Beziehungskompetenz - Peter Witt - E-Book

Beziehungskompetenz E-Book

Peter Witt

0,0

Beschreibung

Die Grundlagen bzw. die Funktionsweisen der Ökonomie sind nicht voraussetzungslos, sondern vielmehr sozialer Natur: Der Wirtschaftskreislauf, die durch ihn konstituierten Geld- und Güterflüsse sowie die ökonomischen Institutionen insgesamt basieren auf Beziehungen, über die sich auch Erwartungs-, Regel- und Vertrauensbildung sowie andere ökonomische Zusammenhänge erklären lassen. Die Kenntnis der Wirkungsweisen sowie der soziologischen, psychologischen und ökonomischen Implikationen von Beziehungen ist damit zentral für das Verständnis einer Ökonomie; darum dreht sich dieses interdisziplinäre Einführungswerk und thematisiert dabei, wie Digitalisierung, Pandemie und sonstige gesellschaftliche Krisen auf das Eingehen und Aufrechterhalten von Beziehungen zurückwirken.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 450

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Peter Witt

Beziehungskompetenz

Soziale Bindung in Zeiten von Digitalisierung und gesellschaftlichen Krisen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-043368-7

E-Book-Formate:

pdf:         ISBN 978-3-17-043369-4

epub:      ISBN 978-3-17-043370-0

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhalt

Vorwort

Teil 1   Warum Beziehungskompetenz unsere wichtigste Ressource ist

1            Der Mensch als soziales Wesen

2            Der Mensch als emotionales Wesen

3            Die Folgen nicht gelingender menschlicher Beziehungen

4            Soziale Beziehungen in den Wirtschaftswissenschaften

Teil 2   Was gelingende soziale Beziehungen erschwert

5            Die Digitalisierung der Welt

6            Pandemien und gesellschaftliche Krisen

7            Die zunehmende Mobilität des Individuums

Teil 3   Mit welchen Menschen wir gelingende Beziehungen brauchen

8            Unsere Beziehung zu den eigenen Eltern

9            Unsere Beziehung zum Partner

10         Unsere Beziehung zu den eigenen Kindern

11         Unsere Beziehung zu Freunden

12         Unsere Beziehung zu Verwandten, Kollegen, Nachbarn und Bekannten

Teil 4   Die Bestandteile der Beziehungskompetenz

13         Verständnis und Mitgefühl

14         Gute Kommunikation

15         Einhalten von Reziprozität

Teil 5   Der Umgang mit typischen Hemmnissen für gelingende Beziehungen

16         Zeitmangel

17         Interessen- und Verteilungskonflikte

18         Beziehungen, die Ihnen nicht guttun

Anhang

Literaturverzeichnis

Über den Autor

Vorwort

Dieses Buch will die Prinzipien und die erlernbaren Fähigkeiten herausstellen, mit denen wir bessere Beziehungen zu anderen Menschen unterhalten können. Die gute Nachricht ist, dass die Wissenschaft in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht hat, wenn es um die Erklärung von Beziehungskompetenz geht. Dank der neueren Erkenntnisse aus Psychologie, Neurobiologie, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften wissen wir heute deutlich besser Bescheid, wie Menschen miteinander in Beziehung treten. Wir wissen auch, wie wichtig gute soziale Beziehungen nicht nur für ein erfolgreiches Wirtschaften und ein erfolgreiches Berufsleben, sondern für ein gelingendes und glückliches Leben insgesamt sind.

Beziehungskompetent zu sein, ist für unser Leben mindestens ebenso wichtig wie über Fachwissen, Methodenkompetenzen oder digitale Kompetenzen zu verfügen. Der Mensch ist auch in der modernen Zeit immer noch ein Herdentier, ein soziales Wesen. Ohne gute Beziehungen zu Familienmitgliedern, Freunden und Kollegen können wir nicht überleben. Manche Menschen haben diesbezüglich Glück. Sie verfügen über ein angeborenes Talent für soziale Beziehungen. Sie sind verträglich, extrovertiert und kommunikationsstark. Sie können gut zuhören, zeigen Einfühlungsvermögen und finden schnell Freunde. Anderen Menschen fallen soziale Beziehungen jedoch schwerer. Sie sind eher introvertiert oder weniger verträglich. Allein fühlen sie sich wohler als in Gesellschaft. Aber auch solche Menschen brauchen gelingende Beziehungen. Und die gute Nachricht lautet, dass Beziehungskompetenz nicht nur auf angeborenen Eigenschaften beruht, sondern erlernbar ist.

Überraschenderweise kommt Beziehungskompetenz in Lehrplänen oder Ausbildungsprogrammen aber kaum vor. Obwohl die Wissenschaft eindeutig gezeigt hat, dass soziale Fähigkeiten wie Kommunikation, Empathie, Mitgefühl und Reziprozität erlernbar sind und sich durch regelmäßiges Einüben deutlich verbessern lassen, ist das Thema bei vielen Menschen nur wenig präsent. Dieses Buch will daher die Erkenntnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zum Thema Beziehungskompetenz zusammentragen und anschaulich aufbereiten. Es will Ihnen helfen, Ihre persönliche Beziehungskompetenz zu verbessern. Wir untersuchen dazu zunächst, warum aktuelle gesellschaftliche Phänomene wie Digitalisierung, Krisen und zunehmende Mobilität gelingende Beziehungen zu anderen Menschen eher erschweren und was Sie dagegen tun können. Danach nehmen wir verschiedene soziale Beziehungen in den Blick und betrachten ihre jeweiligen Besonderheiten. Das Buch geht schließlich auf die Frage ein, wie Sie mit typischen Hemmnissen für gute Beziehungen zu anderen Menschen umgehen können, zum Beispiel Zeitmangel, Interessenkonflikte oder schwierige Persönlichkeiten.

Mich haben beim Schreiben dieses Buches mehrere Menschen unterstützt. Dafür möchte ich ihnen sehr herzlich danken. Der größte Dank gebührt meiner Frau Andrea Witt und meinen drei Töchtern, die verschiedene Kapitel des Buches sorgfältig gelesen und mir viele Verbesserungshinweise gegeben haben. Von meinem langjährigen Freund Dr. Rainer Schmidt habe ich besonders viel über die Prinzipien und die Herausforderungen eines gelingenden menschlichen Miteinanders gelernt. Frau Dr. Rachel Hagemann verdanke ich Einsichten in die modernen Erkenntnisse der Psychologie, deren Wert für soziale Beziehungen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Wer die Psychologie des Menschen nicht richtig versteht, der kann auch den Mensch als soziales Wesen nicht richtig verstehen. Mein ehemaliger Doktorand, Herr Dr. Biyon Kattilathu, zeigt mir (und seinen vielen Followern) seit vielen Jahren, wie sich soziale Beziehungen verbessern lassen. Auch ihm verdanke ich viele gute Erkenntnisse, die in dieses Buch eingeflossen sind. Herrn Dr. Uwe Fliegauf vom Kohlhammer Verlag danke ich für das professionelle Lektorat sowie die immer sehr angenehme Zusammenarbeit bei der Drucklegung dieses Buches.

Ich widme dieses Buch meinen wichtigsten sozialen Beziehungen, also meiner engeren Familie. Sie besteht aus meine Mutter Joukje Witt, meinem Bruder Frank Witt, meinen Töchtern Laura Witt, Julia Witt und Alexandra Witt sowie meiner Frau Andrea Witt. Ich bin sehr dankbar, dass es sie alle gibt. Und ich hoffe, dass ich den in diesem Buch genannten Prinzipien guter sozialer Beziehungen im Umgang mit ihnen zumindest annähernd gerecht werde.

Euskirchen, im November 2022

Peter Witt

Teil 1    Warum Beziehungskompetenz unsere wichtigste Ressource ist

1         Der Mensch als soziales Wesen

Soziale Beziehungen sind für uns wichtiger als alles andere

In einer bemerkenswerten Studie hat die australische Autorin Bronnie Ware Sterbende befragt, was sie am meisten bereuen, wenn sie auf ihr Leben zurückblicken (Ware 2015). Das daraus entstandene Buch ist nicht nur ein weltweiter Bestseller, weil es so berührende individuelle Geschichten erzählt. Es enthält eine zentrale Erkenntnis, die ich so zusammenfassen würde: Der Mensch ist ein soziales Wesen. Beziehungen zu anderen Menschen sind für uns wichtiger als alles andere. Wenn wir sie im Laufe unseres Lebens vernachlässigen, dann bereuen wir das am Ende. Es gibt für uns starke Zwänge, uns an gesellschaftliche Erwartungen anzupassen, viel zu arbeiten und unsere Gefühle zurückzustellen. Aber wir sollten diesen Zwängen widerstehen. Wer sich nicht genug um gelingende soziale Beziehungen bemüht, der setzt die falschen Prioritäten. Damit wir nicht am Ende unseres Lebens bereuen müssen, was dann nicht mehr zu ändern ist, sollten wir uns rechtzeitig im hier und jetzt um gute Beziehungen zu unseren Mitmenschen kümmern. Wir sollten einsehen, dass wir soziale Wesen sind und dass unsere Beziehungen zu anderen Menschen wichtiger sind alles andere.

Die von Bronnie Ware befragten Menschen waren durchweg Palliativpatienten, also unheilbar Kranke. Obwohl Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft dabei waren, ergab sich doch ein erstaunlich einheitliches Bild. Die Sterbenden nannten immer wieder fünf Versäumnisse. Sie bereuten, sich selbst nicht treu geblieben zu sein, also eher so gelebt zu haben, wie andere es von ihnen erwarteten. Sie hätten gerne ihren Gefühlen mehr Ausdruck verliehen. Sie wünschten, sie hätten sich mehr Freude gegönnt. Am wichtigsten erscheinen mir jedoch das vierte und das fünfte Versäumnis. Die Befragten bereuten, dem Kontakt zu Freunden nicht gehalten zu haben. Sie bereuten, so viel gearbeitet zu haben. Die Menschen hatten am Ende ihres Lebens das Gefühl, nicht die richtigen Prioritäten gesetzt zu haben. Sie fühlten sich einsam. Ihnen wurde bewusst, sich zu viel um ihre Arbeit und zu wenig um ihre Freunde gekümmert zu haben. Einsamkeit ist das Gefühl, im Leben ganz allein dazustehen.

Es wird immer schwieriger, die richtige Balance zwischen Berufsleben und Privatleben zu finden. Ein Grund ist die Digitalisierung unserer Gesellschaft. Wir werden uns im fünften Kapitel dieses Buches noch detailliert damit befassen. Digitalisierung führt dazu, dass viele von uns beruflich »always on« sind. Wir erhalten auch nach Feierabend noch dienstliche Anrufe und können jederzeit und von überall unsere E-Mails bearbeiten. Wer im Homeoffice ist, kann die Trennlinie zwischen Berufs- und Privatleben eigentlich gar nicht mehr richtig ziehen. Auch dazu später noch mehr. Ein weiterer Grund, warum Menschen, die viel arbeiten, ihre Freundschaften zu wenig pflegen, ist Zeit. Wer viel arbeitet, hat einfach wenig Zeit für andere Dinge. Und wenn viel arbeitende Menschen mal Zeit haben, sind sie zu müde, um noch irgendetwas anderes zu machen. Das gilt sogar gegenüber dem Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin. Es ist ein häufig beobachtetes Phänomen, dass viel arbeitende Menschen ihre Partner vernachlässigen und irgendwann geschieden werden (Karsten 2005, S. 113).

Das alles wirft die Frage auf, warum so viele Menschen den Schwerpunkt ihres Lebens auf die Arbeit legen und darüber Freundschaften und Familie vernachlässigen. Soziologen haben dieses Verhalten mit protestantischer Arbeitsethik, mit Konsumstreben oder mit Wachstumserfordernissen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung zu erklären versucht (Rosa 2019, S. 397). Aus psychologischer Sicht wird das menschliche Bedürfnis nach Anerkennung und sozialem Status genannt, aber auch das Grundstreben, »eine Arbeit um ihrer selbst willen gut zu machen« (Rosa 2019, S. 395). In manchen Branchen und Berufsgruppen, z. B. bei Investmentbankern, Rechtsanwälten oder Unternehmensberatern, gehört es geradezu zum idealen Selbstbild, viel zu arbeiten und nie frei zu haben. Von Karl Lagerfeld stammt das berühmte Zitat, dass Freizeit nur für die Menschen relevant ist, die einen langweiligen Beruf haben. Und in der Tat trägt ein erfülltes Berufsleben sehr zu einem gelingenden Leben bei. Der Beruf vermittelt selbst soziale Beziehungen, zum Beispiel zu Kolleginnen und Kollegen oder zu Geschäftspartnern. In manchen Fällen werden aus Kolleginnen und Kollegen sogar Freunde. Aber alles das ist nicht genug. Und es ist auch riskant, sein soziales Leben nur in der Arbeit zu verorten.

Wer sein Selbstwertgefühl und den Großteil seiner sozialen Kontakte aus seiner Arbeit bezieht, der leidet besonders stark, wenn er in den Ruhestand geht. Bronnie Ware erzählt die erschütternde Geschichte eines Mannes, der seine ganze Zeit in seinen Beruf gesteckt hatte, während ihm seine Frau »den Rücken freihielt«. Er liebte seine Frau und plante, nach seinem Ruhestand dann ganz viel Zeit mit ihr zu verbringen. Es kam, wie Sie sich schon denken können, ganz anders. Die Frau verstarb drei Monate vor Beginn des Ruhestands ihres Mannes. Er musste seinen Ruhestand allein verbringen. Sein Fazit kurz vor dem Sterben lautete: »Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet. Was für ein Trottel ich gewesen bin. Jetzt bin ich ein einsamer alter Mann und liege im Sterben« (Ware 2015, S. 110). Statistisch wahrscheinlicher ist übrigens ein anderes Ende dieser Geschichte. Der viel arbeitende Mensch stirbt kurz nach seinem Ruhestand, nicht der Ehepartner. Es macht also auch aus diesem Grund keinen Sinn, alle sozialen Beziehungen auf die Zeit der Pensionierung zu vertagen.

Noch größer ist der Schock bei einem Arbeitsplatzverlust, durch Krankheit oder durch Kündigung. Unter ihm leiden alle Menschen sehr stark. Das liegt gar nicht so sehr an dem geringeren Einkommen. Arbeitslosigkeit führt zu einem Verlust an sozialem Status und zu einem Verlust an sinnstiftender Beschäftigungsmöglichkeit. Menschen, die sich überwiegend oder sogar ganz über ihren Beruf definiert und deshalb nur wenige außerberufliche Beziehungen unterhalten haben, trifft der Verlust des Arbeitsplatzes besonders hart. Sie verlieren nicht nur eine für sie erfüllende Beschäftigung und die Quelle ihres Ansehens in der Gesellschaft. Sie verlieren vor allem soziale Beziehungen. Betroffene haben ihre Erfahrungen so beschrieben: »Man gehört nicht mehr dazu. Drei Monate später haben alle vergessen, dass man existiert.« (Karsten 2005, S. 119) Hartmut Rosa hat es akademischer, aber ebenfalls sehr einprägsam so formuliert: »Wer seinen Resonanzdraht zur Welt auf eine einzige Achse konzentriert, verfügt im Falle ihres krisenhaften Verstummens über keine Ersatzquellen und deshalb über keine oder wenig Resilienz« (Rosa 2019, S. 400). Wir sollten demnach tunlichst die Verhaltensweisen vermeiden, die plötzlich Arbeitslose oder Sterbende rückblickend am meisten bereuen. Wir sollten nicht zu viel arbeiten und wir sollten unsere Freunde nicht vernachlässigen.

Zum Begriff der Beziehungskompetenz

Der Begriff der Kompetenz wird in unterschiedlichsten Zusammenhängen verwendet. Wir sprechen an Schulen und in der universitären Lehre von fachlichen und von kommunikativen Kompetenzen, die wir jungen Menschen mitgeben wollen. In der Unternehmenswelt wird sehr viel über Führungskompetenz geredet. Seit einiger Zeit gibt es die Begriffe Medienkompetenz und digitale Kompetenz (Welpe et al. 2018 und König et al. 2022). Auch der Ausdruck »kompetent sein« ist weit verbreitet. Wir sprechen von kompetenten Handwerkern, Lehrerinnen, Fußballtrainern oder Zahnärztinnen. Um das Ausmaß der Kompetenz eines Menschen in einem konkreten Bereich erfassen zu können, sind verschiedene Verfahren der Kompetenzmessung entwickelt worden (Erpenbeck et al. 2017). In allen Messungen des Begriffs »Kompetenz« kommen Fachwissen, Erfahrung und Anwendungsfähigkeit vor. Wer kompetent in einem bestimmten Gebiet ist, der kennt sich in diesem Gebiet nicht nur theoretisch aus, sondern kann sein Wissen auch auf konkrete Problemlösungen anwenden.

Kompetenz besteht aus einer Kombination von spezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Der etwas altmodische Ausdruck der Fertigkeit bezeichnet dabei die praktische Realisierung von Fähigkeiten in Form von konkreten Handlungen (König et al. 2022, S. 21). Der Einfachheit halber werden wir in diesem Buch immer nur von Fähigkeiten oder Kompetenzen sprechen, die entsprechende Fertigkeit ist damit immer mitberücksichtigt. Das Wort Beziehungskompetenz beschreibt dann die Fähigkeiten eines Menschen, gute soziale Beziehungen zu anderen Menschen zu unterhalten und neue einzugehen. Man könnte auch von Sozialkompetenz sprechen. Wesentliche erlernbare Bestandteile der Beziehungskompetenz sind Empathie und Mitgefühl, Kommunikationsfähigkeiten sowie das Einhalten von Reziprozität. Wir werden auf alle Komponenten in späteren Kapiteln noch detailliert zu sprechen kommen.

Es gibt darüber hinaus auch angeborene Eigenschaften, die Menschen mehr oder weniger beziehungskompetent machen. Ein Beispiel ist die Verträglichkeit, um die es im folgenden Abschnitt gehen wird. Verträglichkeit wird mit Begriffen wie Kooperationsbereitschaft, Altruismus und Freundlichkeit umschrieben. Sie kann nicht erlernt werden. Jedoch sollte sich jeder Mensch ein Gefühl dafür verschaffen, wie die Verträglichkeit bei ihm ausgeprägt ist. Anzeichen, dass sie nicht sehr stark ausgeprägt ist, sind Streitsucht, Misstrauen gegenüber anderen Menschen und Egozentrik. Dann liegt eine gewisse soziale Schwäche vor, die jedoch durch erlernbare Verhaltensweisen weitgehend kontrolliert und kompensiert werden kann. Ähnliches gilt für ein anderes angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, die Extraversion. Der Begriff bezeichnet Begeisterungsfähigkeit, Geselligkeit und Personenorientierung. Wer diese Eigenschaften hat, tut sich in sozialen Beziehungen leichter. Introvertierte Menschen fühlen sich in Gesellschaft mit anderen Menschen eher unwohl, sie sind lieber allein. Sie werden weniger soziale Kontakte haben als Extrovertierte. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie zwingend beziehungsinkompetent wären. Introvertierte können durchaus gute soziale Beziehungen zu ihren Eltern, ihren Partnern, ihren Kindern und ihren (wenigen) Freunden unterhalten.

Beziehungskompetenz wird in den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen unterschiedlich stark berücksichtigt. Traditionell große Bedeutung hat sie in der Pädagogik (Koch/Baer 2020). Dort geht es um die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern. Es ist klar nachgewiesen, dass der Lernerfolg von Kindern von der Beziehungsqualität zu ihren Lehrern abhängt. Folglich müssen Lehrerinnen und Lehrer beziehungskompetent sein. Es reicht im Lehrberuf nicht aus, nur fachkompetent zu sein. Ähnliches gilt in der Psychologie. Es steht außer Frage, dass Kinder für eine gesunde psychische Entwicklung vertrauensvolle Beziehungen zu mindestens einem Elternteil brauchen. Dementsprechend steht eigentlich auch außer Frage, dass für die Übernahme der Elternrolle Beziehungskompetenzen erforderlich sind. Sie werden allerdings nicht wie bei Lehrerinnen und Lehrern in einer Ausbildung vermittelt. Wir hoffen vielmehr darauf, dass sie instinktiv angelegt und damit in jedem Menschen grundsätzlich vorhanden sind. Für gelingende Partnerschaften, denen sich die psychologische Forschung natürlich auch intensiv gewidmet hat (vgl. Roediger et al. 2013), sind ebenfalls Beziehungskompetenzen erforderlich, allerdings erneut nicht in Form einer abzulegenden Ausbildung oder eines vor Eingehen einer Partnerschaft vorzulegenden »Beziehungsführerscheins«. Auch hier hoffen viele darauf, dass sie es schon irgendwie hinkriegen. Besser wäre es jedoch, sich explizit mit dem Phänomen Beziehungskompetenz zu beschäftigen und zu versuchen, seine eigenen Beziehungsfähigkeiten zu verbessern. Genau dabei soll dieses Buch helfen.

Die Soziologie befasst sich »hauptamtlich« mit Beziehungen zwischen Menschen und Institutionen, geht dabei allerdings selten explizit auf Fragen der Beziehungskompetenz, also der Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen ein (vgl. z. B. Rosa 2019). In den Rechts- und den Wirtschaftswissenschaften kommt Beziehungskompetenz ebenfalls nur in Ausnahmefällen vor. Beide Disziplinen nehmen traditionell rational handelnde Akteure an, die auf Märkten oder in Institutionen miteinander agieren. Im Vordergrund stehen dabei rechtlich geregelte und wirtschaftlich motivierte Transaktionen, für die keine soziale Beziehung erforderlich ist. Vereinzelt gibt es jedoch Studien mit expliziter Berücksichtigung von sozialen Beziehungen, Beziehungsqualität und Beziehungskompetenz. So verweist Uzzi (1999) darauf, dass die meisten wirtschaftlichen Transaktionen sozial eingebettet sind, also nicht zwischen anonymen Marktpartnern erfolgen, sondern innerhalb von sozialen Beziehungen zwischen Menschen. In diesen Fällen ist Beziehungskompetenz auch für wirtschaftlichen Erfolg wichtig. Ganz zweifellos gilt das für den persönlichen Verkauf. Die Forschung hat gezeigt, dass wir eher etwas von Menschen kaufen, die uns sympathisch sind, mit denen wir also eine gute persönliche Beziehung aufbauen konnten (Cialdini 2007). Gute Verkäuferinnen oder Verkäufer haben nicht nur hohe fachliche Kompetenzen, sie verfügen immer auch über Beziehungskompetenz. Dasselbe trifft auf Führungskräfte zu. Ihr Erfolg hängt nicht nur von Fachkenntnissen ab, sondern ganz maßgeblich auch von sozialen Kompetenzen im Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern.

Verträglichkeit als ein Bestandteil von Beziehungskompetenz

Die Psychologie hat zur Beschreibung von Menschen fünf Grundeigenschaften abgeleitet, die sogenannten »Big Five« (Welpe/Brosi/Schwarzmüller 2018). Eine dieser Eigenschaften ist für Beziehungskompetenz besonders wichtig. Es ist die Verträglichkeit. Verträgliche Personen verhalten sich anderen Menschen gegenüber freundlich, mitfühlend und kooperativ. Sie werden als warm und rücksichtsvoll wahrgenommen. Hohe Werte für das Konstrukt Verträglichkeit bewirken ein eher altruistisches Verhalten. Verträglichen Menschen ist Geld weniger wichtig als gute soziale Beziehungen. Das erklärt, warum sie sich in Verhandlungen nicht immer gut durchsetzen und warum sie tendenziell häufiger finanzielle Schwierigkeiten erleben als wenig verträgliche Menschen (Matz/Gladstone 2020). Verträglichkeit ist also keine Persönlichkeitseigenschaft, die durchweg nur Positives bewirkt. Sie macht es aber auf jeden Fall leichter, gute soziale Beziehungen zu haben. Wer verträglich ist, streitet sich weniger mit Mitmenschen, erfährt mehr Hilfe von anderen und hat typischerweise mehr Freunde als jemand, der sich eher egoistisch und wenig verträglich verhält.

Die Ausprägung von menschlichen Grundeigenschaften wie der Verträglichkeit ist zum Teil angeboren. Einige Menschen haben genetisch bedingt ein starkes Konkurrenzdenken. Sie kämpfen gerne um ihre Rechte, zeigen wenig Harmoniebedürfnis und sind insgesamt nicht besonders kooperativ. Solche Menschen können wegen ihrer Durchsetzungsstärke beruflich durchaus Karriere machen. Menschen mit zu geringen Verträglichkeitswerten sind jedoch beruflich oft nicht sehr erfolgreich. Sie geraten immer wieder in Konflikte mit Vorgesetzten und arbeiten nicht gut mit Kolleginnen und Kollegen zusammen. Auch im Privatleben ist es auf Dauer wenig hilfreich, kein Mitgefühl zu zeigen und sich durchweg egoistisch zu verhalten. Wer will schon mit einem Egoisten zusammen sein? Wer ist gerne befreundet mit einem rücksichtslosen, unfreundlichen und kalten Menschen? Daher macht es unabhängig von der genetischen Prägung Sinn, sich um Verträglichkeit zu bemühen. Es handelt sich um eine Eigenschaft, die eben nur zum Teil angeboren bzw. genetisch geprägt ist. Zu einem anderen Teil wird sie von unserem Umfeld und von unserer Erziehung geprägt. Und zu einem weiteren Teil kann sie willentlich gesteuert werden.

Wer sich mehr und bessere soziale Beziehungen wünscht, der sollte also bei sich selbst anfangen. Dazu gibt es einen schönen Satz, auf den ich an späterer Stelle des Buches nochmal zurückkommen werde. Er lautet: Wer sich gute Freunde wünscht, sollte selbst einer sein. Konkret beginnt verträgliches Verhalten damit, andere Menschen nicht als Konkurrenten, sondern als Partner zu betrachten. Es setzt sich damit fort, die Interessen anderer Menschen zu verstehen und sie als gleichberechtigt neben den eigenen Interessen gelten zu lassen. Auch dazu gibt es einen einprägsamen Satz bzw. eine einfach zu realisierende Grundhaltung. Sie lautet: Ich bin ok und die anderen sind auch ok. Das ist eine gute Basis für Kooperation und Rücksichtnahme. Menschen mit geringer Verträglichkeit teilen diese Sichtweise nicht. Sie stehen auf dem Standpunkt: Ich bin ok, aber die anderen sind nicht ok.

Verträglichkeit bedeutet aus meiner Sicht nicht, dass man sich immer den Interessen anderer Menschen unterordnen und klein beigeben muss. Ganz im Gegenteil: Sie sollten nicht jedem Konflikt aus dem Weg gehen, nur um von allen gemocht zu werden. Bleiben Sie ruhig hart in der Sache, aber bleiben Sie auch freundlich zu den Menschen. Statt immer gewinnen zu wollen, sollten Sie lieber Lösungen finden, bei denen sowohl Ihre Interessen als auch die Ihrer Mitmenschen berücksichtigt werden, bei denen also beide gewinnen. »Win-win« ist immer besser als »Win-Lose«. Sie können andere Personen mit guten Argumenten überzeugen, anstatt sie zu bedrohen oder zu beleidigen. Sie können sich »nett« im Sinne von »menschlich angenehm« verhalten, ohne Ihre eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass die Fähigkeit zum Zuhören und zum Mitfühlen Ihnen immer große Vorteile verschaffen wird. Sie nützt Ihnen selbst genauso viel wie Ihrem Gegenüber. Wer anderen nicht zuhört, der lernt auch nichts. Wer immer nur auf seinen Positionen beharrt, der findet keine innovativen Lösungen, die alle Beteiligten besserstellen. Wer kein Mitgefühl empfinden kann, der wird auf Dauer selbst auch kein Mitgefühl von Anderen bekommen. Wer sich dauernd mit anderen Menschen streitet, der steht in schwierigen Momenten allein da. Verträglich zu sein, ist eine Stärke, keine Schwäche.

Beziehungskompetenz führt zu Resonanz

Soziale Beziehungen sind nicht nur in der psychologischen Forschung untersucht worden. Sie stehen vor allem auch im Mittelpunkt der Soziologie. Dort wird der Begriff der »Resonanz« benutzt. Er bezeichnet die »Weltbeziehungen« des Menschen (Rosa 2019). Das klingt zunächst abstrakt. Resonanz ist das intuitiv einfacher zu verstehende Wort. Es bedeutet »Schwingung« oder »Rückmeldung«. Der Begriff der Weltbeziehungen ist dagegen schwerer zu verstehen. Hartmut Rosa versteht darunter das »in die Welt gestellt Sein« des Menschen, also seine Beziehungen zur Außenwelt und zu sich selbst. Ich bin selbst kein Soziologe und will hier auch gar nicht in die philosophischen oder soziologischen Tiefen der Begriffe Resonanz und Weltbeziehung einsteigen. Eine Erkenntnis scheint mir jedoch auch für Laien besonders wichtig: Wir Menschen unterhalten sinnstiftende Beziehungen vor allem mit anderen Menschen. Wir erfahren Glück und Zufriedenheit insbesondere im Zusammenleben mit Mitgliedern unserer eigenen Spezies. Die Soziologie spricht in diesem Fall von der »horizontalen Dimension« von Resonanzbeziehungen (Rosa 2019, S. 331). Der Umgang mit Mitmenschen bewirkt in uns Anerkennung, Kritik, Liebe, Vergnügen, Ärger und viele andere Emotionen. Soziale Beziehungen sind aus meiner Sicht die wichtigste Quelle von Resonanz.

Menschen können zweifellos auch Resonanz erleben, wenn sie allein sind. Wir betrachten eindrucksvolle Landschaften und fühlen uns mit der Natur verbunden. Wir werden durch Musik emotional berührt. Wir stehen in einem Museum vor einem Gemälde, das uns inspiriert. Wir erleben beglückende Momente mit Haustieren. Rosa nennt das die »Dingwelt«. Unsere Beziehungen zu Dingen bezeichnet er als »diagonal«. Allerdings gibt es von den Dingen selbst keine Rückmeldung (außer vielleicht von Haustieren). Die Emotionen entstehen in uns selbst, wir projizieren sie nur auf die Dinge. Weiterhin steht der Mensch in der Theorie von Hartmut Rosa in einer Verbindung zum Leben und zu seiner Umwelt als Ganzem. Diese Beziehung zur Welt insgesamt nennt Hartmut Rosa »vertikal« (Rosa 2019, S. 331). Hier ist die Interpretation schon schwieriger. Zumindest ist die Einteilung nicht überschneidungsfrei. Solange andere Menschen und Dinge Teil unseres Daseins als Ganzes sind, kommen sie in mehreren Resonanzdimensionen vor. Zudem bin ich der Meinung, dass die Welt selbst keine Stimme hat. Sie spricht zu uns durch andere Menschen. Zwar wird unser Leben zweifellos als über einzelne menschliche Individuen hinausgehend empfunden, aber Rückmeldungen geben immer nur Individuen.

Aus meiner Sicht sind Begegnungen mit anderen Menschen daher die wichtigste Dimension für Resonanz. Wenn wir die nicht haben, dann können uns auch die Natur, Haustiere, schöne Dinge oder das Dasein als Ganzes nicht retten. Zudem wird die Resonanz der Dinge und des Lebens insgesamt verstärkt, wenn sie mit sozialen Beziehungen unterlegt ist. Der Theaterbesuch ist schöner und anregender, wenn wir ihn mit Freunden erleben. Der Besuch eines Live-Konzerts gemeinsam mit vielen anderen Besuchern löst viel intensivere Resonanzerlebnisse aus, als wenn wir dieselbe Musik allein zuhause hören. Wir haben eher Glücksgefühle bei der Arbeit, wenn wir sie in einem Team mit netten Kollegen verrichten. Die »Weltbeziehungen« des Menschen sind aus meiner Sicht also vornehmlich soziale Beziehungen. Der Mensch ist primär ein soziales Wesen. Resonanz ist immens wichtig für ein gelingendes Leben. Und Resonanz erleben wir am ehesten im Umgang mit anderen Menschen. Fehlende oder misslingende Beziehungen zu Mitmenschen können auf Dauer nicht kompensiert werden, auch nicht durch anschmiegsame Haustiere, großartige Naturerlebnisse oder interessante Netflix-Serien.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass echte Resonanz nur aus der Interaktion mit anderen Menschen entsteht. Das, was Hartmut Rosa als Resonanz mit Dingen beschreibt, hätte ich eher Projektion genannt. Denn nicht lebendige Dinge, also beispielsweise eine Landschaft, ein Musikstück, ein schönes Paar Schuhe, ein Kunstwerk oder ein religiöses Symbol interagieren nicht mit uns. Sie antworten nicht, wenn wir sie ansprechen oder anbeten. Sie reagieren nicht auf unsere Handlungen oder Gefühle. Sie sind einfach da. Das ändert nichts daran, dass wir starke Emotionen haben können, wenn wir mit solchen Dingen in Kontakt kommen. Es erscheint mir auch durchaus möglich, dass wir Schwingungen oder Rückmeldungen empfinden, wenn wir Musik hören, ein Kunstwerk betrachten oder ein schönes Paar Schuhe kaufen. Aber die zugehörigen Emotionen entstehen einzig und allein in uns, nicht im Objekt. Wir projizieren unsere Empfindungen auf Dinge. Sie selbst haben keine. Sie sprechen auch nicht mit uns. Dinge sind per Definition immer stumm. Ob wir Menschen sie individuell als belebend oder deprimierend, als schön oder hässlich erleben, sagt nur etwas über unsere eigene gegenwärtige Verfassung aus. Bei Menschen ist das anders. Dort findet echte Interaktion und damit auch potenziell echte Resonanz statt.

Das Buch von Hartmut Rosa ist deswegen so faszinierend und auch so erfolgreich, weil es auf die Bedeutung von Resonanz für ein gelingendes Leben hinweist. Das ist unbestritten richtig. Das Buch geht jedoch noch weiter. Es stellt auch die These auf, dass modernen Menschen die Resonanz mit der Welt zunehmend verloren geht. Hartmut Rosa sieht die Ursache für diesen Resonanzverlust vor allem in der Beschleunigung des Lebens, hervorgerufen durch den Kapitalismus und seine Wachstumserfordernisse. Hier bin ich zunächst nicht sicher, ob die These überhaupt stimmt. Sie scheint mir die Verhältnisse in vormodernen Gesellschaften zu idealisieren. Haben Menschen in bäuerlichen Agrargesellschaften, die den ganzen Tag hart auf ihren Feldern gearbeitet haben, wirklich mehr Resonanz empfunden? War das Leben einer Gruppe von Homo sapiens als Jäger und Sammler in der Vorzeit gelungener und resonanzreicher als unser heutiges Leben? Gab es weniger Depressionen, nur weil Depression als Krankheit gar nicht bekannt war und daher auch gar nicht erfasst wurde? Hier sind vielleicht Zweifel angebracht, zumal namhafte Philosophen seit Jahrhunderten, also schon lange vor dem Beginn der Moderne, den Verlust an Resonanz bzw. die vergebliche Sinnsuche des Menschen beschreiben.

Selbst wenn die These des Resonanzverlusts der Menschen in der Moderne stimmt, stellt sich immer noch die Frage, wodurch dieses Problem entstanden ist und wie es überwunden werden kann. Das Buch von Hartmut Rosa argumentiert konsequent soziologisch. Es verweist auf soziale Organisationsformen wie den Kapitalismus und den mit ihm verbundenen »Aneignungswettbewerb«, der zu einer immer stärkeren Beschleunigung des menschlichen Lebens führt. Demzufolge orientieren sich auch die (wenigen) Vorschläge zur Überwindung der Resonanzkrise, die der Autor macht, an diesen sozialen Organisationsformen. Hartmut Rosa nennt die Verstaatlichung der Branchen, die die Grundbedürfnisse der Menschen abdecken, und das bedingungslose Grundeinkommen. Beides soll zu einer Entschleunigung des Lebens beitragen. Das mag sein. Als Wirtschaftswissenschaftler habe ich meine Zweifel. Viel wichtiger scheint mir jedoch eine andere Frage zu sein. Welche Rolle (falls überhaupt) spielt in dieser Theorie die Eigenverantwortung des modernen Menschen?

Jeder Mensch in industrialisierten westlichen Gesellschaften kann sich entscheiden, im öffentlichen Dienst zu arbeiten und sich damit dem Beschleunigungs- und Innovationsdruck in privaten Unternehmen zu entziehen. Jeder Mensch ist auch sonst frei, Entschleunigung und eine geeignete Work-Life-Balance zu realisieren. Niemand wird gezwungen, Resonanz nur im Konsum zu suchen. Vor allem aber steht es meiner Ansicht nach jedem Menschen frei, seine eigenen sozialen Beziehungen zu gestalten. Wenn meine These stimmt, dass gute Beziehungen zu Mitmenschen den größten Beitrag zu einem gelingenden Leben und zu Resonanzerfahrungen leisten, dann sollten wir da anfangen. Wir müssen herausfinden, was bei uns selbst guten Beziehungen zu anderen Menschen im Wege stehen könnte. Wir müssen herausfinden, wie wir soziale Beziehungen aufbauen, pflegen und nutzen können. Wir sollten versuchen, typische Fehler im Umgang mit anderen Menschen zu verstehen und diese dann vermeiden. Es empfiehlt sich, insgesamt nicht nur eine soziologische oder philosophische Sicht auf Resonanz einzunehmen, sondern auch eine psychologische. Wir sollten nicht zuerst fragen, wie man Staat und Gesellschaft verändern muss, um mehr Resonanz zu erleben, sondern was jeder von uns selbst im Rahmen der bestehenden Gesellschaft tun kann. Wir sollten auch nicht vorschnell in Kulturpessimismus verfallen, sondern lieber auf die Lernfähigkeit und die Anpassungsfähigkeit des Menschen an neue Lebensumstände vertrauen.

Eine eigenverantwortliche bzw. individualpsychologische Sicht auf das Thema Resonanz betont das Prinzip der Selbstwirksamkeit. Für dieses Prinzip gibt es viele verwandte Begriffe wie Proaktivität, internale Kontrollüberzeugung oder Eigenverantwortlichkeit (vgl. Witt 2019, S. 14). Sie besagen alle dasselbe: Wir sollten die Verantwortung für unser eigenes Leben übernehmen und nicht vorschnell äußeren Kräften oder gesellschaftlichen Bedingungen die Schuld für fehlende Resonanzerfahrungen geben. Wir sollten keine Opferrolle einnehmen. Wir könnten versuchen, uns an Staat und Gesellschaft zu beteiligen, um ungünstige Lebensbedingungen zu ändern. Und wir könnten das akzeptieren, was nicht zu verändern ist. Akzeptanz macht glücklich, Widerstand macht müde. Selbstwirksamkeit hat schließlich den Vorteil, sich nicht von anderen Menschen abhängig zu machen. Wir sollten versuchen, unsere Ziele gemeinsam mit den Mitmenschen zu erreichen, aber wir sollten nicht passiv darauf warten, dass andere Menschen uns zu unserem Glück verhelfen.

Interdependenz mit anderen Menschen ist das Ziel

Es gibt ein weiteres Buch, das eindrucksvoll zeigt, wie wichtig soziale Beziehungen für ein gelingendes bzw. glückliches Leben sind. Es stammt vom amerikanischen Autor Stephen Covey und ist ebenfalls ein globaler Bestseller. Der deutsche Titel lautet: »Die sieben Wege zur Effektivität« (Covey 1994). Eigentlich sagt der Untertitel des Buches jedoch noch besser aus, worum es geht: »Ein Konzept zur Meisterung Ihres beruflichen und privaten Lebens«. Der Autor zeigt, dass ein erfolgreiches Leben nicht nur darin besteht, unabhängig zu werden. Das Überwinden von Abhängigkeiten und das Erreichen der Unabhängigkeit bezeichnet Covey als »privaten Sieg«. Er bedeutet, von einem Paradigma des »Du« (Du musst für mich sorgen, Du bist schuld) zu einem Paradigma des »Ich« (ich bin verantwortlich, ich kann wählen) zu kommen. Die entsprechende Einstellung ist zweifellos eine notwendige Voraussetzung für beruflichen und privaten Erfolg.

Aber Unabhängigkeit allein reicht nicht. Wirklich erfolgreiche Menschen sind nicht nur unabhängig, sie sind mit anderen Menschen verbunden. Dafür verwendet Covey die Begriffe des »öffentlichen Siegs« und der »Interdependenz«. Interdependente Menschen kombinieren ihre eigenen Bemühungen mit denen anderer Menschen, um zum Erfolg zu kommen. Sie sind beziehungskompetent und verwenden ein Paradigma des »Wir« (Covey 1994, S. 49). Dahinter steht die Überzeugung, dass jeder von uns gemeinsam mit anderen Menschen sehr viel mehr erreichen kann als allein. Es setzt allerdings eine zutiefst soziale Einstellung voraus, die andere Menschen nicht nur als Mittel zum Zweck der Erreichung eigener Ziele und Wünsche ansieht, sondern auch im Interesse der Wünsche und Ziele der Mitmenschen handelt. Das setzt voraus, dass man diese Wünsche überhaupt versteht, dazu kommen wir später noch im Detail. Es geht bei Interdependenz um ein Win-Win-Denken, das immer nach Vorteilen für alle Beteiligten sucht, nicht nur nach den eigenen Vorteilen. In der Psychologie spricht man auch von einer »Netzwerk-Orientierung« (Heller 2013, S. 116).

Um eine solche Netzwerkorientierung zu realisieren und in gelingender Interdependenz mit anderen Menschen zu leben, um also den öffentlichen Sieg zu erringen, müssen wir zuerst den privaten Sieg schaffen. Wie das funktioniert, ist Gegenstand eines anderen Buches von mir. Im Kern geht es darum, die eigenen Bedürfnisse, seine eigenen Werte und seine eigene Bestimmung zu erkennen (Witt 2019, S. 123-146). Warum das auch für ein gutes Zusammenleben mit anderen Menschen wichtig ist, zeigen schon einige ganz einfache Überlegungen. Solange ich nicht weiß, was ich selbst will, kann ich keine Win-Win-Lösungen mit meinen Mitmenschen entwerfen. Solange es mir schwerfällt, mich selbst zu verstehen, werde ich vermutlich auch andere Menschen nicht gut verstehen. Und solange ich mich nicht selbst an Prinzipien wie Aufrichtigkeit und Verlässlichkeit halte, kann ich das nicht von meinen Mitmenschen erwarten. Covey stellt fest: »Sie können nicht mit anderen Menschen erfolgreich sein, wenn Sie nicht den Preis für den Erfolg mit sich selbst entrichtet haben« (Covey 1994, S. 161).

Ein typischer privater Fehler, also ein Fehler im Umgang mit sich selbst, besteht darin, Weg und Ziel miteinander zu verwechseln. Wir strengen uns sehr an, fühlen uns gegenwärtig schlecht, aber setzen alles auf den Moment, in dem wir unser Ziel erreichen. Die Hoffnung besteht darin, dass dann alles gut wird. Wir arbeiten beispielsweise hart, um Karriere zu machen. Dabei hoffen wir, dass sich das gute Lebensgefühl einstellt, wenn wir endlich Chef sind. Bei manchen Menschen ist die Langfristorientierung wie bereits erwähnt so extrem, dass sich alle Glückserwartung auf den Ruhestand konzentriert. Ganz auf die Arbeit fokussierte Menschen stellen sich vor, dass sie im Ruhestand endlich Zeit und Spaß haben. Aber diese Erwartung wird häufig enttäuscht. Zunächst fallen viele beruflich bedingte Beziehungen weg. Neue soziale Kontakte können in höherem Alter nur schwer aufgebaut werden. Viele Aktivitäten, die Spaß machen, kann man wegen körperlicher Einschränkungen im Ruhestand nur noch schlechter oder gar nicht mehr erleben.

Statt also dauernd auf eine bessere Zukunft zu hoffen, sollten wir versuchen, Glück und Zufriedenheit bei dem zu erreichen, was wir jetzt gerade tun. Idealerweise arbeiten wir die Leiter der Paradigmata vom »Ich« über das »Du« zum »Wir« schon jetzt ab, nicht erst in verschiedenen Lebensabschnitten. Ein typisches Beispiel für ein auf Dauer nicht zu erfüllendes Lebensziel ist das Streben nach beruflichem Fortkommen und nach Wohlstand. Ich beobachte das oft bei erfolgreichen Managerinnen und Managern. Selbst sehr reiche Menschen sind mit ihrem Wohlstand selten zufrieden. Sie finden immer andere, die noch mehr haben, und sind dann frustriert. Und je mehr Wohlstand sie anhäufen, desto mehr quält sie die Sorge, dass sie ihn wieder verlieren. Zudem wachsen die Ansprüche einfach mit dem Wohlstand mit. Mit dem beruflichen Erfolg und dem damit einhergehenden Status verhält es sich ähnlich. Jeder hat einen Chef (außer vielleicht der Papst). Immer gibt es jemanden mit einem noch höheren Status oder mit noch mehr beruflichem Erfolg. Hinzu kommt eine weitere frustrierende Erkenntnis, die wohlhabenden bzw. erfolgreichen Menschen irgendwann klar wird. Sie können ihren Wohlstand an ihre Kinder vererben, aber sie können ihn nicht mitnehmen. Ein Sprichwort sagt: »Leichentücher haben keine Taschen.«

Empirische Untersuchungen des Nobelpreisträgers Daniel Kahneman zeigen eindeutig, dass nicht Reichtum im Sinne von materiellem Wohlstand, sondern eine andere Art Reichtum uns Menschen am glücklichsten macht. Es ist der Reichtum an befriedigenden zwischenmenschlichen Beziehungen (Kahneman 2004). Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Studie des berühmten Psychologen sollten in Form einer schriftlichen Dokumentation alle Aktivitäten eines bestimmten Tages auflisten und bewerten. Die entsprechenden Fragen waren: Was habe ich getan? Mit wem habe ich es getan? Wie habe ich mich dabei gefühlt? Es zeigte sich, dass die Menschen, mit denen wir etwas gemeinsam tun, den größten Einfluss auf unser Lebensgefühl haben. Sind es für uns angenehme Menschen, dann macht uns das froh. Die Qualität der sozialen Beziehungen während eines Tages erwies sich als viel wichtiger für Glück und Zufriedenheit als das Einkommen, der Stress auf der Arbeit oder der Familienstand. Reiche Menschen haben zwar möglicherweise mehr Vergnügungen während eines Tages, aber sie brauchen auch mehr Vergnügungen, um zufrieden zu sein. Die Forschergruppe um Daniel Kahneman hat weiterhin herausgefunden, dass wir instinktiv die Bedeutung von guten sozialen Beziehungen zu unseren Mitmenschen kennen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie planten ihre Tage jedenfalls so, dass sie möglichst viel Zeit mit Menschen verbringen konnten, in deren Gegenwart sie sich wohl fühlten. Auch das beweist, dass der Mensch ein zutiefst soziales Wesen ist

Zusammenfassung

1.  Beziehungskompetenz bedeutet, eine ausgewogene Bilanz zwischen Berufsleben und Privatleben herzustellen.

2.  Beziehungskompetenz beinhaltet, anderen Menschen gegenüber grundsätzlich zugewandt und verträglich zu sein. Verträglichkeit ist eine Stärke, keine Schwäche.

3.  Echte Resonanz entsteht nur im Umgang mit anderen Menschen, nicht im Umgang mit Dingen.

4.  Unabhängigkeit ist der erste Schritt zu einem gelingenden Leben. Der zweite Schritt ist dann die Interdependenz mit anderen Menschen.

5.  Gute soziale Beziehungen tragen mehr zu unserem Glück bei als Wohlstand, berufliche Position oder Familienstand.

2         Der Mensch als emotionales Wesen

Ohne emotionale Intelligenz keine soziale Intelligenz

Unser Glück hängt nicht primär von der Anzahl unserer sozialen Beziehungen ab, sondern von deren Qualität. Und die Qualität einer Beziehung wird emotional erfasst. Eine wesentliche Voraussetzung für gelingende Beziehungen zu anderen Menschen ist folglich das, was Daniel Goleman »emotionale Intelligenz« genannt hat (Goleman 2005). Wir müssen in der Lage sein, unsere eigenen Gefühle zu erkennen, wenn sie auftreten. Wir müssen unsere Gefühle regulieren und beherrschen können. Eine weitere wichtige Fähigkeit besteht darin, die Gefühle anderer Menschen wahrnehmen und verstehen zu können. Idealerweise sind wir auch in der Lage, mit den Gefühlen unserer Mitmenschen geeignet umzugehen. Diese Fähigkeit wird dann als »soziale Intelligenz« bezeichnet (Goleman 2008). Es ist aus meiner Sicht sehr wichtig, den kausalen Zusammenhang zwischen diesen beiden Fähigkeiten zu verstehen. Ohne emotionale Intelligenz kann ein Mensch nicht sozial intelligent sein. Ohne zu wissen, was genau Emotionen sind und welche Auswirkungen sie auf das menschliche Verhalten haben, können wir unsere sozialen Beziehungen nicht gut steuern. Wenden wir uns also zunächst der Frage zu, wie unsere Emotionen entstehen und was es genau bedeutet, emotional intelligent zu sein.

Emotionen entstehen in unserem Gehirn. In ihm vollziehen sich alle Vorgänge unseres bewussten Fühlens, Handelns und Denkens. Unser Gehirn ist die Steuer-, Entscheidungs- und Informationszentrale, es beeinflusst direkt oder indirekt alle Vorgänge in unserem Körper und alle unsere Reaktionen auf die Umwelt. Es ist mit etwa 100 Milliarden Nervenzellen bzw. Neuronen ausgerüstet. Die hohe Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns liegt nicht nur an der großen Anzahl der Neuronen, sondern an der ungleich höheren Anzahl ihrer Verknüpfungen untereinander. Die Anzahl der vom Gehirn genutzten Verknüpfungen, der Synapsen, wird auf etwa 7 Billionen geschätzt. Das Gehirn wiegt ungefähr 1,5 Kilogramm, das entspricht etwa 2 Prozent unseres Gesamtgewichts. Allerdings ist es für 20 Prozent unseres Energiebedarfs verantwortlich. Bei Säuglingen und Kleinkindern finden sogar 50 Prozent des Energieverbrauchs im Gehirn statt. Benötigt werden vor allem Sauerstoff und Zucker bzw. Glucose. Das menschliche Gehirn kann nur sehr kurz ohne externe Energiezufuhr auskommen, es verfügt über keinen nennenswerten Energiespeicher. Bei einem Ausfall der Sauerstoffzufuhr entstehen schon nach wenigen Minuten bleibende Hirnschäden.

Für unsere Emotionen ist in erster Linie das limbische System zuständig. Es befindet sich unter dem Großhirn, wo es den Hirnstamm wie einen Saum umschließt. Es besteht aus mehreren Untereinheiten, die entscheidend an der Verarbeitung von Gefühlen sowie an Lernprozessen beteiligt sind. Das limbische System wird auch als das »emotionale Gehirn« des Menschen bezeichnet (Goleman 2008, S. 19). Ein Teil des limbischen Systems ist der Hippocampus. Er ist die Schaltstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis. Im Hippocampus sitzt der Orientierungssinn. Die größte Bedeutung für unsere Emotionen hat jedoch ein mandelförmiger Teil des limbischen Systems, die Amygdala bzw. der Mandelkern. Er ist beim Menschen im Vergleich zu anderen Primaten auffallend groß. Der Mandelkern ist das Angstzentrum des Gehirns. Er speichert emotionale Erinnerungen und Erfahrungen, die später bei ähnlichen Sinnesreizen immer wieder und sehr schnell aufgerufen werden können. Bei Menschen mit Angststörungen lässt sich eine Vergrößerung der Amygdala feststellen. Ein Vorteil des Mandelkerns gegenüber dem Neokortex ist seine direkte Verbindung zum Thalamus. Der Thalamus ist der Teil des Zwischenhirns, der entscheidet, welche Sinneseindrücke aus der Umwelt und dem eigenen Körper ins Bewusstsein gelangen. Die direkte Verbindung zwischen Mandelkern und Thalamus hat zur Folge, dass das Angstzentrum auf externe Sinnesreize viel schneller reagieren kann als andere Teile des Gehirns. Als Reaktionen auf diese Reize entstehen Emotionen, lange bevor deren Auslöser bewusst wahrgenommen und gedeutet werden können.

Zum Überleben in der Frühzeit war eine schnelle, emotionale Reaktion auf eingehende Reize sicherlich hilfreich. Wir brauchten als Urmenschen bei der Begegnung mit einem Tier oder einen anderen Menschen nicht erst lange rational abzuwägen, was zu tun ist. Wir brauchten auch nicht zu wissen, um was für eine Spezies es sich genau handelt. Es reichte aus, zu wissen, dass ein bestimmtes Tier entweder essbar oder nicht essbar oder sogar gefährlich ist. Und es war besser, einmal zu viel mit Flucht zu reagieren als einmal zu wenig. Auch als Säugling bzw. Kleinkind sind schnelle Reaktionen des Mandelkerns überlebenswichtig. Ein Baby wägt nicht erst ab, was zu tun ist. Wenn es sich unwohl fühlt, schreit es. Für Erwachsene in der heutigen Zeit ist rein emotional gesteuertes Verhalten vor allem in sozialen Beziehungen allerdings nicht immer günstig. Hier können instinktiv gesteuerte Reaktionen wie kämpfen, fliehen oder sich-tot-stellen eher Schaden anrichten als nützen. Und sehr gefühlsbetonte, emotionale Verhaltensweisen verbessern unsere sozialen Beziehungen auch nicht zwangsläufig.

Zwei verschiedene Systeme prägen unser Verhalten

Soziale Intelligenz beinhaltet die Fähigkeit, eigene Emotionen sowie die unserer Mitmenschen zu verstehen und zu steuern. Das setzt eine rationale Verhaltenskomponente voraus. Auch dafür ist unser Gehirn gut ausgerüstet. Das berühmte Buch »Thinking Fast and Slow« des Psychologen Daniel Kahneman zeigt anschaulich, dass jeder Mensch über zwei Systeme der Verhaltenssteuerung verfügt. Sie sind sehr unterschiedlich. Jedes System hat seine Stärken und seine Schwächen. Das eine System ist langsam und rational, es wird vom Neokortex gesteuert. Das andere System ist schnell und emotional, hier sitzt das limbische System am Steuer. Daniel Kahneman bezeichnet die beiden menschlichen Entscheidungssysteme als System 1 und System 2. System 2 kann man mit den Begriffen »Kopf«, »Verstand«, rationales Denken« oder »bewusstes Entscheiden« umschreiben. Wir Menschen glauben, dass wir unser Leben und insbesondere unsere sozialen Beziehungen mit diesem System steuern, dass wir also überwiegend rational vorgehen. Aber leider irren wir uns. Wenn es nicht zwingend erforderlich erscheint, dann schaltet unser Gehirn den Teil, der für rationales Denken zuständig ist, einfach ab. Dann werden wir rein emotional gesteuert. Und das geschieht viel häufiger als uns bewusst ist.

Die Dominanz emotionalen Verhaltens liegt zum einen daran, dass System 2 zu langsam agiert. Wir erleben tagtäglich viele Situationen, in denen einfach keine Zeit zum längeren Nachdenken und zum rationalen Abwägen von Alternativen bleibt. Die zweite Besonderheit von System 2 ist sein enorm hoher Energieverbrauch. Unser Gehirn ist zwar ein recht kleines Organ, aber es verbraucht unverhältnismäßig viel Energie. Jede Nutzung des Verstands, jedes rationale Eingreifen des Neokortex, jede sogenannte Selbstregulation durch System 2 kostet den Menschen mentale Kraft. Je mehr der Energievorrat des Gehirns zur Neige geht, desto seltener nutzen wir System 2. Psychologen bezeichnen dieses Phänomen als »Erschöpfung der Selbstregulation« oder als »Ego Depletion« (vgl. Notebaert/Creutzfeldt 2015, S. 70-71). Die dritte große Schwäche von System 2 besteht in seinen beschränkten Rechen- und Denkfähigkeiten. Selbst wenn wir vollständige Daten zur Lösung eines Problems vorliegen haben, machen wir doch oft Fehler. Wir nehmen diese Daten verzerrt oder nur selektiv wahr. Wir machen Rechen- und Analysefehler. Wir haben Schwierigkeiten bei der Anwendung von Grundprinzipien der Statistik. Weil System 2 den genannten Beschränkungen unterliegt und immer wieder für längere Zeiten abgeschaltet wird, gibt es System 1. Es ist, wie bereits erwähnt, in den älteren Teilen unseres Gehirns untergebracht, im limbischen System, und funktioniert radikal anders als der Neokortex. Es wird mit Begriffen wie »emotionales Gehirn«, »Intuition«, oder »Bauchgefühl« bezeichnet (vgl. Gigerenzer 2008, S. 25; Kahneman 2012, S. 20-21). System 1 ist der eigentliche Gestalter unseres Lebens, insbesondere wenn es um Beziehungen zu anderen Menschen geht.

Das limbische System hat einen großen Vorteil. Es verbraucht keine Energie. Es kann daher angeschaltet bleiben und steht immer zur Verfügung. In ihm sind alle Erfahrungen abgespeichert. Es kann unbewusst auch sehr komplizierte Aufgaben abarbeiten. Es ist sehr schnell. Diese Schnelligkeit erlaubt es uns, instinktiv zu reagieren, bevor wir eine Situation richtig verstehen und bewerten können. Die beruhigende Botschaft ist, dass uns System 1 üblicherweise sehr gut steuert. Seine Einschätzungen von Sinneswahrnehmungen sind valide, insbesondere in bekannten Situationen. Seine spontanen Reaktionen auf Umweltreize sind meistens sinnvoll. Der entscheidende Trick, den unser limbisches System anwendet, besteht darin, nur vorhandene Informationen zu nutzen und dann dazu anhand der gespeicherten Erfahrungen eine plausible Geschichte zu bauen. Psychologen sprechen vom »assoziativen Denken« oder vom Prinzip »what you see is all there is« (Kahneman 2012, S. 85). Interessanterweise funktioniert das umso besser, je weniger Informationen vorliegen. Es ist einfacher, aus wenigen Informationen eine plausible Geschichte zu bauen als aus sehr umfangreichen Informationen (Gigerenzer 2008, S. 162).

Intuition ist grundsätzlich ein verlässlicher Kompass bei sozialen Beziehungen. Meistens liegt unser emotionales Gehirn richtig. Wir verlieben uns in Sekundenschnelle in Menschen, von denen wir fast nichts wissen, mit denen wir uns dann aber tatsächlich auch langfristig sehr gut verstehen. Wir freunden uns als Schülerinnen und Schüler mit Klassenkameraden an, die wir kaum kennen, die uns dann aber ein Leben lang als Freund begleiten. Allerdings hat System 1 auch Schwächen. Es verlässt sich nur auf ganz wenige Informationen oder gar nur auf eine einzige flüchtige Wahrnehmung, ist also noch viel schlechter in Statistik als unser Neokortex. Der assoziative Mechanismus von System 1 stellt kausale Verbindungen zwischen Fakten und Erfahrungen her, die möglicherweise gar nicht bestehen. Er projiziert eigene Erwartungen auf mehr oder weniger unbekannte Menschen. Das hat zur Folge, dass uns Fehleinschätzungen unterlaufen können und dass wir möglicherweise vom ersten Eindruck unseres emotionalen Gehirns getäuscht werden. Wir gehen aus Verliebtheit manchmal toxische Beziehungen ein. Wir vertrauen möglicherweise den falschen Menschen. Wir machen in der Kindererziehung trotz bester Absichten Fehler.

Merkmale emotional intelligenter Menschen

Wir hatten bereits festgestellt, dass emotionale Intelligenz die Voraussetzung sozialer Intelligenz und damit ein Bestandteil von Beziehungskompetenz ist. Nur wer seine eigenen Emotionen erkennen, verstehen und kontrollieren kann, der kann auch die Emotionen anderer Menschen verstehen und erfolgreich mit ihnen in Beziehung treten (Goleman 2005, S. 67). Das erste Merkmal emotional intelligenter Menschen besteht demnach in der Fähigkeit, sich der eigenen Gefühle bewusst zu werden, sobald sie auftreten. Ein treffendes Wort dafür ist »Achtsamkeit«. Da sich Gefühle immer auch körperlich ausdrücken, ist Achtsamkeit hinsichtlich der eigenen Emotionen mit etwas Übung gut zu erlernen. Wenn Sie sich bedroht fühlen, spannt sich die Muskulatur an. Wenn Ihnen etwas unangenehm ist, verkrampft sich der Magen. Wenn Sie sich freuen, fangen Sie an zu lächeln. Wenn Ihnen etwas bevorsteht, werden Sie müde. Wenn Sie sich über etwas ärgern, spüren Sie Ihren schnelleren Herzschlag oder einen Druck im Kopf. Viele dieser körperlichen Empfindungen von Emotionen spielen sich in der Bauchgegend ab, es sind »Bauchgefühle«. Sie haben sich im allgemeinen Sprachgebrauch niedergeschlagen. Wir sagen, es sei uns etwas »auf den Magen geschlagen«, uns schlüge »das Herz im Hals« oder wir hätten »Schmetterlinge im Bauch«.

Das zweite Merkmal emotional intelligenter Menschen besteht darin, dass sie ihre Emotionen nicht nur wahrnehmen, sondern auch rational bewerten und steuern können. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes darum, nicht von seinen Gefühlen »mitgerissen« oder »übermannt« zu werden. Diese Steuerungsfähigkeit bedeutet zum einen das, was man Impulskontrolle oder Selbstbeherrschung gegenüber anderen Menschen nennt. Wir müssen in der Lage sein, archaische bzw. instinktive Reaktionen zu unterdrücken. Wenn uns jemand beleidigt, sei es im beruflichen Umfeld oder in der Familie, sollten wir nicht gleich zuschlagen. Wenn es in unserer Partnerschaft zu Interessenkonflikten kommt, sollten wir nicht gleich fliehen, sondern uns um eine gute Lösung für beide Partner bemühen. Steuerungsfähigkeit bedeutet zum anderen, Emotionen regulieren zu können, die für uns selbst zu intensiv werden oder zu lange anhalten. Jeder ist mal traurig, aber wir sollten nach Möglichkeit nicht in dauerhafte Schwermut verfallen oder lethargisch werden. Ängste vor bestimmten Problemen oder kleineren Missgeschicken sollten wir nicht in chronische Sorgen oder gar in eine generelle Angststörung ausufern lassen.

Impulskontrolle ist eine sehr wichtige psychologische Fähigkeit. Sie bildet sich beim Menschen erstaunlich früh aus und hat weitreichende Folgen. Im sogenannten Marshmallow-Test wurden vierjährige Kinder auf die Probe gestellt, ob sie das Essen eines angebotenen Marshmallows für etwa 20 Minuten aufschieben konnten, um dann zwei Marshmallows zu bekommen (Mischel/Shoda/Rodriguez 1989). Manche Kinder konnten das. Sie lenkten sich ab, spielten mit etwas anderem oder verschlossen einfach die Augen, bis die das Experiment betreuende Person wieder auftauchte. Diese Kinder zeigten die Fähigkeit, eine sofort verfügbare Gratifikation aufzuschieben, um dafür wenig später eine größere Belohnung zu bekommen. Andere Kinder konnten der Versuchung des sofort verfügbaren Marshmallows nicht widerstehen und aßen ihn auf. Diese Kinder zeigten eine geringere Fähigkeit zur Impulskontrolle. Spätere Studien haben bestimmte Kontrollvariable in dem Experiment ergänzt, zum Beispiel die soziale Herkunft der Kinder oder ihre kulturelle Zugehörigkeit. Die grundsätzlichen Ergebnisse der Originalstudie wurden jedoch bestätigt. Beziehungskompetente Menschen verfügen über ein hohes Maß an Impulskontrolle.

Diejenigen Kinder, die es im Alter von vier Jahren schafften, die Belohnung in Form eines Marshmallows aufzuschieben, um dafür etwas später zwei zu bekommen, bewiesen Impulskontrolle. Und diese Fähigkeit half ihnen im weiteren Verlauf ihres Lebens in fast allen Bereichen. Sie zeigten zehn Jahre später deutlich mehr soziale Kompetenzen, waren bessere Schüler und litten weniger unter Stress. Wieder viele Jahre später erzielten die Kinder mit Impulskontrolle höhere Bildungsabschlüsse, hielten Diäten länger durch und schnitten viel besser bei Intelligenztests ab. Impulskontrolle scheint also nicht nur eine früh angelegte, sondern auch eine stabile psychologische Fähigkeit zu sein. Im ungünstigen Fall können Defizite bei der Impulskontrolle zu schwerwiegenden sozialen Problemen führen. Wer seinen Impuls zur Gewalttätigkeit nicht unterdrücken kann, landet ganz überdurchschnittlich oft im Gefängnis. Menschen mit geringer Impulskontrolle sparen weniger Geld und investieren weniger Zeit in ihre Berufsausbildung. Geringe Impulskontrolle macht auch anfällig für Suchterkrankungen wie Alkoholismus oder Spielsucht. Allerdings finde ich die Frage interessant, ob Impulskontrolle trotz aller angeborenen oder anerzogenen Komponenten nicht doch eine Fähigkeit ist, die wir auch in späteren Lebensabschnitten noch erlernen können. Wir werden darauf zurückkommen.

Der Übergang von emotionaler zu sozialer Intelligenz

Ein drittes Merkmal emotionaler Intelligenz, das schon den Umgang mit Mitmenschen betrifft und daher in den Bereich der Beziehungskompetenz hineinreicht, besteht in der Fähigkeit, die eigenen Gefühle gegenüber anderen Menschen zu äußern. Impulskontrolle und Selbstbeherrschung bedeuten nämlich keineswegs, nie eine emotionale Reaktion zu zeigen, sozusagen ein »stets regloses Gesicht« zu bewahren. Zwar gibt es Kulturen wie die chinesische oder die japanische, in denen es als ein Zeichen guter Erziehung angesehen wird, Gefühlsäußerungen zu unterdrücken. Das gilt insbesondere gegenüber Fremden oder im beruflichen Kontext. In anderen Kulturen, zum Beispiel in Lateinamerika oder Südeuropa, ist das deutliche Zeigen von Emotionen völlig normal. Eines gilt jedoch immer: Emotionale Ausdruckslosigkeit ist nicht positiv. Sie wirkt auf andere Menschen weder sympathisch noch vertrauenerweckend. Wir gehen lieber mit Menschen um, deren Gefühle wir sehen und verstehen können. Emotional intelligente Menschen sind darüber hinaus auch in der Lage, ihre Mitmenschen mit ihren Gefühlen anzustecken, vor allem mit ihren positiven Gefühlen. Das macht es den anderen leichter, dann ihrerseits auch die eigenen Gefühle zu zeigen.

Die psychologische Forschung hat noch zwei weitere Merkmale der emotionalen Intelligenz benannt, die ebenfalls den Umgang mit anderen Menschen betreffen (Goleman 2005, S. 63). Ich zähle sie daher auch zu den Merkmalen der sozialen Intelligenz und der Beziehungskompetenz. Wir werden sie im dritten Teil dieses Buches ausführlich kennen lernen, daher soll hier nur ein kurzer Hinweis genügen. Das eine Merkmal ist Empathie, also die Fähigkeit zu wissen, was andere fühlen. Empathische Menschen verstehen nicht nur rational, was ihre Mitmenschen wollen, sie können deren Gefühle nachempfinden. Sie sind im besten Wortsinn »mitfühlend«. Empathie setzt voraus, nicht zu stark mit den eigenen Wünschen und Gefühlen beschäftigt zu sein. Empathische Menschen weisen eine gewisse Gelassenheit und Aufnahmebereitschaft auf. Sie sind gute Zuhörer. Geringe Fähigkeiten zur Empathie finden sich bei Narzissten. Die sind immer nur mit sich selbst beschäftigt und verstehen auch immer nur ihre eigenen Gefühle. Narzissten hören nicht richtig zu und können auch nicht gut mitfühlen. Ähnliches gilt für Psychopathen. Sie sind unfähig, auch nur irgendeine Form von Mitleid oder Empathie zu empfinden. Häufig sind dafür Schädigungen des Gehirns verantwortlich.

Ein weiteres Merkmal der emotionalen Intelligenz, das gleichzeitig auch als Merkmal der Beziehungskompetenz genannt werden muss, ist die Fähigkeit, geeignet mit den Gefühlen anderer Menschen umzugehen. Das wird auch als interpersonelle Intelligenz bezeichnet. Menschen mit dieser Eigenschaft können Gruppen organisieren, Lösungen zwischen Konfliktparteien aushandeln und anderen Menschen bei der Analyse ihrer Gefühle helfen (Goleman 2005, S. 153-154). Sie schließen leicht Freundschaften und schaffen es, auch sehr zornige Personen zu beruhigen. Auch diese Fähigkeit scheint sich bereits früh in der Kindheit auszuprägen. Wer geeignet mit den Gefühlen anderer Menschen umgehen kann, wird von diesen oft als charmant oder charismatisch beschrieben. Er oder sie findet schnell Freunde und wird gerne in Gruppen aufgenommen. Ich werde an späterer Stelle auf diese Fähigkeit zurückkommen und insbesondere der Frage nachgehen, ob interpersonelle Intelligenz auch in späteren Phasen des Lebens, also nach der Kindheit, noch erlernbar ist.

Idealerweise können wir die Emotionen anderer Menschen antizipieren. Wir können uns vorab in die andere Person hineinversetzen und vorhersehen, welche Gefühle bei ihr oder ihm entstehen werden. Das wird nicht in allen Fällen gelingen. Aber je mehr wir auf die möglichen Emotionen anderer Menschen vorbereitet sind, desto besser können wir auf sie reagieren. Dabei hilft Lebenserfahrung. Wer schon viele zwischenmenschliche Situationen erlebt hat, in denen es zu intensiven Gefühlsausbrüchen kam, der kann Emotionen besser antizipieren. Falls es möglich ist, können wir dann durch eigenes Verhalten versuchen, positive Gefühle anderer Menschen zu fördern (Fisher/Brown 1996, S. 86). Falls negative Emotionen tatsächlich auftreten, können emotional intelligente Menschen damit in konstruktiver Art und Weise umgehen. Sie können beruhigen, ablenken oder einfach aushalten. Manchmal reicht schon eine einfache Zustimmung oder eine unerwartete Entschuldigung aus, um Gefühlsausbrüche von Mitmenschen zu beenden. Emotionale Intelligenz bedeutet dabei auch, nicht mit gleicher Münze heimzuzahlen. Wenn Sie jemand übel beleidigt, bringt es typischerweise nichts, mit einer ebenso üblen Beleidigung zurückzuschlagen. Ebenso bringt es nichts, die eigenen Emotionen zu unterdrücken und auf intensive Gefühle rein sachlich oder rational zu reagieren. Dann ist es besser, Gefühle einfach auszuhalten. Psychologen sagen: »You cannot battle a feeling.«

Für den richtigen Umgang mit emotional ablaufenden sozialen Interaktionen gibt es noch ein paar weitere nützliche Verhaltensregeln. Eine erste Regel empfiehlt, starke eigene oder fremde Gefühle durch das Einlegen einer Gesprächspause zu begrenzen. Keine Emotion hält sehr lange an. Wenn wir also mit sehr starken Emotionen von Mitmenschen konfrontiert sind, sollten wir eine Pause machen. Dann kommen meist auch erhitzte Gemüter zur Ruhe. Eine zweite Regel lautet, wichtige Entscheidungen nicht im Zustand eigener emotionaler Erregung zu treffen. Um eigene Gefühle zu beruhigen, helfen einfache Hilfsmittel wie Zählen bis zehn, eine Auszeit vom Gespräch zu nehmen oder Rücksprache mit einem Freund zu halten (Fisher/Brown 1996, S. 77). Die dritte Regel eines emotional intelligenten Umgangs mit starken Gefühlen besteht in ihrer Anerkennung. Viele Menschen beruhigt es schon deutlich, wenn sie sich von anderen Menschen wahrgenommen und verstanden fühlen. Wenn Sie ein Gefühl eines Mitmenschen anerkennen, heißt das nicht, dass sie ebenso empfinden oder inhaltlich zustimmen. Es heißt zunächst nur, dass sie bei Ihrem Gegenüber ein starkes Gefühl erkennen und es als solches ohne weitere Bewertung anerkennen.