Bille und Zottel Bd. 06 - Gefahr auf der Pferdekoppel - Tina Caspari - E-Book

Bille und Zottel Bd. 06 - Gefahr auf der Pferdekoppel E-Book

Tina Caspari

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Beschreibung

"Die Bande kommt näher und lässt die Motoren aufheulen. Dann beginnen die Fahrer, Bille und Zottel zu umkreisen und vor sich herzujagen. Zottel sucht vergeblich eine Lücke, um zu entkommen. Voller Panik schlägt er um sich ..." Dieses Mal sind Bille und ihr Pony in einer wirklich gefährlichen SItuation. Werden die beiden Freunde sie meistern?

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TINA CASPARI

Gefahr auf

der Pferdekoppel

Wer angibt, hat mehr vom Leben

„Was is ’n das für ’n komischer Typ?“

Karlchen wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn, verteilte ihn gleichmäßig über seine brandroten Haare und schniefte unüberhörbar.

„Wer? Wo?“ Bille lehnte die Mistgabel an die Wand und erschien neben Karlchen an dem kleinen Fenster in Lohengrins Box, von dem aus man auf den Hof hinaussehen konnte.

„Da drüben, bei Lohmeiers vor der Haustür! Mann, ist der gestylt – bestimmt ’n Manager oder so. Sieht aus wie dem neuesten Nobelprospekt entsprungen!“

„Ich weiß nicht …“ Bille betrachtete nachdenklich den jungen Mann, der neben Herrn Lohmeiers Auto stand und gerade von Frau Lohmeier überschwänglich begrüßt wurde. „Ich würde eher sagen, ein Professor oder so was.“

„Das sagst du bloß wegen der Brille. Für einen Professor ist er doch viel zu jung. Was der wohl hier will?“

„Irgendwas Wichtiges muss er sein. Sonst würden sie nicht so mit ihm rumtun. Wie lang der ist!“

„Und so dünn. Hast du die Hakennase gesehen?“

Der junge Mann überquerte jetzt mit dem Verwalter, Herrn Lohmeier, den Hof und ging zum Gutsbüro hinüber. Zwischen Billes und Karlchens braun gebrannten Gesichtern tauchte der mächtige Schädel Lohengrins auf. Offenbar wollte der Fuchswallach feststellen, was seine jungen Pfleger so fesselte, dass sie darüber das Säubern seiner Box vergaßen.

„Starr ihn doch nicht so auffällig an“, sagte Bille, und es war nicht ganz klar, ob sie Lohengrin oder Karlchen meinte. „Vielleicht ist er von irgendeiner Behörde und will den Hof inspizieren …“

„Den Hof inspizieren? Wie meinst du das?“

„Na ja, sehen, ob alles den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Sauberkeit … und Sicherheit des Arbeitsplatzes … und was es da alles gibt. Ob die Tiere richtig untergebracht sind und gutes Futter bekommen und gesund sind. Könnte doch sein.“

„Ausgerechnet auf einem Gut wie Groß-Willmsdorf? Einem solchen Musterbetrieb? Was gibt’s denn da zu inspizieren!“

„Vielleicht gerade, weil es ein Musterbetrieb ist. Eine offizielle Besichtigung – he, Dicker, du klemmst mich ja ein! Ich krieg keine Luft mehr!“ Bille schob Lohengrin von sich weg. „Na komm, machen wir weiter.“

„Sie sind ins Büro gegangen.“ Karlchen dachte gar nicht daran, seinen Beobachtungsposten zu verlassen.

Bille begann, die frische Streu in Lohengrins Box zu verteilen. Der hatte sich seinem Heu zugewandt und malmte mit verträumt ins Leere gerichtetem Blick vor sich hin. War er Bille im Weg, bekam er einen Klaps auf sein rundes Hinterteil, bis er geruhte, einen Schritt zur Seite zu treten.

„Jetzt kommen sie wieder raus! Mit Frau Beck. Sie gehen zum Kuhstall rüber. Du hast recht – wenn die Sekretärin dabei ist, ist es bestimmt eine offizielle Besichtigung. Jetzt zeigt Lohmeier ihm die Futtersilos …“

„Ob sie auch hier hereinkommen?“ Bille sah sich um.

„Klar, glaubst du, ausgerechnet die Pferdeställe wird er auslassen? Das Wichtigste von ganz Groß-Willmsdorf? Die kommen sicher als Letztes dran – als Krönung des Ganzen.“

„Auf ’ne Krönung sind wir aber gar nicht vorbereitet“, meinte Bille und unterdrückte ein aufsteigendes Unbehagen. „Meinst du nicht, wir sollten schnell noch ein bisschen sauber machen? Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es – die brauchen sicher ’ne Weile, bis sie die anderen Ställe besichtigt haben. Zu blöd, dass Petersen noch nicht zurück ist. Wo steckt Hubert?“

„Jetzt verlier bloß nicht die Nerven!“ Karlchen bequemte sich, seinen Fensterplatz zu verlassen. „Sie hätten schließlich was sagen können, dass heute hoher Besuch kommt. Kann ja kein Mensch riechen, oder?“

„Trotzdem. Wenn Herr Tiedjen hört, dass der Stall nicht tipptopp in Ordnung war … jetzt komm, hilf mir schon! Erst die Stallgasse … und alles wegräumen, was unnötig rumliegt! Außerdem – vielleicht wusste ja gar keiner, dass der Typ heute kommt. Ich habe neulich gelesen, dass zum Beispiel der Tierschutzverein seine Kontrollen nie anmeldet. Ist ja auch klar: Wenn die sich ankündigen würden, würden sie wahrscheinlich nur Musterbetriebe vorfinden, weil die Leute vorher alles in Ordnung bringen würden.“

Hätte ich Idiot bloß gestern die Fenster geputzt, dachte Bille. Man soll seine guten Vorsätze nie aufschieben!

Karlchen fegte die Stallgasse, bis auch nicht ein Halm mehr zu sehen war. Zwischendurch schaute er auf den Hof hinaus, um den Rundgang des Gastes und seiner Begleiter zu verfolgen. Bille kontrollierte die Sattelkammer, räumte das Putzzeug auf, bis Striegel, Kardätschen und Kämme wie ein Regiment zum Appell angetretener Soldaten streng geordnet im Schrank lagen, wischte den Staub von den Namenstafeln an den Boxen; Schwämme, Lappen und Eimer mussten in Reih und Glied antreten, sogar die Lampe wurde noch schnell von einer Schicht toter Fliegen befreit.

„Kannst du sie sehen? Kommen sie schon?“, fragte Bille nervös. Sie fühlte sich wie vor einer Prüfung.

„Scheinen noch im Schweinestall zu sein“, berichtete Karlchen und spähte in alle Richtungen.

„Dann geh ich jetzt in den Fohlenstall.“

Bille ergriff Besen, Mistgabel und Eimer und stiefelte zur Hintertür, von der aus es in die Sattelkammer und weiter in den geräumigen Stall ging, in dem die Absetzer untergebracht waren. Der Laufstall war hell und weitläufig, man fühlte sich wie in einem fröhlichen Kinderzimmer. Auf der linken Seite versuchten die vier Hengstfohlen gerade herauszufinden, wer der Stärkste war, indem sie sich gegenseitig zwickten und spielerisch hochstiegen. Die Stutfohlen auf der anderen Seite des Ganges reckten die Köpfe und schauten neugierig herüber.

„Sindbad!“

Der hübsche Fuchs mit den gleichmäßigen weißen Strümpfen spitzte die Ohren und kam auf seine Pflegerin zu, als Bille den Stall betrat. Übermütig stupste er sie mit dem Kopf an.

„Nein, nein, mein Kleiner, wir können jetzt nicht spielen. Wir bekommen Besuch, da muss ich euch noch ein bisschen schön machen. Wie siehst du bloß wieder aus – voller Stroh und Staub!“

Bille zupfte dem Hengstfohlen ein paar Strohhalme aus dem struppigen Fell. Fast acht Monate war Sindbad jetzt alt, ihr Flaschenkind, das sie mit so viel Liebe aufgezogen hatte, nachdem Sinfonie, seine Mutter, nicht mehr genug Milch für ihren Sprössling gehabt hatte. Und er hatte sich super entwickelt!

Jetzt drängte sich auch der drahtige kleine Jacky-Boy heran. Man konnte dem kräftigen schwarzen Hengstfohlen kaum noch ansehen, dass er das Sorgenkind dieses Sommers gewesen war. Karlchen, der sich sonst mehr für Motorräder und Autos als für Pferde interessierte und nur zur Aufbesserung seines Taschengelds im Stall arbeitete, hatte sich vom Tag der Geburt an in den kleinen Rappen verliebt und ihn hingebungsvoll gepflegt. Und da seine Mutter Jacaranda reichlich Milch hatte, hatte er den Vorsprung der übrigen Fohlen bald eingeholt.

Bille liebte es, bei den Fohlen im Laufstall zu sein, sich ihre Zukunft mit den Pferden auszumalen und ihre künftigen Siege auf den großen Turnieren. Aber jetzt war keine Zeit für Träumereien. Auch die Kinderstube sollte blitzblank aussehen, wenn der Gast sie besichtigte.

Nach einer halben Stunde kehrte sie – zufrieden mit ihrer Arbeit – zu Karlchen zurück.

„Na? Waren sie schon da?“

„Ach was, sie sind erst raus auf die Felder gegangen.“

„Auf die Felder? Der nimmt’s aber genau … was gibt’s denn da um diese Zeit noch zu sehen?“

„Keine Ahnung. Da kommt Hubert, vielleicht weiß der was.“

Hubert, Karlchens älterer Bruder und Pferdepfleger bei Herrn Tiedjen, dem berühmten Springreiter, dem das Gut Groß-Willmsdorf gehörte, kam von der Reithalle zu ihnen herüber.

„Der Chef ist mit Nathan noch raus auf die Springbahn. Danach will er mit Black Arrow arbeiten. Kannst du ihn schon mal fertig machen?“

„Klar, mach ich. Sag mal, weißt du, wer der Typ ist, der hier mit Lohmeier auf dem Hof herumspaziert?“

„Der so gescheit daherredet? Keine Ahnung.“

Hubert öffnete die Futterkiste und begann, das Kraftfutter für das Abendbrot der „Schwerarbeiter“, wie er Herrn Tiedjens Turnierpferde nannte, zu mischen. Bille trat zu Black Arrow in die Box, wischte dem schönen Rappen mit einem weichen Tuch über den Rücken und legte den Sattel auf.

„Was hat er denn gesagt?“, rief sie zu Hubert hinüber.

„Wer?“

„Na, der Typ …“

„Was weiß ich … so kluges Zeug eben … von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, und … und über die Schweine-Versuche, die sie gemacht haben – wie intelligent ein Schwein ist, und dass Kühe bei Musik mehr Milch geben und so …“

„Also doch ein Professor oder so was Ähnliches. Ein Wissenschaftler jedenfalls. Vielleicht so einer, der das Verhalten der Tiere studiert“, meinte Bille.

„Und über die Intelligenz der Pferde und ihrer Reiter hat er nichts gesagt?“, stichelte Karlchen.

„Hab ich nichts von gehört“, nuschelte Hubert, den der unbekannte Besucher nicht sonderlich interessierte. „Vielleicht beschäftigt er sich nur mit Kühen und Schweinen.“

„Das finde ich aber schwach. Ist ja fast ’ne Beleidigung für Herrn Tiedjen und unsere Rösser hier!“, empörte sich Karlchen.

„Ich weiß doch gar nicht, was der will“, wehrte Hubert ab. „War doch bloß ’ne Vermutung.“

Bille hatte Black Arrow fertig gesattelt und aufgetrenst und führte ihn auf die Stallgasse hinaus. Zärtlich fuhr sie ihm mit den Fingern durch die blauschwarz glänzende Mähne und ordnete die widerspenstig quer stehenden Strähnen. Black Arrow hatte mit einem Blick die offene Futterkiste entdeckt und marschierte zielstrebig darauf zu.

„Du bist schon genauso verfressen wie Zottel“, schimpfte Bille. „Jetzt gibt es noch nichts. Erst wird gearbeitet …“

„Da sind sie wieder!“, rief Karlchen. „Sie stehen auf dem Hof und palavern!“

„Oh, wirklich?“ Bille verspürte einen unwiderstehlichen Drang, diesem wichtig aussehenden Fremden Eindruck zu machen, sie wusste selbst nicht, warum. „Also, ich bring dann jetzt Black Arrow rüber …“ Eilig zog sie den Wallach hinter sich her und öffnete die Stalltür.

„Bist ja bloß neugierig.“ Karlchen grinste breit. „Erzähl uns, was er gesagt hat, wenn du zurückkommst, vielleicht kriegst du was raus.“

„Aha – und du bist gar nicht neugierig, wie?“

„Ich meine ja nur …“

Normalerweise führte Bille die Pferde am Zügel zum Reitplatz hinüber, wenn Herr Tiedjen mit ihnen arbeiten wollte. Aber jetzt konnte sie der Versuchung nicht widerstehen. Wie der Blitz saß sie im Sattel, nahm die Zügel auf und ritt hocherhobenen Hauptes auf die Gruppe zu. In ihrem Rücken hörte sie Karlchen und Hubert kichern.

Der Fremde wich erschrocken zurück und Herr Lohmeier sah kopfschüttelnd auf, als Bille dicht an der Gruppe vorbeiritt.

„Dem haben wir’s aber gezeigt, mein Hübscher, was? Hier von der Intelligenz von Schweinen zu reden …“, kicherte Bille.

Herr Tiedjen setzte gerade mit Nathan über die dreifache Kombination. Konzentriert und kraftvoll sprang der kräftig gebaute Braune, er hatte den Ausdruck eines Profis, der genau weiß, worauf es ankommt, und seine Kräfte einzuteilen versteht. Ein Pferd, das jeder Schwierigkeit gewachsen war.

„Da bist du ja!“

Herr Tiedjen beendete seine Arbeit und ritt im Schritt zu Bille hinüber. Er sah müde aus, nach dem schweren Unfall im Frühjahr strengte ihn das Reiten immer noch an. Aber wenn er im nächsten Jahr wieder auf Turnieren starten wollte, durfte er mit dem Training nicht länger warten.

„Du kannst ihn trocken reiten, er hat für heute genug getan.“ Herr Tiedjen saß ab und übergab Bille die Zügel. „Und bitte schick mir jemanden herüber, der die Hindernisse aufbaut. Unser Kronprinz hier wird wohl wieder einiges in Trümmer legen.“

„Mach ich. Karlchen hat sowieso nichts zu tun.“

Bille musste kräftig Schwung holen, um in den Sattel des Riesen Nathan zu kommen. Einen Augenblick sah sie noch zu, wie Herr Tiedjen mit dem übermütig tänzelnden Black Arrow in die Bahn ging.

„Der kann sich an dir ein Beispiel nehmen, Dicker“, sagte sie und streichelte Nathan liebevoll den Hals. „Verpulvert wieder all seine Kräfte mit Zickenmachen und Rumspielen. Na ja, er wird’s auch noch lernen.“

Im Schritt ritt sie zum Stall zurück. Von Herrn Lohmeier und dem Fremden war nichts zu sehen. Bille schickte Karlchen zu Herrn Tiedjen hinüber und ließ Nathan noch ein paar Runden um den Hof gehen, ehe sie aus dem Sattel sprang, ihm das Zaumzeug abnahm und ihn mit einem aufmunternden Klaps in den Stall schickte. Auf Nathan konnte man sich verlassen. Er versuchte weder der Futterkiste einen Besuch abzustatten noch in eine fremde Box zu marschieren, sondern kehrte gehorsam in seine eigene Behausung zurück, um sich von Bille absatteln und trocken reiben zu lassen. Er war und blieb ein Musterknabe.

Bille hatte ihre Arbeit gerade beendet, als der alte Petersen den Stall betrat.

„Nanu, was ist denn hier los?“, wunderte sich der Pferdepfleger. „Hat dich der Putzfimmel befallen oder rüsten wir zu einem Staatsempfang? So ordentlich war der Stall schon lange nicht mehr! Ich hab doch nicht etwa Geburtstag?“

„Das mit dem Staatsempfang kommt der Sache am nächsten“, meinte Bille verlegen. „Da ist so ein Besuch gekommen, irgendein hohes Tier, ein Wissenschaftler. Und deshalb habe ich gedacht, es wär besser, wenn …“

„… wenn wir dem ordentlich Eindruck machen, wie?“

„So ungefähr.“

Petersen grinste.

„Gut, dass ich das weiß. Wenn ich in Zukunft den Stall mal so richtig sauber haben möchte, sag ich euch, wir bekämen einen hohen Gast.“

„Wissen Sie, wer das ist?“, erkundigte Bille sich neugierig.

Der alte Petersen schmunzelte.

„Ich kenn ihn noch nicht persönlich. Aber es ist ein sehr wichtiger Mann. Na, du wirst ihn wohl gleich kennenlernen.“

„Sie kommen, um die Pferdeställe zu besichtigen?“

„Klar. Wo du doch so schön aufgeräumt hast!“

„Ich dachte schon, er interessiert sich nur für Kühe und Schweine. Hubert hat so was gehört …“

„So so, Hubert. Hat er den wichtigen Mann schon kennengelernt? Wo ist er überhaupt?“

„Hubert? Ich glaube, im Fohlenstall drüben …“

Der alte Petersen begann, das Kraftfutter in die Krippen zu verteilen, und Bille bückte sich besorgt nach ein paar Haferkörnern, die auf den Boden gefallen waren und die makellose Sauberkeit auf dem Gang beeinträchtigten. Gleich würde der Besucher den Stall betreten. Bille spürte leises Lampenfieber in sich aufsteigen. „Sehr wichtig!“, hatte Petersen gesagt. Vielleicht war er doch von einer Behörde.

Bille überlegte, was man noch tun könne, um auf den hohen Gast einen guten Eindruck zu machen. Sollte sie nicht wenigstens das Fenster in der Sattelkammer putzen?

Aber dazu kam es nicht mehr. Karlchen erschien in der Stalltür und machte ihr wilde Zeichen. Und ehe sie noch begriffen hatte, was er wollte, tauchte Herr Lohmeier hinter ihm auf, öffnete die Tür weit und machte eine einladende Geste.

„Bitte, mein Lieber, treten Sie näher. Nur keine Hemmungen. Wir kommen jetzt in die gute Stube des Betriebs, oder sagen wir besser: in den Salon. Hier stehen Herrn Tiedjens Turnierpferde. Also – Ehrfurcht, junger Mann!“

Wie redete der denn mit dem Wissenschaftler? Als sei es ein guter Bekannter, ein Stammtischbruder! Aber Petersen hatte doch gesagt …

„Am besten, ich stelle Ihnen erst mal die Mannschaft vor. Der Boss des Vereins hier ist Herr Petersen. Herr Petersen, das ist Herr Schüler. Dann haben wir da Hubert Brodersen und seinen Bruder Karlchen, der hilft im Stall aus, um sein Taschengeld aufzubessern. Und unsere Bille, Sibylle Abromeit, sie ist eine Schülerin vom Chef, na, sagen wir ruhig, seine Lieblingsschülerin! Sie ist aus dem Stall so wenig wegzudenken wie die Pferde …“

„Ach ja, die Reiterin von vorhin,“ murmelte der junge Mann und lächelte Bille etwas gequält zu, „mit dem Mustang.“

Der hatte vielleicht eine Ahnung von Pferden! Nicht zu fassen!

„Übrigens hat unsere Bille ein Maskottchen …“ Herr Lohmeier sah sich suchend um. „Wo ist er denn?“

„Zottel? Ich habe ihn heute zu Hause auf der Koppel gelassen“, berichtete Bille eifrig.

„Hm – na, Sie werden ihn noch zur Genüge kennenlernen. Hüten Sie sich vor ihm, Schüler, er ist ein Schlitzohr und macht die tollsten Streiche!“ Herr Lohmeier lachte dröhnend.

Herr Schüler schüttelte jedem der Anwesenden die Hand und murmelte Unverständliches. Bille glaubte so etwas wie „gute Zusammenarbeit“ herauszuhören.

„Na, wie ist es, Bille“, polterte Lohmeier drauflos. „Willst du mir nicht die Führung abnehmen? Du verstehst doch mehr von Pferden als ich. Herr Schüler studiert Landwirtschaft und beginnt morgen sein Praktikum bei uns.“

Der alte Petersen hüstelte und verbarg sein Grinsen hinter einem handtuchgroßen Taschentuch. Bille und Karlchen starrten sich an, als hätte Herr Lohmeier ihnen eben erzählt, dass vor dem Stall ein Ufo gelandet sei. Es war schwer zu sagen, wessen Gesicht die schönere Farbe angenommen hatte: Bille sah aus, als hätte sie ihres in Himbeersaft getaucht, Karlchen erinnerte eher an Tomatenketchup.

„Jjj-ja natürlich … gern“, stotterte Bille und sah den langen Herrn Schüler von unten herauf beschämt an, als könne der Gedanken lesen. So eine Blamage! Den Stall aufgeräumt wie für einen Besuch der Königin von England, und dann stellte sich heraus, dass der hohe Besuch nicht viel mehr war als sie selbst – ein Praktikant!

Bille wies in den langen Gang des Seitenflügels, in dem sich die Boxen der Mutterstuten befanden.

„Fangen wir dort hinten an. Bitte, Herr Schüler!“

Der junge Mann folgte ihr schweigend, mit staksigen Schritten, die Hände in den Manteltaschen vergraben, als müsse er sich an etwas festhalten.

„Schön habt ihr es hier“, sagte er schließlich zögernd. „Alles so sauber und gepflegt. Kein Wunder, dass die Pferde so einen ausgeglichenen, heiteren Eindruck machen. Der wache Ausdruck, die gelöste Haltung – ja, so soll es sein!“

Bille blieb vor Staunen der Mund offen stehen.

„Sie verstehen wohl viel von Pferden?“, fragte sie beeindruckt.

„Na ja, ähä … ich … also sagen wir mal, ich interessiere mich für sie. Allerdings mehr theoretisch. In der Praxis habe ich – wie soll ich es ausdrücken – eine ganze Menge Respekt vor ihnen. Mir fehlt es an … Erfahrung, nennen wir es mal so. Wir sind uns noch nicht begegnet.“

„Ach so …“