sänger, Schauspieler und Komponist Günter Witepski aus Kassel, der in der Biesboschstraat 19 III gemeldet war.
Die Reihenhäuser an der Biesboschstraat sind Zwillingshäuser mit einem gemeinsamen, zur Straße hin offenen Treppenhaus, von dem im ersten Stock nach rechts und links Gänge abgehen. Die Stockwerke sind in der Adresse mit römischen Ziffern bezeichnet. Die Wohnung der Baers ist in Haus 31, rechts von der Treppe, im zweiten Stock. Ab März/April 1942 müssen die jüdischen Mieterinnen und Mieter einen auf ein Blatt Papier gedruckten Judenstern an ihre Haustür kleben und einen gelben Stern mit der Aufschrift „Jood“ an ihrer Kleidung tragen, den es für vier Cent auf Bezugsschein zu kaufen gibt.
Die Besatzer erlassen immer neue antisemitische Verordnungen, 1941 unter anderem Berufsverbote für Juden, eine Ausgangssperre für Juden zwischen acht Uhr abends und sechs Uhr morgens, das Verbot, öffentliche oder private Verkehrsmittel zu benutzen (mit wenigen Ausnahmen), das Verbot, zu telefonieren. Was ihnen im Moment noch bleibt, um ihre Ausreise zu organisieren, sind Briefe und Telegramme.
Das Haus Biesboschstraat 29/31.
Wer mehr über die verzweifelte Lage von Jüdinnen und Juden in Amsterdam nach der deutschen Invasion wissen will, sollte nicht allein auf deutsch- und englischsprachige Literatur zurückgreifen, sondern auch auf niederländische Sachbücher, wie wir sie zu Beginn unserer Recherchen in Gert-Jan Jimmink’s bookshop an der Rooseveltlaan 62 gefunden haben – einem der besten Ausgangspunkte für geschichtliche Nachforschungen in der Rivierenbuurt.
„Op de foto in oorlogstijd. Studio Wolff, 1943“ der Historikerin Tamara Becker und ihrer Mutter, der Anthropologin An Huitzing, ist unbedingt empfehlenswert. Die Fotos von Annemie Wolff sind nicht nur hochwertige Aufnahmen, sondern auch wertvolle Zeugnisse des Exils und letzte Lebensspuren. Näher können wir den Verfolgten von damals kaum mehr kommen (siehe auch das Kapitel über Annemie Wolff in der Dokumentation der Geschichtswerkstatt „Deutschland auf der Flucht“ des Lastoria e.V.), und auch das nur, weil die Fotografin ihre Kundinnen und Kunden dazu gebracht hat, ganz bei sich selbst zu sein, sich frei zu fühlen für einen Augenblick. Dass es Tamara Becker und An Huitzing gelungen ist, die meisten der heimlich in der Wohnung von Annemie Wolff Porträtierten zu identifizieren, ist ein großer Gewinn für die biografische Forschung. Und trägt hoffentlich dazu bei, dass die bayerische Fotografin und Kleinbildpionierin, die den Widerstand gegen die Besatzer unterstützt und auch ein bemerkenswertes künstlerisches Gesamtwerk hinterlassen hat, endlich auch in Deutschland gewürdigt wird.
Der Bildband „Stad in Oorlog. Amsterdam 1940-1945 in foto’s“ von René Kok und Erik Somers ist eine weitere beeindruckende Arbeit, die vor allem das alltägliche Leben in Amsterdam unter deutscher Besatzung schildert. Das Buch enthält unter anderem auch ein Farbfoto, das zeigt, wie ein jüdisches Zuhause geräumt wird, eine von 70.000 Wohnungen. Die Bremer Logistikfirma „Kühne + Nagel“ hat im Zuge der „M-Aktion“ mit dem Besitz der deportierten und ermordeten Juden Profit gemacht – und bis heute nicht wirklich Verantwortung für dieses Kapitel der Unternehmensgeschichte übernommen. Die Auseinandersetzung über eine Installation zum Gedenken an das Unrecht hat in Bremen Jahre angedauert. Im Frühjahr 2023 haben die Arbeiten an der Schlachte begonnen, das „Arisierungs“-Denkmal soll ab Sommer unweit des Firmengebäudes an der Weser stehen, aber nicht in unmittelbarer Nähe. Der eigentliche Firmensitz ist ohnehin in der Schweiz.
Der Titel eines weiteren Buches ist eine Beschwichtigung, eine Hoffnung, ein unerfüllter Wunsch: „,Ze doen ons niets“ (nach einer Passage von Marga Mincos Buch „Het bittere kruid“). Vervolging en deportatie van de joden in Nederland 19401945”. Auf dem Cover ist ein frisch verheiratetes Paar mit Davidstern abgebildet. Die Geschichte der Franks und ihrer Helfer wird erzählt, aber auch die Geschichte des Widerstands, der Kollaborateure und der Deportierten. Konsequenterweise gehören auch Kapitel über die Lager in den Niederlanden und im Osten und über Gedenkstätten zu dieser Dokumentation. Die nächste Neuerscheinung ist schon absehbar: Christine Kausch wird ihre Dissertationsschrift über die „Zuflucht auf Zeit“ in Amsterdam voraussichtlich 2023 als Buch veröffentlichen.
Als die Liste für den 14. Transport von Westerbork nach Sobibór nach einer Kabarettvorstellung verlesen wird, fällt Ende Mai 1943 Bettys Name. Auch Jules Schelvis, ein 21-jähriger Druckerlehrling aus Amsterdam, und seine Frau Rachel werden aufgerufen. Und etwa 3000 weitere Menschen. Am 1. Juni 1943 verlässt der Zug das Lager Westerbork. Die Fahrt nach Sobibór, 80 Kilometer von Lublin, dauert drei Tage. Das Lager ist eine nach dem Vorbild von Belzec errichtete „Todesfabrik“ (Presser, Ashes, S. 490 ff.).
Meist mussten sich Häftlinge gleich nach ihrer Ankunft entkleiden und wurden mit 700 oder 800 anderen in Gaskammern gesperrt, an deren Tür „Seuchen-Bekämpfungsstelle“ oder „Bade- und Inhalationsräume“ stand. Ein Häftling startete einen Motor, dann wurde das Licht in der Kammer gelöscht, und das Gas strömte ein. SS-Leute vergewisserten sich durch ein Guckloch in der Mauer, ob alles nach Plan lief und sie das nächste Massengrab mit Leichen füllen lassen konnten. Später gingen die Mörder dazu über, die Toten zu verbrennen.
Jules Schelvis ist der einzige Überlebende des Transports Nr. 14. Er hat in Archiven in Ost- und Westeuropa für sein Buch „Vernichtungslager Sobibór“ recherchiert, war einer der Nebenkläger im Prozess gegen John Demjanjuk und hat eine Stiftung gegründet, die Stichting Sobibór, die dazu beiträgt, dass die Verbrechen der Nazis und ihrer Gehilfen nicht vergessen werden. Allein in Belzec, Sobibór und Treblinka sind in der „Aktion Reinhardt“ rund 1,7 Millionen jüdische Frauen, Männer und Kinder ermordet worden. Auch Deborah Appel, die Frau von Jacob Presser. Uli Herzberg (1927-1943) aus Hannover, der deutsche Junge, der bei Miriam Keesings Großeltern gelebt hatte, bis die beiden nach Kuba ausgewandert waren. Betty Baer, geborene Sondheim, aus Ober-Gleen. Und Toni Stern aus Nieder-Ohmen.
Hermann und Grete Sondheim.
Falls Bettys Sohn Alfred noch im Spätherbst 1941 an seinen Onkel und seine Tante in Frankfurt geschrieben haben sollte, sind seine Briefe nicht mehr angekommen. Bettys 1883 geborener Bruder Hermann und ihre Schwägerin Fanny Grethe wurden am 20. Oktober 1941 von Frankfurt am Main nach Lodz deportiert. Beide sind dort umgekommen. Ihr Sohn Kurt hatte einen Platz auf einem Kindertransport nach England. Er hat überlebt und später seinen Familiennamen geändert. Bettys Bruder Siegmund ist schon bald nach seiner Emigration in die USA an den Folgen seiner KZ-Haft gestorben. Seine Frau und seine drei Kinder trauerten um ihn und um die Verwandten und Freunde, von deren Ermordung sie nach und nach erfuhren. Alfred Josef Baer ist 1943 in Auschwitz umgebracht worden. Er wurde 22 Jahre alt.
1. Emmy Abraham, geborene Frank aus Nieder-Ohmen, war am 31. Januar 1901 zur Welt gekommen und wurde am 23. Juli 1943 in Sobibor im Alter von 42 Jahren ermordet. Laut https://reisepassedeslebens.pl stand ihr Name auf der Eados-Liste, wie die Namen Tausender anderer Menschen, denen die Gesandtschaft der Republik Polen in Bern gemeinsam mit jüdischen Organisationen während des Zweiten Weltkrieges lateinamerikanische Pässe ausgestellt hatte – für Paraguay, Honduras, Haiti und Peru. Emmy, ihr Mann, ihre vier Kinder und ihr Neffe hatten gefälschte Pässe von Paraguay. Vor der Deportation hat sie das nicht bewahrt. Andere mit lateinamerikanischen Pässen waren gegen Ende des Krieges noch in Bergen-Belsen interniert, weil sie als Austauschgefangene infrage kamen. Im Frühjahr 1945 kamen viele von ihnen auf einen Transport nach Theresienstadt, dessen Irrfahrt in Tröbitz endete (siehe Dokumentation über den Verlorenen Zug auf www.monikafelsing.de und das Buch Kinderjahre von Jona Oberski). Das Pilecki-Institut erforscht die Geschichte der Passinhaberinnen und Passinhaber und hofft auf Unterstützung aus aller Welt.
2. Ferdinand Abraham, geboren am 30. August 1897 in Brandoberndorf in Mittelhessen, westlich von Butzbach, starb gemeinsam mit seiner Frau. Der 45-Jährige hatte in der Jekerstraat 5 huis, der Wohnung der Familie, eine Pension geführt.
3. Berthold Abraham, das älteste Kind der beiden, geboren am 9. März 1923 in Brandobemdorf, gilt als vermisst und ist vermutlich in Sobibor oder Auschwitz ermordet worden.
4. Edith Paula Abraham, die Zweitälteste, geboren am 25. Mai 1924 in Brandoberndorf, starb gemeinsam mit ihren Eltern. Sie wurde 19 Jahre alt.
5. Beate Abraham, die jüngste Tochter, geboren am 3. Juni 1926 in Brandoberndorf, erlernte den Beruf der Fotografin. Sie starb ebenfalls am 23. Juli 1943 in Sobibor.
6. Siegbert Abraham aus Brandoberndorf, der jüngste Sohn, geboren am 24. Januar 1932, starb am gleichen Tag in Sobibor. Er wurde elf Jahre alt.
7., 8. und 9. Bertram Abraham (Foto auf Joods Monument), geboren am 2. März 1927 in Brandoberndorf (Kröffelbach), starb ebenfalls am 23. Juli 1943 in Sobibor. Er wurde 16 Jahre alt. Seine Eltern waren Nathan Abraham, geboren am 16. Oktober 1894 in Brandoberndorf, und Hedwig Abraham, geborene Frank, geboren am 24. April 1892 in Nieder-Ohmen. Als Zwölfjähriger war er im März 1939 in die Niederlande gekommen und wohnte wohl bei Onkel und Tante. Seine Eltern waren in Brandoberndorf geblieben. Sie hatten vor, in die USA auszuwandern, aber ihre Quota-Nummer war zu hoch. Auch die beiden kamen im Holocaust um. Informationen über die jüdische Geschichte ihres Heimatdorfes finden sich auf http://www.dg-kroeffelbach.de.
10., 11., 12. und 13. Siegfried Frank aus Nieder-Ohmen, geboren am 4. September 1907, hatte nach den Recherchen von Heuer, Bangel und Mutz 1933 in Kröffelbach im Lahn-Dill-Kreis gelebt. Er scheint 1930 in die Familie Abraham eingeheiratet zu haben. Mit seiner Frau Clementine Frank, geborene Abraham, die am 26. Oktober 1908 zur Welt gekommen war, hatte er zwei Kinder: Lilly, geboren am 28. September 1932, und Martin, geboren am 26. Januar 1938. Im Jahr 1939 waren die Abrahams und die Franks die letzten Juden in Kröffelbach, im April verkauften die Franks ihren Hof in der Lindenstraße 1. Im Vertrag stand, dass sie ihn bis zu ihrer Auswanderung bewohnen dürften. Von ihren knapp 9200 Reichsmark mussten sie 4800 Reichsmark an „Reichsfluchtsteuer“ errichten. Der Landarbeiter (nach der Kröffelbacher Quelle: Viehhändler) Siegfried Frank versuchte, mit der „St. Louis“ nach Kuba zu fliehen, doch die Kubaner ließen die Passagiere nicht an Land, und ihnen wurde auch nicht die Einreise in die USA oder Kanada gestattet. Der Kapitän aber denkt nicht daran, die Flüchtlinge nach Nazi-Deutschland zurückzubringen, und findet andere Zufluchtsländer für sie. Siegfried Frank gehörte zu denen, die von den Niederlanden aufgenommen wurden. Auf Joods Monument ist er als einer der frühen Lagerinsassen in Westerbork dokumentiert. Am 2. September 1942, kurz vor seinem 35. Geburtstag, wurde er in Auschwitz ermordet. Heuer, Bangel und Mutz zitieren aus den Akten des Hauptstaatsarchivs Wiesbaden (Signatur JS 2942) Briefe von Clementine Frank an die Devisenstelle Frankfurt: „Ich bin die Jüdin Clementine Sara Frank, geb. Abraham. (...) Möchte Sie höfl. bitten, mir doch jetzt schon einen größeren Betrag von RMK 400 durch die Nassauische Landesbank Wetzlar überweisen zu lassen, ich bin schon 6-7 Monate ohne einen Pfennig Geld, habe schon dauernd Geld geliehen und mit meinem Schwager zusammen gelebt“, schrieb sie am 5. März 1940. Und am 8. Juli 1940: „Ersuche höfl. um Erlaubnis, von meinem Sperrkonto auf der Nassauischen Landesbank Wetzlar die Summe von 179 RMK an die Fa. J.J.Völk Wetzlar für Beförderung einer Kiste meines Mannes nach Habanna (Cuba) überweisen zu dürfen.“ Aus einem Brief vom 26. September 1941 haben die Autoren geschlossen, dass sie zu diesem Zeitpunkt mit ihren beiden kleinen Kindern in einem „Judenhaus“, Hanauer Landstraße 12, in Frankfurt am Main wohnte. Die drei waren von der Gestapo aus ihrem Heimatdorf geholt worden. Ihr letzter Brief stammt vom 9. März 1942: „Bitte Sie höflichst um Freigabe meiner restlichen 230 Mark bei der Nass. Landesbank in Wetzlar. Ergebenst...“ Die Heimatforscher vermuteten, „dass Herr Frank nach der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen zu seiner Familie nach Frankfurt zurückgekehrt ist und mit ihnen deportiert wurde“, was laut Joods Monument nicht stimmt. Seine Angehörigen wurden, so haben die Heimatforscher ermittelt, im Mai 1942 deportiert (Akte JS 2942: „evakuiert“). Die Gemeindeverwaltung in Kröffelbach schrieb 1947, die Mutter und ihre Kinder seien nach Warschau gebracht worden. Ihr Name steht auf einer der Tafeln an der Mauer des alten jüdischen Friedhofs in Frankfurt am Main, ihr Sterbeort ist unbekannt. Quelle: Klaus Heuer, Rolf Bangel und Joachim Mutz, Einblicke in die Geschichte der Kröffelbacher Juden, Internetseite der Dorfgemeinschaft Kröffelbach, Hauptstaatsarchiv Wiesbaden. Am Volkstrauertag, 15. November 2018, hat Rolf Bangel in Kröffelbach eine Rede gehalten, als am Weltkriegsdenkmal eine Gedenktafel für die sechs Kröffelbacher Holocaustopfer eingeweiht wurde. „Wir waren Nachbarn“, sagt er am Telefon. „Meine Mutter hat mit Lilly gespielt.“ Und als es bei Martins Geburt Probleme gegeben habe, habe die Hebamme einen Arzt zu Hilfe geholt. Der kam in NSKK-Uniform – und musste sich später bei der Kreisleitung dafür verantworten. Als Rolf Bangel hört, dass Siegfried Frank am 15. Juli 1942 mit etwa 100 anderen „alten“ im Sinne von frühen Lagerinsassen im ersten Transport nach Auschwitz war, wird ihm klar, dass Siegfried Frank seine Familie nicht wiedergesehen hat. „Für mich hat sich eine Lücke geschlossen“, hat er in unserem Telefonat gesagt.
1. Betty Baer (Fotos auf Joods Monument und in Veröffentlichungen des Lastoria e.V.), geborene Sondheim aus Ober-Gleen, war am 21. April 1892 zur Welt gekommen. Sie hatte mit ihrer Familie in Köln und Frankfurt gelebt und war mit ihrem Mann und ihrem älteren Sohn Alfred in die Niederlande geflohen. Die 53-Jährige starb am 4. Juni 1943 in Sobibor. Quellen: Private Unterlagen der Familie, überreicht von Robin Smolen (USA), geborene Sondheim, einer Großnichte von Betty Baer, außerdem die Ober-Gleen-Bände „Himmel un Höll“ und „Schbille gieh un feiern“ von Monika Felsing und das dazu gehörige Hörbuch „Jiddisch Leben" des Geschichtsvereins Lastoria.
2. und 3. Karl Hermann Baer (Fotos auf Joods Monument), geboren laut Geni.com am 30. Juni 1884 in Frankfurt am Main, hatte drei Geschwister und war Bankkaufmann. Er starb schon bald nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Amsterdam an einem Herzinfarkt. Der jüngere Sohn, Herbert (1924-2015), war mit einem Kindertransport nach England gekommen und von dort auf der „Dunera" in ein Lager nach Australien gebracht worden. Er überlebte als Einziger. Weitere Quelle: Erica Fischer, Over the Ocean.
4., 5., 6., 7., 8., 9., 10., 11., 12. und 13. Alfred Josef Baer (Foto auf Joods Monument und in Veröffentlichungen des Lastoria e.V.), war am 15. Januar 1921 in Köln geboren und hatte einen kaufmännischen Beruf erlernt. Erhalten sind Briefe an seinen Onkel und seine Tante, Hermann und Fanny Margarete (Grete) Sondheim, die in der Melemstraße in Frankfurt am Main wohnten. Abgeschickt hat Alfred sie aus der Biesboschstraat 31 11. Zu hören im Hörbuch „Jiddisch Leben". Der 22-Jährige wurde am 26. Februar 1943 in Auschwitz ermordet. Für Hermann Sondheim aus Ober-Gleen und seine Frau Grete sind in Frankfurt Stolpersteine verlegt worden, Patin war Marlies Rahe, geborene Engel, aus Ober-Gleen. Bettys Bruder Siegmund Sondheim, der nach dem Pogrom von 1938 im KZ gewesen war, emigrierte mit seiner Frau Jettchen Sondheim, geborene Worms, seinen drei noch lebenden Kindern Herbert, Addi und Rita und seiner Schwester Berta in die USA. Kurt Sondheim, der 1926 geborene Sohn von Hermann und Grete Sondheim, überlebte in England und nannte sich fortan Curtis Sinclair. Die Cousins Herbert Baer (Australien) und Herbert Sondheim (USA) sind 2015 gestorben. Siehe die Seite über die Ober-Gleener Synagoge auf https://www.alemannia-Judaica.de , weitere Informationen auf https://frankfurt.de und https://www.stolpersteine-frankfurt.de .
1., 2. und 3. Alfred Bloch (Fotos auf Joods Monument, Dokin und Find a Grave) war am 11. Dezember 1926 in Marburg geboren. Als kleines Kind trug er den Familiennamen Preiß. Nach dem Tod seines Vaters, eines Kaufmanns, hatte seine Mutter Rika Preiß, geborene Levy aus Schlüchtern, wieder geheiratet und war nach Bornheim, in die Habsburgerallee 20, gezogen. Ihr zweiter Mann, Kari Salomon Bloch, adoptierte Alfred. In Deutschland war der Junge zuletzt in einem israelitischen Waisenhaus in Frankfurt am Main gemeldet. Am 22. November 1938 war er allein in die Niederlande geflohen und zunächst in Den Dolder und in einem Waisenhaus in Utrecht untergekommen. Nach Kriegsbeginn 1939 zog er zu seiner Tante Rosa und seinem Onkel Moses nach Amsterdam, an den Borssenburgplein 81 (Ijsseibuurt). Nach einem Eintrag von Robby Bakker auf Joods Monument war Alfred mit Anne Franks bester Freundin Hannah (Hanneli) Goslar befreundet, die am 12. November 1928 in Berlin geboren war. Als sich der 15-Jährige im Juli 1942 zum „Arbeitseinsatz" melden sollte, versprach er Hannah, ihr zu schreiben. Die Szene wird in dem Buch „Het Achterhuis" erwähnt: „In tranen nam Hannah afscheid. Alfred beloofde dat hij zou schrijven. Ze spraken af dat ze elkaar na de oorlog weer zouden ontmoeten. Hannah beloofde dat ze op hem zou wachten." lm September 1942 wurde Alfred in Auschwitz ermordet. Hannah und ihre Schwester überlebten den Holocaust, als Einzige ihrer Familie. 4. Alfreds Tante Rosa Dinner, geborene Levy, war am 23. August 1894 in Schlüchtern zur Welt gekommen. Die 48-Jährige starb am 13. März 1943 in Sobibor.
5. Alfreds Onkel Moses Dinner, geboren am 13. April 1876 in Amsterdam, wurde als 66-Jähriger am 13. März 1943 in Sobibor ermordet. Er war der Sohn des Obersten Rabbi von Amsterdam, J. H. Dünner (Dinner).
6. Alfreds Cousin Josef Hirsch Dinner, geboren am 5. Januar 1925 in Köln, starb am 22. Februar 1945 im Alter von 20 Jahren in Buchenwald.
1. Gertrud Blumenau, geborene Kahn aus Eschwege, war am 3. Dezember 1898 auf die Welt gekommen. Sie war in Amsterdam am Merwedeplein 7 11 gemeldet. Die 44-Jährige wurde am 4. Juni 1943 in Sobibor ermordet. Quelle: Alemannia Judaica. Siehe auch Karl Kollmann und York-Egbert König: Namen und Schicksale der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus Eschwege. Ein Gedenkbuch, Frankfurt am Main 2012.
2. Rudolf Blumenau, Gertruds Mann, war am 22. November 1899 in Bünde nördlich von Bielefeld geboren. Er war Kaufmann von Beruf und starb im Alter von 43 Jahren gemeinsam mit seiner Frau. In seinem Heimatort ist ein Stolperstein für ihn verlegt worden.
3. Bertha Blumenau, geborene Raphael aus Warendorf (Westfalen), war Rudolfs Mutter und am 28. November 1865 geboren. Sie starb schon am 9. April 1943 in Sobibor, im Alter von 77 Jahren. Auch für sie ist ein Stolperstein verlegt worden. Weitere Quelle: die online zugänglichen Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe.
1. Hermann Blumenfeld aus Neustadt, geboren am 8. August 1880, war ein Nachfahre von Gerson Moses aus Momberg. Der Textilkaufmann hatte mit seiner Frau und seinen drei Kindern der Marktstraße 17 in Neustadt gewohnt. Am 3. Mai 1939 zog er mit seiner Frau in die Niederlande. In Amsterdam waren die beiden in der Biesboschstraat 13 111 gemeldet, zusammen mit einer Tochter und einer Enkelin. Am 11. Februar 1944 ist der 63-Jährige in Auschwitz ermordet worden. Mehr über die Familie auf https://brotmanblog.com/2022/10.
2. Else Rosa Blumenfeld, geborene Drücker (auch gefunden: Drucker und Decker), stammte aus Battenberg. Geboren war sie am 30. Juni 1888. Im Alter von 55 Jahren starb sie in Auschwitz. Siehe auch http://gedenkportal-battenberg.de und das Buch ,„Auf Omas Geburtstag fahren wir nach P.’ Die gewaltsame Verschleppung von Juden aus Waldeck-Frankenberg 1941-42", herausgegeben von Marion Lilienthal et al., 2013.
3., 4., 5., 6., 7. Hildegard (Hilde) Elfriede Seelig, geborene Blumenfeld, die Tochter von Hermann und Else Rosa Blumenfeld, war am 18. Juni 1915 in Marburg zur Welt gekommen. Laut Brotmanblog, gestützt auf das Amsterdam Archiv und Yad Vashem, war Hilde im März 1934 nach Amsterdam geflohen und hatte am 28. April 1937 dort Julius Seelig geheiratet, einen Flüchtling aus Reichensachsen, der am 10. Dezember 1908 als Sohn von Paula Seelig, geborene Wallach aus Oberaula, und Josef Seelig zur Welt gekommen war, die eine Matzenfabrik besaßen. Die Ehe wurde am 9. Juni 1942 geschieden. Julius heiratete kurz darauf wieder, die Gelsenkirchenerin Margot Pauline Ahron, geboren am 4. Dezember 1915, ermordet im Alter von 28 Jahren am 11. Februar 1944 in Auschwitz. Sie hatte in der Chopinstraat 5 huis in Amsterdam gewohnt und mit ihrem Mann in der Kuinderstraat 22 huis. Julius Seelig starb am 23. März 1945 in Dachau im Alter von 36 Jahren. Hilde und ihre Tochter Hannah wurden über Kamp Vught und Westerbork nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Mit 28 Jahren starb die Marburgerin dort am 31. Januar 1944.
Siehe auch https://www.oorlogsbronnen.nl/plaats/Marburg. Auf der Rückseite ihrer Karteikarte ist unter anderem vermerkt: „Austausch Palestina“, „Zahntechniker“ und „Freiwillig“.
8. Hanna Seelig war am 12. Oktober 1938 in Amsterdam zur Welt gekommen. Die Fünfjährige starb am 11. Februar 1944 in Auschwitz. Siehe auch jinh-lima-city.de.
9. Erich Blumenfeld, geboren am 4. April 1913 in Neustadt, war 1935 in die Niederlande emigriert. Laut Brotmanblog gelang es ihm, am 13. September 1937 weiter nach Palästina zu fliehen. Er erhielt am 19- Dezember 1939 die dortige Staatsbürgerschaft und änderte seinen Namen 1948 in Eliezer Shadmon (Bauernhof auf Hebräisch).
6. Lieselotte Blumenfeld, die am 12. November 1917 in Neustadt geboren war, ging 1937 in die USA, laut Brotmanblog nach Lexington, Kentucky, wo sie zunächst als Kindermädchen arbeitete. 1943 heiratete sie in Louisville Corporal Herbert Isaak, einen gebürtigen Münchner, der Dachau überlebt hatte und in die USA emigriert war. Herbert Isaak war als Armeeangehöriger bei den Nürnberger Prozessen.
1. Henny Berta Blumensohn (Foto auf Joods Monument), geboren am 8. Juli 1923 in Frankfurt am Main, war mit ihrer Mutter in die Niederlande geflohen. Die beiden wohnten in der Waalstraat 104 1, bis sie deportiert wurden. Henny Berta Blumensohn war 21 Jahre alt, als sie am 28. Februar 1945 irgendwo in Mitteleuropa ermordet wurde.
2. Scheindel Rachel Blumensohn, geborene Steinhart, stammte aus Bochnia im Süden Polens. Sie war am 2. April 1897 geboren. Im Alter von 47 Jahren wurde sie ermordet, am 8. Oktober 1944 in Auschwitz. Mehr über das Schtetl in Bochnia unter https://sztetl.org.pl.
3. Israel Jakob Blumensohn, geboren am 14. November 1887 in Przedborz in Polen, der Familienvater, war in Rotterdam gemeldet. Er wurde am 3. Oktober 1944 in Auschwitz ermordet, im Alter von 56 Jahren.
1. Jakob Blumenthal, geboren am 5. Juni 1878 in Kirchbracht, einem Ortsteil von Birstein im heutigen Main-Kinzig-Kreis, hatte den Kaufmannsberuf ergriffen und 1906 seine bayerische Braut Klara Karolina Hecht in Fulda geheiratet, wo die Familie dann auch lebte. Nachdem die beiden 1939 nach Amsterdam geflohen waren, waren sie laut Joods Monument zunächst am Raphaelplein 36 in der Parterrewohnung gemeldet und zogen mehrfach um. Als Staatenlose wurden sie 1943 nach Westerbork deportiert und für den Palästina-Austausch vorgesehen, also kamen sie 1944 nach Bergen-Belsen, wo Jakob Blumenthal am 26. Februar 1944 starb.
2. Klara Karolina Blumenthal, geborene Hecht, geboren am 25. Juni 1882 in Bonnland südlich von Bad Kissingen, einem Dorf, das 1938 aufgelöst wurde und noch heute als sogenannte Ortskampfanlage auf einem Truppenübungsplatz genutzt wird. Die 62-Jährige wurde am 10. Juli 1944 nach Palästina ausgetauscht und überlebte.
3. Markus Blumenthal (Foto von Annemie Wolff), geboren am 22. Mai 1908 in Fulda, war einer von mindestens drei Söhnen von Jakob und Klara Karolina Blumenthal. Er war in der Haringvlietstraat 13 1 gemeldet. Annemie Wolff hat ihn 1943 porträtiert. Markus Blumenthal hat überlebt. Siehe das Buch von Tamara Becker und An Huitzing, Op de foto in oorlogstijd: Studio Wolff, 1943, Eindhoven 2017, Seiten 195, 199-200.
4. Leo Blumenthal (Foto auf Joods Monument), der Bruder von Markus, war am 26. Februar 1907 in Fulda zur Welt gekommen. Gemeinsam mit den Eltern floh er 1934 nach Amsterdam und lebte zunächst am Westeinde 11 in der Parterrewohnung mit seinem Bruder Markus und dessen Familie. Am 10. November 1938 zog or demnach in die Watteaustraat 19 Parterre, einen Tag nach seiner Hochzeit mit Betsie Ilse van Dam. Im Jahr darauf kam der erste Sohn der beiden zur Welt, Marcel Marcus, knapp zwei Jahre später Harry Chajim. Der Familienvater handelte mit Ledenvaren. 1942 wurde die ganze Familie, auch der unverheiratete Bruder Lothar, nach Westerbork und von dort kurz darauf weiter nach Auschwitz deportiert, sie waren fünf von 1135 Menschen im ersten Transports in das Vernichtungslager. Leo und Lothar Blumenthal mussten Zwangsarbeit leisten. Im Alter von 35 Jahren wurde Leo Blumenthal in Auschwitz ermordet. Sein Todesdatum ist der 19. August 1942. Zusätzliche Quelle: Stadtarchiv Amsterdam.
5., 6. und 7. Betsie Ilse Blumenthal, geborene van Dam (Foto auf Joods Monument mit ihren Söhnen), war am 10. Mai 1914 in Soest geboren, als Tochter des Niederländers Maurits van Dam aus Enschede und dessen Frau Betty, geborene Rosenthal aus Hamm. Die 28-Jährige wurde gemeinsam mit ihren kleinen Söhnen gleich nach der Ankunft in Auschwitz ins Gas geschickt.
8. Marcel Marcus Blumenthal (Foto auf Joods Monument), geboren am 2. Dezember 1939 in Amsterdam, wurde im Alter von zwei Jahren ermordet.
9. Harry Chajim Blumenthal (Foto auf Joods Monument), der jüngste Sohn der Blumenthals, kam am 28. Januar 1941 zur Welt. Er wurde ein Jahr alt.
10. Lothar Ludwig Blumenthal, geboren 27. Dezember 1920 in Fulda, zog 1941 bei seinem Bruder, seiner Schwägerin und seinen Neffen ein. Laut Joods Monument war er ledig und hatte sich seit Januar 1938 in der Hachschara in Enschede auf die Auswanderung nach Palästina vorbereitet. Wann er in Auschwitz starb, ist nicht genau bekannt.
1. Walter Kurt Carow, geboren am 15. September 1891 in Frankfurt am Main, war Elektrotechniker von Beruf und verheiratet mit Alice Simon. In Amsterdam war er unter anderem
am Merwedeplein 1-111 gemeldet. Er wurde deportiert und starb am 17. September 1943 im Alter von 52 Jahren in Auschwitz.
2. Erich Hans Carow, der Bruder von Walter Kurt Carow, war am 2. Mai 1893 in Frankfurt am Main geboren. Der Übersetzer war mit seiner Frau und seiner Tochter in der Apollobuurt gemeldet, Milletstraat 55 huis. Er starb am 16. August 1942 im Auschwitz.
3. Hertha Jenny Carow, geborene Lindenbaum, die Frau von Erich Hans Carow, war Amsterdamerin und am 31. März 1905 geboren. Die 37-Jährige starb am 30. September 1942 in Auschwitz.
4. Marga Grete Carow, die Tochter von Erich Hans und Hertha Jenny Carow, war am 17. Juli 1930 in Frankfurt am Main zur Welt gekommen. Die 14-Jährige starb am 25. Oktober 1944 in Auschwitz.
5. Clementine Carow, geborene Schwarzschild, die Großmutter, hatte das Haus Sofienstraße 8 111 in Frankfurt am Main besessen. Ihr Mann Max Wilhelm Carow, ein Bromberger, war 1918 gestorben. Die Witwe floh ebenfalls in die Niederlande. Die 76-jährige Frankfurterin, geboren am 3. Juli 1864, starb am 6. August 1940 in Apeldoorn.
1. Bella Dalberg, geborene Nussbaum, war am 28. Januar 1883 in Hersfeld zur Welt gekommen und wohnte seit 1911 mit ihrem Ehemann in Kassel. Am 7. November 1933 emigrierten die Dalbergs nach Amsterdam, in die Noorder Amstellaan 31 a III. Am 1. Juni 1943 wurde Bella Dalberg nach Westerbork deportiert und von dort am 23. Juli 1943 nach Sobibor verschleppt, wo die meisten gleich nach der Ankunft ins Cas geschickt wurden. Die Hersfelderin gilt als verschollen. Quelle: Schicksale der Juden Kassels.
Z Julius Jonas Dalberg (Foto auf Joods Monument), geboren am 21. Mai 1882 in Essentho, einem Ortsteil von Marsberg im heutigen Hochsauerlandkreis, hatte schon seit seiner Kindheit in Kassel gewohnt. Sein Abitur hatte er auf der Alten Klosterschule in Hersfeld gemacht und danach Jura studiert. Der Rechtsanwalt war Gemeindeältester, außerdem Redakteur der „Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und Waldeck“. Von ihm stammen Aufsätze zur Geschichte der Juden, unter anderem „Volkskunde der Hessen-Kasseler Juden“ im ersten Band der 1931 erschienenen „Geschichte der Jüdischen Gemeinde Kassel“. Julius Dalberg sammelte antike Kunst und kostbare alte Bücher, vor allem Judaica. Als Anwalt geriet er häufiger mit seinem nationalsozialistischen Berufskollegen Oswald Freisler aneinander, dem Bruder von Roland Freisler, der eine Kanzlei in Kassel hatte. Am 24. März 1933 wurde er in einem SA-Treff schwer misshandelt. Am 1. September 1933 sperrten ihn die Nazis in das Konzentrationslager Breitenau bei Guxhagen. Als er freikam, emigrierte er nach Amsterdam. Er gründete dort das wissenschaftliche Antiquariat „Pampiere Wereld“, das 1940 nach dem Einmarsch der Wehrmacht geschlossen wurde. Dalberg wurde gemeinsam mit seiner Frau deportiert und gilt als verschollen. Quelle: Schicksale der Juden Kassels. In der Friedrich-Ebert-Straße 3 in Kassel sind im Jahr 2017 Stolpersteine für die Dalbergs verlegt worden.
1. und 2. Emil Ernst, ein Kaufmann, war am 22. Juni 1896 in Herbede im heutigen Kreis Hattingen geboren. Er war verheiratet mit Clara Ernst und wohnte seit 1929 in Kassel. In Kassel-Wilhelmshöhe besaß er ein Geschäft für Manufakturwaren. Als am 1. April 1933 der Boykott von jüdischen Geschäftsleuten, Anwälten und Ärzten begann, emigrierte Emil Ernst in die Niederlande, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Er gründete eine Wasch- und Bügelanstalt, wurde also Wasverzenter und wohnte in der Tweede Jan Steenstraat 104 III. Seine Frau Clara Else Weinberg blieb in Kassel, sein Sohn Erich zunächst auch noch, wanderte dann aber in die USA aus und kehrte 1945 mit der Army zurück. Der 50-jährige Emil Ernst wurde 1943 über Westerbork nach Sobibor verschleppt und dürfte dort ermordet worden sein. In der Rotenburger Straße in Kassel ist ein Stolperstein für ihn verlegt worden.
3. Marianne (Anne oder Henni) Samas, geborene Ernst, die am 20. Juni 1920 (laut Joods Monument: 1921) in Dortmund geborene Tochter, hatte ihre Kindheit ab 1929 in Kassel und Niederzwehren verbracht. Am 14. September 1934 folgte sie ihrem Vater in die Niederlande. Sie heiratete einen Niederländer, wurde am 3. September 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sie wurde 21 Jahre alt. Quelle: Schicksale der Juden Kassels.
4. Salomo Samas, Mariannes Mann, war am 1. Mai 1918 in Amsterdam geboren, arbeitete als Typograph und wurde im Alter von 25 Jahren am 29. Februar 1944 im Extern Kommando Gröditz ermordet.
5. Clara (Else) Ernst, geborene Weinberg, war am 13. Januar 1890 in Warburg im Kreis Höxter auf die Welt gekommen. Als ihr Mann und ihre Kinder im Ausland waren, blieb sie in Kassel, arbeitete unter anderem als Köchin und Haushälterin und zog mehrfach um. Am 7. September 1942 wurde sie nach Theresienstadt und von dort 1944 nach Auschwitz verschleppt.
1. Salomon Dessau stammte aus einer Familie von Rabbinern und Gelehrten und war am 8. Februar 1892 in Frankfurt am Main geboren. Sein Bruder, der Historiker Herrmann Dessau (1856-1930 war in Berlin tätig, sein Bruder Bernhard (Bernardo) Dessau, Jahrgang 1883, hatte einen Lehrstuhl als Physikprofessor in Perugia, wo er 1949 starb. Salomon Dessau hatte als Makler Karriere gemacht und sich in Hamburg niedergelassen. Gemeldet war Salomon Dessau in Amsterdam in der Biesboschstraat 22 11. Der 79-Jährige soll am 12. September 1941 eines natürlichen Todes gestorben sein und ist auf dem Friedhof Muiderberg beerdigt.
2. Minna Dessau (Foto auf Joods Monument und Stolpersteine Hamburg), war eine gebürtige Hiisheim und am 11. September 1873 in Hamburg geboren. Die 69-jährige, eine Mutter von zwei Töchtern und zwei Söhnen, starb am 23. Juli 1943 in Sobibor. Siehe den Beitrag von Claudia Pufahl auf https://www.stolpersteine-hamburg.de.
3., 4. und 5. Sam (Samuel) Dessau (Foto aus Yad Vashem unter anderem auf der Hamburger Stolpersteinseite), einer der Söhne, war am 13. Mai 1904 in Hamburg geboren und nach seinem Großvater Samuel Dessau benannt, dem einstigen Direktor der Israelitischen Bürger-Realschule in Fürth. Er hatte das Heinrich-Hertz-Realgymnasium besucht, in Hamburg und Marburg Jura studiert und 1926 promoviert. Ab 1929 war er als Rechtsanwalt beim Hanseatischen Oberlandesgericht zugelassen. Seine Kanzlei befand sich in der Gerhofstraße 3/5. Nachdem er 1933 seine Zulassung verloren hatte, ging er mit seinen Eltern nach Amsterdam, wo er, weit unter seinem Niveau, bei einer Bank arbeitete. 1938 heiratete er die Hessin Jeanette (Netti) Golde, die am 19. Juni 1909 in Frankfurt am Main geboren war. Am 10. Dezember 1939 kam die gemeinsame Tochter Lotte Nechama in Amsterdam zur Welt. Ab dem 2. Mai 1942 mussten auch die Juden in den Niederlanden den Davidstern tragen. Die Dessaus, die vergeblich versucht hatten, in die USA auszuwandern, nach Uruguay oder Palästina, tauchten laut Joods Monument unter. Anfang November 1943 wurden die drei verhaftet und in Westerbork interniert, am II. Januar 1944 nach Bergen-Belsen verschleppt. Der 40-Jährige Samuel Dessau starb am 21. Februar 1945 an Unterernährung. Seine Frau Netti und seine Tochter Lotte Nechama überlebten, die Tochter allerdings linksseitig an Arm und Bein gelähmt Die beiden emigrierten zu den Verwandten in die USA. In der Husumer Straße 16 in Hamburg sind Stolpersteine für ihn und seine Mutter verlegt worden.
6, Was wurde aus den Geschwistern? Fritz Dessau, Jahrgang 1910, studierte Medizin, promovierte noch 1937 in Hamburg, lehrte danach an der Universität in Istanbul und ging Ende 1938 in die USA. Als Frederick Isaac machte er sich in New York einen Namen als Pathologe.
7. und 8. Alfred Dessau, Jahrgang 1908, war Kaufmann und arbeitete für die Warburg Bank in Hamburg und Amsterdam. Gemeinsam mit seiner Frau Sitta Dessau, geborene Golde, ging er in die USA.
9. Lisa Dessau, Jahrgang 1902, studierte Sprachen und arbeitete als Lehrerin, bis sie aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 ihre Stelle verlor. Nähere Informationen lagen mir im Frühjahr 2023 nicht vor.
10. Lotte Dessau, Jahrgang 1906, wurde Krankenschwester und emigrierte gemeinsam mit ihrer Schwester Lisa 1933 nach Palästina. Beide heirateten dort und gründeten Familien.
1., 2. und 3. Erna Dessauer, geborene Jakob, war am 31. März 1896 in Homberg (Ohm) zur Welt gekommen und hatte den fast gleichalten Nathan Dessauer aus Heringen an der Werra im Kreis Hersfeld-Rothenburg geheiratet, der am 6. Dezember 1895 geboren war. Gemeinsam mit ihrer Tochter Irmgard, die am Neujahrstag 1926 in Homberg (Ohm) geboren war, flüchteten sie 1934 nach Amsterdam. Zuletzt waren sie in der Lepelstraße 39 11 gemeldet, in der Nähe der Prinsengracht. Die drei wurden verhaftet und über Westerbork deportiert. Auf Initiative von Irit Joseph, der Enkelin einer nach Palästina geflohenen Cousine von Erna Dessauer, sind drei Stolpersteine in der Marktstraße 22 in Homberg verlegt worden. Die 16jährige Irmgard wurde am 28. August 1942 in Auschwitz ermordet, Erna und Nathan Dessauer kamen am 28. Mai 1943 in Sobibor um, sie war 47, er 48 Jahre alt.
1., 2., 3. 4. und 5. Mendel Einhorn, war am 3. Februar 1920 in Frankfurt am Main geboren. In Amsterdam wohnte er unter anderem in der Oostelijke Handelskade östlich vom Hauptbahnhof, der Jekerstraat 5 11 und in der Roerstraat Nr. 31 11, wie unter anderem der Schneiderlehrling Fritz Stern (1921-1941) aus Bigge im Hochsauerland und dessen Eltern Moritz Stern (18741943) aus Bigge und Mina Stern (1879-1943), geborene Udewald aus Beverungen in Nordrhein-Westfalen, der Buchbinder Werner Kahn (1918-1941) aus Erfurt und Kurt Manfred Lehrberger (1923-1941, Foto auf Joods Monument) aus Frankfurt am Main. Am 19. Dezember 1938 waren über 200 deutsche männliche Flüchtlinge ab 18 Jahren von Amsterdam in das Lager Norg in Veenhuizen verschleppt worden. Am 3. Januar 1939 wurden 207 von ihnen zur Marinebasis bei Hellevoetsluis deportiert, darunter auch Mendel Einhorn. Er starb am 4. September 1941 in Mauthausen. Auch Fritz Stern, Werner Kahn und Kurt Manfred Lehrberger kamen damals dort ums Leben.
1., 2., 3. 4., 5., 6., 7. und 8. Hans (Chanan) Walter Flörsheim war 1923 in Rotenburg an der Fulda geboren und ab 1933 in Leipzig zu Hause gewesen. Als 14-Jähriger kam er zunächst allein in den Süden von Amsterdam, wo Berni Polak, geborene Katzenstein, eine etwa 33-jährige Cousine seiner Mutter, seit 1935 mit ihrem Mann, dem niederländischstämmigen Anwalt Fritz Polak, in einer Mietwohnung lebte. Im Sommer 1937 kamen seine Eltern Julius Flörsheim und Paula Flörsheim, geborene Katzenstein, mit seiner Schwester Edith, die später mit einem Kindertransport nach England gelangte, aus Leipzig in die Niederlande, um gemeinsam mit Hans in Zandvoort Urlaub zu machen. Ab September besuchte der Junge dann eine jüdische Schule in Amsterdam. An Chanukkah 1937 und im Sommer 1938 erhielt er sogar die Erlaubnis, seine Familie in Leipzig zu besuchen und wieder in die Niederlande einzureisen. Nach dem Schulabschluss ging er ins Werkdorp Wieringen. Als es geräumt wurde, gehörte er zu den 60, die bleiben durften, um weiterhin die Arbeit auf dem Hof zu erledigen. Seine nächste Station war Gouda, und bald darauf tauchte er in Amsterdam bei Familie Heimann unter. Das Versteck flog auf, er konnte knapp entkommen. Später gelang es ihm, über die Pyrenäen nach Spanien zu fliehen – beim vierten Versuch. Der inzwischen 21-Jährige schrieb seine Geschichte noch 1944 in Spanien auf. Seine zweite Heimat ist der Kibbuz Yakum in Israel geworden. Brigitte Meyer-Christ und Heinrich Nuhn würdigen in ihrem 2008 erschienenen, mit zahlreichen Familienfotos und Dokumenten illustrierten Buch „Über die Pyrenäen in die Freiheit. Von Rotenburg an der Fulda über Leipzig nach Amsterdam und durch Frankreich und Spanien nach Israel 1923-1944" den Überlebenden und die Westerweelgruppe um das Lehrerehepaar Joop und Willi Westerweel, mit deren Hilfe Hans von 1943 über Belgien nach Frankreich fliehen konnte. Das pdf des E-Books steht auf der Seite http://www.hassia-judaica.de. Siehe auch Geni.com. Laut Ingrid Meissner ist Chanan Flörsheim (jüngeres Foto auf Geni.com) 2017 in Israel gestorben. Er war verheiratet mit der 1926 in Palästina geborenen Miriam Halpern und hatte zwei Kinder.
1. Rosalia Kisch, geborene Frank, war am 6. August 1871 in Nieder-Ohmen geboren und lebte mindestens seit der Jahrhundertwende in den Niederlanden. Die 71-Jährige starb am 23. Juli 1943 in Sobibor. In Amsterdam war sie in der Dintelstraat 56 I gemeldet gewesen. Wie die Nieder-Ohmenerin mit den anderen Nieder-Ohmener Franks im Exil verwandt war (siehe oben), wäre noch zu klären.
2. Harry Hartog Raphael Katz, ihr Enkel, war am 7. Februar 1943 in Amsterdam geboren. Im Alter von neun Monaten starb er am 19. November 1943 in Auschwitz.
3. Paula Luise Katz, geborene Kisch (Foto auf Joods Monument), Harrys Mutter, war am 8. März 1901 in Groningen geboren. Sie starb am gleichen Tag wie ihr Sohn und ihr Mann, im Alter von 42 Jahren.
4. Leo Katz (Foto auf Joods Monument), Paulas Mann und Rosalias Schwiegersohn, war am 21. Dezember 1888 in Gießen geboren. Der 54-Jährige starb zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn in Auschwitz.
1., 2., 3., 4., 5., 6., 7., 8. und 9. Otto Heinrich Frank (Fotos auf www.annefrank.org und auf www.annefrank.ch), geboren am 12. Mai 1889 in Frankfurt am Main, war der zweitgeborene Sohn des aus Landau in der Pfalz stammenden Bankiers Michael Frank und dessen Frau Alice Betty Frank, geborene Stern, aus einer alten Frankfurter Familie. Er hatte drei Geschwister: Robert, Herbert und Helene, geboren 1886, 1891 und 1893. Um die Jahrhundertwende hatte er zunächst Kunstgeschichte studiert und ein Praktikum bei Macy’s in New York gemacht. Nach dem Tod seines Vaters kehrte er 1909 nach Frankfurt zurück, wo er nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg in der Bank der Familie arbeitete. Am 8. Mai 1925 heiratete er Edith Holländer und gründete eine Familie mit ihr. Im Zuge der Wirtschaftskrise und des Aufstiegs der Nazis entschloss sich Otto Frank zu einem Neuanfang in den Niederlanden. Er ging 1933 voraus, noch im gleichen Jahr folgten ihm seine Frau und die beiden Töchter. Die niederländische Vertretung der deutsehen Geliermittelfirma Opekta, die er aufbauen sollte, hatte ihren Sitz an der Prinsengracht 263, dem heutigen Museum (Anne Frank Haus). Die Familie wohnte, bis sie im Hinterhaus der Firma untertauchte, am Merwedeplein 37 II. Nach Jahren der Ungewissheit wurden die Franks und ihre Mitbewohner verraten, am 4. August 1944 von SS-Hauptscharführer Karl Josef Silberbauer verhaftet und deportiert. Sie waren im letzten Zug, der von Westerbork nach Auschwitz-Birkenau fuhr. Wie so viele Transporte wurde auch dieser von Bremer Polizeibeamten bewacht, wie Bremer Recherchen ergeben haben, die zu einem Buch und einer Ausstellung führten. Otto Frank erlebte die Befreiung des Lagers durch die sowjetische Armee am 27. Januar 1945. „Ich hatte viel Glück und gute Freunde“, soll er Monate später seiner Mutter nach Basel geschrieben haben. Da wusste er noch nicht, dass er weder seine Frau noch seine Töchter wiedersehen würde. Über Odessa und Marseille kehrte er am 3. Juni 1945 nach Amsterdam zurück. Jan und Miep Gies, zwei der Helfer seiner Familie, nahmen ihn auf. 1952 zog Otto Frank in den deutschsprachigen Teil der Schweiz, wo seine Verwandten leben. Er heiratete eine frühere Nachbarin vom Merwedeplein, Elfriede (Fritzi) Geiringer, geborene Markovitz aus Wien. Auch sie und ihre Familie hatten sich jahrelang versteckt, waren verraten und verhaftet worden. Ihr Mann und ihr Sohn waren im Holocaust umgekommen, sie selbst und ihre 1929 geborene Tochter Eva hatten überlebt. Eva machte 1950 eine Ausbildung in einem Fotostudio in London, lernte dort ihren Mann Zvi Schloss kennen und bekam drei Töchter. Gemeinsam mit Otto Frank, der die niederländische Staatsbürgerschaft angenommen hat, lebte ihre Mutter in der Schweiz, in der Nähe von Ottos Schwester Leni Elias, geborene Frank, deren Mann Erich Elias und deren Familie, die in der Herbstgasse II in Basel zu Hause waren. Lebenslang engagierte sich Otto Frank für Menschenrechte. Er starb 1980 in der Schweiz, Fritzi 1998 in London. Die Geschichte der Familie Frank aus Frankfurt am Main ist ausführlieh dokumentiert, angefangen mit Annes Tagebuch und Evas Erinnerungen (unter anderem: Eva Schloss, Eva’s Story, Dear Anne Frank und After Auschwitz). Die Briefwechsel der Familie Frank sind von Mirjam Pressler und Certi Elias veröffentlicht worden. Unser Ceschichtsverein Lastoria e.V. hat eine Lesung des Schauspielerehepaars Gerti und Buddy Elias, einem Neffen von Otto Frank und seiner Frau, in Bremen organisiert (siehe Monika Felsing, Künstlerleben in Hamburg und Bremen, 2010, auch online auf www.monikafelsing.de).
10. Edith Frank, geborene Holländer (Foto auf Joods Monument), war am 16. Januar 1900 in Aachen geboren. Sie starb am 6. Januar 1945 in Auschwitz, kurz vor ihrem 45. Geburtstag.
11. Margot Betti Frank (Foto auf Joods Monument) war am 16. Februar 1926 in Frankfurt am Main geboren. Die 19-Jährige starb im März 1945 gemeinsam mit ihrer Schwester in Bergen-Belsen.
12. Annelies Marie Frank (Foto auf Joods Monument), genannt Anne, war am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main geboren. Sie starb im Alter von 15 Jahren im März 1945 gemeinsam mit ihrer Schwester in Bergen-Belsen. Ihr Tagebuch aus dem Hinterhaus (Achterhuis) wurde von der gebürtigen Österreicherin Miep Gies aufbewahrt und später als Buch weltweit veröffentlicht. An Anne und ihre Familie, aber auch an die anderen Opfer aus dem Quartier, erinnert eine Anne-Frank-Statue auf dem Merwedeplein. Vier Stolpersteine sind auf Initiative einer Berliner Schulklasse vor dem letzten offiziellen Wohnsitz verlegt worden, außerdem gibt es unter anderem das Anne-Frank-Haus ( www.annefrank.org ), die Anne-Frank-Stiftung, den Anne Frank Fonds ( www.annefrank.ch ), die Gedenkstätte Bergen-Belsen und weitere Institutionen und Organisationen, die das Gedenken an die Franks und generell an Opfer der NS-Zeit fördern. Das „Tagebuch der Anne Frank“ hat ungezählte Filme, Theaterstücke und Romane inspiriert.
13. Rosalie Holländer, geborene Stern, war am 25. Dezember 1866 in Bad Schwalbach zur Welt gekommen. Die verwitwete Mutter von Edith Frank wohnte bei ihrer Tochter und ihrer Familie am Merwedeplein und starb am 29. Januar 1942 in Amsterdam, im Alter von 75 Jahren. Die Franks bedankten sich in einer Anzeige in einer jüdischen Zeitung für die Beileidsbekundungen.
Lily Frankfurter, geborene Hess, aus Wiesbaden, war am 28. Oktober 1888 zur Welt gekommen. Ihr erster Ehemann Moritz Sandel soll 1932 in Wiesbaden gestorben sein. Sie selbst versuchte, auf der „St. Louis“ in die Freiheit zu gelangen, und teilte das Schicksal der anderen Schiffspassagiere (siehe auch USH-MM). Die „St. Louis“ kehrte nach Europa zurück, nachdem Kuba und die USA sie abgewiesen hatte, und nur dank des Einsatzes von Kapitän Schröder kamen die Flüchtlinge nicht wieder nach Deutschland, sondern fanden Zuflucht in anderen Ländern. Wo Lily Frankfurter in den Niederlanden wohnte, steht nicht auf Joods Monument. Sie starb am 7. Mai 1943 in Sobibor und war bei ihrem Tod 54 Jahre alt.
1. Kathi Rebekka Fuchs (Foto auf Joods Monument), geborene Oppenheimer aus Erbach, war wie ihr Bruder Simon Oppenheimer im Studio der Fotografin Annemie Wolff in Amsterdam Zuid gewesen (siehe das Buch „Op de foto in oorlogstijd. Studio Wolff, 1943“, von Tamara Becker und An Huitzing). Geboren war sie am 11. April 1900. In Amsterdam wohnte sie mit ihrer Familie an der Amstelkaade 167 11. Am 19. November 1943 wurde die 43-Jährige in Auschwitz ermordet. Ihre beiden Söhne waren vor ihr gestorben.
2. Norbert Fuchs aus Frankfurt am Main, geboren am 15. November 1893, war Vertreter von Beruf gewesen. Der 50-Jährige starb gemeinsam mit seiner Frau.
3. Fred Samuel Fuchs (Foto auf Joods Monument), geboren am 23. Oktober 1922 in Frankfurt am Main, engagierte sich als Pfadfinder. Es gibt ein Gruppenfoto von ihm und seinen Freunden. Als der Krieg begann, besuchte er die Secondary Technical School in der Plantage Middenlaan. Im Sommer 1941 ging er in ein Pfadfinderlager, obwohl die Pfadfinder schon verboten waren. Im Juni wurde er während einer Razzia der Polizei zu Hause abgeholt, nach Schoorl gebracht und gemeinsam mit vielen anderen jungen Holländern nach Mauthausen geschafft. Wie sein Freund Israel Oostra wurde der 18-Jährige dort 1941 ermordet. Quellen: H.E. Dominicus, Mauthausen, een gedenkboek (Amsterdam, 1995), 53.
4. Herbert Fuchs