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Wir stecken beide in der Klemme. Die Lösung? Playing the fake Couple James Fast hätte ich mir eine Zukunft in der NFL verbaut. Deshalb befolge ich ab sofort zwei Regeln: Erstens: Nichts und niemand darf mich vom Football ablenken. Zweitens: Ich muss den Kurs wiederholen, den ich am College vermasselt habe. Aber das schaffe ich nicht ohne Beckett Woods. Sie ist klug, ambitioniert – und meine einzige Chance, an der University zu bleiben! Leider ist Bex verdammt stur. Und sie hat eine Bedingung: Ich soll ihren Freund spielen, damit sie ihren Ex endgültig loswird. Eigentlich easy. Aber nur eigentlich. Denn Bex ist genau mein Typ. Bex Mit Sportlern bin ich endgültig durch. Und James Callahan bildet da keine Ausnahme. Als er mich um Nachhilfe bittet, lehne ich rigoros ab. Doch dann kommt mir ein genialer Gedanke: Ich helfe ihm, wenn er im Gegenzug meinen Fake-Boyfriend spielt. Nur so kapiert mein verlogener Ex und Teamkollege von James endlich, dass ich über ihn hinweg bin. Zum Glück sind James und ich uns einig, dass Gefühle das Letzte sind, was wir gerade gebrauchen können. Klingt ganz einfach. Aber nach jedem Blick, jeder Berührung, jedem Kuss fühlt sich Fake weniger gespielt an. Und ich weiß nicht, wie lange ich meine Fassade noch aufrecht erhalten kann. »Prickelnde Atmosphäre und unglaubliche Spannung ... Grace Reilly ist die Queen der Sports-Romance!« STEPHANIE ARCHER »First Down« ist eine Football Romance mit viel Spice, College Vibes und Happy End. Die Fake-Dating-Liebesgeschichte zwischen Star-Quarterback James und Studentin Bex ist der erste Band der Beyond-the-Play-Serie, kann aber unabhängig davon gelesen werden.
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Seitenzahl: 418
Veröffentlichungsjahr: 2024
Grace Reilly
Aus dem Englischen von Heike Holtsch
**Wir stecken beide in der Klemme. Die Lösung? Playing the fake Couple**
James
Fast hätte ich mir eine Zukunft in der NFL verbaut. Deshalb befolge ich ab sofort zwei Regeln: Erstens: Nichts und niemand darf mich vom Football ablenken. Zweitens: Ich muss den Kurs wiederholen, den ich am College vermasselt habe. Aber das schaffe ich nicht ohne Beckett Woods. Sie ist klug, ambitioniert – und meine einzige Chance, an der University zu bleiben! Leider ist Bex verdammt stur. Und sie hat eine Bedingung: Ich soll ihren Freund spielen, damit sie ihren Ex endgültig loswird. Eigentlich easy. Aber nur eigentlich. Denn Bex ist genau mein Typ.
Bex
Mit Sportlern bin ich endgültig durch. Und James Callahan bildet da keine Ausnahme. Als er mich um Nachhilfe bittet, lehne ich rigoros ab. Doch dann kommt mir ein genialer Gedanke: Ich helfe ihm, wenn er im Gegenzug meinen Fake-Boyfriend spielt. Nur so kapiert mein verlogener Ex und Teamkollege von James endlich, dass ich über ihn hinweg bin. Zum Glück sind James und ich uns einig, dass Gefühle das Letzte sind, was wir gerade gebrauchen können. Klingt ganz einfach. Aber nach jedem Blick, jeder Berührung, jedem Kuss fühlt sich Fake weniger gespielt an. Und ich weiß nicht, wie lange ich meine Fassade noch aufrecht erhalten kann.
»Prickelnde Atmosphäre und unglaubliche Spannung ... Grace Reilly ist die Queen der Sports-Romance!« STEPHANIE ARCHER
Wohin soll es gehen?
Buch lesen
Vorbemerkung
Nachwort der Autorin
Viten
ANMERKUNG DER AUTORIN
Ich habe darauf geachtet, alles im Zusammenhang mit Football und anderen Sportarten am College wahrheitsgetreu wiederzugeben, aber ein paar Abweichungen kommen dennoch vor, sowohl beabsichtigte als auch unbeabsichtigte. An alle Football-Begeisterten: Ich hoffe, ihr habt Spaß an diesem Buch!
Für Anna, deren Unterstützung dieses Buch erst möglich machte.
CONTENT NOTE
Liebe Leser*innen,
dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die Spoiler enthält.
Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleibe damit nicht allein. Wende dich an deine Familie und an Freund*innen oder suche dir professionelle Hilfe.
Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.
Grace und das Carlsen-Team
1
James
KAUM BIN ICH AUF DEM CAMPUS angekommen, klingelt mein Handy.
Meine dämlichen kleinen Brüder haben meinen Klingelton umgestellt, sodass, immer wenn einer von den beiden anruft, ein alter Song von Britney Spears losplärrt. Nichts gegen Britney, die Frau ist toll. Aber »Baby One More Time« ist absolut nicht der richtige Soundtrack für die Nummer eins auf der landesweiten Rangliste der College-Quarterbacks.
Die beiden Schwachköpfe wissen natürlich, dass ich keine Ahnung habe, wie man wieder auf einen normalen Klingelton umschaltet. Klar, ich bin einundzwanzig und natürlich auch mit dem Handy aufgewachsen, aber Technik war noch nie meine Stärke. Und lieber würde ich mich an meinem Tiefschutz erhängen, als die beiden zu fragen, wie das geht.
Na ja, vielleicht gefällt mir der Song sogar. Nur ein bisschen. Jedenfalls summe ich mit, als ich aus dem Auto steige und mir mein Handy schnappe. Trotzdem bin ich froh, dass es niemand hört. Würde als erster Eindruck nicht so gut rüberkommen, wenn der neue QB der McKee University auf Popsongs aus den 2000ern steht. Schließlich habe ich meinen Ruf von der Louisiana State University zu verteidigen.
Auf dem Weg zum Verwaltungsgebäude brüllt Cooper mir ungeduldig wie immer ins Ohr. »Bist du endlich angekommen?«
»Noch nicht am Haus. Muss doch erst mit der Dekanin sprechen. Schon vergessen?«
Er gibt einen gequälten Laut von sich wie ein verendendes Tier. »Dude, wir warten jetzt schon seit Ewigkeiten. Beeil dich mal ein bisschen, sonst nehme ich das große Schlafzimmer.«
»Und was, wenn ich das große Schlafzimmer will?«, höre ich im Hintergrund Sebastian, meinen anderen kleinen Bruder.
»Das ist für den Typen reserviert, der am meisten vögelt, Sebby«, antwortet Coop. »Du bringst doch nie irgendwelche Girls mit, und James hat Sex abgeschworen, bis er in der Liga ist. Also bleibe nur noch ich übrig.«
»Alter übertrumpft Vögel-Status«, sage ich, nur mal so zur Info.
»Du bist doch kaum älter als ich.«
»Beinahe-Zwillinge«, antworte ich mit einem Grinsen, obwohl Cooper es gar nicht sehen kann. Genau genommen sind wir fast zwei Jahre auseinander, aber da wir mit Nachnamen Callahan heißen und uns sehr nahestehen, haben wir einen Running Gag daraus gemacht. »Klar so weit, kleiner Bruder?«
Während Cooper und Sebastian noch diskutieren, mache ich die Tür auf und schenke der Rezeptionistin ein strahlendes Lächeln. Aus verlässlicher Quelle weiß ich, dass mein Lächeln Höschen runterrutschen lässt, und auch dieses Mal ist keine Ausnahme. Das erkenne ich schon daran, dass der Blick der Rezeptionistin – offenbar eine studentische Mitarbeiterin – von meinem Gesicht abwärts zu meinem Schritt wandert.
»Hey, ich muss jetzt Schluss machen.« Ehe Cooper weiter auf mich einreden kann, lege ich auf. Trotz seines Getues wird er das Zimmer nicht in Beschlag nehmen, ohne mich zu fragen. Aber vielleicht überlasse ich es ihm sogar – er hat ja recht. Momentan kann ich in meinem Leben keine Mädchen gebrauchen. Jedenfalls nicht, wenn ich die National Championship gewinnen und in die NFL berufen werden will.
»Hi«, sagt die Rezeptionistin. »Kann ich dir weiterhelfen?«
»Ich habe einen Termin bei Dekanin Lionetti.«
Sie beugt sich so weit über den Terminkalender, dass ich die Rundung ihrer Brüste sehen kann. Und die sind fantastisch. In einer anderen Dimension würde ich die Rezeptionistin vielleicht auf einen Drink einladen. Mit ihr anbändeln. Es ist Ewigkeiten her, dass ich solche Brüste gesehen, geschweige denn daran rumgespielt habe. Aber das wäre der Inbegriff von Ablenkung, vor allem wenn sie auf etwas Festes aus wäre.
Ablenkungen sind tabu! Schließlich bin ich aus dem einzigen Grund an die McKee gekommen, meine Football-Karriere wieder anzukurbeln … und na ja, um mein Studium abzuschließen. Deshalb habe ich auch diesen Termin bei der Studiendekanin, statt auf dem Spielfeld zu sein.
»Name?«, fragt die Rezeptionistin.
»James Callahan.«
Sie reißt die Augen auf. Vielleicht kennt sie sich in der NFL aus und ihr fällt als Erster mein Vater ein. Oder sie hat irgendwo gelesen, dass ich die Uni wechsele. Wie auch immer, jetzt macht sie den Eindruck, als wolle sie an mir raufklettern.
»Ähm, du kannst sofort reingehen. Sie erwartet dich bereits.«
»Danke.« Immerhin schaffe ich es, ihr nicht zuzuzwinkern. Sonst kommt sie womöglich noch auf die Idee, mich auf dem Campus ausfindig zu machen und mir einzureden, wir seien Seelenverwandte.
Auf dem Weg den Gang entlang und ins Büro der Dekanin sehe ich mich genau um. Ich kann einfach nicht anders, mir fällt immer alles Mögliche auf. Ich bin darauf trainiert, die gegnerische Verteidigungslinie im Blick zu behalten, jede kleine Verschiebung ihrer Spielzüge zu registrieren, darauf zu achten, ob sie dazu ansetzen, unser Angriffs- oder Passspiel zu stören.
Dekanin Lionetti ist gut aufgestellt. Schicker L-förmiger Schreibtisch aus dunklem Holz mit zwei samtgepolsterten Stühlen davor. Eine ganze Wand mit Büchern. Hinter dem Schreibtisch ein Regal mit Pokalen, und davor thront Dekanin Lionetti höchstselbst. Ihr graues Haar scheint nicht gefärbt und reicht ihr wie mit einem Lineal gezogen bis zum Kinn. Auch ihre Augen sind schiefergrau. Und ihr Hosenanzug im Stil der 80er? Na klar! Ebenfalls grau. Als sie mich hereinkommen sieht, steht sie auf und reicht mir die Hand.
»Mr Callahan.«
»Hey«, sage ich und könnte mir sofort auf die Zunge beißen. Nicht, dass ich es darauf anlege, aber die meisten Leute – insbesondere Frauen – begegnen mir mit besonderer Herzlichkeit. Meine Mutter nennt es den Callahan-Charme, und eigentlich funktioniert der immer … außer hier und jetzt. Dekanin Lionetti mustert mich, als könne sie kaum fassen, dass ich einfach in ihr Büro reinspaziert bin. Offenbar ist sie immun gegen alles, was Grübchen in den Wangen hat, denn als ich mich setze, wird ihr Blick noch strenger.
»Schön, dass Sie so kurzfristig Zeit hatten«, sagt sie. »Ich habe eine Aktualisierung Ihrer Kurse im kommenden Semester vorgenommen.«
»Stimmte damit etwas nicht?«
Im letzten Studienjahr brauche ich nur noch ein paar Pflichtveranstaltungen zu belegen. Mein Hauptfach ist Mathematik, deshalb haben die meisten meiner Kurse mit Zahlen zu tun, aber ich habe auch noch Luft für einen oder zwei Kurse im Optionalbereich. Dieses Semester habe ich mich für Meeresbiologie eingeschrieben, was anscheinend recht leicht ist und keine schriftlichen Hausarbeiten erfordert. Seb hat gesagt, der Professor ist ziemlich alt und zeigt meistens National-Geographic-Dokus.
Dekanin Lionetti zieht eine ihrer grauen Augenbrauen hoch. »Sie haben das Seminar zu Akademischem Schreiben nicht bestanden.«
Mist. Wenn ich an das letzte Jahr denke, bedaure ich so manches, am meisten, dass ich mein Studium habe schleifen lassen. Im Verfassen von Texten bin ich grottenschlecht, aber trotzdem ist es mir peinlich, dass ich im dritten Studienjahr dieses Schreibseminar versiebt habe, das ich eigentlich schon im ersten Jahr hätte belegen und bestehen müssen.
»Ich dachte, mir würde alles angerechnet.«
»Im Grunde genommen ja. Aber bei einem genaueren Blick in Ihre Unterlagen hat sich herausgestellt, dass Sie das für den Optionalbereich nötige Seminar ›Akademisches Schreiben‹ nicht bestanden haben. Vielleicht hat man Sportlern an Ihrer ehemaligen Universität so einiges durchgehen lassen.« Sie spricht Sportler aus, als wären wir ein Pilzbefall. »Aber hier halten wir uns bei allen Studierenden an akademische Standards. Der Professor war so freundlich, einen zusätzlichen Platz in seinem Seminar einzurichten, an dem Sie dieses Semester teilnehmen werden, da es nur im Herbst angeboten wird.«
Ich sehe die Meeresbiologie versinken. Dekanin Lionettis Tonfall macht unmissverständlich klar, dass sie mich für dümmer hält als einen Sack Nüsse. Wahrscheinlich hat sie Vorurteile gegen Sportler. So ein Quatsch! Der letzte Herbst war eine Ausnahme; sonst habe ich mich immer richtig reingehängt in mein Studium. Wie Dad uns stetig klarmacht, werden unsere Sportlerkarrieren nicht ewig dauern. Selbst wenn ich eine NFL-Karriere vor mir habe – was ich natürlich anstrebe –, wird sich der größte Teil meines Lebens erst danach abspielen.
»Verstehe«, bringe ich zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus.
»Ich habe Ihren Stundenplan dementsprechend aktualisiert – das Seminar wird Ihnen für den Optionalbereich angerechnet. Sollten Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich bitte an mein Büro oder das Studierendensekretariat.«
Sie steht auf. Und verabschiedet mich ohne weitere Diskussion.
Ich versuche, mir meine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen, obwohl meine Ohren glühen.
Willkommen an der McKee.
Ich hole tief Luft und rufe mir ins Gedächtnis, warum ich hier bin. Erst Studienabschluss, dann NFL.
Irgendwie muss ich dieses Seminar also hinter mich bringen.
———
Als ich in dem Haus ankomme, sitzt Seb auf dem Fußboden und entwirrt irgendeinen Kabelsalat. Ich winke ihm kurz zu und werfe meine Schlüssel auf den Tisch im Eingangsbereich. Dann sehe ich mich in unserer Behausung um. Besonders viel hat sich noch nicht getan. Ein L-förmiges Sofa und ein Couchtisch sind aufgebaut, und an einer Wand ist ein Fernseher montiert. Als klar war, dass wir alle an derselben Uni studieren, haben wir dieses Haus gemietet. In der Annonce stand, es sei nicht möbliert. Aber ich habe so eine Ahnung, wer dafür gesorgt hat.
»Sandra hat all das bestellt«, sagt Seb und macht mit dem Kabelknäuel in der Hand eine ausladende Geste. »Der Typ von der Transportfirma hat es erst mal da aufgebaut, aber wir können es natürlich umstellen.«
Mom reagiert beängstigend schnell. Als sie gehört hat, dass ihre Jungs – die beiden, die sie zur Welt gebracht hat, und der, den sie adoptiert hat – zusammen in einem Haus wohnen werden, ist sie garantiert direkt zum nächsten Möbelhaus gefahren. Ein Glück, dass sie einen guten Geschmack hat!
Von der oberen Etage kommt Gepolter. Seb und ich zucken zusammen und heben die Köpfe.
»Er baut da oben irgendwas auf«, erklärt Seb. »Wie war es bei der Dekanin?«
Ich gehe in die Küche. Wahrscheinlich ist der Kühlschrank noch leer, aber man kann ja zumindest auf ein Bier hoffen. Während der Saison trinke ich nicht viel, aber die geht genau genommen erst in ein paar Tagen richtig los. Und siehe da, neben einer Büchse Ananas, einem Karton Eier und aus unerfindlichen Gründen einem Gläschen Meerrettich steht da ein Sixpack.
Seb erscheint im Türrahmen, als ich die Flasche mit einem Plopp öffne und einen kräftigen Schluck nehme. Ich sehe wohl genauso angepisst aus, wie ich mich fühle, denn Seb musterte mich fragend.
»Was ist los?«
»Die Dekanin macht mir das Leben zur Hölle. Das ist passiert. Ich soll dieses akademische Schreibseminar wiederholen.«
»Klingt beschissen.«
»Ist beschissen«, sage ich mürrisch. »Die haben bei der Prüfung meiner Scheine festgestellt, dass ich das Seminar an der LSU nicht bestanden habe. Damals als …«
»Ja«, sagt Seb. »Ich weiß.«
Schmerz durchflutet mich. Das letzte Jahr war aus mehreren Gründen katastrophal, aber vor allem vermisse ich Sara. Ich trinke noch einen Schluck Bier und sehe mich um. Der große Esstisch erinnert mich an unser Zuhause in Port Washington, und die Küchenzeile ist gar nicht so übel. Viel Platz zum Kochen von Gerichten, die der Trainer empfiehlt. Eine Tür führt in den Garten, wo ein Grill und Gartenstühle stehen. Sobald Seb hier fertig ist, könnten wir ein paar Runden spielen.
»Nett hier«, bemerke ich.
»Ja. Und was hast du der Dekanin gesagt?«
»Dagegen konnte ich nichts sagen. Ich habe das Seminar ja nicht bestanden.«
»Aber du bist im letzten Studienjahr und wegen Football hier.«
»Aber auch wegen meines Studienabschlusses.«
»Klar, deswegen auch«, sagt Seb seufzend.
Meine Eltern unterstützen mich unglaublich. Dad hat selbst Football gespielt und weiß besser als jeder andere, was für eine Belastung das ist. Dass einer seiner Jungs in seine Fußstapfen tritt, war zunächst sein Traum, der jedoch bald auf mich übersprang. Mein Ziel ist, in der Liga zu spielen. So ist das nun mal. Doch uns wurde beigebracht, dass Bildung ebenso wichtig ist. Und auch wenn ich mich am liebsten ganz auf Football konzentrieren würde, ist mir absolut klar, dass ich meinen Abschluss machen muss. Cooper ist ein ausgezeichneter Eishockey-Spieler, aber Dad hat ihn nicht für die NHL trainieren lassen, weil er befürchtete, er würde sein Studium abbrechen. Seb durfte an der Highschool zum Baseball-Training, so wie sein Vater es sich gewünscht hatte, aber er hat sich für die gesamten vier Jahre seines Studiums der McKee-Mannschaft verpflichtet. Erst danach kann er seine Karrierepläne in der MLB weiter verfolgen. »Kannst du nicht deinen neuen Trainer fragen, ob er etwas daran ändern kann? Er hat dich doch praktisch von der LSU abgeworben, weil er dich unbedingt hier haben will.«
»Damit ich wirke wie der privilegierte Sportler, für den die Dekanin mich sowieso schon hält?«
Achselzuckend fährt sich Seb durch seinen blonden Haarschopf. »Vielleicht fällst du dieses Mal bei dem Seminar nicht durch. Kann doch sein, dass du besser abschneidest, weil du weißt, wie so was läuft.« Als erneut Gepolter von oben zu hören ist, verzieht er das Gesicht. »Vielleicht kann Cooper dir ja helfen.«
»Beim letzten Mal, als ich ihn um Hilfe gebeten habe, hätte ich ihn beinahe erstochen. Er ist einfach unmöglich.«
»Mit einem Füller.«
»Ich stehe dazu. Es war versuchte Körperverletzung, und es tut mir nicht leid.«
Seb stößt einen weiteren Seufzer aus. »Vielleicht kann dir jemand Nachhilfe geben. Jedenfalls darfst du das Seminar nicht noch mal verhauen.«
»Nein.« Ich trinke das restliche Bier in ein paar Schlucken aus und stelle die leere Flasche in die Spüle. Die Panik, gegen die ich seit dem Gespräch mit der Dekanin ankämpfe, droht mich einzuholen. Mir ausgerechnet in dem Jahr, das mich als Quarterback ganz nach vorn katapultieren soll, so viele Steine in den Weg zu legen ist fast so schlimm wie eine Verletzung. Mit einer Verletzung könnte ich wenigstens weitermachen. Sie im Laufe der Saison auskurieren. Aber damit? Damit bin ich überfordert.
Coop schlendert verschwitzt in die Küche und wischt sich mit seinem T-Shirt übers Gesicht. »Endlich steht dieser Schreibtisch. Hat ja nur verfluchte vier Stunden gedauert.«
»Du Armer«, sagt Seb betont mitleidig. »Musstest einen Monster-Schreibtisch bezwingen!«
Coop zeigt ihm den Mittelfinger. »Ich wollte euch was vorschlagen.«
Als er unsere langen Gesichter sieht, zögert er. Bei dem Vorschlag geht es bestimmt um eine Party. Aber ich weiß nicht, ob ich dafür jetzt den Nerv habe.
Coop kneift die Augen zusammen. »Okay, mit wem müssen wir es aufnehmen?«
2
Bex
EINER DER VORTEILE im letzten Studienjahr ist, dass man als Erste Zugriff auf die Apartments im Studentenwohnheim hat. So sind Laura und ich an diese Wahnsinns-Suite gekommen. Küchenzeile, Wohnbereich, eigenes Bad, die Schlafzimmer nicht zu dicht beieinander … Da könnte man fast vergessen, dass man anschließend wieder über dem Diner der Familie einziehen muss und den ganzen Tag lang durch die Hölle geht, die dieses Geschäft mit sich bringt.
Was heißt hier »man«? Besser gesagt: ich.
Doch jetzt liege ich erst mal auf der Couch, lasse einen Arm bis fast auf den Boden hängen und die Sandalen an meinen Füßen baumeln. Ich bin gerade von meiner Schicht im Purple Kettle, dem Coffeeshop auf dem Campus, gekommen und total erledigt nach dem Ansturm der angereisten Studenten, die sich alle erst mal mit einem Kaffee stärken oder mit einem Kaltgetränk erfrischen wollen. Am liebsten würde ich mich direkt ins Bett legen, aber Laura besteht noch auf einer Modenschau, und zwar hier im Wohnbereich, weil das Licht da anscheinend besser ist.
»Ach, und dann habe ich noch dieses süße Minikleid«, ruft sie mir von ihrem Schlafzimmer aus zu. »Ich dachte, das wäre vielleicht etwas für heute Abend.«
»Was ist denn heute Abend?«, frage ich, obwohl ich es mir schon denken kann. Es kann sich nur um eine Party handeln, fragt sich bloß, wo. Bei einer Studentenverbindung? Und wenn ja, Bruderschaft oder Schwesternschaft? Oder jenseits des Campus in einem Haus, wo dann auch nur Leute aus solchen Verbindungen rumlaufen?
»Eine Party«, kräht Laura, als sie aus ihrem Zimmer kommt. Ihre High Heels bringen ihre sonnengebräunten Beine perfekt zur Geltung und das schwarze Minikleid klebt an ihren Rundungen wie Tape. Keine Ahnung, warum sie sich dazu Teufelsohren aufgesetzt hat und eine Mistgabel in der Hand hält. »Und anstatt zu sagen, du kommst nicht mit, kommst du einfach mit.«
Manchmal frage ich mich, wie wir beste Freundinnen werden konnten. Nicht, dass ich es für unvorstellbar gehalten hätte, aber es wundert mich schon ein wenig. Laura ist höllisch schlau, aber das College hat für sie eigentlich nur eine soziale Funktion, wohingegen ich, wenn ich nicht gerade fürs Studium lerne oder im Purple Kettle arbeite, bei Abby’s bin. Nur um dort irgendwelche Wogen zu glätten und das Chaos in Grenzen zu halten. Lauras Vater ist ein erfolgreicher Anwalt und ihre Mutter eine ebenso erfolgreiche Ärztin. Laura hat die eine Hälfte des Sommers in Italien verbracht und die andere in der Karibik auf St. Barts. Ich habe den Sommer mit einem gebrochenen Herzen verbracht, Hash Browns serviert und mich mit Lieferanten herumgeschlagen.
Ich mag Laura, aber sie führt ein ganz anderes Leben als ich. Sie ist seit ihrem ersten Studienjahr an der McKee, ich dagegen erst seit dem dritten. Zwei Jahre an der McKee anstatt auf einem College in der Nähe des Familienbetriebs sind das absolute Maximum an Zeit und astronomisch hohen Darlehen, die ich guten Gewissens dafür aufbringen kann. Vielleicht kann ich irgendwann sogar etwas mit dem Abschluss in Wirtschaftswissenschaft und dem stetig wachsenden Portfolio von Fotos anfangen, doch fürs Erste bleibt der Plan bestehen: zurück nach Hause. Diner. Das Geschäft übernehmen, damit meine Mutter sich zurückziehen kann und nicht mehr so tun muss, als ginge es ihr gut genug, um es selbst zu betreiben.
Davon ist sie nämlich weit entfernt, seit Dad aus unserem Leben abgehauen ist.
»Erde an Bex«, unterbricht Laura meinen Gedankengang. »Gefällt es dir?«
Laura hält einen weißen Glitzerfummel mit langem Schlitz und tiefem Ausschnitt hoch.
»Für mich?«
»Klar! Engelsflügel und einen Heiligenschein hab ich dir auch schon besorgt.«
»Ähm … warum?«
»Weil das Motto der Party Engel und Teufel lautet. Hast du überhaupt zugehört?
»Nein«, räume ich ein. »Tut mir leid, aber ich bin echt erledigt.«
Sie lässt die Schultern sinken. »Aber du hast doch gesagt, du willst dieses Jahr mehr soziale Kontakte knüpfen.«
»Soziale Kontakte, aber keinen Auftritt als Victoria’s-Secret-Model.«
Laura verdreht die Augen. »Probier es wenigstens an. Es steht dir bestimmt total gut und deine Brüste werden toll darin aussehen. Alle Männer werden dich absolut heiß finden.«
Also nehme ich das Kleid, weil Laura, so wie ich sie kenne, sonst sowieso keine Ruhe gibt. Dabei habe ich selbst ein weißes Kleid im Schrank, das für diese Party auch seinen Zweck erfüllen würde. »Und warum sollte ich das wollen?«
»Um allen zu zeigen, dass du über Darryl hinweg bist! Das ist die perfekte Gelegenheit. Such dir einen sexy Typen und schmeiß dich ran. Betrink dich. Versuch einfach, Spaß zu haben, Bex, bitte.«
Bei einer unserer vielen FaceTime-Sessions in diesem Sommer habe ich Laura tatsächlich gestanden, dass ich mehr soziale Kontakte will. Aber das war, kurz bevor sich das Thema direkt wieder erledigt hatte, weil ich nach dem Studium wieder zurück nach Hause ziehen werde. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich jemals wieder einen festen Freund haben will. Aber sie hat recht, ich könnte etwas Lockeres mit jemandem anfangen. Nach diesem langen, einsamen Sommer, der so schweißtreibend war, wenn auch leider nicht aus Spaß.
Ich war nie der Typ für was Lockeres, aber es gibt für alles ein erstes Mal.
»Na gut«, sage ich und stehe auf. »Dann probiere ich es mal an.«
Woraufhin Laura jubelnd in die Hände klatscht.
»Aber das heißt nicht, dass ich es auf der Party tragen werde. Oder dass ich überhaupt mitkomme.«
Sie grinst amüsiert. »Vergiss nicht den Heiligenschein.«
Ich gehe in mein Zimmer, und während ich mich in dieses Kleid zwänge – meine Brüste sehen tatsächlich toll darin aus –, werde ich, so dämlich es auch ist, die Hoffnung nicht los, dass Darryl heute Abend auch auf der Party ist. Wenn er mich mit jemand anderem tanzen sieht, kapiert er vielleicht endlich, dass es vorbei ist. Alles andere hat ja nicht geholfen, obwohl er es war, der fremdgegangen ist.
Wie aufs Stichwort leuchtet mein Display auf. Darryl schon wieder. Ich kann kaum glauben, dass ich das mal süß fand. Beunruhigend.
Jetzt könnte ich mir einfach nur noch die Haare raufen.
Du kommst doch heute Abend, oder? Ich vermisse meinen Engel.
Und das Nervigste an seiner Nachricht: Er geht einfach davon aus, dass ich als Engel kommen werde. Wie könnte ich auch ein Teufelchen sein? Vielleicht ist genau das Teil des Problems. Er kann nicht glauben, dass es vorbei ist, weil er gewohnt ist, alles zu bekommen, was er will. Ich habe ihm nicht konsequent genug in seinen Dickschädel gehämmert, dass wir kein Paar mehr sind. Er ist eben ein arroganter Football-Spieler, der sich einbildet, das größte Glück für seine College-Freundin wäre, ihn zu heiraten und ihm während seiner Karriere überallhin zu folgen. So wie es die Hälfte aller NFL-Spielerfrauen macht …
Ich lege die Flügel an und betrachte mich skeptisch im Spiegel meiner Schlafzimmertür. Sehen ziemlich albern aus, diese riesigen, flauschigen Dinger. Damit würde ich normalerweise nicht unter die Leute gehen. Ich setze mir den Heiligenschein auf. Dadurch wirkt das Ganze schon stimmiger. Dazu vielleicht einen geschwungenen Lidstrich und matten Lippenstift mit nachgezogenen Konturen?
Darryl wird um mich rumschwirren wie eine Motte ums Licht. Aber die anderen Jungs hoffentlich auch.
3
James
AUF DEM WEG ÜBER DIE EINFAHRT laufe ich hinter meinen Brüdern her und zupfe an meinem Kragen herum. In dem Haus, das der Bruderschaft gehört, herrscht Festbeleuchtung wie zu Halloween und ich könnte schwören, dass unter meinen Füßen Bässe vibrieren. Coopers Hand schwebt schon über dem Türknauf, als ich ihn zurückhalte, um noch einmal tief Luft zu holen und meinen Kragen zurechtzuziehen.
Im Laufe der Jahre hatte ich mit einer Menge Teamkollegen zu tun. Der erste Eindruck ist immer wichtig, besonders bei den Spitzenspielern. Die meisten habe ich Anfang des Monats schon in einem kurzen Trainingslager kennengelernt, aber das war eine offizielle Sache. Ein Arbeitstreffen sozusagen. Alle wussten, woher ich komme und was ich geleistet habe, also konnten wir direkt mit der Saisonvorbereitung anfangen. Aber eine Privatveranstaltung wie diese Party hier? So etwas ist noch viel wichtiger. Mag sein, dass die Jungs sich auf dem Spielfeld an meine Anweisungen halten, weil sie ein gutes Spiel machen wollen. Aber um sie richtig kennenzulernen und ihr Vertrauen zu gewinnen, müssen wir auch privat miteinander auskommen. Ich muss zu jedem Einzelnen Kontakt aufbauen, als Mannschaftskollege und als Mensch. Welche Fächer studieren sie? Wer wird nächstes Jahr mit mir in der Liga sein und wer hat nach dem Studium andere Pläne? Wer ist noch neu im Team, wer hat gerade erst eine Verletzung hinter sich, wer hat eine feste Freundin, deren Namen ich mir merken sollte? Mich auf dem Feld zu beweisen ist kein Problem. Das habe ich ja mein Leben lang getan. Aber was jetzt kommt, ist einer dieser Alles-oder-nichts-Momente. Während der Saison gehe ich nicht oft auf Partys, deshalb ist diese hier entscheidend.
Und genau jetzt komme ich mir in meinem Anzug ziemlich dämlich vor.
»Wir sehen aus wie ein paar Mafiabosse«, bemerke ich. »Bist du sicher, dass das zum Motto der Party passt?«
Wenn ich jetzt im schwarzen Anzug, mit fast bis zur Brust aufgeknöpftem Seidenhemd und nach hinten gegelten Haaren da aufmarschiere und alle anderen in Shorts und T-Shirts rumlaufen, lege ich meinen Bruder um. Er hat mich sogar zu der Goldkette überredet, die ich sonst nur zu besonderen Anlässen trage. Der einzige Trost ist, dass er genauso lächerlich aussieht.
Coop fährt sich mit der Hand durchs Haar und stößt mich grinsend mit dem Ellbogen an. Keine Ahnung, wie er es schafft, mit dieser Zottelmähne immer wieder durchzukommen. Muss an seinem Status als Starverteidiger der McKee liegen. »Vertrau mir, du siehst genau richtig aus. Oder gibt es etwas Teuflischeres als ein paar Mafia-Killer?«
»Das stimmt wirklich«, pflichtet Seb ihm bei und schüttelt die protzige Uhr an seinem Handgelenk. Wie aus den 80ern. »Das ist das Motto. Bei der Bruderschaft haben sie immer eins. Damit alle möglichst heiß aussehen.«
Coop stößt Seb in die Seite. »Dagegen habe ich nichts einzuwenden!« Und dann an mich gerichtet: »Können wir jetzt endlich reingehen? Oder willst du dich noch weiter verrückt machen?«
Ich straffe die Schultern. »Nein. Gehen wir rein.«
Als die Tür aufschwingt, haut mich die Lautstärke fast um. Überall sind Leute. Aber zum Glück sind alle genauso dämlich angezogen wie wir. Bierpong, Tanzfläche, Strippoker, knutschende Paare, in einer Ecke scheint es fast zur Sache zu gehen … wohl der Standard von Verbindungs-Partys.
Ein paar Typen – vermutlich aus dem Baseball-Team – winken Seb zu, und er geht direkt zum Bierpong-Match. Ein Mädchen mit dem kürzesten Rock, den ich je gesehen habe, himmelt Cooper an, und der folgt ihr direkt auf die Tanzfläche. Ich könnte darauf wetten, sie ist ein Eishockey-Bunny, das nur wegen ihm hier ist. Und ich stehe noch immer im Türrahmen und scanne den Raum nach bekannten Gesichtern.
Ich spüre ein Kribbeln im Nacken und merke, dass mich jemand beobachtet.
Fuck, sie sieht verdammt gut aus. Ein weißer Engel mit flauschigen Federn und goldenem Heiligenschein. Mit einem roten Becher in der Hand lehnt sie an der Wand gegenüber und sieht den Leuten auf der Tanzfläche zu. Rotblondes Haar fällt ihr in Wellen ins Gesicht mit den großen dunklen Augen. Lange, geschmeidige Beine in hochhackigen Schuhen. Magnetisch angezogen von ihrem Blick will ich einen Schritt auf sie zu machen, aber dann ruft hinter mir jemand meinen Namen.
Ich drehe mich um und sehe aus dem Augenwinkel, dass das Mädchen zur Tanzfläche geht.
»Callahan«, höre ich erneut. Und dann erkenne ich ihn: Bo Sanders, ein erfahrener Offensivspieler, der ab dem Herbst auch in der Liga spielen will. Er ist so groß, dass er so gut wie alle auf dieser Party überragt. Nur um es zu verdeutlichen: Ich bin einsneunzig und muss den Kopf heben, um ihm in die Augen zu sehen. Ich freue mich schon darauf, wenn er die gegnerische Verteidigung umnietet. Mit ihm als Rückendeckung in meinem toten Winkel könnte ich mir für einen Pass tagelang Zeit lassen.
Er kommt auf mich zu und drückt mir ein Bier in die Hand. »Schön, dass du hier bist, Mann.«
»Sanders.« Ich klopfe ihm auf die Schulter. »Mensch, du machst im Anzug ja mehr her als die meisten anderen hier.«
Mit seiner dunkelbraunen Haut steht ihm der knallrote Anzug mit Taschentuch in der Brusttasche richtig gut.
»Und das ist bloß mein Vorbereitungs-Outfit«, sagt er. »Warte mal ab, bis ich richtig loslege.«
»Tust du jetzt schon, du siehst wirklich gut aus. Sind die anderen auch hier?«
»Wir sind nebenan und pokern.«
»Aber nicht Strippoker?«, frage ich mit einem Stoßseufzer.
»Als ob du dir dabei irgendwelche Sorgen machen müsstest!«, brüllt er mir über die Schulter zu, während ich hinter ihm hergehe. Ich spüre die hämmernde Musik im ganzen Körper und merke, wie ich schon ein bisschen lockerer werde.
Ich wünschte, mir wären die Blicke der anderen egal, aber so weit bin ich noch nicht. Irgendwie auch klar, wenn man als landesweite Nummer eins der College-Quarterbacks ein neues Revier betritt. Und ich weiß, dass ich obendrein auch nicht gerade schlecht aussehe. Fast alle hier kennen mich. Ich beschwere mich nicht über die weibliche Aufmerksamkeit. Als wir uns an einer Gruppe knapp bekleideter Studentinnen vorbeischieben, steckt eine mir sogar einen Zettel in den Hosenbund, ihre Handynummer wahrscheinlich.
Verlockend, aber eigentlich will ich lieber zurück zu dem rotblonden Engel auf der Tanzfläche.
»Callahan!«, grölt jemand, als Sanders mich vorwärtsschubst. Die meisten der Jungs in diesem Raum kenne ich, was mich etwas beruhigt. Mike Jones, unser Kicker, ist auch hier. Außerdem Demarius Johnson, einer der besten Fänger im College-Football. Darryl Lemieux ebenfalls, ein weiterer Receiver. Und der Neuling Jackson Vetch, mein Ersatzmann als Quarterback.
Doch ich habe nicht vor, ihn auch nur eine Minute zum Einsatz kommen zu lassen. Er kann meine Position in der nächsten Saison einnehmen, wenn ich in der NFL spiele.
Ich setze mich zu der Pokerrunde aufs Sofa neben Darryl. Aber der achtet gar nicht auf die Karten, sondern lässt sich über seine Freundin aus. Oder wohl eher seine Ex-Freundin.
»Finde dich damit ab, dass sie die Nase voll von deinem hässlichen Arschgesicht hat«, sagt Sanders und erntet Gelächter von den anderen Jungs. Dem kann ich nur zustimmen. Bringt doch nichts, über eine Ex herzuziehen, wenn sie nichts mehr mit einem zu tun haben will.
Doch Darryl ist jetzt mein Teamkollege, das heißt, ich muss mich auf seine Seite schlagen.
»Sie merkt bestimmt, was sie an dir hatte, und kommt zurück«, sage ich mit einem Schulterklopfen. »Mach dir keinen Kopf.« Ich trinke einen großen Schluck Bier und fühle mich direkt erfrischt. Aber bei diesem einen Bier wird es an dem Abend auch bleiben.
»Ach was«, sagt Darryl. »Die kann mich mal. Sie war auch nicht besser als die anderen, die ich flachgelegt habe.«
»Sie hat nette Titten«, gibt Fletch, einer unserer Verteidiger, zu bedenken.
»Sie hält sich für was Besseres«, wettert Darryl weiter. »Immer mit irgendwelchem Mist beschäftigt. Da blieb mir doch gar nichts anderes übrig, als mich anderweitig umzusehen.«
Um nicht rauszulassen, wie genervt ich bin, trinke ich noch einen Schluck. Schließlich bin ich noch neu hier und will keinen Ärger machen, aber Arschlöcher wie Darryl waren mir schon immer ein Dorn im Auge. Bo fängt meinen Blick auf und schüttelt unauffällig den Kopf.
Okay, dahinter steckt also noch mehr. Dann halte ich mich vorerst zurück. »Kann ich in die Runde einsteigen?«
Darryl mischt das Kartendeck nachlässig durch. »Sie ist eine verbissene Schlampe, Fletch. Mit der willst du dich gar nicht einlassen.«
Mist. Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig.
»Hey«, sage ich. Offenbar ist mein ernster Tonfall angekommen, denn Fletch, der die Hand nach seinem Bier ausgestreckt hat, hält inne und Demarius sieht von seinem Handy auf. »Ich weiß nicht, wie das vorher hier lief, aber von meinem Team werden Frauen respektiert.«
Darryl setzt schon zur nächsten Tirade an, aber ich hebe direkt die Hand, weil ich mir diesen Müll nicht länger anhören will.
»Auch wenn sie deine Ex ist und nicht nett zu dir war.« Ich sehe ihm in die Augen. »Ist das klar?«
Darryl wirft einen Blick in die Runde und zieht eine Grimasse. »Klar? Was denn genau?«
»Soll ich es dir noch mal sagen?« Ich stelle mein Bier ab und lehne mich betont langsam zurück. »Am besten merkst du dir schon mal, dass ich mich ungern wiederhole.«
Darryl steht auf. In angespannter Haltung, mit vor Wut weißem Gesicht. Auf dem Spielfeld werde ich darauf achten müssen, dass er sich von den Gegnern nicht provozieren lässt. So hitzig, wie er ist, beschert er uns sonst ohne Ende Penaltys. »Wenn du mich belehren willst, dann sag es mir ins Gesicht, anstatt drum herumzureden, Callahan. Das kommt nämlich nicht gut an.«
Ich stehe auch auf. Ist vielleicht dämlich, aber ich stelle zufrieden fest, dass ich ein Stück größer bin als er. Ich gehe so nah an ihn ran, dass ich ihm fast auf die Füße trete. »Wie du willst. Wenn du noch einmal irgendeine Frau als Schlampe oder sonst was in der Art bezeichnest, mache ich dich fertig.«
Er schnaubt verächtlich. »Willst du dich etwa mit mir anlegen?«
»Ich werde mich nicht mit dir anlegen.« Ich richte den Blick auf unsere Teamkollegen, die uns anstarren, als wären wir zwei Wrestler unter Spotlight. »Ich werde dich bloß nicht mehr anspielen.«
Diese Drohung scheint im ganzen Raum nachzuhallen. Natürlich werde ich ihm keine reinhauen, obwohl er es verdient hätte. Aber auf dem Spielfeld ignoriert zu werden? Das ist schlimmer, als auf der Reservebank zu sitzen. Darryl weiß das genauso gut wie ich und wie alle anderen in diesem Raum.
»Scheiße noch mal«, rutscht es Demarius heraus. »Er meint das ernst.«
»Das kannst du nicht machen«, widerspricht Darryl. »Ich bin einer der besten Fänger in diesem Team. Du brauchst mich.«
»Das kann ich nicht machen?« Ich lege den Kopf schief. »Wozu, glaubst du, hat mich der Coach rekrutiert? Als braver kleiner Fußsoldat oder als Captain, verflucht noch mal?«
Darryl klappt den Mund zu.
»Was meint ihr?«, frage ich an die anderen gerichtet. »Warum bin ich wohl für mein letztes Studienjahr hierhergekommen?«
»Damit wir die National Championship gewinnen«, sagt Bo.
»Yeah«, ruft Fletch. »Um den verfickten Sieg zu holen!«
Ich schnippe mit den Fingern und zeige auf ihn. »Genau. Und wenn ihr das wollt, müsst ihr nach meinen Regeln spielen. Kapiert?«
Meine Frage hängt einen Moment lang im Raum. Im Hintergrund hämmern die Bässe. Das ist der Alles-oder-nichts-Moment. Anders, als ich ihn erwartet hatte, aber das ist er. Und wenn ich die Jungs jetzt nicht an Bord kriege, geht die Saison den Bach runter.
Plötzlich sagt Bo: »Ja, verdammt.« Und auch alle anderen nicken zustimmend. Jemand klopft mir auf die Schulter, aber ich halte meinen Blick auf Darryl gerichtet, der aussieht, als wolle er auf mich losgehen.
»Geht klar«, sagt er schließlich. Dann verlässt er den Raum, aber nicht ohne mich dabei anzurempeln.
Himmel noch mal, das Mädchen, das mit ihm zusammen war, kann einem nur leidtun.
4
Bex
VON MEINER ECKE AUS sehe ich, dass sich Laura und ihr Freund auf der Tanzfläche aufführen, als wären sie in den Flitterwochen, nachdem mal wieder fast Schluss gewesen wäre. Jetzt knutschen sie so wild, als wären sie alleine im Raum und würden sich jeden Moment die Klamotten vom Leib reißen.
Ich bin kurz davor, mir diesen unsinnigen Heiligenschein vom Kopf zu reißen und abzuhauen. Lieber draußen in der warmen Sommernacht als hier drinnen, denn das halte ich keine drei Sekunden mehr aus.
Vor einer Weile ist auch Darryl aufgekreuzt, umringt vom halben McKee-Football-Team. Er hat mich noch nicht entdeckt. Zum Glück! Hier in der Ecke konnte er mich nicht sehen, als ich mich mit einer Kommilitonin unterhielt, die ich durch Laura kenne und mit der ich mich inzwischen auch angefreundet habe. Aber obwohl er direkt in einen der anderen überfüllten Räume gegangen ist, spüre ich seine Gegenwart.
Letztes Semester war das so ziemlich das Beste an unserer Beziehung. Zu wissen, dass er da ist, auch wenn wir gar nicht nebeneinanderstanden. Ich brauchte mich nur umzudrehen, um zu wissen, dass er mich im Auge behielt, auch dann, wenn er gerade mit seinen Freunden redete. Und immer wenn ich zu einem seiner Spiele gekommen bin, hat er mich irgendwann entdeckt und mir zugezwinkert.
Damals war das Kribbeln auf meiner Haut ein angenehmes Gefühl. Aber jetzt? Meine Haut kribbelt noch immer, aber nicht mehr, weil er in der Nähe ist, sondern weil ich genervt bin und das Ganze nur noch peinlich finde.
Wäre ich doch bloß nicht zu dieser Party gegangen!
Ich weiß gar nicht, was ich schlimmer finde, die Aussicht darauf, dass er jeden Moment betrunken neben mir auftaucht und mich mit dem üblichen Süßholzgeraspel wieder ins Bett kriegen will. Oder dass er sich von irgendeinem Football-Groupie aus einer der Studentinnenverbindungen anflirten lässt. Ich weiß ja, wie schnell er rumzukriegen ist, wenn ihm eine erzählt, sie sei sein größter Fan.
Die Tür am anderen Ende des Raums geht auf, und drei Typen in schwarzen Anzügen kommen rein. Zwei dunkelhaarige und ein blonder. Der Blonde stürzt sich direkt ins Partygeschehen, und der Dunkelhaarige mit dem Bart und dem verwegenen Grinsen lässt sich von einem Mädchen auf die Tanzfläche ziehen. Bleibt noch der Dritte. Und genau er ist mir als Erster ins Auge gefallen. Im Gegensatz zu dem anderen Dunkelhaarigen, vermutlich sein Bruder, trägt er keinen Bart. Ich kann meinen Blick kaum von den perfekten Konturen seines Gesichts losreißen und von seinen dichten Locken, die ihm tief in die Stirn fallen. Er ist groß und scheint ziemlich durchtrainiert, und die Art, wie er sich umsieht … als würde er blitzschnell alles registrieren.
Inklusive mir.
Als sein Blick sich auf mich richtet, gerate ich ein bisschen aus dem Konzept und versuche, mich so lässig wie möglich zu geben. Dann geht Bo Sanders, einer von Darryls Teamkollegen, zu ihm und klopft ihm auf die Schulter. Heißt das, er spielt auch Football? Wenn ja, kann er nur neu hier sein, denn ich habe ihn noch nie gesehen. Und durch Darryl kenne ich eigentlich alle, die in der letzten Saison dabei waren.
Ich trinke den Rest meines lauwarmen Biers und gehe zur Tanzfläche. Jemand tritt mir auf den Fuß und ich stolpere gegen Laura. Kichernd reißt sie mich in ihre Arme. »Bex! Du hast doch auch richtig Spaß, oder?!«
Barry drückt mir noch ein Bier in die Hand. »Ist kalt«, schreit er überflüssigerweise.
Immerhin ist es nicht so lauwarm wie das letzte, also trinke ich noch einen Schluck. Laura hält mich immer noch fest, gibt mir einen Kuss auf die Wange und wirbelt mich herum, wobei mir der Duft ihres Orangenblütenparfums und ihre Bierfahne entgegenwehen.
»Also«, sage ich. »Ich mache mich jetzt auf den Weg.«
Sie verzieht ihre noch immer mattschwarzen Lippen zu einem Schmollmund. »Was? Auf keinen Fall. Es geht doch gerade erst richtig los.«
»Darryl ist hier.«
»Darryl?«, schreit sie. »Wo?«
Mir zieht sich schon der Magen zusammen. Ich nehme sie ein Stück beiseite. »Nicht so laut! Sonst beschwörst du ihn noch hierher.«
Sie bleibt wie angewurzelt stehen. Obwohl sie ziemlich beschwipst ist, mustert sie mich mit klarem Blick. »Das ist doch in Ordnung, Bex. Du musst ihm nicht aus dem Weg gehen. Zeig ihm einfach, dass du gut drauf bist.«
Mir bricht fast die Stimme. »Und wenn das gar nicht so ist?«
Offenbar hört sie mir an, wie sehr mich das fertigmacht, denn sie wirft Barry einen entschuldigenden Blick zu und zieht mich ein Stück weiter von der Tanzfläche weg. Wir gehen die Treppe hinauf und vorbei an ein paar Pärchen, die in dem schummrigen Licht auch ganz vergessen haben, dass sie nicht alleine sind, bis Laura vor einer Tür stehen bleibt und mit der Faust dagegenhämmert. Von drinnen ruft jemand, wir sollen abhauen, aber Laura reißt die Tür auf: ein Badezimmer, wo sich ein Typ mit nacktem Oberkörper gerade die Hose hochzieht und ein Mädchen sich sein schwarzes Kleid ohne BH darunter zurechtrückt.
»Was soll das denn?«, kreischt sie.
»Raus hier!«, gibt Laura so energisch zurück, dass die beiden gar nicht erst eine Diskussion anfangen. Laura zieht mich zur Badewanne und drückt mich auf den Rand, damit ich mich setze. Dann schließt sie die Tür ab und lehnt sich dagegen. Sie pustet sich die Haare aus der Stirn und holt tief Luft.
»Willst du wieder mit ihm zusammen sein?«, fragt sie.
»Nein!«, antworte ich wie aus der Pistole geschossen.
»Liebst du ihn noch?«
»Um Gottes willen, nein!«
»Gut. Er ist nämlich ein Arsch. Lässt sich mit irgendwelchen Groupies ein, die allem hinterherjagen, was Stollen unter den Schuhen hat.«
Ich verziehe das Gesicht. Nachdem ich letzten Frühling zufällig all diese eindeutigen Fotos auf seinem Handy entdeckt hatte, gab das unserer Beziehung, mit der es sowieso schon bergab ging, den Rest. Kennengelernt hatte ich Darryl in meinem ersten Semester an der McKee auf so einer Party wie dieser. Nach der Highschool zum ersten Mal einen festen Freund zu haben war aufregend. Während der Football-Saison war alles ganz einfach. So beschäftigt, wie Darryl war, hatte er kein Problem damit, dass ich auch viel zu tun hatte. Hauptsache, ich war bei seinen Heimspielen dabei. Doch als die Saison schlecht für das Team lief und sich das Studienjahr dem Ende näherte, hing er wie eine Klette an mir. Er wurde nervig – und betrog mich obendrein auch noch ständig.
Daraufhin machte ich ihm klar, dass ich mich von ihm trennen wollte. Trotzdem bombardierte er mich den ganzen Sommer lang mit Textnachrichten und Anrufen, weil er offenbar dachte, er könnte mich umstimmen. Darryl Lemieux kennt eben kein Nein, erst recht nicht von Frauen.
Und jetzt geht mir ausgerechnet auf so einer schlechten Party wie dieser der ganze Abstand flöten, den ich im Sommer mühevoll aufgebaut hatte, als Darryl zu Hause in Massachusetts war und ich in New York.
»Ich weiß selbst, dass er ein Arsch ist«, sage ich. »Ich will ja auch gar nicht … Aber ich habe einen Horror davor. Verstehst du? Er will alles wieder geradebiegen und sobald er merkt, dass es nichts bringt, wird er sich total kindisch aufführen. So hat er es doch die ganze Zeit gemacht. Wenn er nicht kriegt, was er will, kann er verdammt nervig werden. Als ob er der Allergrößte wäre, bloß weil er einen Football fangen kann.«
Laura setzt sich neben mich auf den Wannenrand. Angewidert dreht sie sich um. »Ihh! Hier müsste mal jemand sauber machen. Sieht ja furchtbar aus. Aber schicke Dusche.«
Ich gebe ein schwaches Lachen von mir. »Wäre es dir nicht lieber, in so einem Haus zu wohnen anstatt mit mir im Studentenwohnheim?«
»Garantiert nicht! Da müsste ich ständig mein Glätteisen vor diesen Geiern verstecken. Mit meiner besten Freundin zusammenzuwohnen ist mir eindeutig lieber.«
Ich stupse sie mit der Schulter an. »Ich fahre jetzt nach Hause. Noch viel Spaß mit Barry!«
Laura mustert mich skeptisch. »Bist du sicher, dass du dir allein ein Taxi nehmen willst? Das wird ziemlich teuer.«
»Überlege ich mir noch.« Dabei fluche ich jetzt schon im Stillen vor mich hin. Sie hat ja recht. Ein überteuertes Taxi für eine Fahrt von gerade einmal einer Viertelstunde verschlingt fast alles, was ich heute mit meiner Schicht im Purple Kettle verdient habe. Auf dem Hinweg hatte ich das Glück, dass ich in dem Taxi mitfahren konnte, das Barry bezahlt hat.
»Okay«, sagt Laura und nimmt mich noch mal in den Arm. »Aber ruf an, sobald du zu Hause bist. Und hier gehst du am besten hinten raus.«
Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange und löse mich aus ihrer Umarmung. Dann schiebe ich mich auf dem Weg zur Terrasse durchs Gedrängel.
»Bex.«
Verblüfft drehe ich mich um – und pralle fast gegen Darryl.
»Hey«, sagt er und hält mich an den Schultern fest. Mit sanftem Druck natürlich. »Na endlich! Ich dachte schon, du kommst nicht mehr. Was willst du trinken, Baby?«
Ich schließe kurz die Augen. Sofort setzt mein Fluchtreflex ein, aber ich zwinge mich, ruhig stehen zu bleiben. »Ich wollte gerade …«
»Ach, ich weiß schon«, fällt er mir ins Wort und schnippt mit den Fingern. »Vodka Soda.«
Komplett daneben. Wenn ich mal etwas anderes trinke als Bier oder Wein, dann meistens Rum Cola. Ich will an ihm vorbeigehen, aber er legt mir einen Arm um die Taille und streicht mit den Fingern an meinem Ausschnitt entlang.
»Darryl!«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Ich wusste, du würdest noch kommen«, redet er weiter. »Du siehst toll aus, Baby. Bin froh, dass du mir heute Abend den Gefallen getan hast.«
Ich schiebe seine Hand weg. »Hab ich nicht.«
Aus dem Augenwinkel sehe ich ihn. Den dunkelhaarigen Typen von vorhin. Stirnrunzelnd beobachtet er uns. Dann kommt er einen Schritt auf uns zu.
»Eigentlich bin ich wegen ihm hier.«
Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. Ich reiße mich von Darryl los, gehe zu diesem Typen und lege ihm die Arme um den Hals. Und dann … dann küsse ich ihn.
Auf den Mund. Holy Shit, was für ein Kuss!
Obwohl er bestimmt überrascht ist, erwidert er ihn. Seine Arme legen sich fest um meine Taille und sein warmer Körper presst sich an meinen. Er vertieft den Kuss sogar. Seine Zunge fährt über meine Lippen und ich öffne sie, lasse es zu, dass er mich weiter küsst, bis mir der Atem stockt und mir ganz warm wird. Er riecht holzig, offenbar nach einem Rasierwasser mit Pinienduft. Und seine Hände sind groß und wandern langsam über meinen Körper. Nach einer halben Sekunde Luftholen küsse ich ihn noch mal. Eigentlich zum Abschied. Weil ich danach weglaufen will. Aber er zieht mich fester an sich und erforscht meinen Mund mit seiner Zunge, dass mir erneut die Luft wegbleibt.
Dieser Kuss – von einem Fremden – ist besser als alle Küsse vorher mit Darryl. Dieser Typ kann das unglaublich gut – als würde er Tag für Tag nichts anderes tun. Am liebsten würde ich den ganzen Abend damit verbringen.
Er neigt den Kopf ein bisschen und flüstert mir ins Ohr: »Wie heißt du denn, Sweetheart?«
Damit ist es vorbei. Mag Laura mir noch so oft einreden, ich wäre mit was Lockerem besser dran. Ich kann das nicht. Ich bin nicht dafür gemacht. Und ich werde mich nicht auf die nächste zum Scheitern verurteilte Beziehung einlassen, selbst wenn er höllisch gut küsst und so gut riecht wie ein ganzer Wald. Ich löse mich aus seiner Umarmung und mache einen Schritt zurück. Sofort sehnt sich mein Körper nach seiner Berührung, und trotz der stickigen Luft in diesem überfüllten Raum wird mir plötzlich kalt. Die hämmernde Musik dringt kaum noch zu mir durch.
Ich drehe mich um und steuere auf die Tür zu.
»Warte«, höre ich ihn im selben Moment, als Darryl meinen Namen ruft.
Mist. Was zum Teufel habe ich da gerade getan?