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Sallys Leidenschaft ist die Musik. Nichts wünscht sie sich mehr, als vom Singen leben zu können. Zunächst scheint es allerdings so, als wäre ihr Traum unerreichbar. Doch dann lernt sie Keith Heart kennen, der gerade erst einen Nummer-Eins-Hit gelandet hat. Er ist so unglaublich heiß! Seine sexy, rauchige Stimme, die Art, wie er Gitarre spielt, seine erregenden Blicke, die Sally den Atem rauben – einfach alles an ihm scheint perfekt. Kein Wunder, dass Sally sich in den attraktiven Traummann verliebt. Ist er möglicherweise nicht nur der Schlüssel zu Sallys Liebesglück, sondern womöglich sogar der zur Erfüllung ihrer musikalischen Träume?
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„Oh Sally, ich liebe dich ganz leise,
behutsam, auf meine stille Weise.
Und wenn ich jetzt nicht geh,
Wird mein Leben eine bittersüße Symphonie.“
Sallys Leidenschaft ist die Musik. Nichts wünscht sie sich mehr, als vom Singen leben zu können. Zunächst scheint es allerdings so, als wäre ihr Traum unerreichbar. Doch dann lernt sie Keith Heart kennen, der gerade erst einen Nummer-Eins-Hit gelandet hat.
Er ist so unglaublich heiß! Seine sexy, rauchige Stimme, die Art, wie er Gitarre spielt, seine erregenden Blicke, die Sally den Atem rauben – einfach alles an ihm scheint perfekt. Kein Wunder, dass Sally sich in den attraktiven Traummann verliebt.
Ist er möglicherweise nicht nur der Schlüssel zu Sallys Liebesglück, sondern womöglich sogar der zur Erfüllung ihrer musikalischen Träume?
Eine zauberhafte Liebesgeschichte rund um Violetta Zucchelli, Emilia und Richard Stone und viele andere liebgewonnene Figuren! Lasst euch von einer neuen New York Lovestory verführen!
Jedes Buch kann ohne Vorkenntnisse gelesen werden!
Es sind bereits folgende Bände erschienen, die samt und sonders Kindle-Bestseller waren:
Sweet Temptation – Ein Milliardär zum Anbeißen (Römer/Koenicke)
Pretty Womanizer – Ein Gigolo zum Vernaschen (Karin Koenicke)
Body Kiss – Mit Geld nicht zu bezahlen (Lotte Römer)
Winter Love – Ein Arzt der anderen Art (Lotte Römer)
Act of Love and Crime – Ein Mann der besonderen Art (Lotte Römer)
Sweet Surprise – Der Mann aus dem Koffer (Karin Koenicke)
Anmerkung
1. Bourbonvanille
2. Lakritze
3. Golden Dream
4. Ananas
5. Pistazie
6. Zitrone
7. Schokolade
8. Kaugummi
9. Mandel
10. Zimt
11. Snickers
12. Erdbeere
13. Malaga
14. Schlumpfeis
15. Noisette
16. Heidelbeere
17. Mango
18. Tiramisu – Ein Epilog
19. Rezepte aus dem ‚Icecold Dreams’
Anmerkung
Alle Personen und Inhalte in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Besucht mich doch gerne auf meiner FB-Seite: https://www.facebook.com/LotteRoemerAutorin/?fref=ts
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Außerdem bin ich hier eine von fünf:
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„Vanille ist ja der Klassiker unter den Eiscremesorten, das weiß jeder. Die feine, frische Vanilleschote macht das Eis gemeinsam mit der leichten Zitrusnote im Abgang zum perfekten Begleiter für Obstsalate oder heiße Früchte. Sehr lecker schmeckt es auch in einem Espresso oder mit Orangensaft. Köstlich!“
Gelatiere Alfredo Esposito
„Das mach ich nie wieder!“ Sally spürte, dass ihr Gesicht noch immer vor Anstrengung glühte, obwohl das Training im ‚Body Kiss’ schon seit einer Stunde vorbei war. Aber das wilde Gehampel der Power Gymnastics-Stunde war dermaßen anstrengend gewesen, dass sie mehrmals ans Aufgeben gedacht hatte.
Wenn Bill nicht dabei gewesen wäre, hätte sie vermutlich das Handtuch geworfen, aber so wollte sie ihm den Spaß auch nicht verderben. Und er hatte sichtlich Spaß, wie er da im Netzshirt durch den Raum gesprungen war, war ein Bild für Götter gewesen. Er stand dem Trainer, einem glatzköpfigen Muskelpaket namens Oscar, in nichts nach, was die körperliche Fitness anging. Sally hatte sogar den Eindruck, dass der Trainer und Bill eine Art Konkurrenzkampf im Trainingsraum ausfochten, der am Ende mindestens unentschieden ausging.
„Du hast dich aber wacker geschlagen, Sal. Ehrlich. Und gib es zu, gutgetan hat es dir auch.“ Bill trat hinter Sally in das große Mietshaus in Upper Manhattan, in dem sich das kleine Apartment befand, das sie sich miteinander teilten. Sie wollte ihm gerade sagen, dass ihr am Besten der neue Fitnessdrink im ‚Body Kiss’, der Maracuja Protein Daiquiri, gefallen hatte, als sie das rote Warnschild sah.
„Oh nein.“ Sally blieb so plötzlich stehen, dass Bill fast in sie hineingerannt wäre.
„Es hat dir nicht gutgetan?“
„Doch. Aber schau mal!“ Sie zeigte auf das Schild, das zum dritten Mal in diesem Monat verkündete, dass der Aufzug kaputt war.
„Wenn ich das geahnt hätte, wäre ich nur für den Drink mit ins Studio gegangen.“ Ihre Wohnung befand sich um neunten Stock. Das war gleich noch eine weitere Trainingseinheit für Sally, auf die sie nur zu gern verzichtet hätte. Ihre Beine fühlten sich ohnehin zehn Kilo schwerer an als normal. Blöde Powergymnastik. Sally schnaubte abschätzig.
„Ach komm! So schlimm ist das nicht. Wir schaffen das locker.“ Bill puffte sie freundschaftlich in die Seite und grinste sie an. Er ließ sein unverschämt attraktives, jungenhaftes Grinsen sehen, und nahm ohne Umschweife die erste Treppe in Angriff, indem er immer zwei Stufen auf einmal erklomm. Bill wirkte nicht so, als ob er überhaupt schon Sport getrieben hatte, im Gegenteil, er schien topfit.
Sally stöhnte leise, dann begann sie gemächlich mit dem Aufstieg, nicht ohne leise vor sich hin zu fluchen. Während sie alleine durch das hallende Treppenhaus hinaufstapfte, wanderten ihre Gedanken zurück zu dem Casting vom Nachmittag. Es war total mies gelaufen, obwohl sie sich so gut darauf vorbereitet hatte. Am Ende war ihre Stimme vor lauter Aufregung einfach weggebrochen. Schon in diesem Augenblick wusste sie, dass es mit dem Job nichts werden würde, da brauchte sie auf die Absage gar nicht mehr zu warten.
„Sie hören von uns.“ Wie oft hatte Sally diese Worte nun schon gehört und tapfer lächelnd und nickend ein Casting verlassen?
Als Bill sie angerufen hatte, um zu hören, wie es ausgegangen war, war ihre Frustration ungebremst aus ihr herausgeflossen, und sie musste ihren Tränen einfach freien Lauf lassen. Er war gerade auf dem Weg ins Fitnessstudio gewesen und hatte ihr vorgeschlagen, sich den Frust von der Seele zu bewegen. Da sie ohnehin nicht die Schlankeste war, sondern locker fünfzehn Kilo zu viel auf den Rippen hatte, was bei ihren einssechzig Körpergröße eine Menge Holz war, hatte sie eingewilligt. Außerdem musste sich ihre Mitgliedschaft ja irgendwie rentieren. Sie ging eh viel zu selten in das Studio. Wenn Bill nicht so dahinterher wäre, dass sie wenigstens einmal die Woche mitkam, hätte sie den Vertrag vermutlich längst gekündigt.
Fünfter Stock. Sallys Atem ging keuchend, und obwohl sie sich nicht gerade schnell aufwärtsbewegte, brannten ihre Oberschenkel wie verrückt. Es war Zeit für ein Päuschen. Sie hatte es ohnehin nicht so eilig, in die Wohnung zu kommen. Vermutlich hatte ihr Dad schon gefühlte hundert Mal angerufen, um zu fragen, wie das Vorsingen gelaufen war. Sie hasste diese Kontrollanrufe, auch wenn sie sie natürlich verstand – schließlich war er es, der für ihre Gesangsausbildung bezahlt hatte, obwohl er eigentlich gegen solche „Eskapaden“ war, wie er es nannte. Der Gedanke, ihm schon wieder eine Niederlage gestehen zu müssen, zog Sally jetzt nicht gerade in die Wohnung.
Ihr Atem hatte sich langsam beruhigt, sie hörte oben schon Bills Wohnungsschlüssel im Schloss. Langsam setzte sie sich wieder in Bewegung und erklomm die nächsten Stufen. Sie hatte das Gefühl, noch eine Ewigkeit weit weg von ihrer Wohnung zu sein, während Bill fröhlich pfeifend und ohne irgendwelche Erschöpfungsanzeichen am Ziel angekommen war.
„Alles gut bei dir?“
Sally schaute nach oben. Bills Gesicht tauchte über dem Geländer auf. Seine hellblonden Haare fielen ihm in die Stirn und verdeckten seine stahlblauen Augen. Er hätte wunderbar an den Strand nach Kalifornien gepasst mit seinem trainierten Body und dem Modelgesicht. Bill war ein klassischer Frauenschwarm und viel zu gutaussehend, um hetero zu sein. Es war ein Drama, dass er der Frauenwelt nicht zugetan war.
„Ja, nur nicht hudeln.“
„Schon klar.“ Bill zwinkerte ihr zu, und sein Gesicht verschwand wieder. Aus der Wohnung ertönte kurz darauf leise Hip-Hop-Musik. Bills Energie schien heute wirklich keine Grenzen zu kennen.
Als Sally endlich oben ankam, kam Bill ihr mit ihrer Lieblingstasse entgegen.
„Hier, Blaubeermuffin-Tee mit einem Spritzer Zitronensaft.“ Er hielt ihr die Tasse hin.
„Du bist ein Schatz, Schatz.“ Bill war einfach der beste Freund von allen. Sally nahm ihm das Gefäß ab und pustete vorsichtig auf die dampfende Flüssigkeit. Der Beutel war noch im Glas, und sie schnupperte vorsichtig. Ein wenig musste der Tee noch ziehen.
„Warst du zufällig auch schon am Anrufbeantworter?“, fragte sie zaghaft.
„Ja. Und ich habe unsere Nachrichten bereits gelöscht.“
„Was?“
„Na, du weißt, dass dein Vater angerufen hat, oder? Das musst du nicht hören. Du bist auch so schon down genug. Jetzt wartest du, bis du soweit bist, und dann rufst du zurück.“
Bill ging in Richtung Bad und zog sich noch im Flur das Netzshirt über den Kopf.
„Ich spring eben unter die Dusche – oder willst du zuerst?“ Sein muskulöser Rücken allein war ein Bild für die Götter – zugegeben ein Bild, das Sally in den letzten zwei Jahren schon häufig genossen hatte.
„Nein, ich trinke Tee. Und das Sofa schreit nach mir.“
Sie nahm ihren Tee und ging in Richtung Wohnzimmer. Das Sofa sah verdammt einladend aus. Vorsichtig stellte sie ihre Tasse auf das kleine Tischchen und ließ sich mit einem lauten Seufzer auf die Couch fallen. Das hier war zu einhundert Prozent der beste Moment ihres Tages.
Sie schloss die Augen und hörte ihr Herz noch immer in den Ohren schlagen. Langsam wurde das Geräusch leiser und verschwand schließlich ganz. Eins musste sie ja zugeben: Das Gefühl nach dem Sport, wenn der Körper müde war und sich schließlich total entspannte, war unbezahlbar. Ein Rascheln ließ sie die Augen öffnen. Vor ihr stand Bill in Boxershorts, die Haare waren noch nass. Vermutlich würde sein Anblick sie niemals ganz kalt lassen, obwohl sie wusste, dass er schon mit Jack zusammen war, seit er sie kannte. Aber seine Bauchmuskeln waren die eines Halbgottes. Sally setzte sich auf und griff nach ihrem Tee. Jetzt erst sah sie die Packung ‚Peppermint Ponds’, die Bill ihr hinhielt.
„Oh Mann. Gern“, sagte sie wie automatisch. Sie liebte diese Schokotaler mit Minzfüllung. „Auch wenn ich eigentlich nicht sollte.“
„Ach, du hast sie dir heute schwer verdient.“ Bill ließ sich neben sie auf das Sofa fallen und riss die Verpackung auf. Sofort strömte der feine Duft der Minzschokolade in ihre Nase, und Sally lief das Wasser im Mund zusammen. Auch Bill griff in die Packung und steckte sich einen ganzen Schokotaler auf einmal in den Mund. Er verdrehte die Augen.
„Einfach unschlagbar, oder?“
Sally hatte grazil ein kleines Stück Schokolade abgebissen und ließ sich die süße Köstlichkeit auf der Zunge zergehen. Sie hoffte, wenn sie langsamer aß, würde sie nicht so viele Ponds naschen – was natürlich eine Illusion war. Aber die Hoffnung starb schließlich zuletzt.
„Ja, das Original ist einfach am leckersten, oder?“
Bill nickte und schob sich schon das nächste Stück in den Mund. Er konnte einfach alles essen, ohne dass seine Figur sich an ihm rächte. Genüsslich verdrehte er die Augen. Sally grinste. Dann öffnete Bill die Augen und wandte sich Sally zu.
„Und jetzt erzähl nochmal. Warum denkst du, dass du den Job nicht bekommen hast?“
Sally wollte gerade anfangen, ihm Bericht zu erstatten, als das Telefon klingelte. Bill stand sofort auf.
„Soll ich sagen, du bist noch unterwegs?“
„Nein, das bringt ja eh nichts.“ Sally steckte sich den restlichen ‚Peppermint Pond’ in den Mund.
„Ich muss mich wohl einfach dem Leben stellen“, sagte sie melodramatisch und nuschelnd zugleich. Verblüffend, dass das überhaupt möglich war. Dann wuchtete sie sich vom Sofa hoch – ihr tat jeder Knochen weh, verdammter Sport! - und ging zum Telefon hinüber, das seinen Platz im Wohnzimmerregal neben dem Fernseher hatte.
„Hi, Dad!“ Sie wusste einfach, dass er dran war.
„Und? Hast du den Job bekommen?“ Ihr alter Herr hielt sich gar nicht erst mit einer Begrüßung auf. Sie sah ihn vor sich, aufrecht an seinem Schreibtisch sitzend, selbst zu Hause mit Krawatte und Hemd. Ein Mensch, der für seine Zahlen lebte und in dessen Kopf kein Platz für solche Verrücktheiten wie das Singen war. Dass es ihrer Mutter gelungen war, ihn davon zu überzeugen, die Gesangsausbildung zu finanzieren, war noch immer ein Wunder für Sally.
„Das weiß ich noch nicht.“ Sie schluckte den Rest Schokolade hinunter.
„Du wirst doch ein Gefühl haben.“ In seiner Stimme schwang schon jetzt ein Vorwurf mit, obwohl er noch gar nichts wusste.
Sally schwieg. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, beziehungsweise wie sie es ihm so schonend beibringen konnte, dass er nicht gleich durchdrehte.
Schon sprach ihr Vater wieder weiter: „Habe ich es mir doch gedacht. Aber jetzt ist Schluss mit diesen Faxen. Ich habe viel zu lang auf deine Mutter gehört. Jetzt reicht es. Du kommst heim nach Bangor. Für diesen Schwachsinn gebe ich nicht länger mein gutes Geld aus.“
Natürlich. Die unvermeidbare Tirade. Sally nahm das schnurlose Telefon mit ins Wohnzimmer, ließ sich neben Bill aufs Sofa fallen und griff sich eine weitere Schokolade. Ohne abzubeißen stopfte sie sich den ganzen ‚Peppermit Pond’ in den Mund.
Bill warf ihr einen mitfühlenden Blick zu, und Sally formte ihre Hand zu einer Pistole und setzte sie an ihrer Schläfe an. Unweigerlich musste Bill grinsen. Er tätschelte ihr freundschaftlich den Oberschenkel und stand auf.
Ihr Vater hatte die ganze Zeit weitergeredet, ohne dass Sally wirklich zugehört hätte. Sie wusste eh, was er sagte. Erst jetzt, wo Bill den Raum verlassen hatte, wandte sie ihm wieder ihre volle Aufmerksamkeit zu. „Also, ich buche dir einen Flug, ja?“
„Was?“ Schlagartig hatte die Schokolade einen bitteren Beigeschmack.
„Du kommst nach Hause. Ich dachte, das hätten wir hinreichend besprochen.“ Er klang, als würde er ein Geschäft abschließen.
„Nein, das haben wir nicht.“
„Du findest keinen Job als Sängerin. Also kommst du heim. Die Kleine von den Gullymans hat einen sehr hübschen Job in einer Reinigungsfirma. Sowas könntest du auch machen. Und in deiner Freizeit singst du dann im Kirchenchor.“
Die Schokolade klebte plötzlich unangenehm in Sallys Mund. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Die „kleine“ Tochter der Nachbarn war eine ungepflegte Mittzwanzigerin, die gerade mal die Highschool abgeschlossen hatte.
„Daddy, du verstehst nicht ...“
Sie wollte ihm sagen, was das Singen ihr bedeutete. Dass das ihr Leben war und nicht nur eine verdrehte Spinnerei. Dass sie es liebte, Songs zu interpretieren, ihre Stimme zu schulen, sich weiterzuentwickeln, ihren Traum zu verfolgen. Aber er würde es niemals verstehen. Er war ein Mensch, der nicht einmal in der Dusche vor sich hin brummelte. Es war ein Wunder, dass er die Krawatte zum Schlafen ablegte.
„Oh doch, ich verstehe sehr gut.“
„Bitte, lass mich ...“
„Papperlapapp. Du kommst heim.“
In diesem Moment wurde ihr klar, dass gerade alles auf dem Spiel stand. Die letzten zwei Jahre Gesangsunterricht, die Ausbildung, all ihre Anstrengungen wären für nichts, wenn sie sich nicht genau jetzt auflehnen würde. Bangor war nett. Aber der Eintritt in den Kirchenchor, der war nicht gerade das, was sie sich unter einer Gesangskarriere vorstellte.
„Nein.“
„Wie bitte?“
„Nein. Ich werde hier eine Arbeit finden und dann weitersehen.“
„Aber niemand will dich hören.“
Die Worte stachen ihr in den Magen, jedes einzelne tat weh. Ihr Dad würde es niemals verstehen. Nie.
„Das weißt du nicht.“ Sie hätte gern weniger wackelig geklungen, aber der Schmerz saß tief.
„Pft.“ Er sagte das tatsächlich. Hatte er schon immer getan, in Momenten, in denen er eigentlich gar nichts zu sagen gehabt hätte. Es war eine Eigenheit, die Sally wahnsinnig machte – und ihr in diesem Augenblick Kraft verlieh.
„Ich bleibe hier. Putzen kann man in New York hervorragend.“ Endlich klang ihre Stimme wieder fest.
„Pft.“
„Dann sind wir uns ja einig.“ Sally merkte erst jetzt, dass sich die Fingernägel ihrer freien Hand in ihre Handfläche bohrten. Sie öffnete sie langsam und schaute auf die kleinen Halbmonde, die sich dort abzeichneten.
„Pft.“
„Gut.“
„Wirst schon sehen, wie es dir da geht, wenn du auf dich gestellt bist.“
„Ja. Bangor ist nicht aus der Welt, nicht wahr? Ich komme dann zu Weihnachten heim.“ Es war Anfang September.
Sallys Vater schwieg jetzt. Immerhin hatte er mit seinem dämlichen „Pft“ aufgehört.
„Gibt es sonst noch etwas Neues?“, fragte sie ihren Dad.
„Nein. Deine Mutter recht im Garten das restliche Laub.“
„Ah.“
„Möchtest du sie sprechen?“
„Nein, nein. Ich rufe ein andermal an.“
Sie legten auf, mühsam Grüße formulierend, stocksteif.
Kurz darauf hörte sie Schritte im Flur. Bill kam zurück. Er steckte den Kopf zur Tür herein. „Und?“
„Ach, er will, dass ich heimkomme.“
Bills Gesicht bekam etwas Spitzes, wie immer, wenn er sich über etwas aufregte. Normalerweise waren seine Züge weich, man sah ihm seine Warmherzigkeit an. Aber wenn er sich ärgerte, wurden seine Lippen schmal und seine Augen zu schmalen Schlitzen.
„Was?“
Er kam herein und setzte sich wieder auf das Sofa. Zwischenzeitlich hatte er einen Kapuzenpulli und eine Jogginghose angezogen – natürlich sah er selbst im Gammel-Look unverschämt gut aus. Wurde das bei Schwulen eigentlich mitgeliefert, dieses perfekte Aussehen, ganz automatisch? Sie selbst sah ungeschminkt immer müde aus, wenn sie ihre Haare nicht föhnte, standen sie ihr in Büscheln vom Kopf ab, und über ihr dezentes Übergewicht wollte sie gar nicht erst nachdenken.
„Ich gehe nicht. Ich bleibe. Ich habe ihm gesagt, dass ich schon einen Job bekomme. Irgendwie.“
Bill atmete auf. „Ein Glück. Ich dachte schon, ich müsste mir einen neuen Mitbewohner suchen.“
„Du hättest Jack fragen können.“ Jack war Bills Freund und in letzter Zeit Dauergast in seinem Zimmer.
„Ich glaube nicht, dass das eine so großartige Idee ist.“ Er schüttelte den Kopf.
„Ach, wer weiß.“ Sally zwinkerte ihm zu.
„Jedenfalls bleibst du ja eh“, lenkte Bill vom Thema ab. „Da stellt sich die Frage doch gar nicht.“
„Eben.“ So offen Bill sonst war: Über seine Beziehung sprach er nicht gerne. Vielleicht schämte er sich ein wenig für sich selbst – was natürlich nicht notwendig war. Sally hatte ja schon bei ihrem Einzug geahnt, dass Bill auf Männer stand. Als Jack vor ein paar Monaten auftauchte, hatte sie sich für ihn mitgefreut. Aber Bill hielt sein Liebesleben sehr privat. Deshalb ließ Sally sich jetzt auch bereitwillig auf den Themenwechsel ein. „Ich brauche allerdings einen Job. Mein Dad wird mich nicht weiterhin finanzieren, so viel ist sicher.“
„Ja.“
„Ja.“ Sally wurde erst jetzt klar, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben die volle Verantwortung für sich selbst übernehmen würde. Der Gedanke war aufregend und beängstigend zugleich.
„Du findest einen Job.“ Es war, als könnte Bill ihre Gedanken lesen. Wie immer klang er zuversichtlich und selbstsicher.
„Hoffentlich.“ Sie war sich nicht so sicher, wie er klang.
„Aber nicht mehr heute. Heute gehst du nur noch ins Bett, schläfst dich aus, und dann geht es morgen frisch ans Werk – was meinst du?“
Sally nickte.
„Wunderbar! Ich weiß auch schon was für dich. Du kannst bei diesem Eispalast anfangen, drüben in der Allen Street. Dort hängt seit ein paar Tagen ein Schild im Schaufenster.“
„Du meinst ‚Alfredo’s’?“ Sally liebte den schrulligen, bunten Eisladen. Palast war die Übertreibung des Jahrhunderts. Der kleine Laden nannte sich ‚Icecold Dreams’ und war innen kunterbunt eingerichtet. Bunte Blumen zierten die Wände, und der kleine Italiener, der den Laden führte, trug selbst bunte Jacketts und stets eine Blume im Knopfloch. Er musste über siebzig sein, aber er stand immer selbst hinter dem Tresen. Bill und Sally fuhren oft hin und holten dort riesige Eisportionen, um sich ihre Filmabende in der Wohnung damit zu versüßen. Es gab dort nicht nur die üblichen Sorten, sondern auch Lakritzeis, Kaugummi oder Chilli, sprich: Sorten, die man nicht überall fand.
„Ja, genau der!“
„Na, versuchen werde ich es.“ Sally dachte an das Lächeln des netten Eisverkäufers. Mit Sicherheit wäre er nicht der schlechteste Arbeitgeber auf der Welt. Und außerdem gab es bei ihm eine besondere Spezialität: Eisrosen. Und Sally hatte sich schon lange gefragt, wie er sie herstellte. „Ich habe nichts zu verlieren.“
„So sehe ich das auch.“ Bill lehnte sich zufrieden auf dem Sofa zurück. „Und jetzt? Schauen wir noch einen Film? Ich habe eine neue Schnulze besorgt.“
„Du bist der Beste!“
Das war der Vorteil an einem schwulen besten Freund: Er hatte die gleiche Vorstellung von Seelentrösten wie sie selbst. Sally ließ sich ebenfalls gegen die weiche Rücklehne der Couch fallen. Morgen wäre ein neuer Tag.
„Eine Eissorte für Liebhaber und Kenner. Wichtig ist, sich bei der Zubereitung Zeit zu lassen und die richtige Sorte Lakritz zu wählen. Wenn die Milch mit dem Lakritz aufgekocht ist, muss sich die süß-herbe Nascherei auflösen, bis keine Stückchen mehr übrig sind. Deshalb sollte die Mischung eine ganze Weile ruhen, bevor man sie in die Eismaschine gibt.“
Gelatiere Alfredo Esposito
Das Schild an der Tür des ‚Alfredo’s’ war eigentlich mehr ein Zettel. Schnörkelige Buchstaben verrieten, dass ein Mitarbeiter in Teilzeit gesucht wurde. Was man wohl als Teilzeitmitarbeiter in einer Eisdiele verdiente? Sally hatte so ihre Zweifel, dass sie mit ihren Dollars um die Runden kommen würde, wenn sie nur einen Teilzeitjob hätte.
Trotzdem drückte sie die Tür auf und betrat die Eisdiele.
Eisdielen haben oft einen besonderen Duft, ein wenig nach Waffeln und Milch, Vanille und anderen Gewürzen. Sally atmete tief ein und spürte, wie ihr das Wasser im Munde zusammenlief. Sie war und blieb einfach ein Genussmensch.
Vor ihr erstreckte sich die Eistheke. Es gab mindestens zwanzig verschiedene Sorten zur Auswahl. Alle waren liebevoll dekoriert, zu eisigen Wellen aufgehäuft. Zuckerperlen, Früchte, Bisquit, Lakritzschnecken – je nach Sorte waren die einzelnen Eisbehälter individuell verziert. Man sah, dass hier jemand seinen Beruf voller Liebe betrieb.
Der alte Gelatiere schien fast hinter seinem Verkaufstresen zu verschwinden. Wie immer trug er einen Anzug, heute in dezentem Hellgrau mit einer Nelke im Knopfloch. Als Sally den Laden betreten hatte, war er an die Theke gekommen. Er stand aufrecht da und lächelte Sally entgegen, ein alter Gentleman, der geduldig darauf wartete, dass sie ihre Auswahl traf. Sein Bart war wie immer an den Seiten perfekt gezwirbelt.
„Was darf es denn sein? Ich habe heute sogar Lakritze im Angebot.“ Der Mann zwinkerte Sally zu. Als häufige Kundin des Ladens kannte er ihre Vorliebe für das extravagante Lakritzeis.
Aber Sally schüttelte den Kopf. „Ich komme heute ausnahmsweise nicht, um Eis zu kaufen. Ich möchte es verkaufen.“
„Was?“
Sally deutete hinter sich auf das Schild. „Na, ich habe das Schild an der Tür gesehen und bin auf der Suche nach einem Job. Mein Name ist Sally Rogers.“
„Ach, so ist das.“ Der alte Herr fingerte in seinem Jackett herum, brachte eine Brille zutage und setzte sie auf. Sofort wirkte er wie ein strenger Oberlehrer.
„Ja. So ist das.“ Sally hielt seinem prüfenden Blick stand.
„Kennen Sie sich denn mit Eis aus?“ Er musterte sie noch immer.
Jetzt musste sie wegschauen. Wenn Sally ehrlich war, wusste sie nicht viel mehr über Eis, als dass es kalt war und köstlich schmeckte.
„Nun ja. Es schmeckt sehr lecker?“
„Hm.“
„Und Ihr Eis schmeckt mir besonders gut.“ War das jetzt zu dick aufgetragen? Oder würde der alte Herr sich über das Kompliment freuen?
Noch immer lag der prüfende Blick des alten Herrn auf ihr, als die Tür zu dem Laden erneut aufgerissen wurde.
„Buongiorno!“
Sally drehte sich um. Eine ältere Dame hatte den Laden betreten. Sie sah aus, als wäre sie auf direktem Weg zu einem Reitturnier. Ihr extravaganter Hut mit der breiten Krempe stach als Erstes ins Auge. Er war feuerrot und mit einer großen Pfauenfeder geschmückt. Das passende Kleid war bodenlang und wallte um ihre schlanke Figur. Sie trug eine Sonnenbrille, die sie jetzt abnahm, um dem Eisdielenbesitzer einen feurigen Blick zuzuwerfen. Überrascht stellte Sally fest, dass die Frau mindestens fünfundsiebzig war. Ihre Bewegungen hätten allerdings eher auf jemanden in den Fünfzigern schließen lassen.
„Buongiorno, Signora Zucchelli!“ Der alte Herr fasste sich erst an die Krawatte und betastete anschließend seine Frisur. Dann kam er mit schnellen Schritten hinter dem Tresen hervor, um der illustren Dame die Hand zu küssen. Sally hatte beim Anblick des in die Luft über der Handfläche gehauchten Kusses das Gefühl, in eine andere Zeit zurückkatapultiert zu werden.
„Sie sehen heute wieder ganz bezaubernd aus.“
„Ach, Signor Esposito, Sie alter Charmeur!“ Die Italienerin legte für einen flüchtigen Augenblick ihre Hand an seinen Oberarm, was ausreichte, um den alten Herrn erröten zu lassen.
„Störe ich Sie, Alfredo?“ Die alte Dame stemmte eine Hand in ihre Hüfte und wirkte dadurch wie eine Filmdiva.
„Dazu sind Sie gar nicht in der Lage, meine Werteste.“ Wieder griff Alfredo sich an die Krawatte und fuhr sich beiläufig durchs nach hinten geglättete Haar.
„Aber Sie sollten zuerst die Dame bedienen, nicht wahr?“ Signora Zucchelli lächelte Sally zu. Was für junge, blitzende Augen die Seniorin hatte! Sie war Sally auf Anhieb sympathisch, und sie konnte gar nicht anders, als die alte Dame anzugrinsen.
„Nein, nein. Das hier ist Sally – äh – Sally ...“ Alfredo kratzte sich am Kopf.
„Sally Rogers“, half Sally ihm weiter.
„Danke. Richtig, Miss Rogers. Sie ist meine neue Mitarbeiterin und wird sich in der Zeit, in der wir uns über die Hochzeit unterhalten, um den Laden kümmern, nicht wahr, Sally? Ich muss mit Violetta einige wichtige Angelegenheiten besprechen.“
„Was? Ich? Ja, also, natürlich.“ Sally fühlte sich völlig überrumpelt. Sie hatte keine Ahnung von Eis und war schon froh, wenn es ihr gelang, die Sorten auseinanderzuhalten – geschweige denn, sie auf Waffeln zu arrangieren.
„Das ist ja zauberhaft. Wird sie Sie zur Hochzeit von Emilia und Richard begleiten? Das wäre ja wundervoll! Hatten Sie mir nicht erzählt, dass Sie ein ganz vorzüglicher Tangotänzer sind? Womöglich könnten wir miteinander das Tanzbein schwingen, wenn Sie nicht so eingespannt wären.“ Violetta wirkte hocherfreut, was dafür sorgte, dass Alfredos ohnehin schon errötetes Gesicht sich in eine rote Ampel verwandelte. Sie schien es nicht zu merken oder ignorierte es gekonnt, indem sie stattdessen ihren Hut zurechtrückte und ihre Sonnenbrille in ihrer riesigen Handtasche verschwinden ließ.
„Ja, also – wenn Sie es wünschen, Signora, natürlich gerne!“ Alfredo verbeugte sich und hielt Violetta den Arm hin. „Wir gehen nach hinten. Ich habe die Espressomaschine schon angeworfen – wir müssen nur noch das Knöpfchen drücken.“
„Wie aufmerksam.“ Violetta lächelte dem Mann zu und griff nach seinem Arm. Sie sahen aus, als würden sie schon jetzt zu einer Tanzveranstaltung aufbrechen, beide so gestriegelt und gespornt.
„Natürlich habe ich auch den guten Grappa, den Sie so mögen.“
Jetzt wurde das Lächeln der Italienerin dafür umso breiter. „Wunderbar, Alfredo.“ Sie griff auch mit der zweiten Hand an seinen Arm, und er schien schlagartig ein paar Zentimeter größer zu werden.
Dann wandte er sich zu Sally um und zeigte mit dem freien Zeigerfinger auf sie. „Sally, übernehmen Sie!“ Er klang wie ein Agent aus einem alten amerikanischen Film und sah auch beinahe so aus – wäre da nicht die Nelke im Knopfloch gewesen. Sally konnte nur mühsam ein lautes Lachen unterdrücken.
Ohne sie noch eines weiteren Blickes zu würdigen, verschwanden die beiden durch die kleine Tür hinter dem Verkaufstresen. Dort musste es einen Besprechungsraum oder sowas geben. Mit einem leisen Klicken schloss sich die Tür, und Sally hörte nur noch ein leises Kichern, begleitet von dumpfem Gemurmel.
Sally stellte sich hinter die Theke und begutachtete die Eisköstlichkeiten. Dann schaute sie auf die Uhr. Um diese Tageszeit würde sicher noch niemand wegen Eis kommen, noch dazu an einem eher kühlen Herbsttag. Das war geradezu undenkbar, redete sie sich selbst noch gut zu, als auch schon ein kleines Mädchen an der Ladentür auftauchte, gefolgt von seiner Mutter, die dem Kind schließlich half, die schwere Ladentür aufzudrücken.
Sallys Herz schlug bis zum Hals. Gleich würde sie sich bis auf die Knochen blamieren, weil sie nicht einmal mit dem Eisportionierer umgehen konnte. Signore Alfredo arbeitete noch mit so altmodischen Spachteln – und sie hatte zwei linke Hände. Der Impuls, an die hintere Tür zu klopfen und am besten gleich in dem angrenzenden Raum zu verschwinden, war übermächtig.
„Mama, ich will Pistazie. Oder doch lieber Kaugummieis?“ Das kleine Mädchen kaute auf ihrer Lippe herum und starrte auf die verschiedenen Sorten.
„Bitte, Sophie, entscheide dich.“ Die Mutter wirkte gestresst und schaute auf die Uhr. „Ich habe gleich einen Termin.“
„Ich weiß es aber noch nicht.“ Leichter Trotz mischte sich in die Unentschlossenheit von Sophies Stimme.
„Wie wäre es denn mit Lakritze? Magst du Lakritze?“, mischte Sally sich jetzt ein.
„Lakritze? Als Eis?“ Die Augen des kleinen Mädchens wurden riesig.
„Ja, kuck, hier! Das ist meine persönliche Lieblingssorte.“ Sally schaute sich um und entdeckte das Gefäß mit den kleinen Plastiklöffeln. Sie tauchte einen pinkfarbenen Löffel in das Lakritzeis und hielt ihn dem kleinen Mädchen hin. „Hier, versuch mal.“
„Danke Ihnen für die Mühe!“ Die Mutter des Kindes schenkte Sally ein dankbares Lächeln, bevor sie erneut ihre Armbanduhr konsultierte.
Die kleine Sophie stand da, mit geschlossenen Augen und dem Löffel im Mund.
„Und, was meinst du?“
Die Kleine schaute Sally in heiligem Ernst an. „Das will ich. Machst du mir eine Eisrose?“
„Eine – was?“ Sally spürte, dass ihr das Herz die Hosen rutschte, als sie den bittenden Blick der Kleinen sah.
„Alfredo macht mir immer eine Eisrose.“
Sally spürte, dass sie rot anlief. „Es tut mir sehr leid, aber Alfredo ist gerade beschäftigt – und ich fürchte, ich kann keine Eisblumen.“
„Rosen.“ Das Kind wandte sich an seine Mutter. „Du hast gesagt, ich krieg eine Eisrose nach dem Zahnarzt!“
Sally schaute sich wieder hinter dem Tresen um, aber es gab nichts, das ihr einen Hinweis darauf gab, wie man eine Eisrose anfertigen konnte. Aus dem Hinterzimmer ertönte das Lachen von Signora Zucchelli.
„Ja, das habe ich gesagt, aber manchmal kommt es eben anders. Das nächste Mal dann wieder, hm?“ Die Mutter wuschelte ihrer Tochter durch die dunklen Haare, aber die Enttäuschung war nicht so einfach zu vertreiben.
Da hatte Sally eine Idee. „Wie wäre es denn, wenn ich dir eine von diesen Lakritzschnecken oben auf das Eis draufmache? Dann hast du zum Eis noch eine Lakritze zusätzlich. Was hältst du davon?“
Endlich hellte sich die Mine des Kindes wieder auf. „Oh ja!“
„Wunderbar. Also einmal Lakritze. Lass mich raten: in der Waffel!“
Sophie nickte eifrig. Sally nahm ungeschickt eine der Waffeln aus dem Ständer und versuchte, eine Art Kugel mit dem Spachtel zu formen.
Gerade als sie fertig war, kamen Violetta und Alfredo wieder aus dem Hinterzimmer. Dem alten Herrn standen ein paar Schweißperlen auf der Stirn, die er gerade dezent mit einem Stofftaschentuch abtupfte, das er schnell wieder in seiner Anzughose verschwinden ließ.
„Oh, hallo Sophie! Guten Tag, Mrs. Arnold“, begrüßte er die Kunden.
Sally nahm eine der Lakritzschnecken und steckte sie auf die windschiefe Kugel, die sie zustande gebracht hatte. Dann reichte sie sie der Mutter von Sophie.
Täuschte sie sich, oder schenkte ihr Alfredo einen missbilligenden Blick? Dazu hatte er ja wohl überhaupt kein Recht, nachdem er sie einfach so ins kalte Wasser geschubst hatte!
„Das macht ...“ Was kostete die Kugel Eis überhaupt? Signore Esposito hatte sie wirklich im Regen stehen lassen.
„Zwei Dollar, wie immer“, half Esposito ihr nun doch. Als Sophies Mutter ihm das Geld reichte, zwinkerte er ihr zu.
„Danke. Und hat Ihnen die junge Dame hier gesagt, dass Sie wunderbar aussehen heute?“
Die Frau lachte. „Vielen Dank, Mr. Esposito. Charmant wie immer.“
Alfredo Esposito deutete eine weitere Verbeugung an. Anscheinend war das eine Geste, derer er sich nur halb bewusst war. „Es ist nur die Wahrheit.“
Als Mutter und Tochter den Laden verließen und die Mutter die Hand ihres Kindes nahm, hatte Sally den Eindruck, dass sie mehr von ihrem Besuch mitnahmen als nur eine Kugel Eis. Die Mutter der Kleinen hatte sich so über das Kompliment gefreut.
Erstaunt schaute sie zu Signore Esposito und sah, dass auch Violetta ihm einen bewundernden Blick zuwarf. Als die Kundschaft gegangen war, wandte Esposito seine Aufmerksamkeit sofort wieder Violetta zu. Er zog seine Nelke aus dem Knopfloch und übergab sie Signora Zucchelli.
„Ich bin sicher, dass ich meine Dienste bei den Hochzeitsfeierlichkeiten zu Ihrer vollsten Zufriedenheit anbieten werde.“
„Oh, ich auch, mein Lieber.“ Violetta nahm die Blume entgegen und roch kurz daran. „Wundervoll, danke sehr.“ Sie nahm ihren Hut ab und befestigte die Nelke an dem feinen Hutband, direkt neben der Pfauenfeder. Dann setzte sie das Prunkstück zurück auf ihren Kopf, holte die Sonnenbrille aus ihrer Tasche und winkte grazil in Sallys Richtung.
„Danke, dass Sie eingesprungen sind, Bella!“
„Sally.“
Signora Zucchelli lachte. „Ja, das auch! Arrivederci!“
Schon war sie mit vornehmen Schritten aus dem Laden gestöckelt.
Sally wandte sich an Alfredo Esposito, der immer noch gebannt in die Richtung starrte, in die Violetta verschwunden war.
„Ist sie nicht zauberhaft? Eine Frau mit Pfeffer im Hintern, eine Italienerin, wie sie im Buche steht!“ Erst jetzt schien er Sally wieder richtig wahrzunehmen.
„Vielen Dank, dass Sie mir diesen besonderen Moment mit Violetta gegönnt haben. Sie müssen wissen, dass diese Frau etwas in mir weckt, das ich längst verloren glaubte.“
Eigentlich hätte Sally verärgert sein müssen, aber angesichts seiner offensichtlichen Schwäche für diese Signora konnte sie ihm einfach nicht böse sein. Er war verliebt – und wenn das kein Grund war, irrationales Verhalten zu entschuldigen, was dann?
„Sie wirkt wirklich sehr nett“, stimmte sie dem alten Herrn also zu.
„Nett?“ Sein Gesicht legte sich in tiefe Falten.
„Naja, ich meine natürlich bezaubernd“, korrigierte Sally sich schnell. „Aber vielleicht lernen Sie mich trotzdem an, bevor Sie mich das nächste Mal alleine im Laden lassen? Beispielsweise würde ich sehr gerne wissen, was eine Eisrose ist.“
Das Gesicht des alten Mannes verzog sich jetzt zu einem Lächeln. „Ich glaube, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich habe Sie überfahren. Aber diese Frau ...“ Er machte eine hilflose Geste.
„Ich verstehe.“ Sally kicherte. Sie hätte nicht gedacht, dass das Blut eines Mannes jenseits der siebzig noch so sehr in Wallungen gebracht werden konnte, aber der Gelatiere war der lebende Beweis dafür, dass es keine Altersbeschränkung für hoffnungslose Verliebtheit gab.
„Gut. Wenn Sie also möchten, zeige ich Ihnen erstmal das Geschäft und erkläre Ihnen alles. Und möglicherweise lehre ich Sie auch, wie man das beste Eis der Stadt macht – sollten Sie länger als ein halbes Jahr hier arbeiten. Mit meinen Rezepten bin ich eigen“, erklärte Esposito, während er den Spachtel, mit dem Sally das Lakritzeis geformt hatte, nahm und das Eis im Kanister wieder ordentlich zurechtstrich.
„Ich werde in der nächsten Woche viel Zeit mit der Zubereitung der Eissorten für die Stone-Hochzeit verbringen. Es soll ein Blumenmeer aus Eis geben. Selbstredend in extravaganten Sorten wie Erdbeer-Daiquiri und Grappa-Mango. Da habe ich viel zu tun. Und in dieser Zeit brauche ich jemanden im Laden. Außerdem wäre es natürlich gut, wenn Sie mich zu dem Event begleiten würden. Violetta will tanzen – und diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen.“
„Reden wir hier von Richard Stone? Dem aus der Klatschpresse?“
„Genau dem!“
„Der, der mal die Affäre mit Lexi Hannigan hatte?“, fragte Sally nach. Es war die Art Märchen, die ihr gefiel. Erst das reiche Mädchen, das den Prinzen nicht bekam, weil am Ende das arme Mädchen mit seinem Liebreiz gewann – wie hieß sie noch gleich, diese Dunkelhaarige von den Fotos, mit der Richard Stone nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit verlobt war?