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Gareths Herz hängt an Cam, aber Cams Herz ist schon vor langer Zeit gebrochen. Als Alpha des Regents Park Rudels konzentriert sich Cam immer auf die Mitglieder - sein Privatleben hat er nach dem Tod seiner Frau beiseite geschoben. Jetzt, da sich sein Rudel mit den Primrose Hill Wandlern zusammengeschlossen hat, kann er sich keine Ablenkungen leisten. Gareth ist seit Jahren in seinen Alpha verliebt, aber seine Position als Beta macht die Sache kompliziert. Hinzu kommt, dass Cam immer noch um seine verstorbene Frau trauert. Gareth weiß, dass seine Gefühle nie erwidert werden, also vergräbt er sie tief. Während die beiden Rudel bereits darum kämpfen, sich unter einem Alpha zu vereinen, bekommen sie überraschend Zuwachs - einem, der für noch mehr Spannungen innerhalb der Rudel sorgt. Unter diesem Druck werden lang gehütete Geheimnisse ans Licht gebracht. Gareth und Cam müssen mit den Folgen fertig werden und gleichzeitig die Interessen des Rudels im Auge behalten.
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Das Regents Park Rudel
Band 4
von Annabelle Jacobs
© dead soft verlag, Mettingen2023
http://www.deadsoft.de
© the author
Titel der Originalausgabe: Bitten by the Alpha (Regent’s Park Pack 4)
Übersetzung: Elena Knybel
Cover: Irene Repp
http://www.daylinart.webnode.com
Bildrechte:
© Andrei Vishnyakov – stock.adobe.com
© Oleg – stock.adobe.com
1. Auflage
ISBN 978-3-96089-579-4
ISBN 978-3-96089-580-0(ebook)
Ein riesiges Danke an meine Betaleser Elin und Nic. Euer Feedback hat geholfen, dass dieses Buch so viel besser geworden ist. Vielen Dank auch an meine Korrektoren Jay, Garrett und Kirsty dafür, dass ihr all diese kleinen Fehler gefunden habt.
Cam stand an seinem Fenster und sah auf die Straße hinunter. Zu seiner Linken befand sich der Eingang zum Regents Park und er sehnte sich danach, dort draußen zu sein, sich zu verwandeln und zu rennen und das feuchte Gras unter seinen Pfoten zu spüren. Er könnte es auf die Ereignisse der letzten Wochen zurückführen. Sie waren anstrengend gewesen, doch das war nicht der einzige Grund. Die Oktobersonne wärmte sein Gesicht durch das Fenster und Cam lächelte, die Gedanken voller bittersüßer Erinnerungen. Er hatte seine Frau vor fünfzehn Jahren Anfang Oktober kennengelernt und Cam erinnerte sich daran mit einer Klarheit, die er gleichermaßen schätzte und hasste. Der Herbst war ihre Lieblingsjahreszeit gewesen, denn das Spiel der Farben, wenn sich die Blätter von einem satten Grün zu einer Mischung aus Orange, Gelb und Braun veränderten, hatte sie immer wieder verzaubert. Auch wenn er sie jeden Tag vermisste, so brachte ihn der Anblick der Bäume stets zum Lächeln. Nun war es auch seine Lieblingsjahreszeit.
Das Klingeln seines Telefons riss ihn aus den Gedanken und die Nummer auf dem Display ließ sein Herz einen Schlag lang aussetzen. Die Leute vom Alpha-Rat waren die letzten, von denen er hören wollte.
»Cameron Harley«, antwortete er mit gerunzelter Stirn. Was könnten die nur wollen? Duzende Szenarien schwirrten ihm durch den Kopf, keines davon war gut, doch Cam verdrängte sie. Spekulationen brachten nichts.
»Guten Morgen, Alpha Harley.« Alpha Karin Wallaces glatter, gebieterischer Tonfall ließ ihn ein wenig gerader stehen. »Ich vermute, Sie fragen sich, warum ich anrufe?«
Cam entspannte sich etwas und lächelte ironisch. »Könnte man so sagen.«
Gelächter erklang an seinem Ohr. »Dann komme ich gleich zum Punkt. Alpha Tregarrak vom Penwith-Rudel hat eine Anfrage gestellt, die ich mich verpflichtet fühle, an Sie weiterzuleiten.«
Das Territorium des Penwith-Rudels befand sich nahe Penzance in Cornwall, wohin der Rat Felix Martyn geschickt hatte. Cam schnaubte. Ihm gefiel nicht, wohin das führte. »Oh?«
»Da das Penwith-Rudel ein Mitglied Ihres Rudels aufgenommen hat, bittet Alpha Tregarrak darum, dass Sie den Gefallen erwidern.«
»Felix war kein Mitglied meines Rudels. Er war ein abtrünniger Wandler, den wir gefangen genommen hatten.«
Alpha Wallace seufzte und Cam hatte das Gefühl, als hätte sie erwartet, dass er so reagierte, und wäre dennoch enttäuscht von ihm. »Ich weiß, dass er genau genommen kein Mitglied Ihres Rudels war, aber Sie haben ihn aufgenommen und für ihn um Nachsicht gebeten, weshalb ich geneigt bin, Alpha Tregarrak zuzustimmen.«
Fuck.
Tief in seinem Inneren hatte Cam schon geahnt, dass ihm diese Entscheidung noch Ärger bereiten würde. Vermutlich irgendein Unruhestifter, den Tregarrak loswerden wollte. Das hatte Cam gerade noch gefehlt. Es gab auch so genug, mit dem er sich herumschlagen musste. Die Zusammenlegung zweier Rudel verlief nicht immer reibungslos, was er auch nicht erwartet hatte, und es gab auch so schon genug, um das er sich kümmern musste. »Er will, dass ich ein Rudelmitglied aufnehme als Ausgleich für Felix?«
»Ja.« Sie hielt inne und Cam wartete. Er wusste, dass sie noch nicht fertig war. »Das wäre eine Gefälligkeit unter Alphas; ich kann Sie nicht zwingen, dem zuzustimmen.«
Cam verdrehte die Augen. Er war nicht direkt einverstanden, aber er bezweifelte, dass eine Weigerung gut ankommen würde. Also gut. Falls es ein Unruhestifter war, dann würde er sie oder ihn in Alecs Einheit stecken. Dann würde sich das schnell ändern. »Natürlich. Richten Sie Alpha Tregarrak bitte aus, dass mich nichts mehr erfreuen würde, als den Gefallen zu erwidern.«
Alpha Wallace lachte erneut, als wüsste sie genau, was er dachte. »Ich habe damit gerechnet, dass Sie das sagen würden. Eine gute Entscheidung, Alpha Harley.«
»Darf ich fragen, wen von seinen Leuten wir aufnehmen sollen?« Dann konnte er auch gleich den Namen in Erfahrung bringen.
»Seine Tochter Rachel.«
»Nur, damit ich das richtig verstehe«, Alec nahm die Tasse Kaffee entgegen, die Cam ihm reichte, und nickte dankend, »der Penwith-Alpha will, dass seine Tochter unserem Rudel beitritt?«
Cam nickte. »Ja.« Er gab Gareth die letzte Tasse und setzte sich auf die Sofalehne. »Nur vorübergehend«, fügte er schnell hinzu. »Aber vermutlich mindestens für ein paar Monate, so wie ich das verstanden habe.«
Seine vier Betas sahen ihn mit verschiedenen Gesichtsausdrücken an und Schuldgefühle zeigten ihr hässliches Haupt.
Jason und Paul sollten auch an dieser Versammlung teilnehmen. Diese vier sind jetzt nicht mehr meine einzigen Betas.
Die Zusammenlegung der beiden Rudel in ein großes hatte sich für Cam als genauso schwierig herausgestellt wie für jeden anderen, und er war nicht allzu stolz darauf. Er war der Alpha. Er sollte mit gutem Beispiel vorangehen, und seine neuesten Betas von Versammlungen auszuschließen, war nicht der richtige Weg. Er würde es niemals offen zugeben, nicht einmal vor den vier Leuten, die ihm gegenübersaßen, doch Tatsache war, dass er weder Jason noch Paul gut genug kannte, um ihnen zu vertrauen. Nicht wirklich. Jason, ja, bis zu einem gewissen Grad. Er hatte sich unter Cams Aufsicht von seinen Verletzungen erholt, nachdem Newell seinen Tod angeordnet hatte. Zwischen den beiden gab es also keine positiven Verbindungen. Doch Jason und Paul waren die Betas eines anderen Alphas gewesen, jemand der Cam hasste, und er konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob nicht doch noch eine Spur Loyalität übrig geblieben war.
»Cam?« Alec gab seinem Knie einen Stoß und er sah auf, nur um festzustellen, dass alle ihn anstarrten.
Offenbar war er mit den Gedanken abgeschweift und hatte etwas verpasst. »Sorry, was hast du gesagt?« Er musste sich mehr Mühe geben.
Alec runzelte die Stirn, behielt seine Gedanken aber zum Glück für sich. »Ich habe gefragt, ob du schon mit dem Penwith-Alpha gesprochen hast.«
Cam gab sich innerlich einen Ruck und konzentrierte sich auf die Probleme, die vor ihm lagen. »Ja, das habe ich, aber bevor ich mehr dazu sage, gibt es noch ein paar Leute, die an dieser Versammlung teilnehmen sollten. Gib mir einen Moment.«
Cam handelte nur selten gegen sein Bauchgefühl, doch in diesem Fall war er sich sicher, dass er sich keinen Gefallen täte. Damit das Rudel wieder zu einer Einheit werden konnte, musste er es tun, sonst würde niemals Vertrauen zwischen ihnen entstehen können. Sein Wolf würde sich mit der Zeit auch daran gewöhnen.
Er schnappte sich sein Handy und sendete eine kurze Nachricht an Paul und Jason, in der er um ihre Anwesenheit in seiner Wohnung bat, und wartete auf das Gelesen-Zeichen, bevor er es wieder weglegte.
Gareth hob eine Augenbraue und sprach aus, was vermutlich alle dachten. »Ist das klug?«
Vielleicht nicht.
Cam erhob sich, begab sich in die Mitte des Raumes und wandte sich ihnen zu. »Ich weiß, dass es eine Weile dauern wird, sich daran zu gewöhnen, aber wir sind jetzt ein Rudel. Wir müssen anfangen, uns auch so zu benehmen. Jason, Paul und der neue Beta, sollte ich einen ernennen, sind meine direkten Untergebenen, genauso wie ihr vier. Sie haben jedes Recht, an dieser Versammlung teilzunehmen, und ohne sie fortzufahren, wäre eine Beleidigung für ihre Stellung in unserem Rudel.« Das klang härter, als er es geplant hatte. Doch er war verärgert, wenn auch mehr über sich selbst als über irgendjemand anderen. Trotzdem musste die Rangordnung klargestellt werden. »Ihr seid alle Betas, bitte behandelt sie mit dem Respekt, der ihnen zusteht.«
Für einen Moment wirkte Gareth schockiert, dann fing er sich wieder. »Natürlich.«
Cam seufzte und fuhr mit der Hand durchs Haar. In weicherem Tonfall fuhr er fort. »Ich weiß, dass ich die Schuld an dieser Unsicherheit und Befangenheit trage. Ich habe die Vereinigung der Rudel nicht so gut gehandhabt, wie ich es wollte, und dafür entschuldige ich mich. Aber es gibt sechs Betas in diesem Rudel, nicht vier, und daran müssen wir uns alle erinnern.«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach die Stille. Cams Meinung nach genau im richtigen Moment.
Er schluckte seine Befürchtungen herunter und marschierte in den Flur, um die Eingangstür zu öffnen. Jason und Paul standen beide davor und blickten neugierig und misstrauisch drein. Noch etwas, an dem er Schuld trug. Andererseits hatten sie Newell so lange unterstanden, dass sie vermutlich nur darauf warteten, dass Cam sein „wahres Gesicht“ zeigte. Und wer wusste schon, was Newell ihnen die letzten Jahre über für einen Mist erzählt hatte? Vielleicht erwarteten sie, dass Cam nur nach einem Grund suchte, sie zu degradieren oder so. Trotzdem war es sein Job, ihnen Sicherheit zu vermitteln. Verdammte Scheiße, im Moment machte er seinen Job, die beiden Rudel zu vereinen, echt miserabel.
Es war ihm alles überschaubar erschienen, als er die Sache mit dem Alpharat verhandelt hatte. Sie hatten früher alle zum selben Rudel gehört. Einige der Jüngeren waren sogar in dieselbe Klasse gegangen, bevor es zum Bruch gekommen war. Und nun, da Newell fort war, sprach nichts dagegen, dass es wieder so sein könnte. Allerdings hatte Cam schnell feststellen müssen, dass die Realität komplizierter war. Zehn Jahre waren genug Zeit, um eine Menge Ärger anzustauen.
»Jason, Paul, kommt rein. Die anderen sind im Wohnzimmer.« Er trat zurück und wies in die Richtung.
»Die anderen?« Jason warf einen verwirrten Blick über die Schulter.
Es war nicht das erste Mal, dass Cam sie traf, doch es würde die erste Versammlung mit all seinen Betas sein. Er bedeutete Jason, weiterzugehen. »Meine anderen Betas.«
Jason versuchte gar nicht erst, seinen Schock zu verbergen. »Oh.«
Paul lief vor ihm, sodass Cam seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, doch er war sich sicher, dass er Jasons ähnelte.
Sie hatten noch einen langen Weg vor sich, doch hoffentlich war dies ein Schritt in die richtige Richtung.
Er folgte ihnen ins Zimmer und unterdrückte ein Seufzen, als er sah, wie sich Jason und Paul lieber gemeinsam neben den Kamin stellten, als dass sich einer von ihnen auf den freien Platz neben Daryl setzte.
Babyschritte.
»Okay.« Er klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu lenken. Nach einer kurzen Zusammenfassung des bereits Besprochenen, fügte er hinzu: »Die Unterhaltung mit Alpha Tregarrak war kurz. Offenbar möchte er alles Weitere lieber persönlich besprechen.« Cam hielt inne, um ihnen Zeit zu geben, das zu verarbeiten. »Ich werde hinfahren und seine Tochter einsammeln.«
»Also hast du bereits zugestimmt, sie aufzunehmen?« Alec klang wenig überrascht.
»Das habe ich.« Sie mussten nicht wissen, dass Alpha Wallace ihm keine Wahl gelassen hatte. »Wir werden morgen früh um sechs aufbrechen.«
»Wir?« Alec hob eine Augenbraue. »Wie in …?«
Cam lächelte. »Deshalb habe ich euch alle hergebeten. So wie es im Moment um das Rudel steht, dachte ich, es sei gut, Alec und Jason während meiner Abwesenheit zu meinen stellvertretenden Rudelführern zu ernennen. Das sollte alle Mitglieder zufriedenstellen und hoffentlich weitere Unruhen vermeiden.« Als Leiter der Security-Einheit, war es normalerweise Alecs Aufgabe, ihn auf Reisen zu begleiten, doch so wie die Dinge im Moment standen, war er, mit Unterstützung der anderen Betas, Cams erste Wahl als stellvertretender Anführer des Rudels. Es würde einige Zeit dauern, sich an die neuen Regelungen zu gewöhnen, doch er musste auch seine neuesten Mitglieder im Auge behalten, und Jason an Alecs Seite zu sehen, würde ihnen hoffentlich Sicherheit geben. »Gareth und Mike werden mich mit je zwei Mitgliedern ihrer Einheit begleiten.«
Er mochte eine offizielle Einladung haben, doch er würde das Territorium eines anderen Alphas nicht ohne ausreichende Rückendeckung betreten. Zweifellos würde es zu Diskussionen kommen, sobald sie seine Wohnung verließen, doch solange sie taten, was Cam angeordnet hatte, war das alles, was er erwarten konnte. Wenn sie sich untereinander beschweren mussten, um Dampf abzulassen, dann sollte es so sein.
»Noch Fragen?«
Alec erhob die Stimme. »Wirst du es dem Rest des Rudels mitteilen?«
Gute Frage.
Es sah Alec ähnlich, sie zu stellen. Als Alpha war es an Cam, zu entscheiden, wer dem Rudel beitreten durfte. Er musste nicht um Erlaubnis bitten oder eine Abstimmung vorausgehen lassen, doch er hielt es für besser, sein Rudel auf dem Laufenden zu halten. Die Beziehungen innerhalb davon waren an manchen Stellen allerdings noch immer angespannt und Cam war sich nicht sicher, ob er bekannt geben wollte, dass er einen Tag abwesend sein würde. Er sah Alec in die Augen. »Ich bin mir sicher, du hast eine Meinung dazu. Lass hören.«
Alec grinste, dann wurde seine Miene ernst. »Ich glaube, in diesem Fall solltest du es nicht öffentlich machen, wenn möglich. Es muss keiner wissen, dass du nicht da sein wirst.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich will damit nicht sagen, dass du lügen sollst, denn falls jemand fragt, werden wir ehrlich antworten, aber ich sehe keinen Vorteil darin, es dem ganzen Rudel mitzuteilen.«
Cam ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und sah seine anderen Betas an. »Möchte noch jemand was dazu sagen?«
Mike, Daryl und Gareth stimmten Alec zu. Jason und Paul flüsterten einander zu, also wartete Alec darauf, dass sie fertig wurden.
Jason warf einen Blick zu Alec, dann sah er Cam an. »Newell hat uns nie über irgendetwas informiert, und normalerweise wären wir dafür, es allen zu sagen, doch in diesem Fall stimmen wir Alec zu. Es gibt immer noch Rudelmitglieder, die Mühe haben, sich an das neue Miteinander zu gewöhnen.«
Cam unterdrückte das unangemessen schnaubende Lachen, das aus ihm herauszubrechen drohte, denn das war noch sehr milde formuliert. Er wusste genau, dass es noch immer Leute gab, die der Meinung waren, dass Newell ungerecht behandelt worden war, trotz allem, was er getan hatte. Cam brummte leise und nickte. »Na gut. Ich werde eine Rudelversammlung abhalten, sobald wir zurück sind, und dann unser neuestes Mitglied vorstellen.« Außerdem brauchte er einen Ersatz für Wes, doch das würde warten müssen. Eins nach dem anderen. »Das wäre erst mal alles. Mike, Gareth, wir sehen uns morgen früh.« Während sich die anderen erhoben, um zu gehen, suchte Cam Alecs Blick. »Bleib noch einen Moment. Ich möchte dich noch etwas fragen.«
Alec beobachtete, wie die anderen den Raum verließen, und hob dann fragend eine Augenbraue.
»Ist etwas Persönliches.« Er grinste, als sich Alec mit einem theatralischen Stöhnen auf seinen Platz zurückfallen ließ. Alec war viel umgänglicher geworden, seit er mit Mark verbunden war, doch sein Umgangston war noch immer ein wenig rau. Das war etwas, was Cam an ihm gefiel. Alec hatte keine Scheu davor, schwere Entscheidungen zu treffen, aber über Gefühle zu reden, hatte er noch nie gemocht. Cam würde lügen, wenn er behauptete, dass er nicht seinen Spaß daran hatte, Alec erröten zu sehen. Sein kühler, kämpferischer Beta zeigte seine verletzliche Seite nur selten, doch ein Thema, mit dem man sie garantiert hervorlocken konnte, war Mark. Cam schätzte sich glücklich, dass Alec ihm genug vertraute, um seine Deckung sinken zu lassen.
Als sie allein waren, setzte sich Cam ihm gegenüber und stützte sich mit den Händen auf seine Oberschenkel. »Wie kommt Mark zurecht?«
Alec runzelte die Stirn. »Mit der Verbindung, damit, seinen Alpha verloren zu haben, oder damit, wieder Teil eines großen Rudels zu sein?«
Cams Hauptsorge war die Verbindung, doch wenn Alec gerade in Plauderlaune war … »Alles.«
Mit einem Seufzen sank Alec gegen die Sofalehne. »Wenn du Mark fragst, dann ist es natürlich perfekt, dass Newell weg ist, aber das ist nach allem, was geschehen ist, nicht überraschend.«
»Stimmt.« Wenn es im „Primrose Hill“-Rudel jemanden gab, der Newell von hinten sehen wollte, dann war das Mark. Genauso wie Jason und Will.
»Was die Zusammenlegung der Rudel angeht …« Er rieb sich über die kurzen Stoppeln, die sein Kinn zierten. »Es wird Zeit brauchen, sich daran zu gewöhnen. Ich habe den Verdacht, dass er sich einigen Mist von ein paar Leuten aus seinem alten Rudel anhören muss, weil er mit mir zusammen ist, aber er beharrt darauf, dass alles in Ordnung sei. Ich glaube, er macht sich Sorgen, was ich mit ihnen machen würde.«
Cam lachte bellend. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum.« Alec konnte manchmal übertrieben loyal sein, besonders, wenn es um seinen Gefährten ging. »So sehr ich dein Bedürfnis, ihn zu beschützen, auch verstehen kann, aber vielleicht ist das ein Problem, für das Mark selbst eine Lösung finden muss.«
»Ja, ich weiß.« Doch es sah aus, als würden ihm die Worte Schmerzen bereiten. »Am liebsten würde ich den Bastarden eine Lektion erteilen, aber ich glaube, das würde alles nur noch schlimmer machen, und ich will nicht, dass es so weit eskaliert, dass du intervenieren musst.«
Cam wollte das auch nicht, aber er würde auch kein Mobbing in seinem Rudel dulden. »Sollte Mark je das Gefühl haben, dass sie zu weit gehen, dann zögert nicht, mir Bescheid zu geben. Ich bin immer dafür, dass sich Leute um ihre Probleme selbst kümmern, aber manchmal bedeutet das auch, sich an seinen Alpha zu wenden. Ich möchte, dass wir uns alle mit diesem neuen Arrangement wohlfühlen, aber das wird nicht immer möglich sein.«
Alec zögerte, als müsste er über eine Antwort nachdenken. Cam konnte sich gut vorstellen, dass ihm der Gedanke, mit so etwas zu seinem Alpha zu rennen, nicht gefiel. Doch er würde damit klarkommen müssen. »Na gut. Ich werde es im Hinterkopf behalten.«
»Danke.«
Alec stand auf, um zu gehen, als sein finsterer Blick von einem breiten Lächeln verdrängt wurde. »Und an unsere Verbindung hat er sich problemlos gewöhnt.«
Wow. Cam hätte nie damit gerechnet, Alec so verliebt zu sehen. Er griff seine Schulter und sah ihm in die Augen. »Gut. Ich glaube, ich habe dich noch nie so glücklich gesehen. Das ist ein wunderbarer Anblick.«
Alec verdrehte die Augen, als wäre es albern, doch Cam entging die leichte Röte nicht, die seine Wangen überzog. »Er ist gut für mich.«
»Das ist er.« Cam lächelte und folgte Alec hinaus auf den Flur. »Mach keinen Ärger, während ich weg bin.«
»Ich werde mein Bestes geben.«
Allein in seiner Wohnung wanderte Cam zurück ins Wohnzimmer und ließ sich mit einem Seufzen auf sein Sofa fallen. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er hatte so viel zu tun und im Auge zu behalten. Er liebte es, ein Alpha zu sein. Sein Rudel war wie eine große Familie, für deren Sicherheit er verantwortlich war. Doch die letzten Wochen waren hart gewesen. Das „Primrose Hill“-Rudel war wie entfernte Verwandtschaft, die vor Jahren weggezogen war und nun versuchte, sich wieder in die Familie einzugliedern. Einige von ihnen sträubten sich.
Cam holte sein Handy hervor und sah in sein E-Mail-Postfach. Die Nachricht, die er heute Morgen bekommen hatte, war enttäuschend gewesen, doch Cam konnte nicht behaupten, dass sie ihn überrascht hatte. Er scrollte, bis er fand, wonach er gesucht hatte: Die Nachricht vom Vorsteher des Wandlergefängnisses von Krillick Hall, dem Ort, an dem Stephen Newell und Wes Colford derzeit ihre Strafe absaßen. Er las sie erneut.
Von: Michael Fleck
An: Cameron Harley
Re: Newell, Colford, Besuche
Wie abgesprochen, finden Sie im Anhang die Besucherprotokolle der letzten Woche, für die Gefangenen Stephen Newell und Wes Colford.
Die Protokolle der letzten paar Wochen waren leer gewesen. Niemand hatte sich dazu entschieden, seinen Ex-Alpha oder -Beta zu sehen. Cam hatte schon fast angenommen, er hätte überreagiert, als er darum gebeten hatte, die Protokolle zugesendet zu bekommen, doch dann hatte er die heutige E-Mail erhalten. Er klickte auf den Anhang.
Noch immer hatte niemand Wes besucht, doch zwei Namen für Newell standen im Protokoll. Zwei Namen, die Cam für seinen Geschmack viel zu oft gehört hatte. Sie hatten nichts falsch gemacht, indem sie zum Gefängnis gegangen waren. Das war nicht gegen die Regeln des Rudels. Seinen Alpha so plötzlich zu verlieren, war nicht einfach, und es würde einige Zeit brauchen, sich daran zu gewöhnen. Normalerweise würde sich Cam nichts dabei denken. Es waren eben zwei Mitglieder, die sich auf ihre Weise an die Zusammenlegung der Rudel gewöhnten. Doch hier ging es um Newell.
Um 6:34 Uhr schlüpfte Gareth in seine Jacke und verließ seine Wohnung. Er war schon seit fünf wach, weil er nicht mehr hatte schlafen können. Nicht, dass er keine Roadtrips mochte, denn mal aus der Stadt rauszukommen, war eine schöne Abwechslung vom Alltag und er liebte Cornwall, doch irgendetwas an diesem Trip fühlte sich falsch an. Oder es lag bloß an ihm. Gareth mochte Veränderungen nicht sonderlich. Er mochte sein Rudel so, wie es gewesen war: Eine Einheit, auf die man stolz sein konnte, drei weitere Betas, auf die er sich verlassen konnte, und ein Alpha, für den er ohne zu zögern sein Leben geben würde. Nach dem Desaster mit Newell war die Zusammenlegung der Rudel die beste Wahl für alle Beteiligten gewesen. Logisch betrachtet, wusste Gareth das, doch die Übergangsphase machte ihn unruhig und angespannt. Seine Einheit war unverändert geblieben und dafür war er wahnsinnig dankbar. Sie war das Einzige, was zuverlässig so bleiben würde wie vor der Zusammenlegung der Rudel. Rundherum jedoch gab es eine Menge Wandler, die er nicht kannte, denn zehn Jahre als getrenntes Rudel hatten sie zu Fremden werden lassen, und zwei neue Betas, dazu noch ein nicht bekannt gegebener Dritter. Er kannte Jason und Paul gut genug, um zu akzeptieren, dass sie nicht wie Wes waren, aber er traute ihnen noch nicht so ganz. Das würde seine Zeit brauchen. Und Cam … Gareth hatte zugesehen, wie sich sein Alpha mehr Verantwortung aufgeladen hatte, als wäre es das Einfachste der Welt. Obwohl er sich alle Mühe gegeben hatte, es nicht zu tun, hatte Gareth ihn zu genau beobachtet, um die Anzeichen zu übersehen. Cam war erschöpft und ausgelaugt davon, dass jeder seine Aufmerksamkeit wollte. Gareth hasste den Anblick der dunklen Ringe unter seinen Augen. Er hatte mit Alec darüber sprechen wollen und dann doch gezögert. Cam war ihr Alpha. Der Grat zwischen Besorgnis und dem Hinterfragen seiner Kompetenz war schmal. Das Letzte, was Gareth wollte, war es, anzudeuten, dass Cam seine Arbeit nicht richtig machte. Cam war ein wunderbarer Alpha. Die Tatsache, dass die Zusammenlegung der Rudel so glatt abgelaufen war, war ein Beweis dafür. Doch es gab immer ein paar, die sich sträubten, und zwar auf beiden Seiten. Das forderte seinen Tribut von Cam. Gareth gab sich größte Mühe, keiner von ihnen zu sein, obwohl er sich unwohl fühlte. Das würde mit der Zeit nachlassen und er wollte Cam unterstützen, statt ihm noch mehr Stress bereiten.
Er traf Nathan und Luke auf dem Flur. Wie Cam angeordnet hatte, hatte er ihnen nur gesagt, dass sie ihn auf einem zweitägigen Ausflug begleiten würden, um nach Felix zu sehen. Er hatte weder Cam noch das neue Rudelmitglied erwähnt, dass sie dort auflesen würden.
»Nathan, Luke.«
Sie nickten beide zur Begrüßung und ordneten sich hinter ihm ein.
Der Sonnenaufgang empfing sie, als sie aus der Eingangstür auf den Gehweg traten. Der Himmel war wolkenlos und versprach einen wundervollen Tag. Statt dorthin zu gehen, wo er normalerweise parkte, lief Gareth weiter.
Es dauerte zwei Sekunden, bis Nathan fragte: »Wo ist dein Auto?«
»Das steht bei Cam.« Er sah zur Seite und bemerkte, dass Nathan ihn beobachtete.
»Haben dir die Parkplätze bei uns nicht gefallen?«
Mindestens drei befanden sich direkt vor der Tür.
»Wir werden noch ein paar von den anderen treffen.«
Die frische Luft wirkte belebend auf Gareth, und als er das Apartmenthaus erreichte, in dem sich Cams Wohnung befand, fühlte er sich schon viel mehr wie er selbst. Davor standen zwei schwarze SUVs.
Mike lehnte sich gegen einen davon, den Schlüssel in der Hand. »Wir sind so weit«, sagte er und nickte in Richtung der Autos.
Gareth holte seine Schlüssel hervor und schloss das andere Auto auf. »Wir werden euch folgen.«
Sobald alle eingestiegen und angeschnallt waren, fuhr Gareth hinter Mike her.
Nathan wandte sich ihm zu. »Okay, was für eine Nacht- und Nebelaktion ist das so früh um sieben?«
Gareth behielt die Straße im Auge. Nachdem er weit genug von den anderen weg war, antwortete er: »Nichts Aufregendes, macht euch keine großen Hoffnungen.«
Nathan schnaubte. »Ich glaube, in den letzten Monaten hatte ich genug Aufregung für ein ganzes Leben.«
Gareth konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Nathan neigte dazu, Ärger magisch anzuziehen. »Wir werden nach Felix sehen. Der Teil war nicht gelogen. Doch der Hauptgrund für diesen Ausflug ist, dass wir jemanden einsammeln und mit uns nehmen sollen.«
»Ein neues Rudelmitglied?«
»Ja, aber nur vorübergehend.« Gareth blinkte und trat ein wenig aufs Gas, um hinter Mike zu bleiben. »Und Cam sitzt mit Mike im anderen Auto.«
Nathan pfiff leise. »Und wer wird dieses neue Rudelmitglied sein? Der Alpha selbst?« Grinsend warf er Gareth einen Blick zu.
»Nein. Seine Tochter.« Sein ungutes Gefühl kehrte zurück.
Das ließ Nathan für ganze zwei Sekunden verstummen. Dann fragte er: »Wie alt ist sie?«
»Ich habe keine Ahnung. Warum?«
Er zuckte mit den Schultern. »Nur so.«
Gareth seufzte, als er Nathans Grinsen im Augenwinkel sah. »Raus damit.«
»Na ja, Cam wäre ein geeigneter Junggeselle.« Er sah ihn an, als er sprach, und Gareth hatte Mühe, einen neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten. »Jetzt wo unser Rudel so viel größer ist, sogar noch mehr.«
So sehr es ihn auch schmerzte, es zuzugeben, Nathan hatte nicht ganz unrecht. Doch Gareth war bei Cam gewesen, nachdem seine Frau gestorben war. Er erinnerte sich daran, wie schwer es ihn getroffen hatte, und Nathan sollte das auch. »Ich glaube nicht, das Cam jemals wieder heiraten wird. Mias Tod hat etwas in ihm zerbrochen.« Sie hatten keinen Gefährtenbund gehabt wie Nathan und Jared, doch er war sich sicher, dass ihre Verbindung dem sehr nahe gekommen war, mit Mia als Menschen.
Nathan stieß langsam die Luft aus und wurde ernst. »Ja, vermutlich hast du recht. Mia war besonders. Ich bin mir nicht sicher, ob jemand ihren Platz in Cams Herzen einnehmen könnte.«
Ja.
Gareth umklammerte das Lenkrad fester. Dies war die kalte, harte Wahrheit, die seine verräterischen Gefühle im Zaum hielt. Cams Herz gehörte seiner verstorbenen Frau, und so würde es auch immer sein.
Die Stimmung im Auto war bedrückend geworden und Gareth wollte nicht die nächsten sechs Stunden damit verbringen, über etwas nachzudenken, das niemals würde sein können. Er stellte das Radio an und wählte absichtlich einen Sender aus, von dem er wusste, dass Nathan ihn hasste. Dieser schnitt, wie erwartet, eine Grimasse, sobald die Heavy-Metal-Musik das Auto erfüllte. Sein entsetzter Gesichtsausdruck sorgte dafür, dass sich Gareths Lippen zu einem zögerlichen Lächeln hoben.
»Nein.« Nathan langte nach dem Frequenzregler, vermutlich um einen anderen Sender einzustellen, und Gareth versuchte nur halbherzig, ihn davon abzuhalten. »Ich werde meine armen Trommelfelle nicht für die nächsten paar Stunden dieser Folter aussetzen.«
Lukes Lachen ertönte vom Rücksitz aus. »Genauer fünf oder sechs.«
»Was?«
»Von hier aus wird es mindestens fünf oder sechs Stunden dauern, je nach Verkehrslage.«
Nathan warf einen Blick über die Schulter zu Luke und sah dann zurück zu Gareth. »Das hast du gestern gar nicht erwähnt.«
»Du hast nicht gefragt.«
»In dem Fall brauchen wir unbedingt bessere Musik.« Leise vor sich hin murmelnd, spielte Nathan am Radio herum, bis er etwas fand, das mehr nach seinem Geschmack war. »Na also.«
Gareth würde es nie zugeben, aber er war angenehm überrascht von Nathans Wahl des Radiosenders. »Hoffentlich ist sie den ganzen Aufwand wert.« Und schon war sein ungutes Gefühl wieder da.
Sie hielten an einer Raststätte in Taunton Deane an der M5 für ein frühes Mittagessen. Gareth nahm die Parklücke neben Mikes Auto und stellte mit einem Seufzen den Motor ab. Die Straßen rings um Bristol waren voll gewesen und die Strecke hatte sich länger hingezogen als gedacht. Wahrscheinlich würden sie eher sieben Stunden für den gesamten Weg brauchen. Da sie nicht im Rudel in die Raststätte einfallen wollten, denn so weit außerhalb Londons waren Wandler nicht gerade ein häufiger Anblick, schickte Gareth Nathan und Luke, um Sandwiches und Kaffee für alle zu holen.
Er lehnte sich gegen die Autotür, legte mit leisem Knacken den Kopf von einer Seite zur anderen und streckte die Arme. Alles, was er wollte, war, zu rennen und seinem Wolf die Kontrolle zu überlassen. Wenn er die Augen schloss und sich konzentrierte, dann konnte er sich fast den Wind in seinem Gesicht und die harte, feuchte Erde unter seinen Pfoten vorstellen.
Eine Autotür öffnete und schloss sich und Cams Geruch wurde von einer Brise herübergetragen, doch Gareth hielt seine Augen geschlossen.
Cam lehnte sich neben ihn an das Auto und stupste mit der Schulter gegen seine. »Alles in Ordnung?«
Er nickte. »Ja, nur müde. Ich könnte ein bisschen Auslauf vertragen.«
»Ich auch.« Cam stieß laut die Luft aus und entspannte sich, doch ihre Schultern berührten sich noch immer. »Es fühlt sich an, als sei der letzte Vollmond so lange her, dass ich mich gar nicht mehr an ihn erinnern kann.«
Gareth warf ihm einen Blick zu. Smaragdgrüne Augen sahen ihn an und es kostete ihn all seine Selbstbeherrschung, nicht zu reagieren. Er tat dies schon seit so vielen Jahren, dass es ihn kaum noch Mühe kostete. Warum war es heute anders? »Du weißt aber, dass du nicht auf den nächsten Vollmond warten musst, um dich zu verwandeln, oder?«
»Irgendwie scheine ich nie die Zeit dazu zu finden. Besonders jetzt nicht.«
Nicht wenn er versuchte, zwei Rudel zu vereinigen, die die letzten zehn Jahre getrennt gewesen waren.
»Vielleicht solltest du dir die Zeit dazu nehmen.« Gareth wandte sich ihm ganz zu, um sicherzustellen, dass Cam sah, wie ernst es ihm war. »Du bist der Alpha. Dein Rudel braucht dich in Topform. Wenn du Zeit benötigst, deinen Wolf rauszulassen und zu rennen, dann solltest du sie dir verdammt noch mal nehmen.«
Cam starrte ihn an.
Habe ich eine Grenze überschritten?
»Gareth.« Cams Ton, nicht verärgert, aber ernster als zuvor, zeigte, dass er sehr wohl eine Grenze überschritten hatte.
Scheiße.
»Ich weiß deine Sorge um mein Wohlergehen zu schätzen, aber bitte …«
»Tut mir leid.« Gareth wollte das Ende dieses Satzes nicht hören. »Ich habe kein Recht, dich zu belehren.«
Cam hob beide Augenbrauen, während der Hauch eines Lächelns auf seinem Gesicht erschien. Er legte eine Hand auf Gareths Schulter, fest und beruhigend. »Ich wollte sagen, bitte stelle sicher, dass niemand zuhört. Ich will nicht, dass Tim davon erfährt. Der hat mir das schon die ganze Woche über gesagt.«
»Oh.« Da Tim der Arzt des Rudels war, hatte sein Rat auch für den Alpha Gewicht.
»Und außerdem, lass deinen Alpha ausreden.«
Gareth brachte ein Lächeln zustande, als die Anspannung von seinen Schultern fiel. »Entschuldige. Wird nicht wieder vorkommen.«
Cam lachte. »Na, wenn du das sagst.« Er ließ seine Hand in Gareths Nacken gleiten; die Handfläche war warm auf seiner Haut. »Und entschuldige dich nicht dafür, um mein Wohlergehen besorgt zu sein. Ihr seid meine Betas, weil ich jedem Einzelnen von euch vertraue. Nicht nur darauf, dass ihr tut, was ich sage, sondern auch darauf, dass ihr im Interesse des Rudels handelt. Wenn das bedeutet, dem Alpha zu sagen, dass er besser auf sich achten muss, dann ist es so.«
Gareth bemerkte, dass er lächelte. »Verstanden.«
Nathan und Luke kehrten mit den Sandwiches und Getränken zurück. Also verbrachten sie die nächsten zwanzig Minuten damit, sich gegen ihre Autos zu lehnen und sie zu verspeisen.
Mike nickte Gareth zu, als er rüberkam, um sich sein Essen abzuholen. Offenbar hatte er das Gespräch belauscht. Er trat nahe an Gareth heran und flüsterte so leise, dass er sich anstrengen musste, ihn zu verstehen: »Er muss mal wieder rennen und ein bisschen Anspannung abbauen.«
Gut. Vielleicht würde Cam auf sie hören, wenn alle Betas dieser Meinung waren. Er machte sich eine mentale Notiz, sich mit Alec zu unterhalten, sobald sie zurück waren.
Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, machten sie sich wieder auf den Weg und Gareths Griff um das Lenkrad war nicht mehr ganz so fest wie zuvor. Das ungute Gefühl bezüglich des Trips blieb, aber er war nun weniger besorgt um Cam. Und wenn er sich nicht an Gareths Rat hielt und rannte, dann würde er vielleicht ein kurzes Gespräch unter vier Augen mit Tim führen. Cam hatte ihn gebeten, es nicht zu erwähnen, doch er hatte es nicht befohlen. Und es wäre letztendlich im Interesse des Rudels. Der Gedanke ließ ihn lächeln und der Rest der Fahrt verstrich wie im Flug.
Sie verließen die A30 kurz vor Penzance, folgten Mike über die schmalen Straßen Cornwalls und zuckten jedes Mal zusammen, wenn ihnen ein Auto entgegenkam.
Nathan fluchte, als sie sich an einem Range Rover vorbeizwängten. »Scheiße, diese Straßen sind ein Albtraum. Stellt euch vor, hier jeden Tag fahren zu müssen. Wir sind echt am Arsch der Welt.«
»Jepp.« Gareth grinste. Er liebte es, hier zu sein. Die raue Landschaft Cornwalls verzauberte ihn, wie sie es immer getan hatte, und durch das geöffnete Fenster konnte er den Geruch des Meeres wahrnehmen. Es war schon viel zu viele Jahre her, dass er hier gewesen war. Als Beta des Rudels hatte er wenig Freizeit und die örtlichen Alphas um Erlaubnis zu bitten, war ihm immer zu viel Aufwand gewesen. Es war nicht so einfach, wie ins Auto zu steigen und herzufahren.
Endlich bog Mike von der Hauptstraße in eine unbefestigte Nebenstraße ab.
Gareth versuchte, langsam genug zu fahren, um seine Mitfahrer nicht zu sehr durchzuschütteln, doch Nathan umklammerte den Haltegriff und warf ihm einen vernichtenden Blick zu, als sein Kopf gegen das Fenster stieß.
»Tut mir leid.«
Luke lachte auf dem Rücksitz und Nathan wandte sich ihm mit noch immer finsterer Miene zu. »So langsam bekomme ich Mitleid mit Felix.«
»Dafür gibt es keinen Grund.« Gareth betrachtete den blauen Himmel und die Felder, die sie umgaben. »Er hat Glück gehabt.«
Sie hielten vor einem großen Farmhaus, von dem Gareth annahm, dass es dem Alpha gehörte. Er hatte mehrere Gebäude dahinter entdeckt, als sie sich genähert hatten, und fragte sich, ob dort noch mehr Rudelmitglieder lebten. Der Aufbau der Unterkünfte war definitiv anders als das, was er gewohnt war, und er hatte nur eine grobe Vorstellung davon, wie groß dieses Rudel war.
Cam stieg aus dem ersten Auto und die anderen folgten.
Die Vordertür öffnete sich. Der Mann, der heraustrat, war groß, vielleicht eins neunzig, mit breiten Schultern und kurzem, blondem Haar. Ihn umgab die Aura von Autorität, wie Gareth sie mit Alphas assoziierte. Doch es war nicht er, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern die junge Frau an seiner Seite. Sie war nicht ganz so groß oder kräftig wie der Alpha und doch hatte sie eine gewisse Ausstrahlung. Ihre Haltung verriet, dass sie an mehr Respekt gewöhnt war als ein normales Rudelmitglied. Feuerrotes Haar floss in Wellen ihren Rücken herab und leuchtete im Sonnenlicht. Sie war wunderschön. Außerdem erinnerte sie Gareth an eine jüngere Version von Cams verstorbener Frau.
Scheiße.
Rasch warf er einen Blick auf Cam, doch falls dieser die Ähnlichkeit bemerkte, ließ er es sich nicht anmerken.
»Alpha Harley.« Der Mann nickte grüßend. »Willkommen in Cornwall.«
Cam erwiderte die Begrüßung mit einem Lächeln. »Alpha Tregarrak. Danke, dass Sie uns erlaubt haben, Ihr Territorium zu betreten.«
Gareth unterdrückte ein Grinsen. Wäre Alec hier, würde er über diese Floskelei die Augen verdrehen. Tregarrak hatte sie darum gebeten, zu kommen. Nach allem, was Gareth gehört hatte, taten sie dem Alpha einen Gefallen. Und doch würde Cam sich, soweit es möglich war, immer an die Etikette der Alphas halten.
Tregarrak wandte sich der Frau neben ihm zu. »Das ist meine Tochter Rachel.«
Ein Grinsen umspielte ihre Lippen, während sie Cam mit unverhohlener Neugier musterte und leicht zunickte. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie wenig beeindruckt von dem, was sie sah. Und in diesem Moment bemerkte Gareth es: das kurze Aufblitzen des Wiedererkennens in Cams Augen. Ebenso schnell war es auch wieder verschwunden.
Cam wandte sich Rachel zu und sagte: »Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen. Ich hoffe, der Aufenthalt in meinem Rudel wird Ihnen die Veränderung bieten, die Sie suchen.«
Tregarrak lächelte ironisch. »Das hoffen wir alle.« Er deutete hinter sich. »Wir können drinnen weiterreden. Nach der langen Fahrt sind Sie sicher alle müde und hungrig.«
Gareth hörte Nathans Magen neben sich knurren.
Tregarrak lachte. »Es steht reichlich Essen für Sie bereit. Kommen Sie.«
Sie folgten ihm nach drinnen und es gelang Gareth, Cams Blick zu suchen, bevor sie durch die Tür traten. Er konnte zwar nicht offen nachfragen, ob er in Ordnung war, doch er konnte mit seinen Augen sprechen. Cam nickte und seine Lippen formten tonlos Mir geht es gut, bevor er im Haus verschwand.
Nathan gesellte sich zu ihm, während sie darauf warteten, dass Mikes Einheit hineinging. »Sie erinnert mich an …«
»Jepp«, fiel Gareth ihm ins Wort und hoffte, dass er den Hinweis verstand. Cam würde nicht wollen, dass sie darüber sprachen, und Gareth vertraute Fremden nicht. Er würde ihnen keine Informationen geben, die ihnen eine Möglichkeit bieten könnten, Cam zu schaden.
Glücklicherweise verstand Nathan.
Während sie aßen, drehte sich die Unterhaltung um relativ harmlose Themen: Wie war ihre Fahrt gewesen? Wie lebte sich Felix in das Penwith-Rudel ein? Wie kam Cam mit der Vereinigung der beiden Rudel in London voran? Das Letzte mochte nicht ganz so harmlos sein, doch Gareth konnte verstehen, warum Tregarrak fragte. Schließlich gab er seine Tochter zu ihnen. Er verstand auch, warum Cam nur vage antwortete mit: »Es geht so gut voran, wie ich es erwartet habe. Keine Überraschungen.«
Tregarrak brummte leise und Gareth war sich nicht sicher, ob er mit dieser Antwort zufrieden war oder nicht.
Nachdem Cam das Besteck auf seinen leeren Teller gelegt hatte, sagte Tregarrak: »Alpha Harley, ich würde gerne unter vier Augen mit Ihnen sprechen.« Er deutete auf die anderen. »Wir haben eine der Rudelunterkünfte für Sie und Ihre Rudelmitglieder vorbereitet. Das Gebäude ist vollkommen schallisoliert; Sie können also offen sprechen. Rachel wird Ihnen den Weg zeigen, sobald Sie so weit sind.« Er sah in Richtung seiner Tochter und bekam ein sarkastisches Grinsen als Antwort.
»Es wird mir eine Freude sein.« Aus ihrem Mund klang es, als wäre es das Letzte, was sie tun wollte, doch Tregarrak ignorierte sie.
Gareth blickte zwischen ihnen hin und her und fragte sich, worum es dabei ging. Mit etwas Glück würde Cam es herausfinden, denn er konnte sie schlecht mitnehmen, ohne die Wahrheit darüber herauszufinden, warum sie ihr Rudel verlassen musste.
Cam schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. »Wollen wir?« Er warf Gareth und Mike einen Blick zu. »Ich werde gleich bei euch sein.«
Der Gedanke, Cam mit Tregarrak alleine zu lassen, gefiel Gareth nicht, egal wie gastfreundlich er bislang war. Dem angespannten Zug um Mikes Mund nach zu urteilen, war er auch nicht glücklich darüber. Alec würde einen Anfall kriegen, wenn er herausfand, dass sie Cam in einem fremden Territorium aus den Augen gelassen hatten. Er räusperte sich. »Bei allem Respekt, ich glaube nicht, dass …«
»Gareth.« Cam ließ ein wenig seiner Alphakräfte in die Worte fließen. »Ich sagte, ich werde gleich bei euch sein.«
Angefressen darüber, vor allen zurechtgewiesen zu werden, wenn auch nur leicht, antwortete Gareth mit einem knappen Nicken. »Ja, Alpha.« Er sah schnell weg, denn in diesem Moment wollte er Cams Blick nicht begegnen.
Das Knarzen eines weiteren Stuhls zeigte, dass Tregarrak sich ebenfalls erhob, und als Gareth aufsah, verschwanden er und Cam Richtung Flur, der an die Rückseite der Küche angrenzte. Die Tür schloss sich dumpf.
Rachel seufzte und ließ ihren Blick durch den Raum gleiten. »Ich werde euch eure Unterkunft zeigen, wenn ihr mit dem Essen fertig seid.«
Vier ihrer Rudelmitglieder blieben mit ihnen zurück und zweifellos waren mehr in der Nähe. Der einzige Geruch, den Gareth wahrnehmen konnte, war der ihres Rudels, der schwer in ihrem Territorium lag. Er konnte nicht herausfinden, wie viele von ihnen in der Nähe waren.
Mike lächelte sie an. Entweder hatte er ihre gereizte Stimmung nicht bemerkt, beschlossen, sie zu ignorieren, oder er hatte einfach die besseren Manieren. »Danke.«
Gareths Appetit hatte den Raum zusammen mit Cam verlassen und so schob er seinen Teller weg und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Nathan warf ihm einen neugierigen Blick zu, sagte aber nichts. Die Stimmung im Raum war angespannt und Gareth fühlte sich zunehmend unwohl. Offensichtlich trauten die beiden Rudel einander nicht und ohne ihre Alphas war niemand in der Stimmung für Small Talk.
Er warf einen Blick in Richtung des Flurs und bemühte sich, etwas von Cams und Tregarraks Unterhaltung aufzuschnappen.
Seine Intention schien offensichtlich. »Gib dir keine Mühe«, bemerkte Rachel, die gelangweilt ihre Krallen hervor- und zurückschnellen ließ. »Natürlich ist der Raum abhörsicher.«
Gareth begann zu verstehen, warum Tregarrak sie seinem Rudel aufhalsen wollte. Sie mochte älter sein als ein Teenager, aber nach allem, was er bisher gesehen hatte, verhielt sie sich noch wie einer. Verwöhnte Göre war eine passende Umschreibung und Gareth verzog den Mund bei dem Gedanken daran, täglich mit ihr zu tun zu haben.
Nachdem der Rest des Rudels fertig gegessen hatte, erhob sich Rachel zusammen mit zwei der Penwith-Wandler.
Gareth bemerkte, wie sie die Augen verdrehte.
»Na dann, lasst mich euch eure Unterkunft zeigen.« Sie führte sie durch die Vordertür und um das Hauptfarmhaus herum. Sechs Wohnscheunen verschiedener Größe standen in einem weiten Halbkreis ein Stück dahinter. Aus der Nähe wirkten sie größer, als sie auf der Fahrt hierher ausgesehen hatten.
Seine Neugier ließ Gareth Rachels kühles Verhalten ihnen gegenüber vergessen und ihn fragen: »Leben da eure Betas mit ihren Einheiten?«
Sie schnaubte und gab sich nicht die Mühe, ihn anzusehen, als sie antwortete. »Wir leben hier anders als die Rudel in der Stadt.« Sie breitete die Arme aus und drehte sich im Kreis. »Wir sind hier auf dem Land. Unser Territorium erstreckt sich über Meilen von Wiesen und Feldern und bis runter zur Küste. Das Quartier des nächsten Rudels befindet sich ungefähr eine Stunde entfernt von hier.« Sie lief rückwärts und sah von Gareth zu Mike. »Wir haben keine Einheiten. Wir brauchen keine.«
»Aber ihr habt Betas, oder?«, wollte Mike wissen.
»Ja, vier.«
Gareth fragte sich, warum keiner von Tregarraks Betas während des Essens anwesend gewesen war. Cam hatte Mike und ihn als Betas vorgestellt, doch Tregarrak hatte das nicht erwidert. Es war ihm seltsam erschienen, dass er einen Alpha ohne wenigstens einen anwesenden Beta kennengelernt hatte. Gareth war der Meinung, er hatte nichts zu verlieren, also fragte er: »Wo sind sie? Ich hatte erwartet, sie heute Abend zu treffen.«
Rachel lachte, doch es klang harsch in seinen Ohren. »Das hast du. Ich bin eine seiner Betas. Zumindest war ich das.« Sie seufzte und Bedauern schwang in ihrer Stimme mit. »Mein Bruder Leo ist einer, genau wie Charlie. Beide sind heute Nacht auf Patrouille und werden vor dem Morgen nicht zurück sein. Da ist auch euer Freund Felix, falls ihr euch gefragt habt.«
Das hatte Gareth sich nicht. Er hatte nicht ein einziges Mal an Felix gedacht, seit sie hier angekommen waren. Cam mochte nach dem abtrünnigen Wandler sehen wollen, doch Cam war ein Alpha. Der Instinkt, sich um sein Rudel zu kümmern, egal wie schmal die Verbindung zu dem Wandler war, lag ihm im Blut. Gareth wiederum war eher daran interessiert, warum Rachel keine Beta mehr war. Doch die interne Rudelpolitik ging ihn nichts an und er wusste, dass es sinnlos wäre, nachzuhaken. Hoffentlich würde Cam es herausfinden.
»Und, schaut, da ist Beta Nummer vier. Clive.«
Gareth folgte Rachels Blick zu einer einsamen Figur vor dem kleinsten der Gebäude.
Als sie näher kamen, sagte sie: »Ich würde ja sagen, ›Welch freudige Überraschung‹, aber wir wissen beide, dass das gelogen wäre.«
Derart feindselig, wie Rachel ihm gegenüber auftrat, hätte Gareth erwartet, dass Clive ein ähnliches Verhalten an den Tag legen würde. Doch er wirkte ruhig, sogar resigniert. Seine Schultern waren entspannt und er reagierte nur mit einen müden Gesichtsausdruck, als wäre dies ein Dauerzustand. Wie auch immer der aussehen mochte.
»Wir haben Gäste, Rachel.« Leiser Tadel lag in seinem Tonfall und Rachel drückte den Rücken durch.
»Ist mir aufgefallen.«
Ihre Gruppe kam vor Clive zum Stehen und er musterte sie kurz. »Alpha Tregarrak hat mich gebeten, sicherzustellen, dass alles zu eurer Zufriedenheit ist, und dich zurück zu deiner Wohnung zu geleiten.«
Sie deutete auf die beiden Penwith-Wandler hinter sich. »Wie du sehen kannst, habe ich bereits eine Eskorte, es gibt also keinen Grund, zu verweilen.« Sie wedelte mit der Hand, doch Clive ignorierte die Geste.
Stattdessen sah er zu Gareth und Mike. Offenbar war ihm ihr Stand im Rudel bewusst. »Wir würden euch bitten, bis zum Morgen im Haus zu bleiben, doch zögert nicht, anzurufen, falls ihr etwas braucht. Eine Liste mit Telefonnummern hängt an der Kühlschranktür.« Mit einem Nicken, das Mike und Gareth erwiderten, marschierte er in Richtung des Hauptgebäudes.
Es war nichts Ungewöhnliches daran, Besucher darum zu bitten, an einem Ort zu bleiben und nicht umherzustreifen, im Gegenteil. Sie hatten dasselbe schon in ihren eigenen Quartieren getan. Und doch kam Gareth etwas faul an der Sache vor. Je eher Cam zurück war, desto besser.
Der Raum, in den Cam von Tregarrak geführt wurde, schien eine Art Arbeitszimmer zu sein. An der Rückwand stand ein Schreibtisch, die anderen Wände waren von Bücherregalen verborgen, die bis an die Decke reichten. In der Mitte befand sich ein Kamin, dessen Feuer den Raum mit Wärme erfüllte. Rechts und links davon stand je ein Sessel und Cam nahm auf dem Platz, der ihm angeboten wurde.
Tregarrak setzte sich und deutete in den Raum. »Die Schallisolierung ist ausreichend, damit uns niemand belauschen kann.«
Cam bedeutete ihm, fortzufahren. Er glaubte zwar nicht, dass Tregarrak oder sein Rudel eine Gefahr für sie darstellten, trotzdem wollte er so schnell wie möglich zu seinem eigenen Rudel zurück. Besonders zu Gareth. Er bedauerte nicht, was er zu ihm gesagt hatte. Gareth sollte es besser wissen, als seine Entscheidungen vor einem anderen Alpha infrage zu stellen, egal wie besorgt er um seine Sicherheit war. Doch er wollte die Sache aus der Welt schaffen.
»Alpha Harley …«
»Cam, bitte. Wenn sich Ihre Tochter meinem Rudel anschließt, dann denke ich, können wir auf die Förmlichkeiten verzichten, meinen Sie nicht?«
»Ja, ich denke, da haben Sie recht.« Tregarrak lächelte. »In dem Fall nenn mich bitte David.« Er änderte seine Sitzhaltung, bis er Cam direkt zugewandt war. »Ich werde direkt zum Wesentlichen kommen. Wir hatten ein paar Probleme mit einem benachbarten Rudel. Ich werde nicht ins Detail gehen, das sind Rudelinterna und für diese Unterhaltung nicht relevant. Doch für Rachels Sicherheit, und bis zu einem gewissen Grad auch für die Sicherheit meines Rudels, halte ich es für das Beste, wenn sie weit von hier weggeht. Zumindest für ein paar Monate.«
Cam starrte in das Feuer und ließ sich von den tanzenden Flammen einnehmen, während er über Davids Worte nachdachte. Er könnte weiter nach Details bohren mit dem Argument, dass die Sicherheit seines Rudels ebenso wichtig war und es an ihm sein sollte, zu entscheiden, was wichtig war und was nicht. Doch sie waren Alphas und die Etikette verlangte ein grundlegendes Maß an Vertrauen. Die Worte eines Alphas hatten Gewicht, oder sollten es zumindest haben. Newell war glücklicherweise eine Ausnahme gewesen und nicht die Regel. Cam musste vorsichtig vorgehen.
»Ich kann deine Position verstehen. Aber im Interesse meines eigenen Rudels muss ich wissen, ob du mir versichern kannst, dass die hier herrschenden Probleme, welche auch immer das sein mögen, Rachel nicht nach London folgen werden. Wir alle haben unsere Schwierigkeiten. Wenn es sich vermeiden lässt, würde ich lieber keine weiteren aufladen.«
»Ich verstehe.« David lehnte sich vor und stützte seine Ellbogen auf den Knien ab. »Ich kann dir versichern, dass deinem Rudel keine Gefahr droht. Die Sache wurde geklärt. Es wäre mir lieb, wenn Rachel eine Weile von hier fortkäme, bis sich die Gemüter abgekühlt haben und das Ganze vergessen ist.« Er seufzte und Cam hatte das Gefühl, dass ihm nicht gefallen würde, was als Nächstes kommen würde. »Ich muss hinzufügen, dass Rachel eine meiner Betas war, doch in Anbetracht dessen, was geschehen ist, wurde ihr diese Ehre aberkannt. Dementsprechend ist sie ein wenig …«
»Angepisst?«