Bienengemäß imkern im Jahreslauf - Günter Friedmann - E-Book

Bienengemäß imkern im Jahreslauf E-Book

Günter Friedmann

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Beschreibung

Mit dem Bienenflüsterer durchs Jahr! Jederzeit das Richtige für die Bienen, das ist gerade für nachhaltige Imker das oberste Ziel. Günter Friedmann, der bereits mit "Bienengemäß imkern" eine große Fangemeinde von seiner Philosophie der Imkerei von der Biene aus begeisterte, macht das mit seinem zweiten Buch möglich. Es erweitert nicht nur den Horizont erfahrener Imker, auch Anfänger begleitet es in eine von Anfang an nachhaltige Praxis. Für gesündere Bienen, eine intakte Natur, besseren Honig – und glücklichere Imker. Dieses Modell der Zukunft bringt er nicht nur Hobbyimkern näher, auch Berufsimker erkennen, dass ein wenig weniger Ertrag und etwas mehr Umsicht langfristig sehr viel mehr Positives für Biene und Mensch bringen. - Trendthema Bienen: Bienengemäße Imkerei Monat für Monat, Schritt für Schritt - Besonderer Autor: Günter Friedmann ist ein Pionier der ökologischen Imkerei, erfolgreicher Autor und weltweit größter Demeter-Imker - Nachhaltige Imkerei für jeden: für Anfänger, Erfahrene und Berufsimker

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Seitenzahl: 638

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Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

BLV ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.blv.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

Projektleitung: Dr. Folko Kullmann

Lektorat: Angelika Lang

Bildredaktion: Esther Herr

Covergestaltung: kral&kral design, Dießen a. Ammersee

eBook-Herstellung: Evelynn Ruckdäschel

ISBN 978-3-9674-7109-0

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Fotos: Adobe Stock/Serge; /wiha3; Friedmann, Günter; iStock/florintt; /Jag_cz; Ofenstein, Inge; Shutterstock/Kuttelvaserova Stuchelova; Wienold Imkereibedarf

Syndication: Bildagentur Image Professionals GmbH, Tumblingerstr. 32, 80337 München www.imageprofessionals.com

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Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw.Erfahrung des Verfassers dar. Sie wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Vorwort

Naturgemäß Imkern ist das Leitbild von Günter Friedmann, mit dem ich vor einigen Jahren den ersten Ansatz zu einer Naturethik der Biene vorlegen durfte.1 Seine praktischen Erfahrungen haben mir als Philosophin neue Dimensionen eröffnet, wie es sein könnte, Biene zu sein. Gemeinsam sind wir der Überzeugung: Erst wenn wir uns ihr Leben und den Jahresablauf ihres Volks besser vorstellen können, sind wir bereit, ausreichende Schritte zum Wohl der Bienen zu unternehmen. Das vorliegende Buch enthält wichtige Gedanken zur ökologischen Erneuerung der Gesellschaft und zum Schutz ihrer Mitwelt – dass die Biene bis auf Weiteres ein politisches Tier bleibt, mit dem Kämpfe um Landnutzung und Flächenverbrauch ausgetragen werden; dass die Honigbiene – auch als Indikator für den Zustand anderer Fluginsekten – in Europa weiterhin als gefährdet gelten darf; und nicht zuletzt, dass der pflegliche Umgang mit ihr als einem Nutztier sehr viel über uns selbst und unsere ethische Sicht auf die Natur aussagt.

Hier kommt die Naturgemäßheit ins Spiel. Mit diesem Ausdruck erkennen wir an, dass das Imkern etwas mit Kulturlandschaften zu tun hat – also nicht mit etwas rein Natürlichem, Urwüchsigem oder Wildem. Die Biene hat zusammen mit den Blütenpflanzen eine Koevolution durchlaufen, an der vor Jahrtausenden die Züchtung ansetzen konnte. Seitdem entwickelt sie sich in Partnerschaft mit den Menschen und ihren Lebensgewohnheiten. Aber diese werden zunehmend künstlicher und weniger naturgemäß. Wie die aktuelle Forschung zeigt2, können Insekten Schmerz- und Stressreize viel weitreichender verarbeiten – vermutlich auch empfinden – als gedacht. Was hier neurobiologisch im Labor erforscht wird, wissen professionelle Imker wie Günter Friedman schon lange, weil ihnen das geänderte Sozialverhalten gestresster Bienen auffällt.

Beim Handwerk des Imkerns wird Natur in kultivierte Formen gebracht, wie Völker einer bestimmten Größe und optimale Behausungen für die Honiggewinnung. Das Natürliche – das, was den Anfang seines Wandels in sich hat, wie Aristoteles sagt – wird durch ein naturgemäßes Bewirtschaften erhalten. Dafür sind geeignete Materialien ebenso wichtig wie ein angepasstes Arbeiten an die Jahreszeiten und Verhaltensweisen. Hier wird die Natur nicht als Ding, sondern als ein Prozess gesehen, der sich weiterentwickeln kann.

Mit diesem Buch bündelt Günter Friedmann seine langjährige Erfahrung im Beobachten, Nutzen und Erhalten der Bienen. Er lässt uns teilhaben am Normalen und Ungewöhnlichen, an Bienengesundheit und -krankheit, am Honigen der Blüten, am Schwärmen der Bienen – und für die Bienen.

Prof. Dr. Nicole C. Karafyllis, Technische Universität Braunschweig

1Karafyllis, N. C. u. G. Friedmann: Kein Honigschlecken: Bienen als „Ökosystemdienstleister“ und natürliche Mitwelt. In Thomas Kirchhoff et al. (Hrsg.): Naturphilosophie. Ein Lehr- und Studienbuch. Tübingen: Mohr Siebeck, 2. Aufl. 2020, S. 292-302.

2Gibbons, M., Sarlak, S. u. L. Chittka: Descending control of nociception in insects? In: Proceedings of the Royal Society B., Vol. 289, Issue 1978, 13 July 2022. http://doi.org/10.1098/rspb.2022.0599.

Vorwort des Autors

Der Imker und seine Bienen

Mit diesem Buch möchte ich den Leser an den Erfahrungen auf meinem Weg als naturgemäßer Imker teilhaben lassen. Dieser Weg war oft nicht einfach, manchmal herausfordernd und schon gar nicht geradlinig. Oft genug sind uns Fehler passiert. Wir mussten unsere Ansichten ändern, dazulernen und immer wieder Kompromisse machen. Es überwiegen jedoch die schönen und positiven Erfahrungen. Naturgemäße Imkerei ist für mich keine Ideologie. Ein geistiger bzw moralischer Hintergrund ist wichtig. Aber letztlich muss alles am Bienenstand gut umsetzbar und machbar sein. Aus diesem Grund habe ich immer versucht, mich in meiner Arbeit an denn tatsächlichen Verhältnissen zu orientieren. Bienen sind nichts Heiliges und naturgemäße Imkerei schon gar keine Religion.

Natürlich basiert eine naturgemäße Imkerei auf einigen grundsätzlichen Aspekten. Modern ausgedrückt nennt sich das »Basics«. Naturgemäße Imkerei ist nach meiner Ansicht neben allem imkerlichen Handwerk zuallererst Zuhören! Hören wir auf die Bienen und dann auf unseren gesunden Menschenverstand.

Eigentlich ist eine naturgemäße Bienenhaltung recht einfach: Sie ist ein Dialog, eine Begegnung zwischen Bienen und Imker. Daraus erwächst eine Betriebsweise, die darauf basiert, was die Bienen von ihrer Natur her brauchen. Aber auch das, was der Imker braucht, ist wichtig. Beide Aspekte sollten ausbalanciert sein. Das sehe ich in der heutigen Imkerei nicht mehr.

Ncht alles, was in der konventionellen Imkerei empfohlen wird, ist schlecht. Mich hat schon immer gestört, dass viele Maßnahmen als alternativlos dargestellt und gelehrt werden. Natürlich stimmt das nicht! Es gibt immer eine Alternative. Wichtig ist mir, zu verstehen, warum etwas gemacht wird. Dann kann man auch überlegen, ob das gleiche Ziel nicht auf andere bzw.natürlichere Art und Weise erreicht werden kann.

In diesem Buch versuche ich zu zeigen, welche Motive hinter vielen imkerlichen Maßnahmen stehen. Oft genug geht es nur um den Honigertrag. Diese Betriebsweisen sind nicht automatisch auf das Wohl unserer Bienen ausgerichtet. Oft genug widersprechen sie der Natur der Bienen sogar. Vordergründig und kurzfristig betrachtet, funktioniert diese »moderne« Art des Imkerns recht gut. Die allgemeine Lage der Imkerei hingegen ist schwierig, ja prekär. Das erlebe ich als einen Widerspruch und halte eine Erforschung der Ursachen dieser prekären Situation für nötig. Mein Ziel ist es, Verständnis für die Natur der Bienen zu wecken und Veränderungen in Richtung einer naturgemäßeren Imkerei zu fördern. Der entscheidende Schritt dahin findet im Kopf statt. Ich verspreche Ihnen, dieser Weg ist spannend und lehrreich. Nach meiner Erfahrung machen die Bienen vieles, was nach unserer Ansicht nur durch imkerliche Eingriffe erreicht werden kann, von selbst genauso gut, meist sogar besser. Eine bienengemäße Imkerei kann auch ökonomisch erfolgreich betrieben werden. Auch bei den Bienen stellt sich rasch ein Erfolg ein.

Es war eine meiner besten Lebensentscheidungen, den Beruf des Imkers zu ergreifen. Von Anfang an wollte ich immer ein naturgemäßer Imker sein. Wichtig war mir die Begegnung mit den Bienen auf Augenhöhe und der Versuch, mit der Natur der Bienen zu arbeiten, anstatt gegen sie.

Naturgemäße Imkerei – eine kurze Einführung

Naturgemäße Imkerei ist ein Kompromiss zwischen dem Bestreben, den Bienen die Möglichkeit zu geben, ihre natürlichen Bedürfnisse so weit als möglich auszuleben, und dem, was der Imker für seine Arbeit braucht. Die Ausgestaltung liegt in der Verantwortung des Imkers.

Leben und Arbeiten mit den Bienen

Imkerei ist die Begegnung des Imkers mit den Bienen. Die Bienen haben zurecht einen Anspruch darauf, ihrer Natur gemäß behandelt zu werden. Das ist nicht nur eine Frage der Tierethik. Natürlich lebende Bienenvölker können Mechanismen entwickeln, die eine Koexistenz von Bienen und Varroamilben ermöglichen.

Warum ist naturgemäße Imkerei wichtig?

Die gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen machen auch vor der Imkerei nicht halt. Das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt verändert sich. Vieles wird heute kritisch hinterfragt und geprüft, auch unser Umgang mit den Bienen. Das bringt Veränderungen mit sich. Die Imkerei muss sich zurückbesinnen auf das Wesen der Bienen und naturgemäßer werden.

Die Imkerei im Spannungsfeld der gesellschaftlichen Entwicklung

Die Imkerei spiegelt die Themen und Einflüsse wider, die uns Menschen unmittelbar bewegen. Als ich 1979 mit der Imkerei begann, war dies scheinbar noch anders. Der Imker lebte in seiner besonderen Nische und war zufrieden, wenn er in Ruhe bei seinen Bienen arbeiten konnte. Ökologie und Umweltschutz waren noch keine Themen, die ihn und die Allgemeinheit beschäftigt oder gar bewegt hätten. Die Imker hinterfragten ihren Umgang mit den Bienen kaum – und wenn, dann nur unter dem Aspekt der Betriebsweise, also Erleichterung der Arbeit oder Verbesserung der Völkerführung bzw. Steigerung des Honigertrags. Die Bienenhaltung war vorwiegend auf die imkerlichen Interessen ausgerichtet. Das Befinden des Bienenvolks war kein Thema, denn Imkerei galt per se als naturgemäß. Die imkerliche Welt war noch in Ordnung, auch weil keine gravierenden Krankheiten die Bienen und die Imker plagten und forderten. Die Ernährungssituation war ebenfalls noch gut. Gewandert wurde nur zur Gewinnung von Sortenhonigen. Standimkerei war die Regel und auch gut möglich. So bewirtschaftete zum Beispiel meine erste Lehrmeisterin in der Nähe von Regensburg 100 Bienenvölker, die alle dauerhaft in einem großen Bienenhaus untergebracht waren. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen.

Die Varroamilbe und die ausgeräumte Landschaft infolge der Intensivierung der Landwirtschaft veränderten alles! Die Welt der Imker geriet aus den Fugen. Imkerei war nicht mehr nur eine Idylle. Vielmehr wurden wir Imker mehr und mehr mit neuen Herausforderungen konfrontiert: Die alljährlich notwendige Milbenbekämpfung war neu. Zudem verursachten die gegen die Milbe verfügbaren chemotherapeutischen Medikamente Rückstände in unserem Honig. Wir Imker standen plötzlich vor den gleichen Problemen wie die Landwirte. Hier galt es, eine Antwort zu finden.

Erste Entlastung verschaffte die Entdeckung der varroaziden Wirkung der organischen Säuren. Gleichzeitig entstand die ökologische Imkerei, als zunächst Demeter und Bioland eigene Richtlinien entwickelten. Einige Jahre später wurde dann die EU-Basis-Richtlinie zur Ökologischen Imkerei verabschiedet. Der Fokus dieser Regelwerke lag, mit Ausnahme der sehr bienengemäßen Demeter-Richtlinien, auf der Gewinnung von rückstandsfreien Bienenprodukten und weniger auf dem Umgang mit den Bienen selbst. Der gewünschte Erfolg stellte sich umgehend ein. Honig, Wachs etc. aus ökologischer Imkerei konnten weitgehend frei von Belastungen gewonnen werden. Allerdings zeigte sich auch die Beschränktheit der Richtlinien, da sich an der realen Situation der Bienen nichts änderte. Ganz im Gegenteil! Die Imker, auch die Öko-Imker, mussten ihre Strategien und die Intensität der Varroabekämpfung stetig verschärfen. Ihre Situation glich der der konventionellen Landwirtschaft. Die Spirale der Varroabekämpfung drehte sich weiter und weiter, es war kein Ende in Sicht.

Zudem eroberte das Wort vom »Bienensterben« die öffentliche Aufmerksamkeit und lenkte den Blick auf die desaströse Lage der Insekten inklusive der Honigbienen. Letzteren ging es nur dank der Unterstützung durch den Imker besser als den Wildbienen, Schmetterlingen und anderen Insekten. Langsam gab es einige Anpassungen in den landwirtschaftlichen Förderprogrammen, aber an der Situation der Insektenwelt änderte sich wenig.

Die Varroamilbe ist sowohl für uns Imker als auch für die Bienen eine Herausforderung.

Umdenken in Sicht?

Immer wieder meldeten sich Imker zu Wort, die auch die imkerlichen Betriebsweisen hinterfragten und darauf hinwiesen, dass diese ebenfalls zur Schwächung der Bienen und zu deren abnehmender Resilienz beitragen könnten. Zunächst fanden sie jedoch kein Gehör. Das scheint sich zu ändern. Seit Kurzem wird dieses Thema ernsthaft diskutiert. Triebfeder ist einmal die Frustration in der Imkerschaft über die scheinbar ausweglose bzw. alternativlose Varroasituation. Statt sich im Lauf der Zeit abzuschwächen, wie es oft bei Epidemien vorkommt, hat sich die Lage sogar verschlechtert. Trotz intensiverer Maßnahmen gegen die Milbe, die dem Imker einiges abfordern, liefert sich dieser jedes Jahr erneut einen Wettlauf mit der Varroa. Oft genug verliert er diesen. Es mehren sich die Stimmen, die fragen: Wo soll das alles enden?

Gleichzeitig hat sich die Struktur der Imkerschaft grundlegend gewandelt. Noch vor nicht allzu langer Zeit waren die Imkervereine in der Hand alter Männer. Heute gibt es einen hohen Frauenanteil und viele Vorstände und Mitglieder sind jung und offen für neue, aber auch brisante Themen. Zahlreiche Neu-Imker haben mit der Motivation, den Bienen zu helfen, mit der Bienenhaltung begonnen. Sie sehen sich aber mit einer Imkerei konfrontiert, in der Betriebsweisen dominieren, die gegen die natürlichen Bedürfnisse und Triebe der Bienen gerichtet sind. Einzeln betrachtet wirkt vieles gar nicht so dramatisch. Wenn ich aber das gesamte Ausmaß der imkerlichen Eingriffe betrachte, so erschrecke ich schon. Der Bien sieht sich einem umfassenden System von Manipulationen gegenüber, der ihm kaum mehr Raum lässt, seiner Natur gemäß zu leben.

Und noch etwas könnte einen imkerlichen Gesinnungswandel bewirken: Die Bienen selbst zeigen uns, dass sie mit der Varroamilbe klarkommen und deren Invasion überleben können. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich zwischen der Milbenpopulation und dem Bienenvolk ein Gleichgewicht herausbilden kann. Das geht nur mit einer extensiven Imkerei und einem weitgehenden Verzicht auf eine aktive Varroabekämpfung. Eine Imkerei, die der Natur der Bienen genügend Raum lässt und den Bienen eermöglicht, diese auch auszuleben, stärkt die Gesundheit, Stabilität und Resilienz der Völker. Zudem können unsere Bienen unter diesen Bedingungen eigenständig eine Toleranz bzw. sogar eine Resistenz gegen die Varroamilbe entwickeln. Deutlicher kann es gar nicht ausgedrückt werden: Eine Imkerei gemäß der Natur der Bienen stärkt die Bienen und macht sie wieder gesünder.

Nun geht es nur noch darum, dass die Stimme der Bienen selbst Gehör findet bei denjenigen Menschen, die sie pflegen und unterstützen – bei uns Imkern. Natürlich ist und bleibt die Honigbiene ein Nutztier. Allerdings ein Nutztier, das nicht mit der Kuh, dem Huhn oder dem Schwein vergleichbar ist. Bei diesen kontrolliert der Landwirt alle Bedingungen, unter denen diese Tiere leben. Die Biene hingegen ist zwar domestiziert, bis zu einem gewissen Grad ist sie aber ein wild lebendes Tier geblieben. Es hat sich gezeigt, dass die Bienen umso anfälliger und schwächer werden, je mehr wir sie manipulieren, kontrollieren und domestizieren. Normalerweise hätte unser gesunder Menschenverstand uns schon lange ein Licht aufgehen lassen müssen. Das ist aber nur sehr eingeschränkt passiert. Stattdessen zeigen uns nun die Bienen selbst die Richtung. Das finde ich grandios!

Langsam kommt also in der Imkerschaft eine produktive Diskussion in Gang. So hat ein ökologischer Anbauverband eigene Tierwohl-Richtlinien formuliert und fordert seine Mitglieder auf, diese umzusetzen. Das ist ein großartiger Impuls. Studiert man diese Tierwohl-Richtlinien, so enthalten sie viele gute Forderungen. Zum Beispiel, dass der Imker seine Bienen nicht an kalten, schattigen Stellen oder gar in Kaltluftseen aufstellen soll. Er soll immer auf das Vorhandensein ausreichender Futtervorräte achten, keine verschimmelten oder verkoteten Waben verwenden etc. (Bioland-Leitfaden für Imker zur Tierwohl-Kontrolle, 2021). Genauer betrachtet, gehört jedoch die Mehrzahl der Maßnahmen, die hier als Tierwohl beschrieben werden, zur guten imkerlichen Praxis. Aber: Ein Anfang ist gemacht!

Was ist gute fachliche Praxis?

Sie ist eine Basisstrategie und bezeichnet die Gesamtheit der im jeweiligen Bereich anerkannten Regeln der Techniken und Maßnahmen. Diese müssen in der Wissenschaft als gesichert gelten, aufgrund von Erfahrungen angemessen und geeignet sein. Außerdem müssen sie den sachkundigen Anwendern bekannt sein (Wikipedia 2023). Auf die Imkerei übertragen heißt das: Gute imkerliche Praxis ist Imkerei auf dem Stand des anerkannten Wissens. Sie beinhaltet alles, was notwendig ist, um das Überleben und die Gesundheit der Bienenvölker zu sichern sowie um Honig ernten zu können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Viele imkerliche Maßnahmen sind richtig, notwendig und angemessen, wie zum Beispiel das Füttern. Allerdings ist die gute fachliche Praxis mehr auf das handwerkliche Imkern und weniger auf das Bienenvolk an sich ausgerichtet.

Das Tierwohl und die gute fachliche Praxis können auch im Widerspruch zueinander stehen. Das gilt zum Beispiel für das Ausbringen von Ameisensäure im Bienenvolk oder das Ausschneiden der Drohnenbrut und die Stellung und biologische Bedeutung der Drohnen im Bienenvolk.

Was bedeutet Tierwohl?

Während vor einigen Jahrzehnten Tiere im Bürgerlichen Gesetzbuch noch als Sache galten, so gibt es hier, rein gesetzgeberisch gesehen, große Fortschritte. In § 1 TierschG wird das Tier schon als Mitgeschöpf bezeichnet, dem niemand ohne vernünftigen Grund Schmerz, Leiden oder Schaden zufügen darf. Tierwohl wird heute weitgehend durch die fünf Freiheiten definiert (Wikipedia 2023):

Freiheit von Hunger, Durst und FehlernährungFreiheit von UnbehagenFreiheit von Schmerz, Verletzung und KrankheitFreiheit von Angst und LeidenFreiheit zum Ausleben normalen Verhaltens (die Tiere leben unter Bedingungen, die psychisches Leiden vermeiden)

Konkret sind diese fünf Freiheiten auf die üblichen Nutztiere ausgerichtet. Hier können viele Parameter direkt überprüft werden. Die Lebenswelt der Bienen ist uns aber oft fremd. Das macht es schwierig, ihr Wohlbefinden zu beurteilen. Doch mittlerweile ist die Forschung, hier vor allem Biologie, Philosophie und Ethik, weit vorangeschritten. Wir wissen, dass Bienen Emotionen haben. Sie vollbringen intellektuelle Leistungen wie Rechnen oder das Beurteilen von Situationen. Sie wägen ab und treffen Entscheidungen etc. Ja, Bienen kennen sogar das soziale Lernen. Dies alles trifft aber nicht nur auf der Ebene der Einzelbiene zu. Das gilt auch für das Bienenvolk als Ganzes bei der Wahl eines geeigneten Nistplatzes oder Mobilisierung von Sammlerinnen für die Ausnutzung von Trachtquellen – der Bien hat Entscheidungsstrukturen und -prozesse entwickelt, die zu der für eine Gemeinschaft besten Lösung führen. Diese sind meiner Ansicht nach sogar unseren demokratischen Prozessen überlegen.

Diese Erkenntnisse bringen uns das Wesen eines Bienenvolks schon deutlich näher. Es ist keine Sache, die uns da gegenübersteht. Kein seelenloses, dummes Wesen, dem unbedenklich der Honig weggenommen werden kann und dem es egal ist, wie mit ihm verfahren wird. Beim Imkern begegnen wir einem starken, eigenständigen Gegenüber – fast schon einer Art Persönlichkeit. Diese fordert zu Recht unsere Achtung und unseren Respekt.

Darüber hinaus ist in der Ethik der Begriff des Eigenwerts des Tieres von hoher Bedeutung. Jedes Wesen hat einen solchen Eigenwert. Daraus leitet sich sein Recht auf Freiheit von Leiden etc. ab.

Da die Wissenschaft in den letzten Jahren große Fortschritte in der Beschreibung des Lebens ebenso wie in der Entdeckung der vielfältigen und erstaunlichen Fähigkeiten der Tiere gemacht hat, muss der Begriff des Tierwohls erweitert werden:

Jedes Tier verfügt über spezifische Fähigkeiten, mit deren Hilfe es seine Ziele verfolgt. Und die muss es ausüben dürfen.Darüber hinaus hat jedes Wesen ein Recht auf ein »gutes Leben«. Die Definition davon darf sich nicht am Menschen orientieren, sondern einzig und allein an den Fähigkeiten und Fertigkeiten der Tiere selbst – an ihrer Natur.

Es ist Unrecht, wenn Tiere darin behindert werden, ihre Ziele in der ihnen eigenen Art zu verfolgen. Dies, so die moderne Ethik, ist nur dann tolerierbar, wenn es der eigenen Verteidigung dient oder dem Schutz anderer. Das eröffnet für eine tiergerechte und naturgemäße Landwirtschaft vollkommen neue Perspektiven. Der Fokus muss auf das Tier und nicht mehr nur auf seinen Halter gerichtet werden.

Dieser Diskussion werden wir Imker uns nicht entziehen können. Das zeigt die Landwirtschaft, wo das Thema Tierwohl bei Schweinen, Rindern und Hühnern einen ganz wichtigen Stellenwert bekommen hat. So unangenehm und teuer das für die Landwirte werden kann, sie müssen reagieren. Das ist auch gut so. Bisher hat die Imkerei alle Entwicklungen in der Landwirtschaft – wenn auch zeitverzögert – mitgemacht. Deshalb ist zu erwarten, dass auch wir uns der Fragen nach dem Wohl unserer Bienen und nach unserem Umgang mit ihnen stellen und darauf entsprechend reagieren müssen.

Naturwabenbau ist ein wesentliches Element der naturgemäßen Imkerei.

Das Grundprinzip der naturgemäßen Imkerei

In diesem Kontext gewinnt die naturgemäße Imkerei ihr Profil und ihre Zukunft. Werden die Bienen, sofern sie ihrer Natur gemäß leben dürfen, dann auch noch gesünder, sprich varroaresistent, so sollte eigentlich jeder diesen Weg gehen.

Das Grundprinzip der naturgemäßen Imkerei ist der Versuch, so zu imkern, dass das natürliche Leben der Bienen selbst die Basis der imkerlichen Tätigkeit darstellt. Ich versuche, diesem natürlichen Leben in meinen imkerlichen Eingriffen gerecht zu werden, statt es um jeden Preis zu unterdrücken und zu manipulieren. Und natürlich möchte ich daraus auch einen Nutzen ziehen. Die Basis meiner Begegnung mit den Bienen ist Vertrauen, Achtung und Respekt. Das Ziel ist die Autonomie der Bienenvölker in einer weitgehend extensiven Imkerei.

Die einzelnen Elemente der naturgemäßen Imkerei sind für mich:

Der Naturwabenbau, um der Bedeutung von Wachs und Wabenbau für das Leben des Bienenvolks gerecht zu werdenVermehrung über den Schwarmprozess und keine systematische künstliche KöniginnenzuchtHarte Selektion, basierend auf einer großzügigen Vermehrung im SommerVarroaresistenz-BasiszuchtEine gut bienenverträgliche und wirksame Varroabekämpfung (falls notwendig)Fütterung und FutterversorgungBehandlung des Honigs als wertvolles BienenproduktEine ausgewogene Honigernte. Als Imker möchte ich auch Honig ernten. Das ist gewissermaßen die Gegenleistung dafür, dass ich die Bienen pflege und sie versorge. Das bedeutet aber nicht, dass ich den Bienen den kompletten Honig wegnehme. Ich kenne die Bedeutung des Honigs für die Bienen selbst und versuche, dem Jahr für Jahr gerecht zu werden.

Die Biene als politisches Tier

Imkerei ist heute mehr als »nur« Imkern. Durch die massive Verarmung der Landschaft als Folge der intensiven modernen Landwirtschaft sind wir Imker gefordert, uns auch politisch zu engagieren.

Imkern – eine politische Tätigkeit

Um erfolgreich imkern zu können, sollte jeder Imker den näheren und weiteren Einzugsbereich seiner Bienenvölker kennen. Das heißt, er betrachtet die Landschaft mit den Augen einer Biene. Honigbienen befliegen je nach Jahreszeit ein Gebiet, das bis zu 100 km² groß sein kann. Sie zeigen dem Imker, wie es dort um die Blütenvielfalt und die Biodiversität, also die natürliche Vielfalt, bestellt ist. Indirekt kann er diese Parameter an der Gesundheit und der Konstitution seiner Bienenvölker ablesen. Honigbienen sind daher Bio-Indikatoren für den Zustand der Landschaft, in der sie leben.

Hier verlässt die Imkerei den privaten Bereich eines Hobbys oder einer Leidenschaft und die Honigbiene wird zum politischen Tier. Durch ihre Lebensweise und ihr Sammelverhalten deckt sie viele für uns schwer wahrnehmbare Zusammenhänge auf und führt uns die Konsequenzen vor Augen. Der Imker hat seine Hand unmittelbar am Puls der Natur. Das ist auf der einen Seite ein Privileg, weil daraus eine intime Kenntnis und eine große Verbundenheit mit den Naturzusammenhängen entstehen kann. Auf der anderen Seite erwächst daraus eine zweifache Verantwortung …

… für die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Bienenvölker.… für Menschen, die dieses Privileg der Naturverbundenheit nicht haben. Wir Imker müssen sie aufklären und informieren.

Damit wird das Imkern zu einer politischen Tätigkeit. Das ist eine Herausforderung, denn Imker sind meist Individualisten und zufrieden, wenn sie bei ihren Bienen sein können. Diese Haltung können wir uns heute aber nicht mehr leisten. Zu gravierend sind die Veränderungen. Und wir sind noch nicht am Ende! Ermutigend finde ich, dass viele Imker in der jüngeren Zeit ein politisches Bewusstsein und auch die Bereitschaft zu einem entsprechenden Engagement entwickeln.

Naturlandschaft vs. Nutzlandschaft

Die moderne intensiv betriebene Landwirtschaft hat die Landschaft in Mitteleuropa in nur wenigen Jahrzehnten auf eine radikale, früher kaum vorstellbare Weise verändert. Ein Blick aus dem Fenster genügt. Wir leben in einer »Nutzlandschaft«, in der nahezu jeder Quadratmeter von Menschen bewirtschaftet wird. Dennoch scheint diese Landschaft im Großen und Ganzen noch intakt zu sein. Die Vögel singen noch, ab und zu fliegt ein Schmetterling vorbei und auf den Wiesen wachsen immer noch einige Blümchen.

Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, wie armselig die Landschaft geworden ist. Es fehlen nicht nur die Insekten. Insgesamt ist es um die lebendige Artenvielfalt und die Biodiversität schlecht bestellt. Für mich als Imker, der mittlerweile mehr als vier Jahrzehnte in der gleichen Landschaft tätig ist, sind diese gravierenden Veränderungen auf den ersten Blick wahrnehmbar. Tatsächlich fällt es mir im Sommer oft schwer, diese Monotonie, diese Verarmung und Einseitigkeit zu ertragen. Nicht nur, weil es die Ökonomie meines Imkereibetriebs tangiert, sondern weil ich auch erlebe, wie schwer sich die Bienen in dieser Landschaft tun.

Aber auch die abstrakte Statistik spricht eine deutliche Sprache. 1950 gab es in Deutschland ca. zwei Millionen Bienenvölker. Diese Zahl sank zwischenzeitlich auf etwa 800.000 Völker. Mittlerweile leben hier dank des Imkerbooms der letzten Jahre wieder etwa eine Million Bienenvölker. Letztlich sind das nach meiner Ansicht trotz des Aufwärtstrends dramatische Zahlen. Denn es ist nicht nur die Zahl der Bienenvölker um ca. 50 Prozent zurückgegangen. Die verbliebenen Völker werden statt mit acht bis zehn Kilogramm Zucker aktuell mit 20 bis 25 Kilogramm Zucker eingefüttert. Die Trachtlücken im Sommer werden immer größer. An vielen Standorten kann dauerhaft nicht mehr gut geimkert werden. Wenn der Imker nicht andere Trachtquellen anwandert, ist er gezwungen, seine Bienenvölker auch im Sommer zu füttern. Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet dies nichts anderes, als dass unsere Landschaft nicht einmal mehr die Hälfte der Nahrungsquellen bietet, die hier noch in den Fünfzigerjahren vorhanden waren. Zur Bewusstseinsbildung brauchen wir die Möglichkeit zum Vergleich. So erinnern wir uns daran, dass in unserer Kindheit bunte Blumensträuße zum Muttertag schnell gepflückt waren. Oder daran, dass früher die Windschutzscheiben und Scheinwerfer nach langen Autofahrten von Tausenden von Insekten verklebt waren. Aber das sind vage Erinnerungen. Tatsächlich gibt es kaum belastbare Zahlen dazu.

Studie zum Insektenschwund

2017 veröffentlichte der Entomologische Verein Krefeld eine Langzeitstudie zum Rückgang fliegender Insekten. Die Hobbyentomologen des Vereins fingen von 1989 bis 2013 regelmäßig fliegende Insekten in sog. Malaisefallen. Dabei stellten sie fest, dass das Gesamtgewicht der gefangenen Insekten in dem Beobachtungszeitraum um bis zu 80 Prozent zurückgegangen war. Wurden in den Anfangsjahren der Untersuchung pro Falle noch bis zu 1,6 Kilogramm Insekten gefangen, so waren es in späteren Jahren oft nur noch 300 Gramm. Weitere Untersuchungen bestätigten diese Ergebnisse, wobei nicht nur das Gesamtgewicht, sondern auch die Zahl der gefangenen Individuen und die Artenzahl verglichen wurde. Auch hier war der Rückgang erschreckend hoch: Die Gesamtzahl der Insekten ging um 78 Prozent zurück, die Artenzahl sank um mehr als 30 Prozent.

Wir werden Opfer eines Phänomens, das in der Fachsprache »shifting baselines« genannt wird. Jede Generation hat als Ausgangspunkt ihrer Wahrnehmung nur das, was sie vorfindet. Das hält sie für den Normalzustand. So ist für unsere Kinder ein grüner Sommer Normalität. Es findet eine Gewöhnung an das schleichende Verschwinden von Buntheit, Vielfalt statt. Das macht es schwer, ein tatsächliches Bewusstsein für die Dramatik zu entwickeln. Noch schwerer ist es, das Verhalten zu verändern. Mir selbst geht es auch so. Manchmal kann ich kaum glauben, dass es tatsächlich so schlimm ist. Darum tun wir uns mit dem Verschwinden der Biodiversität so schwer. Ein grüner Sommer ist doch auch ein schöner Sommer!

Das Bienensterben

In den letzten Jahren verging kaum ein Tag, an dem nicht in unterschiedlichen Medien über das »Bienensterben« und die zunehmende Not der Bienen berichtet wurde. Dadurch geriet die Imkerei in den Fokus des öffentlichen Interesses, während sie zuvor eine kaum wahrgenommene Randexistenz geführt hatte. Mittlerweile hat sich die Debatte wieder beruhigt bzw. sie wurde von anderen Themen wie Klimaerwärmung etc. überlagert. Tatsächlich ist der Begriff »Bienensterben« ein sehr starker Terminus, der zu Recht viele Menschen aufgewühlt hatte. Wenn wir auch in diesem Buch immer wieder darüber sprechen, dass die Imkerei heutzutage immer schwieriger und die Lage der Bienen oft prekär geworden ist, so kann jedoch nicht die Rede von einem allgemeinen Bienensterben sein. Es herrscht Konsens darüber, dass es der Honigbiene nicht gut geht und die Lage der Imkerei in vielen Ländern als prekär bezeichnet werden kann: Es gibt hohe Verlustraten, erfolgreiche Imkerei wird immer schwieriger und wir Imker befinden uns in einem Wettlauf mit der Varroamilbe, den wir oft genug verlieren. Aber als Bienensterben würde ich das nicht bezeichnen. Dieser Begriff impliziert, dass die Bienen in vielen Regionen massenweise sterben. Das stimmt so nicht. Eine Ausnahme stellen jedoch die Vereinigten Staaten dar: Dort liegen die jährlichen Verlustraten seit einigen Jahren konstant bei fast 50 Prozent.

Betrachtet man die Lage der Imkerei weltweit, so zeigt sich ein differenziertes Bild. Es gibt Regionen, wie etwa Südamerika oder auch weite Teile Afrikas, in denen die Imkerei blüht und gedeiht. Auf der anderen Seite gibt es Gebiete, vorwiegend in Europa, Nordafrika und Nordamerika, in denen sich die Zahl der Bienenvölker verringert hat und die Verlustraten hoch sind.

Blütenvielfalt ist elementar für eine gute Ernährung der Honigbienen. Das beeinflusst auch die Bienengesundheit.

Extensive Imkerei und Bienensterben

Auffällig finde ich, dass es den Bienen dort gut geht, wo weitgehend extensiv geimkert wird und wo es auch um die Biodiversität gut bestellt ist. Den Bienen geht es dagegen in den Gebieten schlecht, in denen sowohl moderne, intensiv betriebene Landwirtschaft als auch moderne, intensiv betriebene Imkerei vorkommen. Dieser Zusammenhang sollte uns zu denken geben. Der Vergleich zeigt deutlich, welche Gründe für die bedenkliche Lage bzw. für das Blühen und Gedeihen der Bienen und der Imkerei mitverantwortlich sein könnten. Gleichzeitig können daraus auch Lösungsmöglichkeiten für einen Ausweg aus der Krise herausgearbeitet werden.

In Südamerika sind der Aufschwung der Imkerei und das Wohlergehen der Bienen eng mit der Ausbreitung der Afrikanisierten Biene, spektakulär auch »Killerbiene« genannt, verbunden. Diese Kreuzung der Italienischen Biene Apis mellifera ligustica mit der Afrikanischen Hochlandbiene Apis mellifera scutellata ist sehr aggressiv und hat sich in wenigen Jahren über große Teile des südamerikanischen Kontinents bis nach Kalifornien ausgebreitet. Dort stieß sie an eine klimatische Grenze, da sie nicht winterfest ist. Die Imker hatten zunächst große Probleme, mit der Aggressivität dieser Bienen umzugehen. In Mexiko ist es zum Beispiel verboten, diese Biene innerhalb von menschlichen Siedlungen zu halten. Das ist zu gefährlich. Doch im Lauf der Zeit lernten die Imker damit umzugehen und imkern jetzt sehr extensiv. Außer einer Honigernte wird nur wenig gemacht. Das funktioniert natürlich nur deshalb gut, weil aufgrund der hohen Biodiversität die Trachtverhältnisse hervorragend sind. Die Afrikanisierte Biene wird mittlerweile als evolutionärer Glücksfall bezeichnet. Sie ist sehr vital und varroatolerant, sodass die Varroamilbe die Bienenvölker nicht existenziell bedroht. Verantwortlich dafür ist das Verhalten der Bienen selbst: Sie verlassen den Stock, wenn die Belastung mit Milben zu groß wird. Dieses Absconding genannte Verhalten führt allerdings auch dazu, dass die Bienen den Stock verlassen, wenn der Imker zu sehr nervt. Gleichzeitig zeigt die Afrikanisierte Biene ein ausgeprägtes Putzverhalten, das Grooming. Die Bienen befreien sich gegenseitig von Milben. Die Varroamilbe vermehrt sich dort vorwiegend in der Drohnenbrut.

Dass nicht nur die Genetik für die Koexistenz mit der Milbe verantwortlich ist, sieht man auch an der Situation der Imkerei in Afrika. Dort wird in vielen Gebieten noch sehr traditionell geimkert, zumeist extensiv wegen der auch dort hohen Aggressivität der Bienen. Gleichzeitig ist auch in Afrika die Biodiversität sehr hoch.

Eine Nutzpflanzenwüste der Agrarindustrie: Millionen Exemplare einer einzigen Pflanzenart auf dem Feld, doch ohne Nutzen für die Bienen, da sie weder Pollen noch Nektar bieten.

Moderne Landwirtschaft und die Krise der Imkerei

Welchen Anteil die moderne intensive Bewirtschaftung der Bienenvölker an der Krise der Imkerei haben könnte, versuche ich in diesem Buch zu beschreiben. Gleichzeitig ist es mein Anliegen, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Bei der Betreuung unserer Bienen können wir selbst tätig werden. Für die Blütenvielfalt und Biodiversität in der Landschaft können wir kaum etwas tun, da uns dazu die Flächen fehlen. Diese sind in der Hand der Landwirte. Der Beitrag der Landwirtschaft zur krisenhaften Lage der Bienen, aber auch zum dramatischen Rückgang der für die Bestäubung elementar wichtigen Insekten- und Wildbienenpopulationen ist hoch. Allerdings bleibt uns im Kern nichts anderes übrig, als immer wieder auf die Probleme aufmerksam zu machen. Ich fühle mich verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren. Wer sonst außer uns Imkern agiert an vorderster »Front« und erlebt hautnah die negativen Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft auf die Blütenwelt, die Insekten und die Biodiversität? Wir müssen aber auch mit den Landwirten kooperieren und diese informieren. Die Einflüsse sind so komplex, dass wir nicht davon ausgehen können, dass die Landwirte alle Zusammenhänge erkennen.

Landwirtschaft ist heute ebenfalls ein schwieriges Metier. Bauern verdienen unseren Respekt. Sie besitzen die Flächen, auf denen unsere Bienen »weiden«. Eine Verbesserung der Situation kann daher nur gemeinsam mit den Landwirten erreicht werden, getragen und unterstützt von Politik und Gesellschaft. Die Diskussion über die prekäre Situation der Insektenwelt hat bereits zu einigen Veränderungen in der Landschaft geführt. Als Beispiel möchte ich nur die Förderung von Blühstreifen, Zwischenfrüchten etc. anführen. Tatsächlich hat sich aber trotz einiger Fortschritte grundlegend nur wenig verbessert – nach meiner Wahrnehmung hat sich die Situation in den letzten Jahren sogar noch verschlechtert. Dies gilt allerdings nicht für alle Regionen.

Es gibt nicht die eine Ursache für die fatale Entwicklung in der Beziehung Insektenwelt und Landwirtschaft. Das gesamte System der modernen intensiven Landwirtschaft, beruhend auf dem Zusammenwirken von vielen verschiedenen Einflussfaktoren, hat die gravierenden Probleme zu verantworten. Ich bin daher der Meinung, dass einzelne Maßnahmen zwar punktuelle Verbesserungen, aber keine grundlegende Veränderung bewirken können. Deshalb sehe ich auch im ökologischen Landbau keinen wesentlichen Faktor zur Verbesserung der Lage der Insekten bzw. der Biodiversität. Der ökologische Landbau folgt ebenfalls dem Pfad der Intensivierung. Tatsächlich kann aber nur eine Extensivierung zu einer Erhöhung der Nachhaltigkeit und Verbesserung der Biodiversität führen.

Auslöser der ökologischen Krise

Werfen wir einen kurzen Blick auf die einzelnen Mosaiksteine, die die prekäre Lage, in der wir uns befinden, verursacht haben. Viele einzelne Auslöser der Krise sind bekannt, ebenso die von ihnen ausgehenden ökologischen Folgen. Eine Zusammenschau öffnet den Blick auf die tatsächliche Dimension der ökologischen Krise, in der wir uns befinden, und darauf, wie schwierig es sein wird, einen Ausweg zu finden und zu gestalten.

Insektizide

Insektizide gefährden unmittelbar Bienen und andere Insekten. Ein Insektizid ist eine chemische Substanz, um Insekten oder deren Entwicklungsstadien abzutöten, zu vertreiben oder zu hemmen. Mit dieser Definition ist eigentlich alles gesagt. Synthetische Insektizide sind relativ jung. Das erste Insektizid auf der Basis von Phosphorsäureester wurde 1938 entwickelt. Prinzipiell treffen Insektizide Schädlinge wie Nützlinge gleichermaßen. Um diese Kollateralschäden zu minimieren, arbeitet die chemische Industrie beständig an dem Spagat »Schutz der Honigbienen trotz hochwirksamer Insektizide«. Unzweifelhaft gibt es Fortschritte bei der Entwicklung neuartiger, sehr selektiv wirkender Insektizide. Auch die Zulassung neuer Mittel wurde verschärft. Ich kann mich noch gut an Zeiten von akuten Bienenvergiftungen erinnern, denen ganze Völker zum Opfer fielen. Das ist zum Glück selten geworden. Das Bienensterben im Rheintal 2008 war vorläufig das letzte seiner Art bei uns. Damals wurden viele Bienen durch den Abrieb und Insektizidstaub bei der Aussaat gebeizten Saatguts getötet. Das Beizmittel haftete nicht fest genug am Samenkorn. Die Saatgutbeizung ist eine wichtige Neuerung bei der Insektizidanwendung. Dabei wird das Saatgut mit dem Insektizid ummantelt. Der Wirkstoff gelangt so nicht direkt in die Umgebung, sondern zirkuliert lediglich, ausgehend vom Samenkorn bzw. von der Wurzel, im Siebröhrensaft der Nutzpflanze. Saugt ein Insekt an der behandelten Pflanze, so stirbt es. Dies nennt man systemische Wirkung. Allerdings gelangt das Insektizid auch in den Nektar. Durch die Saatgutbeizung ist das direkte Ausbringen von Insektiziden stark zurückgegangen. Die Emissionen wurden reduziert. Viele Menschen haben daher den Eindruck, dass weniger Insektizide gespritzt werden. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Der Inhalt bleibt gleich, nur die Form ändert sich. Zudem wirken moderne Insektizide wesentlich effektiver. Ihre Giftigkeit hat sich im Vergleich zu den früher eingesetzten Insektiziden massiv erhöht. Trotzdem töten sie ihre Zielorganismen oft nicht unmittelbar, sondern wirken »lediglich« subletal, also nicht direkt tödlich.

Moderne Insektizide sind zum Beispiel die Neonicotinoide, die weltweit zu den am meisten verbreiteten Insektiziden gehören. Sie wirken direkt auf die Nervenzellen der Insekten und lösen dort eine Art Nervenzusammenbruch aus. Neonicotinoide kamen in den letzten Jahren in Verruf, das Lernvermögen und die Orientierung der Honigbienen zu schädigen. Sammelbienen fanden nicht mehr zum Heimatstock zurück bzw. brauchten für den Rückweg wesentlich länger. Zudem gerieten die Neonicotinoide in Verdacht, auch das Immunsystem der Bienen zu schwächen. Als Folge eines Gerichtsurteils des Europäischen Gerichtshofes sind heute zahlreiche Neonicotinoide in vielen Ländern Europas nicht mehr zugelassen. Allerdings reicherten sich die Wirkstoffe in der Vergangenheit im Boden an und gelangen weiterhin in den Siebröhrensaft der Pflanzen und damit in den Honig. Moderne intensive Landwirtschaft kann nur mit dem Einsatz von chemisch-synthetischen Wirkstoffen funktionieren. Daher werden wir Imker auch in Zukunft weiterhin mit dieser Problematik und der daraus resultierenden Schwächung der Bienen konfrontiert sein.

Ein Totalherbizid hat ganze Arbeit geleistet. Alles Unerwünschte wurde abgetötet.

Herbizide

Herbizide oder Unkrautbekämpfungsmittel sind chemische Substanzen, die unerwünschte Pflanzen abtöten sollen. Auch Herbizide sind eine relativ junge Entwicklung und werden erst seit etwa 70 Jahren eingesetzt. Seit den 1960er-Jahren ist ihr Einsatz jedoch systematischer Bestandteil der modernen Landwirtschaft. Herbizide sind in hohem Maße verantwortlich für die jetzige Situation der Imkerei. Noch vor wenigen Jahrzehnten herrschte auf den Feldern Buntheit und Vielfalt. Dank der Beikräuter und der blühenden Wiesen fanden die Bienen vom Frühjahr bis Ende September ein kontinuierliches reichhaltiges Blühangebot vor, das sogenannte Trachtband. Im Frühjahr spendeten vor allem Weiden, Schlehen, Feldahorn, Heckenrose etc. in Hecken und an Waldrändern den Insekten Nahrung. Im Sommer bestand die Haupttracht aus den Ackerunkräutern, wie Hederich, Kornblumen, Disteln und Mohnblumen. Im Herbst blühte auf den Wiesen Bärenklau. Für Schmetterlinge, Wildbienen, Hummeln und Honigbienen gab es ganzjährig reichhaltige Nahrung. Heute ist unsere Landschaft weitgehend ausgeräumt und wird großflächig von Nutzpflanzen dominiert. Gerade im Sommer herrscht in vielen Regionen Mangelernährung. Honigt der Wald nicht, so leiden Wildbienen und Bienen Hunger, weil die Ackerunkräuter durch den Einsatz von Herbiziden eliminiert wurden. So ist für die Insektenwelt in evolutionär gesehen kürzester Zeit eine vollkommen ungewohnte Situation entstanden. Honigbienen sind dabei noch im Vorteil, weil sie als Generalisten unterschiedlichste Nahrungsquellen nutzen können. Zum anderen sind sie durch die große Anzahl von Sammelbienen in einem Volk schlagkräftig und können eine Tracht gut ausnutzen. Zudem erweitern sie bei Nahrungsmangel einfach ihr Einzugsgebiet. Wildbienen und Schmetterlinge haben es viel schwerer. Sie sind oft auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert. Verschwindet diese einzige Nahrungsquelle, so verschwindet auch das mit ihr zusammenlebende Insekt. Außerdem ist der Flugradius von Wildbienen deutlich kleiner. Wildbienen leben solitär, eine einzige Biene baut das Nest, legt die Eier und versorgt die Nachkommen, die meist erst im nächsten Jahr schlüpfen, mit Nahrung. Werden die Nahrungsquellen in der unmittelbaren Umgebung rar, so sind die Kräfte schnell erschöpft. Honigbienen haben aber noch einen weiteren Vorteil: Sie haben den Imker, der sie betreut und der bei Nahrungsmangel sogleich mit dem Zuckersack bereitsteht. Wildbienen sind ganz auf sich allein gestellt.

Neuartige Herbizide: Glyphosat ist ein systemisch wirkendes Breitbandherbizid. Das bedeutet, dass es nicht selektiv gegen einzelne Unkräuter wirkt, sondern dass die meisten Pflanzen, die damit in Berührung kommen, absterben. Wendet der Landwirt Glyphosat an, so kann er auf eine mechanische Unkrautbekämpfung verzichten. Es gibt bereits Saatgut, das eine Glyphosat-Resistenz aufweist. Hier kann der Landwirt gleichzeitig mit der Ausbringung des neuen Saatguts das Unkraut bekämpfen. Das ist wirtschaftlich und arbeitstechnisch interessant. Glyphosat gibt es seit 1974 und es wird für drei verschiedene Zwecke eingesetzt:

Nach der Ernte wird vor der erneuten Aussaat das Feld mit Glyphosat von Unkraut bereinigt.Kurz vor der Saat wird Glyphosat ausgebracht.Die dritte Anwendungsform ist die Sikkation. Hier wird das Herbizid kurz vor der Ernte ausgebracht. Das Unkraut, aber auch die Kulturpflanzen sterben ab. So wird ein einheitlicher Erntezeitpunkt ermöglicht.

Mit Glyphosat erfuhr die Blütenarmut noch einmal eine Steigerung. Bei der herkömmlichen Unkrautbekämpfung, entweder mechanisch oder mit einem selektiv wirkenden Wirkstoff, kam es auf den Zeitpunkt der Anwendung an. Oft konnte der Landwirt das Feld aber aufgrund schlechter Witterungsbedingungen nicht befahren, weil es zu feucht war, oder er vergaß einen Streifen. Dann kamen dort einige Beikräuter auf sogenannten Blühinseln doch noch zum Blühen. Mit Glyphosat ist auch dies vorbei. Das Feld wird zu einem geeigneten Zeitpunkt prophylaktisch behandelt. In der Folge blüht dann dort nichts mehr. Somit ist das Blühpotenzial der Landschaft noch einmal ärmer geworden.

Silage

Die Wiesennutzung wurde im Vergleich zu den Ackerflächen relativ spät intensiviert. Erst um das Jahr 2000 herum etablierte sich auch in meiner Region, der Schwäbischen Alb, die Silagebereitung. Bis dahin war es üblich, die Wiesen etwa dreimal im Jahr zu mähen, um Heu als Futter zu gewinnen. Oft genug wurden die Tiere täglich mit frischem Gras gefüttert. Auf den Wiesen gab es noch viele blühende Pflanzen, die die Insekten als Nahrungsquellen nutzen konnten. Doch auch die Landwirte denken ökonomisch und intensivierten die Wiesennutzung. Frischfutter wird nur noch von sehr wenigen Landwirten gewonnen. Der Arbeitseinsatz ist einfach zu hoch. Auch wird nur noch wenig Heu gemacht. Heute dominiert die Silagebereitung bei der Nutzung der Wiesen. Dabei ist das Wetterrisiko im Vergleich zur Heuernte deutlich niedriger. Heu muss einige Tage trocknen, Silage kann nach einer kurzen Antrocknungsphase oft noch am Abend desselben Tages eingeholt werden. Heuqualität und -zusammensetzung sind je nach Wiese und Jahreszeit unterschiedlich. Das beeinflusst die Milchqualität. Silagefutter ist immer gleich und damit auch die Zusammensetzung der Milch. Das ist für die Molkerei einfacher. Beim Silieren wird das Gras durch eine Art Milchsäuregärung zu einem dem Sauerkraut ähnlichen Futter. Intensiv bewirtschaftete Wiesen werden fünf- bis sechsmal im Jahr gemäht. Dabei versucht der Landwirt, kurz vor Beginn der Blüte zu mähen, dann ist der Eiweißgehalt der Pflanzen besonders hoch. Als Konsequenz dieser modernen Art der Futtergewinnung sehen wir heute Grünland, das einem Golfplatz gleicht. Da die Pflanzen nicht mehr zum Blühen kommen und daher keine Samen bilden können, werden die Wiesen automatisch armseliger und monotoner. Als Folge verschwinden im Lauf der Zeit immer mehr Blühpflanzenarten, denn ihr Aussamungspotenzial kann nicht unbegrenzt erhalten werden.

Viele Landwirte säen zudem schnell wachsende Gräser ein, um die Erntemasse zu erhöhen. Diese dominieren nach und nach die Wiesen und unterdrücken die Pflanzenkonkurrenz. Erschwerend kommt die Düngung mit Gülle dazu. Blühende Wiesen sind Magerwiesen. Es genügt schon, das Mähgut nicht zu entfernen. Dann verbleiben zu viele Nährstoffe auf der Wiese und diese verliert ihren Charakter. Wird nur einmal Gülle oder Mineraldünger ausgebracht, ist eine Magerwiese wegen Überdüngung für mindestens ein Jahrzehnt verloren. Die meisten Wiesen werden aber regelmäßig jedes Jahr mindestens zweimal gedüngt. Auch das trägt zum massiven Rückgang des Reservoirs blühender Pflanzen bei.

Für Imker am deutlichsten bemerkbar, ist zum Beispiel das Verschwinden der Löwenzahntracht im Mai. Was war das für ein Duft aus den Völkern nach einem warmen Tag zur Zeit der Löwenzahnblüte. Das Wachs war goldgelb, die golden bepuderten Bienen – eine Pracht. Wunderbar fand ich immer, wenn ein Regenguss aufkam. Die Blüten schlossen sich schnell und die Sammelbienen fanden in der geschlossenen Blüte Schutz. Schien dann wieder die Sonne, öffneten sich die Blüten und die Bienen flogen heraus. Heute gibt es nur dann noch blühenden Löwenzahn, wenn es viel regnet und die Landwirte keine Silage bereiten können, weil nicht einmal die kurze Antrocknungszeit für die Silage gewährleistet ist. Allerdings ist es dann auch meist zu kalt für die Bienen.

Biogas

Eine weitere Stufe der Intensivierung sehe ich in der Gewinnung von Energie aus nachwachsenden Rohstoffen – Biogas. Das führte dazu, dass Wiesen permanent siliert wurden und auf Äckern zunehmend Mais wuchs. Die Entwicklung und Verwertung von Biogas ging anfänglich von Idealisten aus, die aus der am Hof vorhandenen Gülle und dem Mist das wertvolle Methan erzeugen wollten. Ab dem Jahr 2004 entwickelte sich ein starker Biogastrend, befördert durch Bonuszahlungen aus dem Energie-Einspeisegesetz. Es entstand eine Art Biogasindustrie. Immer mehr Landwirte sprangen auf diesen Zug auf, sodass auf ca. 30 Prozent der deutschen Ackerflächen Mais angebaut wurde. Mais ist aber für die Bienen und die meisten Insekten wertlos. Er produziert keinen Nektar, durch den hohen Einsatz von Insektiziden ist er sogar schädlich. Mittlerweile ist der Biogastrend wieder rückläufig. Die Bonuszahlungen für die Gewinnung von Energie aus Biogas sind gesunken. Die gravierenden Umweltauswirkungen wurden zu belastend. Zudem ist Fotovoltaik mehr als das Zehnfache effizienter.

Maschineneinsatz – die Mechanisierung der Landwirtschaft

Moderne Landwirtschaft zeichnet sich nicht nur durch einen hohen Einsatz chemisch-synthetischer Wirkstoffe aus, sondern auch durch die Nutzung modernster, schlagkräftiger Maschinen und Agrartechnik. So kann der Landwirt schneller und effektiver arbeiten. Wenn früher eine Wiese innerhalb eines ganzen Tages gemäht wurde (Tagwerk), braucht der Landwirt dafür heute nur noch Minuten. Der Maschineneinsatz bedeutet eine enorme Arbeitserleichterung. Auch das Wetterrisiko wird dadurch minimiert. Ich kann den Siegeszug der Agrartechnik gut nachvollziehen. Zumeist ist der Landwirt die einzige Arbeitskraft auf dem Hof. Doch es gibt eben auch die andere Seite. Die negativen Auswirkungen auf die Ernährung vieler Insekten und die Biodiversität insgesamt sind hoch. Wenn heute die Wiesen einer ganzen Gemarkung in kürzester Zeit gemäht werden, so ist das für die Insektenwelt ein Schock. Von einer Minute auf die andere sind ihre Nahrungsquellen fast vollständig verschwunden. Während Honigbienen dann einfach ihren Flugbereich erweitern, bedeutet das das Ende der Population von Wildbienen, Hummeln und Schmetterlingen, die auf bestimmte Blütenpflanzen spezialisiert sind. Neben dieser indirekten Wirkung der verschwindenden Nahrungsressourcen werden viele Insekten auch unmittelbar geschädigt. Mäht ein Landwirt eine blühende Wiese an einem schönen Sommertag bei gutem Insektenflug, so sterben im Mähwerk Tausende von Insekten. Bei einer hohen Geschwindigkeit des Mähvorgangs, verbunden mit dem Einsatz eines Aufbereiters, der das Mähgut knickt und quetscht, damit es besser trocknet, können die auf den Blüten saugenden Insekten nicht mehr fliehen und werden getötet. In einer schweizerischen Untersuchung wurde festgestellt, dass pro Hektar blühender Wiese bis zu 30.000 Bienen getötet werden. Das entspricht der Bienenzahl eines ganzen Volkes. Der Preis, der für die Arbeitsersparnis bezahlt wird, ist hoch.

Zwischenfrüchte

Ich hatte bereits erwähnt, dass die Politik auf das Verschwinden der Nahrungsquellen reagiert hatte und zum Beispiel den Anbau von Zwischenfrüchten in das System der Agrarförderung aufgenommen hatte. Prinzipiell ist das richtig, doch anhand dieses Beispiels kann man gut zeigen, dass »gut gedacht« nicht unbedingt »richtig gehandelt« bedeutet. Die Zwischenfrüchte blühen heute meist nach der Ernte im August, September und oft genug bis weit in den Herbst hinein. Das hängt jeweils von den Witterungsbedingungen ab. Zwischenfrüchte nutzen dem Landwirt durch die Verbesserung der Bodenqualität und durch den Erosionsschutz. Das angedachte Ziel einer Hilfestellung für die Insekten wird allerdings weit verfehlt. Wildbienen, Schmetterlinge und Hummeln gibt es um diese Jahreszeit nicht mehr. Ihr Lebenszyklus ist schon länger beendet. Für die Honigbienen ist das späte Blühen kontraproduktiv, da einerseits die Winterbienen noch Nektar eintragen und sich abarbeiten, andererseits die Völker wegen des Pollenangebots in Brut bleiben, wodurch sich die Varroamilbe weiter vermehren kann. Eigentlich sollten die Bienenvölker um diese Jahreszeit brutfrei sein. Sinnvoll wäre es, Blühflächen im Sommer zu fördern, denn in dieser Jahreszeit herrscht für die Insekten der größte Mangel.

Resümee

Wenn ich über die eben beschriebenen einzelnen Eskalationsstufen bzw. die Mosaiksteine dieser Entwicklung nachdenke, so kann ich kaum glauben, dass in so kurzer Zeit im ganzen landwirtschaftlichen Bereich so viele Veränderungen passiert sind. In ihrer Gesamtheit kommt dies einer Revolution nahe. Tatsächlich ist unsere Landschaft heute eine andere als vor 50 oder 100 Jahren. Selbst ich, der ich nun mehr als 40 Jahre imkere, habe noch andere Zeiten erlebt. Im Sommer färbte Storchschnabel die Wiesen blau. Im Spätsommer waren die Wiesen weiß vom blühenden Bärenklau. Es gab schöne Sommertrachten, unter anderem von Feldern, auf denen im Juli Phacelia als Zwischenfrucht angebaut wurde. Dort stellten wir unsere Jungvölker auf, die wir übrigens nur wenig füttern mussten. Sie versorgten sich weitgehend selbst. Nur für das Winterfutter mussten wir im September noch sorgen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es in unseren Breiten einmal möglich gewesen sein soll, ohne Zuckerfütterung zu imkern. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Diese sind heute vor allem im Osten von Deutschland zu finden. Dort blühen noch Robinien, entlang der Straßen stehen schöne Alleen mit Lindenbäumen. Auf vielen landwirtschaftlichen Flächen gibt es Kornblumen etc. Aber das ist nicht die Regel.

Generell kann man sagen, dass heute zwischen Landwirtschaft und Imkerei ein echter Interessensgegensatz besteht. Das empfinde ich umso tragischer, als doch eigentlich beide zusammengehören. Das Ernährungsproblem der Bienen können wir nur gemeinsam mit den Landwirten lösen. Diese brauchen unsere Bienen, um die Bestäubung ihrer Kulturen sicherzustellen. In früheren landwirtschaftlichen Strukturen existierte dieser Gegensatz nicht, weil auf fast jedem Hof Bienen zu finden waren.

Die Honigbienen zeigen uns, wie es um die Vielfalt und die Vitalität der Landschaft bestellt ist. Das dramatische Verschwinden der Insekten ist ein Alarmsignal. Diese stehen an zentraler Stelle im Ökosystem und ihr Rückgang bedroht die Stabilität und Balance dieses Systems insgesamt. Ich bin der Meinung, dass der Rückgang der Biodiversität genauso bedeutsam und dramatisch ist, wie der bereits spürbare Klimawandel.

Was können wir tun?

Mein Blick in die Zukunft ist pessimistisch. Ich glaube nicht, dass sich in naher Zukunft die notwendigen Veränderungen umsetzen lassen. Es sind zu viele Baustellen, die sofort und gleichzeitig bearbeitet werden müssten. Trotzdem dürfen wir nicht resignieren. Auf gesellschaftlicher Ebene müssen wir Imker von unseren Erfahrungen berichten und aufklären. Wer, wenn nicht wir, erlebt die Mangelernährung anhand eigener Erfahrungen so unmittelbar? Imkerei ist für mich somit auch eine politische Tätigkeit. Obwohl nach meiner Beobachtung Imker eigentlich unpolitisch sind, ist in den letzten Jahren viel passiert. Auch die Verbände wachen langsam auf und werden öffentlich und in politischen Gremien aktiv. Lobenswert ist das Engagement der Imker auch für die Wildbienen.

Doch was kann ich persönlich tun? Da gibt es viele Möglichkeiten, auch wenn jede einzelne nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann. Als ersten Schritt sehe ich die Selbstreflexion. Es geht auch um unsere Glaubwürdigkeit. Wir können nicht von den Landwirten verlangen, tierfreundlicher und extensiver zu arbeiten, wenn wir selbst die imkerlichen Betriebsweisen immer weiter intensivieren und auf das Tierwohl in der Imkerei nicht achten.

Insgesamt sehe ich einige Möglichkeiten, sich aktiv in den Prozess der notwendigen Veränderungen einzubringen. Viele dieser Aktivitäten machen Freude. Ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, wo wir Imker Samen des Riesen-Bärenklaus aussäten, der in den Sommermonaten eine gern und gut besuchte Trachtquelle für vielerlei Insekten ist. Heute nennt sich das »guerilla gardening«. Ich weiß, dass dies provokativ klingt. Ich will damit nur auf die Möglichkeit des eigenen Tätigwerdens hinweisen. Bei meinen Spaziergängen fällt mir auf, dass Weidengewächse immer seltener werden. Auch bei uns im Ort sehe ich nur noch wenige Weiden. Deren Pollen und an warmen Tag auch der Nektar sind gerade für die Frühjahrsentwicklung der Bienenvölker elementar. Viele Wildbienenarten sind auf Weidenpollen angewiesen, zum Beispiel die Wildbiene des Jahres 2023, die Frühlings-Seidenbiene. Ich habe mir vorgenommen, wie vor vielen Jahren Weidenstecklinge zu schneiden und einzupflanzen. Einfacher geht es nicht. Einen fingerdicken, ca. 30 Zentimeter langen Ast über einem Auge abschneiden und an einer feuchten Stelle in den Boden stecken. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann die Stecklinge in einen Eimer mit Wasser stellen und dort Wurzeln austreiben lassen. Dann werden sie eingepflanzt und bei Bedarf ein wenig gegossen.

Generell sehe ich in der Diskussion um invasive Pflanzen in unserer Pflanzenwelt viel Engstirnigkeit. Viele heute wichtige Trachtpflanzen waren einmal Neophyten. Ich erinnere nur an die Linde oder die Robinie, die ich gerade für den vom Klimawandel betroffenen Wald als interessante Alternative halte. In vielen Regionen schenkt das Indische Springkraut, die Balsamine, den Bienen reichlich Nektar, sodass nur wenig, manchmal gar kein Zucker zugefüttert werden muss. Natur ist nichts Statisches, sondern war schon immer ein sehr dynamisches Geschehen.

Natürlich haben wir Imker keine eigenen Flächen. Das ist ein großes Manko. Aber das sollte uns nicht daran hindern, mit Landwirten Kooperationen einzugehen. Nach meiner Erfahrung sind diese dafür sehr aufgeschlossen. Diese Kooperation gibt es aber nicht zum Nulltarif. Ein schönes Modell sehe ich darin, dass der Imker das Saatgut bezahlt, der Bauer stellt die Fläche zur Verfügung und betreut die Kulturen. So haben beide etwas davon. Die Bienen beweiden die Flächen und der Landwirt hat seine Verpflichtung zur Extensivierung eingelöst. Ohne diese würde er ab einer bestimmten Betriebsgröße keine Fördermittel aus der zweiten Säule der Agrarförderung erhalten. So kommt man ins Gespräch und versteht die unterschiedlichen Situationen und Probleme besser. Diese Kooperation zum Nutzen der Umwelt kann öffentlichkeitswirksam beworben und bekannt gemacht werden.

Warum ist es sinnvoll, sich mit Sonnenblumen zu beschäftigen?

Sonnenblumen sind ein Paradebeispiel für den Rückgang der Biodiversität und ihre Konsequenz. Bis 1995 honigten die Sonnenblumen auf guten Böden ganz ausgezeichnet und wir Imker konnten einen Honig von sehr gutem Geschmack, goldgelber Farbe und hoher Qualität ernten. Dann verschwanden die alten Sorten und wurden durch High-Oleic-Hybridsorten ersetzt. Das Öl, das aus diesen Pflanzen gewonnen wird, kann sehr hoch erhitzt werden. Es wird als Bratöl oder in der industriellen Produktion zum Beispiel für die Herstellung von Airbags genutzt. Diese Sorten spenden jedoch keinen Nektar mehr. Die Bienenvölker drohen inmitten blühender Sonnenblumenfelder zu verhungern. Wir bauten in Kooperation mit einem Landwirt zwei alte Sorten an, bevor diese verschwanden. Das Saatgut stammte aus der ehemaligen Sowjetunion und Kasachstan. Dabei beobachteten wir den Insektenbeflug und den Honigertrag. Diese alten Sorten waren für die Insekten zwar deutlich attraktiver. Allerdings spendeten diese Sonnenblumen nur wenig Nektar. Ich führe das auf die mangelnde klimatische Anpassung zurück. In Mitteleuropa gab es kein entsprechendes Saatgut mehr.

Im Jahr 2022 erntete ein Imkerfreund wieder Sonnenblumenhonig. Die Sorte hieß ‘Tango‘. Sie war jedoch 2023 nicht verfügbar.

Ich wundere mich, dass Imkervereine diese Möglichkeit zur Kooperation und Beeinflussung der Bienenweide nicht nutzen. Wir selbst haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Der Landwirt muss auch rechnen und kauft sonst das billigere Saatgut. Auch weil er es nicht besser weiß und alle seine Kollegen es ebenfalls so machen. Tatsächlich aber hat billiges Saatgut oft Nachteile. Es ist nicht autochthonen Ursprungs (nicht einheimisch) und spendet oft genug keinen Nektar. Da ist es besser, der Imker bezahlt das teurere und bessere Saatgut. Dann freut er sich, wenn seine Bienen auf dem Feld brummen und summen können, während es auf der Nachbarfläche zwar schön blüht, aber Totenstille herrscht. Dieses Phänomen habe ich oft erlebt. Für mich war es eine schöne Bereicherung meiner Tätigkeit, einen Acker mit Kornblumen anbauen zu lassen.

Vor mehr als 15 Jahren führten wir mit einem Landwirt in Unterfranken ein schönes Sonnenblumenprojekt mit einer alten Sorte durch, die im High-Oleic-Boom zu verschwinden drohte (siehe >). Bis heute werde ich immer wieder angeschrieben und angefragt, ob es noch Saatgut aus diesem Projekt gibt.

Was können Berufsimker tun?

Mittlerweile gibt es wieder viele junge Berufsimker. Noch vor einiger Zeit konnte ich meine Berufskolleginnen und -kollegen an einer Hand abzählen. Viele der Berufsimker sind biozertifiziert. Der Honigmarkt hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Die Absatzzahlen entwickelten sich gut. Die Preise für Honig stiegen deutlich an und näherten sich einem Niveau von acht bis zehn Euro pro Kilogramm. Das halte ich in Relation zu der damit verbundenen imkerlichen Arbeit immer noch für zu wenig. Allerdings ist der Preis deutlich besser als die fünf bis sechs Euro pro Kilogramm, die vor einigen Jahren bezahlt wurden. Wie sich der Honigpreis in Zukunft entwickeln wird, kann schlecht vorausgesagt werden.

Generell ist der Honigmarkt ein schwieriger, volatiler Markt. Das gilt auch für den Honig aus zertifizierter ökologischer Imkerei. Es ist schwieriger, den eigenen Honig zu einem guten Preis zu vermarkten, als ihn nur zu produzieren. Der Honigmarkt ist mit dem Markt für Wein, insbesondere dem Markt für Bio-Wein vergleichbar. Bio-Honig ist ein Nischenprodukt. Er steht nicht im Fokus des Interesses und der Aufmerksamkeit der Verbraucher, auch wenn diese stark bio-orientiert sind. Viele Konsumenten wissen gar nicht, was das Besondere der Bio-Imkerei ausmacht bzw. dass es diese überhaupt gibt. So wird der Markt für Bio-Honig, aber auch für teuren, guten Honig aus konventioneller Imkerei anfällig und unbeständig. Das ist ein Unsicherheitsfaktor für die Kalkulation und Entwicklung einer Berufsimkerei. Viele Imker versuchen dem mit einem entsprechenden Auftritt auf ihrer Webseite entgegenzuwirken. Dort erwecken sie den Eindruck von Nachhaltigkeit und Naturgemäßheit. Im Jargon des Marketings ausgedrückt, versuchen sie, eine Geschichte zu erzählen, die den Verbraucher emotional anspricht und dem Zeitgeist entspricht. Meiner Meinung nach ist dies aber für Imker bzw. Bio-Imker schwierig. Denn es gibt nur wenige Unterschiede zwischen der konventionellen Imkerei und den Betriebsweisen vieler Bio-Imker. Beide folgen dem Pfad der Intensivierung. Tatsächlich gibt es dann wenig Argumente für einen Preisunterschied zwischen beiden Herkünften. Das einzige Argument mit Überzeugungskraft ist die Regionalität, die allerdings in einer Wanderimkerei problematisch ist. Auf Dauer ist das meiner Meinung nach für eine gute Geschichte zu wenig. Rückstandsfrei zu imkern reicht heute als Werbeargument nicht mehr aus.

Für eine sichere ökonomische Basis braucht es einen treuen, festen Kundenstamm, der immer wieder auch neue Kunden über Empfehlungen bringt. Über gute Produkte, die durch gute Arbeit entstehen, sprechen Kunden gerne. Berufsimker, die gute Geschichten über ihr tatsächliches Engagement erzählen können, verbessern nicht nur die Gesundheit ihrer Bienenvölker, sondern schaffen sich auch eine bessere ökonomische Position am umkämpften Markt. Ich kann nur empfehlen, sich durch eigene Projekte, wie ich es angedeutet habe, ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen. Nebenbei macht das viel Freude, erweitert den eigenen Horizont und das Netzwerk. Wenn damit noch politische Impulse gesetzt werden können – was will der Imker mehr?

Was können Freizeitimker tun?

Für sie gilt das Gleiche, was ich bei den Berufsimkern beschrieben habe. Aktiv werden kann man immer, allerdings muss das differenziert betrachtet werden. Honigbienen brauchen Flächen und ein sehr großes Blütenangebot. Diese Flächen gehören uns Imkern meistens nicht, sodass wir hier wenig Einfluss ausüben können. Ich sehe hier nur die Möglichkeit für politisches Engagement und Überzeugungsarbeit bei den Landwirten und Verbrauchern. Die angesprochenen Kooperationen empfinde ich als sehr wertvoll – auch in der Außenwirkung. Hier gilt, ich muss meine Überzeugungen leben, sonst bin ich wenig glaubwürdig.

Bei den Wildbienen sieht das wieder ganz anders aus. Diese leben solitär und haben keinen Imker als »Back-up« im Hintergrund. Imker als Helfer der Wildbienen, das ist eine gute Geschichte. Gut für unser Image und nutzbringend für die Tiere. Hier kann mit wenig viel Gutes bewirkt werden. Und für Imker eröffnet sich ein weites, interessantes Tätigkeitsfeld (siehe Literatur >, >).

Mit den Bienen durchs Jahr

Der Imker orientiert sich in seiner Arbeit am Rhythmus der Jahreszeiten, am Wetter, an der Entwicklung der Vegetation sowie am Geschehen im Wald. Dadurch wird er selbst zu einem Teil der Natur. Bienen schenken uns somit nicht nur Honig, sondern bereichern unser Leben.

Die Aufstellung der Bienen

Die Auswahl eines »guten« Standorts ist wesentlich für den Erfolg einer Imkerei. Hier gilt es, sorgfältig vorzugehen und die Umgebung bzw. die Landschaft genau zu beobachten.

Standort und Umgebung

Wer imkert, muss seine Bienenvölker irgendwo aufstellen. Eigentlich ist das eine Banalität. Meist richtet man sich dabei nach den vorgefundenen Gegebenheiten. Vieles wird auch intuitiv entschieden. Wer einen eigenen Garten oder Kleingarten besitzt, wird die Bienen dort aufstellen wollen. Ist der Aufstellungsplatz jedoch außerhalb, gibt es schon mehr zu überlegen. Oft geht es darum, wie weit ist der Platz von zu Hause entfernt, ist er gut anfahrbar etc.?

»Ein guter Standort ist die halbe Miete.«

Dieser Imkerspruch besitzt auch in der heutigen Zeit noch seine Berechtigung. Die Honigbienen sind weder Haustier noch klassisches Nutztier. Sie sind aber auch kein Wildtier mehr. Zumindest in Europa leben sie unter der Obhut des Imkers, der sie pflegt und betreut, aber auch einen Teil des Honigs erntet. Sie könnten auch allein überleben, denn sie haben sich die Instinkte eines wild lebenden Tieres erhalten und wären in der Lage, sich selbst zu versorgen. Der Imker stellt lediglich die Behausung zur Verfügung. Was die Bienen zum Überleben brauchen, holen sie sich aus der Landschaft, in der sie leben. Für uns Imker bedeutet dies, dass wir uns mit der Biologie der Biene sowie des ganzen Bienenvolks beschäftigen und uns darin gut auskennen sollten. Kenntnisse über das natürliche Umfeld der Bienen sind ebenfalls nützlich und notwendig. Trotz aller imkerlichen Einflussnahme ist das Naturgeschehen die zentrale Bezugsgröße für die Bienenvölker. Das Wechselspiel zwischen den Entwicklungsrhythmen des Bienenvolks und den Rhythmen der Natur ist für die Beobachtung unserer Bienen und die praktische Umsetzung der Betriebsweisen elementar. Die Bienenvölker entwickeln und verhalten sich immer noch angepasst an die Jahreszeiten und das Leben der Blühpflanzen bzw. der Bäume. Sie sind integraler Bestandteil des Naturkreislaufs. Hier besteht eine Symbiose zwischen der einzelnen Pflanze und der sie bestäubenden Biene. Aber auch zwischen der Landschaft bzw. dem dort vorhandenen Trachtangebot von Nektar, Pollen und Honigtau und dem gesamten Bienenvolk bzw. sogar der Bienenpopulation einer Region besteht eine Art Symbiose. In diesem Sinne ist die Honigbiene noch ein freies, wildes Tier.