Bille und Zottel Bd. 05 - Ferien hoch zu Ross - Tina Caspari - E-Book

Bille und Zottel Bd. 05 - Ferien hoch zu Ross E-Book

Tina Caspari

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Beschreibung

Sechs herrliche lange Ferienwochen! Was fängt man damit an? Bille hat eine tolle Idee: Wir wandern hoch zu Ross! Ihre Freunde sind Feuer und Flamme. Und abenteuerlich wird es wahrhaftig - abenteuerlicher, als es ihnen lieb ist. Das Leben ihrer Pferde ist in Gefahr ...

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TINA CASPARI

Ferien

hoch zu Ross

Eine große Überraschung

„Welches Futtermittel gibt Reitpferden am meisten Energie, Florian?“

„Kartoffelchips!“

„Spinnst du?“

„Kartoffelchips! Ich will endlich die Kartoffelchips. Daniel frisst und frisst, und für uns bleibt nichts übrig!“ Florian schaute wütend auf seinen hünenhaften Bruder.

„Ich brauche das, ich wachse noch. Aber bitte sehr.“ Daniel warf seinem jüngsten Bruder gönnerhaft die Tüte zu. „Nimm sie. Ich weiß ja, dass man mit dreizehn nichts als Essen im Kopf hat!“

„Würdest du mir vielleicht gütigst die letzte Frage beantworten?“, seufzte Bettina und rollte die Augen gen Himmel.

„Gern. Was hast du mich gefragt?“

„Welches Futtermittel gibt am meisten Energie?“

„Am meisten Energie gibt Hafer, der aber unbedingt durch Raufutter wie beispielsweise Heu ergänzt werden sollte“, leierte Florian seinen Text herunter.

„Welche Futterarten unterscheidet man, Bille?“

„Kraftfutter, Raufutter und Saftfutter.“

„Was und wie viel wird gefüttert, Simon?“

„Mittelschwere Pferde bekommen bei normaler Arbeit pro Tag fünf Kilo Hafer, sechs Kilo Heu – und Stroh nach Bedarf. Also ich finde, das Kapitel Futter können wir jetzt in- und auswendig. Nimm doch mal was anderes dran – das Kapitel Krankheiten zum Beispiel!“

„Okay.“

Bettina blätterte im Lehrbuch „Vorbereitung auf die praktische und theoretische Prüfung für das Kleine Reiterabzeichen“. Sie hockte im Gras unter einer weit ausladenden Kastanie wie in einer Höhle. Die anderen lagen lang ausgestreckt um sie herum und beantworteten mit halb geschlossenen Augen ihre Fragen. Über den Koppeln und Feldern flirrte die Hitze und warf geheimnisvoll durchsichtige Wellen in die Luft. Es sah aus, als hätte sich das Meer über das Land erhoben und käme auf sie zu.

„Hat einer von euch schon mal eine Fata Morgana gesehen?“, fragte Bille, die die ganze Zeit in die Ferne gestarrt hatte.

„Ja, ich eben“, sagte Daniel säuerlich. „Ich bildete mir ein, da hätte noch eine volle Colaflasche gelegen – aber sie ist unerklärlicherweise leer.“

„Wenn ich doch so ’nen Durst habe“, verteidigte sich Florian. „Mit leerem Magen kann ich nicht denken.“

„Merkwürdig, ich denke mit dem Kopf, nicht mit dem Magen“, bemerkte Bettina spöttisch. „Können wir jetzt weitermachen?“

„Schieß los.“

„Was ist eine Sommerwunde, Florian?“

„Eine Sommerwunde – eh – hm – gestern habe ich’s noch gewusst, warte mal …“

„Bille?“

„Eine Sommerwunde ist eine durch Fliegeneier schlecht heilende und wuchernde Wunde.“

„Siehst du, wusst ich’s doch!“, sagte Florian triumphierend.

„Warum hast du es dann nicht gesagt?“

„Kinder, strengt euch an, in einer Woche ist die Prüfung!“, mahnte Daniel.

„Gut, dann sag du mir gleich mal, welche Beinschäden zu schweren Lahmheiten führen können!“

„Brüche, Zerrungen, Muskel- und Sehnenrisse, Verstauchungen und Knochenauftreibungen wie zum Beispiel Überbeine.“

„Weine meine Kleine über deine Überbeine“, blödelte Simon. „Ich bin müde. Müssen wir noch lange weitermachen?“

„Keine Müdigkeit vorschützen!“, sagte Bettina streng. „Wer hatte denn die Idee, Herrn Tiedjen mit dem Reiterabzeichen zu überraschen?“

„Und wenn man einen Lehrer wie den berühmten Springreiter Tiedjen hat, ist man leider moralisch verpflichtet, eine solche Prüfung bestens zu bestehen. Eins mit Stern und Lorbeerkranz“, stöhnte Florian. „Und das bei dieser Hitze!“

„Nächste Frage …“

Daniel hatte sich auf den Bauch rollen lassen und sah an Bettina vorbei zu den Pferden hinüber.

„Welches ist das gesündeste Kraftfutter für ein gefräßiges Pony? Antwort: Billes gute Schokoladenbutterkekse und Vollkornbrot mit Bauernwurst und saurer Gurke“, sagte er grinsend.

Bille fuhr hoch.

„Wieso, ich hab doch meine Tasche ganz fest zugemacht …“

„… und Zottel hat sie wieder geöffnet. Kannste mal sehen!“

Bille sprang auf und stolperte zu ihrem rot gefleckten Liebling, der friedlich auf der Kekspackung herumkaute.

„Ein umweltfreundliches Tier“, lobte Simon. „Weil kein Papierkorb in der Nähe ist, frisst er das Papier gleich mit.“

„Du Fresssack, du alter Müllschlucker, kannst du denn nichts liegen lassen?“, schimpfte Bille. „Und ich hab mich so auf die Kekse zum Nachtisch gefreut!“

„Sei nicht undankbar: Wenigstens die sauren Gurken hat er dir übrig gelassen“, sagte Bettina lachend.

Bille versuchte Zottel die Packung aus dem Maul zu ziehen.

„Idiot!“, knurrte sie. „Ich fress dir deinen Hafer doch auch nicht weg!“

„Mach’s doch mal“, schlug Daniel vor. „Vielleicht nimmt er sich die Lehre zu Herzen!“

„Der? Totlachen wird er sich“, brummte Bille.

„Na, das kann man ihm eigentlich nicht verdenken. Die Vorstellung, wie du über seiner Krippe hängst, den Mund voller Hafer …“ Florian strampelte mit den Beinen vor Vergnügen und kicherte.

„Können wir jetzt endlich weitermachen? Wenn ihr euch nicht zusammenreißt, wird aus eurer Überraschung für Herrn Tiedjen nie was!“, mahnte Bettina. „Simon – wodurch kann Kolik entstehen?“

„Durch Aufregung, schlechtes oder verdorbenes Futter, Erkältung oder durch Wurmbefall.“

„Gut. Bille – wann spricht man beim Pferd von Fieber?“

„Wenn die Temperatur höher als 38 Grad ist.“

„Okay. Nehmen wir mal ein paar Fragen aus der Abteilung Satteln und Trensen. Daniel – was wird zuerst angelegt, Sattel oder Trense?“

„Verdammt!“

„Wie bitte?“

„Ich hab mich in einen Ameisenhaufen gesetzt, sie sind mir in die Hose gekrochen, verdammt noch mal!“ Daniel sprang auf und rieb sich die Hinterbacken.

„Das soll gut gegen Rheumatismus sein“, sagte Simon ungerührt. „Es regt die Durchblutung an.“

„Meine Durchblutung braucht aber nicht angeregt zu werden. Wenigstens nicht an dieser Stelle!“, giftete Daniel.

„Also Leute, ich sehe schon, das wird heute nichts. Gehen wir lieber baden.“

„Ein weiser Entschluss!“ Florian erhob sich und reckte sich gähnend. „Nächste Woche sind sowieso Ferien. Da können wir noch drei Tage lang von morgens bis abends pauken.“

„Reiten wir ans Meer oder nur zum Peershofer See?“, fragte Bille.

„Zum See, der ist näher“, jammerte Daniel. „Das ist ja nicht zum Aushalten! Es brennt, als hätte ich mich …“

„… in einen Ameisenhaufen gesetzt, genau so!“, fiel Bettina ihm ins Wort. „Armer Daniel, unser Mitgefühl ist grenzenlos!“

„Spottet auch noch …“

„Aber nein!“ Bettina hängte sich bei ihrem großen Adoptivbruder ein und ging mit ihm zu den Pferden hinüber. „Schließlich verdanken wir dir das abrupte Ende der Theoriestunde und die Aussicht auf ein erfrischendes Bad.“

Der Peershofer See war eigentlich mehr ein Teich, ein kleiner Moorsee mitten im Wald, dessen Wasser angenehm kühl war. An der einen Seite war der Untergrund so fest, dass man mit den Pferden bequem ins Wasser reiten konnte. Auf der anderen Seite musste man durch einen Wald von Schilf hindurch, ehe man ins freie Wasser kam. Hier hatte Herr Henrich einen langen Steg zum Baden anlegen lassen.

In Sekundenschnelle waren die Pferde abgesattelt, und ihre Reiter saßen im Badezeug auf den nackten Pferderücken und ritten ins Wasser, dass es hoch aufspritzte. Die Schnalle an den Zügelenden hatten sie alle aufgemacht. Eine eiserne Regel, die ihnen Herr Tiedjen eingeschärft hatte: Wenn man mit einem Pferd ins Wasser geht, müssen die Zügel offen sein. Ansonsten könnte das Pferd sich mit den Beinen darin verfangen und sich selbst den Kopf unter Wasser ziehen.

„Jetzt könnt ihr gleich ein einmaliges Schauspiel erleben“, stichelte Florian und kitzelte den kräftigen Schimmel Asterix, den Daniel ritt, mit einem Zweig am Bauch. „Nämlich wie aus einem Schimmel ein Brauner wird!“

Asterix machte einen erschreckten Satz nach vorn und ein Schwall von Moorwasser ergoss sich über Florian. Daniel klopfte seinem Pferd anerkennend den Hals.

„Danke, mein Bester. Wurde auch Zeit, dass Florian sich der Farbe seines Pferdes ein wenig anpasst.“

Florians Rappe Bongo hielt nicht viel vom Baden. Sobald das Wasser seinen Bauch berührte, machte er eine Kehrtwendung, bei der Florian ins Wasser plumpste wie ein Kohlkopf von einer zu hoch beladenen Gemüsekarre. Das bräunliche Moorwasser schwappte nach allen Seiten weg.

Nun gab es kein Halten mehr. Bille, Bettina, Simon und Daniel ließen sich von den Pferderücken ins Wasser gleiten. Im Nu war eine heftige Wasserschlacht im Gange. Zottel und Bettinas Stute Sternchen gefiel der kühle Tropfensegen, aber Asterix, Bongo und Simons Goldfuchsstute Pünktchen wichen erschreckt zurück und suchten sich einen weniger turbulenten Platz, um sich abzukühlen.

„Binden wir die Pferde lieber da drüben im Schatten an, sonst kommt noch eines von ihnen auf die Idee, ohne seinen Reiter nach Hause zu laufen“, schlug Daniel vor. „Dann können wir in Ruhe zum Steg hinüberschwimmen.“

Bille führte Zottel noch ein wenig tiefer ins Wasser.

„Das erfrischt, mein Dicker, wie? Na komm, jetzt ist es genug. Seht euch das an, er freut sich wieder wie ein kleines Kind! Es ist jedes Mal ein Theater, ihn aus dem Wasser zu bekommen …“

Zottel wehrte sich mit aller Kraft gegen den Zügel. Er planschte mit den Vorderbeinen im Wasser, dass es hoch aufspritzte. Als es Bille schließlich gelang, ihn ans Ufer zu zerren, legte er sich sofort auf den Boden und wälzte sich, sodass er aussah wie ein frischer Streuselkuchen. Bille musste ihn wohl oder übel noch einmal ins Wasser führen. Als sie ihn endlich neben den anderen Pferden an einen Baum gebunden hatte, hatten Bettina und die drei Jungen längst den See durchschwommen und winkten vom Steg herüber.

Bille warf sich mit Indianergeheul ins Wasser und kraulte zu den Freunden hinüber.

„Bestzeit!“, sagte Simon anerkennend, als sie sich atemlos am Steg hochzog.

Bille schüttelte ihre blonde Mähne, die der Zottels immer ähnlicher wurde, dass die Tropfen nach allen Seiten flogen. Dann setzte sie sich neben Bettina und ließ die Füße ins Wasser baumeln.

„Bleibst du zum Abendbrot bei uns in Peershof?“, fragte Bettina. „Wir könnten die Übersetzung zusammen machen, dann brauchst du sie zu Hause nur abzuschreiben.“

„Ich möchte schon, aber es geht leider nicht. Ich hab Petersen und Hubert versprochen, heute Abend im Stall zu helfen. Karlchen hat keine Zeit.“

„Aber Bettina, was für eine Idee!“, spottete Simon. „Du weißt doch, dass ohne Pferdepfleger Bille der Groß-Willmsdorfer Stall zusammenbricht!“

„Und Herr Tiedjen dazu …“, flötete Florian.

„Ich weiß, wer hier gleich zusammenbricht …“ Bille zwinkerte Bettina zu, die Freundin verstand.

Scheinbar gleichgültig standen sie auf, packten die Spötter blitzschnell bei den Schultern und stießen sie ins Wasser. Dann sprangen sie hinterher und schwammen um die Wette zum anderen Ufer zurück.

„Lässt du mich Sternchen reiten, bis nach Peershof?“, fragte Bille die Freundin, als sie sich wieder angezogen hatten.

„Klar. Du musst sie so viel wie möglich reiten, wenn du die Prüfung mit ihr machen willst. Schade, dass Zottel sich so beharrlich weigert zu springen. Es wär doch schön, wenn du mit deinem eigenen Pferd starten könntest. Wenn ich mich natürlich auch freue, dass Sternchen nun diese Ehre zufällt. Eine große Leuchte im Springen ist sie ja nicht …“

„Für das Kleine Reiterabzeichen reicht es. Und sie hat hervorragende Anlagen, vor allem für die Dressur. Ich bin froh, dass du sie mir angeboten hast.“

Bille klopfte der hübschen Haflingerstute zärtlich den Hals. Wenn man Sternchen ritt, brauchte man kein Lampenfieber zu haben.

Bettina hatte Zottel gesattelt und stieg auf.

„Seid ihr abmarschbereit? Dann schart euch um mich, meine lieben Kinder.“

Sie zog das Lehrbuch aus der Satteltasche und blätterte.

„Aus welchen Teilen besteht der Sattel, Florian?“

„O nein! Geht das schon wieder los!“ Florian seufzte abgrundtief. „Also – der Sattel besteht aus der Sattelkammer, dem Schweißblatt, dem Sattelgurt, dem Vorderzwiesel, der …“

„… der Sitzfläche, dem Hinterzwiesel, dem Sattelpolster, den beiden Sattelblättern mit den Pauschen, den Steigbügelriemen mit den Steigbügeln und den drei Gurtstrippen“, fielen die anderen im Chor ein.

Drei Reiter strahlen bei der Prüfung

„Heute ist Sindbad genau fünf Monate alt“, sagte Bille und strich dem Fohlen mit einem weichen Lappen über den Rücken, bis kein Stäubchen mehr zu sehen war. „Hat er sich nicht super entwickelt?“

„Ja, kannst stolz sein auf dein Pflegekind“, sagte der alte Petersen lächelnd. „Und frech ist er geworden! Er kommt schon ins Flegelalter. Gestern hat er Hubert zwei Knöpfe von der Jacke abgebissen, als du nicht da warst. Wahrscheinlich war er ärgerlich, dass jemand anders ihm sein Abendbrot serviert hat.“

„O Gott, er hat doch hoffentlich keinen verschluckt?“

„Nein, nein, keine Sorge.“

„Herr Petersen …“

„Ja?“

„Haben Sie mal das Reiterabzeichen gemacht?“

„Nein, warum?“

„Ach – nur so. Ich wollte mal wissen, wie das eigentlich ist. Ob man einzeln abgefragt wird oder in der Gruppe. Und noch so ein paar Sachen.“

„Tja, da kann ich dir nicht weiterhelfen. Du wirst es kaum glauben: Ich habe noch bei den Soldaten reiten gelernt. Ist lange her. Später war ich in einem Pferdelazarett, das hättest du mal sehen sollen! Hunderte von Pferden, die verwundet oder völlig erschöpft aus dem Krieg kamen, haben wir da gesund gepflegt. Ein Gelände, zehnmal so groß wie das hier in Groß-Willmsdorf.“

„Davon haben Sie mir noch nie was erzählt!“

„Ich weiß. Ich spreche nicht gern über die Vergangenheit. Aber das hat andere Gründe …“

„Ich würde so gern mehr über das Pferdelazarett hören!“

„Hm. Vielleicht ein andermal. Und wegen des Reiterabzeichens fragst du am besten den Chef. Der muss es doch wissen. Er kommt ja bald aus dem Krankenhaus zurück. Hab heute im Büro gehört, die Ärzte wären sehr zufrieden mit der Nachuntersuchung. Er wird bald wieder im Sattel sitzen.“

„Ein Glück! Es war schrecklich, ihn so auf Krücken humpeln zu sehen. Manchmal hatte ich wirklich Angst, er würde nie wieder reiten können.“

Und wenn er zurückkommt, dachte Bille, dann habe ich hoffentlich das Reiterabzeichen schon in der Tasche!

Die letzten zwei Tage vor der Prüfung paukten sie ununterbrochen. Die Praxis machte keinem von ihnen Schwierigkeiten, aber die vielen theoretischen Fragen, die man beantworten musste! Und Bettina war eine strenge Lehrerin. Sie, die erst seit vergangenem Herbst ritt, wollte sich erst im kommenden Jahr um das Reiterabzeichen bewerben. Doch den Freunden hämmerte sie die im Lehrbuch angeführten Fragen und Antworten ein, bis sie sie im Schlaf rückwärts und vorwärts herunterbeten konnten.

Die Prüfung fand im Reitverein Neukirchen statt. Es war ein regnerischer Samstagmorgen, an dem sich die Prüflinge in der großen Reithalle versammelten. Außer Bille, Simon und Florian waren noch vier Schüler der Reitschule angetreten. Daniel, der in diesem Jahr achtzehn wurde, zählte bereits zu den Erwachsenen und ritt in einer anderen Gruppe.

Bille fror. Sie hatten am Abend zuvor gemeinsam mit den Neukirchenern eine Probe abgehalten und dabei festgestellt, dass sie mit ihren Leistungen den Schülern der Reitschule ein ganzes Stück voraus waren. Trotzdem war ihr jetzt – so kurz vor Beginn der Prüfung – schauderhaft zumute.

Heute Abend habe ich alles hinter mir, dachte sie verzweifelt. Irgendwie werden diese Stunden doch herumgehen! Doch es half alles nichts. Sie wusste, auf die Schülerin von Hans Tiedjen würde man ganz besonders achten, sie möglicherweise strenger beurteilen als die anderen.

Herr Weber, der Reitlehrer des Vereins, sprach beruhigend auf seine Schüler ein. Bille schaute verstohlen hinüber. Die zwei Mädchen und zwei Jungen waren etwa so alt wie sie selbst, dreizehn oder vierzehn. Das eine Mädchen, Ulrike, eine hübsche Blonde mit großen blaugrauen Augen, kannte sie, sie gingen in die gleiche Schule, Ulrike gehörte in die Klasse über ihr. Die andere, ein lustiger Wuschelkopf mit einem runden fröhlichen Gesicht und einer randlosen Brille, die ihr fast auf der Nasenspitze saß, hatte Bille noch nie gesehen, vielleicht war sie neu hier. Die beiden Jungen waren Zwillingsbrüder. Bille überlegte sich, ob es wohl ein Vorteil sei, sich so ähnlich zu sehen, wenn man einen Fehler machte. Konnte man nicht einfach behaupten: Das war ich nicht, Sie müssen mich mit meinem Bruder verwechselt haben? Oder waren sie sich so ähnlich, dass sie auch die gleichen Fehler machten?

Die Tür öffnete sich und mit einer Regenbö wurden zwei Herren hereingeweht. Herr Weber lief mit ausgebreiteten Armen auf sie zu, um sie willkommen zu heißen. Einen Augenblick hatte Bille den Eindruck, er würde ihnen um den Hals fallen.

Die Herren schüttelten den Regen aus ihren Mänteln, dann reichten sie Herrn Weber die Hand.

„Fühlst du dich auch so mies?“, flüsterte Florian, der neben Bille stand.

„Noch mieser!“, gab sie zurück.

Herr Weber entschuldigte sich bei den Herren für den Regen, als hätte er ihn durch ein höchstpersönliches Missgeschick verursacht. Dann führte er sie zu den wartenden Reitern hinüber. Bille stand unwillkürlich stramm. Jeder von ihnen musste seinen Namen sagen, und der dickere der beiden Richter, ein freundliches Rotgesicht, sprach ein paar beruhigende Worte in der Art von „alles nicht so schlimm, wird schon nicht den Kopf kosten, nur keine Nervosität, sind ja keine Menschenfresser“.

Dann wurde es ernst.

Es hieß aufsitzen und anreiten. Sternchen folgte Bille wie ein Hündchen, lieb, folgsam und aufmerksam jeder ihrer Hilfen gegenüber. Pferd und Reiterin boten ein Bild der Harmonie. Bille sah, wie die Richter die Köpfe zusammensteckten und zu ihr hinübersahen.

„Abteilung im Arbeitstempo Trab“, hieß es. „Leichttraben, ganze Bahn. Bei F durch die ganze Bahn wechseln.“