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Im Zweifelsfall ist die Blackbox die letzte Hoffnung auf der Suche nach Ursachen für Abstürze: Was hat versagt oder wer, lag es an der Technik, am Klima, oder war es menschliches Versagen? In acht Texten entwirft Benjamin von Stuckrad-Barre Tragödien unterschiedlichster Art und macht sich mittels akribischer Protokollauswertung auf die Suche nach möglichen Absturzursachen. So unterschiedlich diese Themen sind, so unterschiedlich sind die Textformen, die der Autor benutzt: Protokolle, Erzählungen, Märchen, Gedichte, Dialoge, ein Dramolett - gemeinsam ist allen Texten die Konfrontation eines sicher geglaubten Ordnungssystems mit plötzlich auftauchenden Störungen, mit Problemen, die sich als Systemfehler entpuppen, Fehler grundsätzlicher Art oder bloß in der Bedienung.
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Seitenzahl: 366
Benjamin von Stuckrad-Barre
unerwartete Systemfehler
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Über Benjamin von Stuckrad-Barre
Über dieses Buch
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Hinweise zur Darstellung dieses E-Books
zur Kurzübersicht
Benjamin von Stuckrad-Barre, 1975 in Bremen geboren, ist Autor von »Soloalbum«, 1998, »Livealbum«, 1999, »Remix«, 1999, »Blackbox«, 2000, »Transkript«, 2001, »Deutsches Theater«, 2001, »Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft – Remix 2«, 2004, »Was.Wir.Wissen«, 2005, »Auch Deutsche unter den Opfern«, 2010, »Panikherz«, 2016, »Nüchtern am Weltnichtrauchertag«, 2016, »Udo Fröhliche«, 2016, »Ich glaub, mir geht’s nicht so gut, ich muss mich mal hinlegen – Remix 3«, 2018 und »Alle sind so ernst geworden« (mit Martin Suter), 2020. Der neue Roman erscheint im April 2023.
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Im Zweifelsfall ist die Blackbox die letzte Hoffnung auf der Suche nach Ursachen für Abstürze: Was hat versagt oder wer, lag es an der Technik, am Klima, oder war es menschliches Versagen?
In den hier versammelten acht Texten entwirft Benjamin von Stuckrad-Barre Tragödien unterschiedlichster Art und macht sich mittels akribischer Protokollauswertung auf die Suche nach möglichen Absturzursachen.
Jemand wird verlassen und bekommt ein üppiges Schweigegeld, begibt sich damit auf Weltreise und strandet denkbar komplett. In einer Containersiedlung werden eine Gerichtsverhandlung, die Blattproduktion einer Illustrierten und das Fernsehprogramm nachgestellt – oder ist das alles echt? Eine Schauspielerin, ein Rockmusiker, ein Existenzgründer, ein Straßenhändler und ein Fremdenführer erklären sich und mehr. Ein Gästeeinkäufer für Talkshows vergißt auf der Suche nach echten Geschichten die eigene. Eine eßgestörte Person weigert sich, zum Arzt zu gehen, denn sie braucht keine Erklärungen. Eine Gruppe Nachtgestalten navigiert entlang dem Betäubungsmittelgesetz durch ein sogenanntes wildes Leben und landet doch nur im Bett – allein. Ein Mann wagt den Neuanfang, der keiner ist. Und so weiter.
So unterschiedlich diese Themen sind, so unterschiedlich sind die Textformen, die der Autor benutzt: Protokolle, Erzählungen, Märchen, Gedichte, Dialoge, ein Dramolett – gemeinsam ist allen Texten die Konfrontation eines sicher geglaubten Ordnungssystems mit plötzlich auftauchenden Störungen, mit Problemen, die sich als Systemfehler entpuppen, Fehler grundsätzlicher Art oder bloß in der Bedienung.
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I. Arschloch.de
II. Bookmarks
III. Provider
IV. Inhalte einfügen (Diese Einstellungen gelten)
V. Server
VI. Alles ändern
Standarddokument
Dialogfelder
I. Verknüpfung herstellen
II. Alles markieren
III. Direkthilfe
IV. Autotext
V. Hyperlink
Neustart
Thankbox
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All this talk of getting old
It’s getting me down my love
Like a cat in a bag waiting to drown
This time I’m coming down
Richard Ashcroft
Steuerung N: ein neuer Abend. Es stehen verschiedene Programme zur Auswahl. Noch ist alles drin. Der Standpunkt blinkt, wartet auf eine Vorgabe, ein Zeichen. Sie gehen erst mal was trinken, beraten die Lage und öffnen bestehende Dokumente.
Wenn der Abend nicht gleich einen Oberbegriff kriegt, können sie ihn nicht speichern, dann ist er nicht existent. Also abspeichern, aber in welchen Ordner – wie könnte man die Mission nennen? Worum solls denn gehen?
Noch ist das, was vor ihnen liegt, schön frei, somit aber auch schwierig leer. Welche Schrift, welche Sprache, welches Thema? Sie langweilen sich und beginnen, Leerzeichen einzufügen. Nüchtern, erst mal. Müde, bald. Um die Sache grundsätzlich zu klären, gehen sie ins Hauptmenü. Suchen nach: Erinnernswertem. Die nun anwählbaren Möglichkeiten sind zu zahlreich, der Suchbegriff muß weiter eingeschränkt werden. Weiterer Suchbegriff, wenn sie mal ehrlich sind (das sind sie, das ist es): gute Drogen. Jetzt verlassen sie die Sicherheitszone.O.K., egal, Suche starten. Warten. Im Moment können sie nichts anderes tun, der Standpunkt ist gerade eine Sanduhr, alles wartet. Dabei kann das Ding abstürzen, das wissen sie. Der Suchvorgang ist abgeschlossen, das gesuchte Element konnte nicht gefunden werden. Weitersuchen? Unbedingt. Sie holen weitere Suchtips ein, der Explorer brummt.
Der Mann mit den guten Drogen ist nicht zu erreichen, der Mann mit den guten Drogen ist sonstwo. Error. Die Navigation wurde abgebrochen. Sie überprüfen, ob die eingegebene Adresse korrekt ist, ist sie, war sie zumindest einmal, die ändert sich aus Sicherheitsgründen ja laufend, also aktivieren sie andere Server. Option: Suchrichtung abwärts. Männer mit schlechten Drogen sind immer im Standby-Modus.O.K. Die Zweifel werden mit der Symbolleiste ausgeblendet: ganzer Bildschirm. Zoom. Sie öffnen ein neues Fenster.
Verbinden, kontaktiert, Warten auf Antwort. Da ist er, kommt auf sie zu und überprüft das Paßwort. Ist korrekt. Where do you want do go today? Further down the spiral. Wichtiger Hinweis: Bei Eingabe mehrerer Suchbegriffe müssen diese deutlich durch AND, OR oder NOT voneinander getrennt werden. Sie wollen dies AND das. Jenes NOT, nein, auf keinen Fall. Sie schütteln ihm die Hand. Beifügen. Sie gucken sich um, unauffällig, sehr, zu. Die geschüttelten Hände werden zurückgezogen, etwas bleibt darin zurück. Der Transfer ist erfolgreich abgeschlossen, das jeweils Beigefügte wurde vollständig übermittelt. Sie haben ein Briefchen und ein Tütchen im Posteingangsfach. Soll das Briefchen sofort getestet werden? Es soll. Und das Tütchen? Hm. Set up.
Sortieren nach: Wirkung. Was zuerst? Pillen. Ausführen. Plug & Play.
Suchen nach: Freude.
Ersetzen durch: Tempo.
Jetzt wechseln sie von Standard zu Überschrift. Bums – fett. Alles wird lauter und größer. Die automatische Silbentrennung wird aufgehoben. Sie müssen auf insgesamt 256 Farben erweitern und Bilder einfügen, so gut kommt das jetzt, langsam, aber gut.
Suchen nach: Lieblingsmusik.
Ersetzen durch: Lautstärke.
Sie haben die Schnauze voll von der Sanduhr, wollen jetzt schnurstracks auch noch online gehen, drin sein & drauf, öffnen zwei verschiedene Dokumente und gehen auf Bearbeiten. Die neue Seite wird aufgebaut.
Steuerung Tütcheninhalt: Bilder laden. Dauert. Aber dann, aber dann!
Steuerung Briefcheninhalt: Text laden. Geht schneller. Aber dann?
Jetzt wirkt der Dreck, sie klicken Ja (JA ENDLICH!) und öffnen alle verfügbaren Dateien. Sie sagen und hören
Bier ist gut jetzt
Bier ist schlecht jetzt
Die Wirkungen heben sich auf
Die Wirkungen multiplizieren einander
Für das Geld ist das o.k.
Für das Geld hätte ich mehr erwartet
Mach mal lauter
Mach mal was anderes an
Abhängig ist, wer anderntags Reste ins Klo wirft
Abhängig ist, wer so viel kauft, daß er Reste hat
Abhängig ist, wer erst aufhört, wenn nichts mehr da ist
Abhängig ist, wer darüber nachdenkt, ob ers ist
Gehts euch auch so gut
Gehts euch auch so scheiße
Am besten, wir bleiben den ganzen Abend hier
Am besten, wir hauen jetzt sofort ab
Sie würden gerne einmal für alle Zeiten o.k. klicken. Ist doch eigentlich ALLES o.k. Denken sie jetzt gerade. Und nicht nur das. Die Zeichen beginnen sich selbständig zu machen.
Ein Gedanke kommt, sehr wirr, unformatiert, soll der Gedanke sofort versendet werden? O.K. Jetzt reden sie, reden, reden: Lauftext.
– Ist eine lange Geschichte.
– Ja, mach!
– Ist eine echt komplizierte Geschichte.
– Erzähl ruhig.
– Aber die ist wirklich richtig lang.
– Ich sag schon Bescheid.
– Und die ist auch ein bißchen peinlich. Ich weiß nicht.
– Keiner weiß. Los, jetzt mußt du, sonst ists doof, das war jetzt sone lange Einleitung. Sei nicht feige, gibt keinen Grund.
– Ich bin nicht feige, ist nur, weil, jetzt mit dem Zeug und so, dann, ich mein, ich will dich nicht –
– Jetzt fang an oder laß sein.
– Also –
– Oder wollen wir vorher doch noch –
Suchen nach: Trost.
Ersetzen durch: Mehr Zeug.
Schon wieder vorbei. Das war zwar kurz gut, sehr gut sogar, aber eben viel zu kurz. Noch mal öffnen. Soll Euphorie.doc wiederhergestellt werden? Sie bitten darum.O.K. Wiederholen: Eingabe. Sie stellen sicher, daß noch eine Pille eingelegt wird.
Am besten gleich: Doppelklick.
Sie haben das Gefühl, eine Menge Daten zu löschen. Keine Frage, das Zeug räumt die Festplatte auf – neue Kapazitäten werden frei. Sie klicken die Lupe an und untersuchen die neuen Daten mal genauer, laden sich noch was runter, erstellen neue Linien und vergleichen die Dokumente. Sie fühlen sich frisch, wie neu installiert. Wörter zählen: lieber nicht. Numerierung & Aufzählungen:
– Gibst du mir noch mal?
– Was, schon wieder, du warst doch gerade erst –
Sie denken zwischenzeitlich, denn gerecht muß es sein, wie Bilanzbuchhalter; die Zuteilung hat absolut gleichmäßig zu erfolgen. Vorrat zuletzt geändert: am/um/von. Also anpassen. Sie öffnen einen Blindtext:
– Ist gut, gutes Zeug.
– Nicht wie: Weißt du noch?
– Ja, aber jetzt auch nicht die Offenbarung.
– Mal sehen.
– Ich mein, so toll ist es doch nicht.
– Ist halt speedig.
– Was? Ja. Jaja.
– Hat der uns zerbröselte Es angedreht, das Schwein?
– Besser als Rattengift.
– Sauberes Heroin ist nicht schädlich.
– Zerbröselte Glassplitter aber schon.
– Hauptbahnhof – nie.
– Hauptbahnhof – nur im Notfall.
– Jetzt vielleicht zum Hauptbahnhof?
Die aktuellen Einstellungen ändern sich. Sie klicken ihr Geld an und ziehen es in den Papierkorb. Sie nehmen sich vor, diesbezügliche Warnhinweise bis auf weiteres zu ignorieren, und lenken vom Thema ab, sagen, Hey, schon mal aufgefallen, daß auf dem Hundertmarkschein neben dem Klavier von Clara Schumann (1819–1896) ein Fächer aus fünf Stimmgabeln abgebildet ist? Darüber lachen sie sehr, aber das Lachen wollen sie nicht speichern, das war nicht echt. Sie haben eine neue Ladung erhalten, soll auch die sofort bearbeitet werden? Wann sonst, sie machen sich daran, die anderen, alle, die noch zu sehen sind, zu aktualisieren: Ladung markieren, rüberkopieren. Steuerung A, Steuerung C, rüber und dann Steuerung V. Download. Allmählich ist der Arbeitsspeicher voll. Jetzt noch was – was? Sie wechseln mal gerade den Browser.
Sie trinken. Erst mal sichern, erst mal setzen. Die Ladezeiten werden länger. Das dauert. Sie können nicht mehr alle neu hinzukommenden Zeichen verstehen und behelfen sich mit dem Programm Simple Text. Ihr aktueller Status: Leerlauf. Es ist keine Lösung, aber ein temporärer Ausweg – sie laden noch mal nach, schon wieder, noch immer. Dabei können Daten verlorengehen. Das ist ihnen klar. Sie sitzen auf der Straße und portionieren sich etwas auf einer Kühlerhaube, als sie ein herannahendes Auto scannen.
Sie sagen Scheiße!
Sie sagen Egal!
Sie sagen Hier, nimm! und Jetzt mach hin!
Sie zittern. Polizei? Das wäre ein berechtigter Zugriff. Soll der Vorgang abgebrochen werden? Nein. Sie klicken den Warnhinweis weg. Die Polizei soll warten, bis der Vorgang ordnungsgemäß beendet ist. Halt, zurück, zu gefährlich. Entfernen.
Suchen nach: Schutz der Dunkelheit.
Ersetzen durch: Panik.
Sie erwägen, die Anwendung zu beenden. Dazu müssen sie auf Abmelden gehen, sonst begehen sie einen schweren Netzwerkfehler.
Suchen nach: den anderen.
Ersetzen durch: ganz andere.
Die ganz anderen überprüfen die Zugangsdaten: Name, Status, Typ, Ort. Sie senden und empfangen. Ziel: Allen antworten. Das geht nicht. Das macht nichts. Sie werden gefragt, ob sie noch was haben, und verneinen, leider seien keine neuen Linien auf dem Server vorhanden. Das ändert die Dokumentstruktur. Beim Reden ist ein Fehler aufgetreten. Sie überprüfen die Anschlüsse und gehen auf die vorherige Seite. Heimlich öffnen sie die verschlüsselte Sicherungskopie, die Notration. All rights reserved. Grundeigenschaft einer Notration: immer zu wenig.
Suchen nach: Geld.
Ersetzen durch: Schulden.
Press any key to continue! Sie müssen jetzt umgehend den Akku wechseln oder ans Netz – noch eine Nase oder ab ins Bett. Die Anwendung kann noch nicht beendet werden. Jetzt sind sie zwischen den Zuständen: nicht mehr drauf, eher drüber – noch lange nicht runter. Sie haben keine Autorität, die Uhrzeit zu ändern, also wenden sie sich an ihren Administrator. Der aber ist zur Zeit nicht erreichbar, sie sollen es zu einer verkehrsschwächeren Zeit noch einmal versuchen, doch jetzt und nicht später benötigen sie Eingabehilfe. Und zwar dringend. Absturz. Sie lallen, sie zucken, es fehlt an allem. Ihr Standpunkt ist wahrlich kein Pfeil nach oben mehr, die Sache hängt, da geht nichts mehr. In der Menüleiste wird hinter dem Fragezeichen Hilfe angeboten. Da gehen sie jetzt drauf.
Suchen nach: Liebe.
Ersetzen durch: Sex.
Sie verknüpfen sich. Doch Achtung: Dabei können Viren übertragen werden. Sie halten sich so fest, daß das Blut sich staut. Kurzzeitig sind sie kompatibel, aber die Sanduhr wird wieder Pfeil und was dann, dann weg. Sie möchten gerne verliebt sein. Der gewählte Pfad kann nicht geöffnet werden. Eventuell wird er gerade von einem anderen Teilnehmer genutzt. Das wollen sie nicht sicherstellen, davon wollen sie nichts wissen. Sie zoomen weg. Die Seitenansicht ist erschütternd, also trennen sie die Verbindung nach dem Beenden. Sie fragen sich, ob die Änderungen gespeichert werden sollen. Ja, das ist die Frage. Müssen sie wohl. Jetzt möchten sie gerne in den offline-modus wechseln. Sie denken: Absatz. Sie können ihren Mund jetzt ausschalten. Herunterfahren.
Sie atmen kräftig durch die Nase aus, kneifen dabei die Augen halb zu und spannen alle Gesichtsmuskeln an, manchmal hatten sie schon Glück und konnten auf diese Weise losweinen. Das beste inmitten einer Paranoia, glauben sie: Wenn der Schmerz und die Angst zeigbar werden, der Körper den Gedanken recht gibt und wenigstens ein Zweifel widerlegt wird – nämlich der an der aktuellen Wahrnehmungsfähigkeit. Jawohl, es ist zum Heulen, ganz recht, und los, und bitte. In ihren Überlegungen klicken sie flehentlich auf Alles ersetzen. Gehe zu: Sie wissen es nicht. Sie sind jetzt nicht mehr wir, sie sind jetzt Ichs. Schon lange, aber wie lange, das fragen sie sich jetzt und rufen die Statistik auf. Von wem wurden sie zuletzt gespeichert? Wie viele Versionen von ihnen sind im Umlauf? Jetzt suchen sie die Escape-Taste. Sie liegen da auf ihrer Homepage, starr im Blocksatz.
Nun beginnen die Ganzkörperschmerzen, das Betriebssystem kollabiert. Bißchen spät. Sie wollen zurück zur Startseite, das Dokument soll wieder in den Ausgangszustand überführt werden. Rückgängig machen: Eingabe? Ja, bitte! Der Vorgang kann nicht rückgängig gemacht werden. Ach so.
Suchen nach: Schlaf.
Ersetzen durch: eine halbe Valium.
Fenster schließen. Wenn sie sich lange genug nicht bewegen, kommt der Bildschirmschoner. Sie haben eine Menge Text in der Zwischenablage gespeichert und fragen sich, ob dieser Text bei der nächsten Anwendung zur Verfügung stehen soll. Sie glauben: besser nicht. Eine Frage der Datenverarbeitung. Jetzt können sie so langsam ausschalten.
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Über Nacht kam die Erinnerung
an längst vergangenes Glück
und voller Wehmut stell ich mir
die Uhr eine Stunde zurück
Sven Regener
Das wars: END OF BAG stand auf dem Lederkissen, das leicht vibrierend hinter dem Gummilappenvorhang hervor- auf dem Förderband dem jungen Mann entgegenkam. Die Beladung des Kofferbandes jenseits des Vorhangs war abgeschlossen; es kamen keine neuen, nur immer wieder dieselben Gepäckstücke, bis auch der gammeligste Pappkoffer und die rostigste zusammengeklappte Kleinkindkarre von ihren Besitzern erkannt und heruntergehoben wurden.
Niemand sprach ein Wort an diesem Kofferband, die Menschen verharrten in Erwartung und spielten bis zum erleichterten „Das ist meiner, darf ich gerade mal“ im Kopf das durch, was der junge Mann nun in der Realität durchspielen mußte. Zunächst dachte er nur ein paar Stunden weiter: Was vom Kofferinhalt brauchte er dringend noch am selben Abend? Und was wäre, was vor allem wäre nicht mehr, wenn der Koffer gar nicht wieder auftauchte, gestohlen oder verschollen wäre?
Manche verreisen nur mit Handgepäck, sie können ohne Angstpause geradewegs durch den Zoll gehen und die verlustängstlichen Gepäckwarter hinter sich lassen. Der junge Mann nahm immer zuviel mit, auch wenn er nur kurz verreiste, kam er nie mit Handgepäck aus. Auf seine Sachen wartend, hatte er stets gerätselt, warum nicht auf Flughäfen pausenlos Gepäck abhanden kam, geklaut oder einfach nur nach Argentinien verschickt wurde, aus Versehen. Daß offenbar allein diese Papieretiketten, mit ihren dem Laien hieroglyph erscheinenden Abkürzungen und Strichcodes, dafür sorgen, daß der Endflughafen des Gepäcks identisch ist mit dem des Eigentümers, das hatte den jungen Mann jedesmal aufs neue erstaunt. Damit war nun Schluß – End of Bag.
Daß einem die für die große Liebe Gehaltene abhanden kommt, das passiert, damit hatte der junge Mann zwar nicht gerechnet, doch das war eindeutig sein Fehler gewesen; als jetzt auch noch sein Koffer weg war, begann er, einmal genau nachzurechnen: Was war eigentlich noch da?
Das ganze Geld war jetzt nahezu aufgebraucht. Für die Frau hatte er wenigstens noch das Geld bekommen, für das Geld allerhand Fluchtmöglichkeiten – doch jetzt war die Flucht zu Ende, Geld und Frau waren für immer fort und sein Gepäck scheinbar auch. Er fand die aktuellen Wechselkurse ziemlich einseitig: Alles wurde ihm genommen, und zurück kam nicht mal sein Koffer. Geld gegen Frau, das war immerhin noch ein Tausch gewesen, wenn auch ein reichlich merkwürdiger, wenn er darüber nachdachte, aber das hatte er jetzt einige Wochen lang getan, und um damit irgendwann aufzuhören, war er ja weggefahren. Also versuchte er, nicht mehr daran zu denken. Aber wie, wie bitte soll man vergessen, daß man von einer Frau, die ab sofort nicht mehr die Geliebte sein möchte, 25.000 DM auf den Tisch gelegt bekommt, verbunden mit der Weisung, sich nicht mehr zu melden und einfach aus dem Leben zu verschwinden, also praktisch Geld oder Liebe nicht als Frage, sondern als Antwort.
Oft warfen sich Partner, nachdem sie aufgehört hatten, einander solche zu sein, unfaires Verhalten vor. Nein, unfair eigentlich nicht, hatte der junge Mann gedacht. Im finalen Brief hatte sie ihn gebeten, die Sache als definitiv beendet anzusehen und nicht als unterbrochen, Schluß, jeder weitere Kontakt möge bitte unterbleiben, so sei es besser, das müsse er ihr glauben, mehr könne, mehr wolle sie nicht schreiben – Beigelegtes sei, um den Übergang zu erleichtern, ansonsten alles Gute. Beigelegt waren 50 frische Fünfhundertmarkscheine. Die ersten Liebesbriefe hatten nach Seife gerochen. Das Geld nun roch nach gar nichts.
Zum bis dahin ersten und einzigen Mal hatte der junge Mann soviel Geld an seinem Arbeitsplatz gesehen, da waren es sogar noch mehr Scheine gewesen, aber dafür alle falsch bis auf einen. Schon damals hatte der junge Mann in einem Copyshop gearbeitet, und an jenem Tausender- Tag hatte der Lottojackpot eine solch immense Höhe erreicht, daß es – na ja, erst recht noch nicht reichte. Das ganze Land war an Jackpotfieber erkrankt, es war gerade nichts anderes da. Die direkt gegenüber dem Copyshop ansässige Lottoannahmestelle wollte dann kurz vor Annahmeschluß noch mal richtig trommeln und hängte farbkopierte Geldscheine an einer Wäscheleine quer über die Straße. Der Lottoannahmechef nannte das Direktmarketing und hatte die echte Vorlagenbanknote durch drei verschiedenfarbige Geheimzeichen, einige winzige Risse und Löcher, kenntlich gemacht und blieb die ganze Zeit neben dem vom jungen Mann fachkundig bedienten Farbkopierer stehen, solche Angst hatte er, daß er so dumm sein könnte wie seine Kunden und die Fälschungen für echt halten, und am Ende zwischen all den Fälschungen (die er Blüten nannte) auch das Original über der Straße baumeln würde. Oder, noch einfacher, der junge Mann es ihm abtrickste. Doch obwohl die Scheine sorgsam beidseitig kopiert wurden, fühlte sich das Papier der Duplikate natürlich ganz anders an, das hätte auch der Nichtexperte gleich bemerkt. Nach Geschäftsschluß hatte der junge Mann an diesem Jackpotsamstag gewartet, bis das Lottoannahmestellen-Personal in sein herbeigesehntes Sat.1-Wochenende geflohen war, um dann die Wäscheleine abzumontieren und die falschen Geldscheine dem Kind seiner Geliebten mitzubringen. An diesem Tag stiegen die Preise im Kaufmannsladen der Siebenjährigen immens, alles kostete mindestens 1.000 Mark, aber das machte nichts, es war ja ab sofort genug Spielgeld da.
Als seine Geliebte ihm dann wenig später per Schweigegeldzahlung (oder wie sollte er das verstehen? Ja: WIE?) alles auf einmal, sich, das Kind und die Liebe entzogen hatte, war zum ersten Mal im Leben des jungen Mannes sogar genug echtes Geld da. Der junge Mann hatte bis dahin nie gut verdient, aber es war ihm dabei ganz gutgegangen.
Das Wort Werdegang wirkte auf sein Leben angewendet falsch, es klingt darin zuviel Bewegung an, vielleicht sogar zwischenzeitliches Tempo, was des jungen Mannes Sache nie gewesen war, nein, seine Biographie eignete sich bestens, die vehementen Forderungen irgendeines Sparausschusses nach Studiengebühren und Studienzeitbegrenzungen drastisch zu illustrieren. Ungläubig würden die Abgeordneten auf die Overheaddarstellung blicken und auf dem Lebenszeitstrahl vom 19. bis zum 29. Lebensjahr keine nennenswerten nichtprivaten Einträge ablesen können, und überhaupt nichts, was auf die Bereitschaft schließen ließe, sich zum Wohle des Staates einspannen, ausbilden oder wenigstens krank schreiben zu lassen. Dieser Herr Mustermann hatte einfach zehn Jahre herumlaviert (und würde es weiterhin tun). Mal stand dort für eineinhalb Jahre einfach
– Kreta
oder
– hier und da gejobbt.
Sie sehen, würde der Vortragende sagen und den Overheadprojektor ausknipsen, die Folie kopfschüttelnd mit Pergamentpapier bedecken und abheften, Sie sehen, Kolleginnen und Kollegen, was uns blüht, wenn wir da nicht alsbald einen Riegel vorschieben.
Im Plenarsaal würde man konsterniert schweigen, betreten nicken, einige würden vielleicht zaghaft
– Aber Sie haben natürlich bewußt zugespitzt! rufen.
Der junge Mann hatte überall mal ein wenig gearbeitet, hier geholfen, dort bedient, da beraten, und immer, wenn er mehr Geld zusammen hatte, als er an einem Tag ausgeben konnte, einen Tag Urlaub gemacht – einige nannten ihn Schmarotzer, andere Lebenskünstler.
Mit einem Berufsschullehrer hatte der junge Mann sich eine hübsche Wohnung gemietet. Gut an dieser Konstellation war, daß der Berufsschullehrer, der nachmittags und an Wochenenden einen schwunghaften Handel mit alten Münzen, Orden, Urkunden und Briefmarken betrieb, nur in der gemeinsamen Wohnung übernachtete, wenn er seine Frau mit einer jungen Schülerin oder einer älteren Münzsammlerin betrog. Ungefähr viermal pro Woche tat er das nicht. Die Ausrede, mit der der Berufsschullehrer seiner Frau die regelmäßigen Außerhausübernachtungen untertitelte, hieß „Buchführung, Ablage, Büroscheiß“. Die Wohnung lag direkt über seinem kleinen Laden, damit war das Konstrukt etwas glaubhafter, und als die Frau am Anfang einmal zu Besuch gekommen war, hatte der Berufsschullehrer den jungen Mann angewiesen, sich ein ordentliches Hemd anzuziehen, statt seiner Stereoanlage ausnahmsweise mal den Fernseher laufen zu lassen, allerdings ohne Ton und ausschließlich den Sender n-tv, und dort vom Schreibtisch aus bitte so oft hinzugucken wie eine auf der Spielplatzbank sitzende Mutter zu ihrem schaukelnden Kind, des weiteren im Kühlschrank Bier gegen Saft zu tauschen und während der Inspektion am Schreibtisch zu sitzen und Assistent zu spielen – sonst flöge alles auf. Der junge Mann tippte also ständig mit einer Hand auf einer Rechenmaschine herum, guckte alle dreißig Sekunden auf die Uhr (auf n-tv sowieso), um dann „Oh, verflixt“ zu sagen, gab mit der anderen Hand nichtexistente Telefonnummern ein und presste sich dann den
DüDüDü-Dreiklang nebst vorwurfsvollem
– Kein Anschluß unter dieser Nummer
ans Ohr, damit es von dort nicht in den Raum drang, und führte Guido-Westerwelle-Gespräche. Dann nahm er sich einen Leitz-Ordner aus dem Regal. Darin waren zwar bloß seine Geburtsurkunde, sein Taufschein, sein Impfpaß, polizeiliches Führungszeugnis und einige Schulzeugnisse sowie einige Mahnkorrespondenzen abgeheftet, doch er blätterte geschäftig darin herum, tat, als durchsuche er mit dem Zeigefinger Tabellen, klatschte dann plötzlich in die Hände, als sei ihm irgendwas klargeworden, tippte wieder auf dem Taschenrechner herum, hielt den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt und spielte Tetris, was vom Blickpunkt der Frau (der Bildschirm wies zur Wand) durchaus als konzentrierte Tabellenkalkulation interpretierbar war. Die Ehefrau des Lehrers saß beeindruckt auf dem Sofa, auf dem sie keine zwölf Stunden zuvor noch betrogen worden war.
– Ich bin erstaunt, wie ihr es bei dem Streß schafft, es doch so halbwegs wohnlich hier zu haben. Nicht so steril. Aber warum steht das Bier nicht im Kühlschrank, sondern in der Garderobe hinter den Wintermänteln? Gönnt euch doch auch mal was!
Da wurde es dem jungen Mann zu heikel, er befürchtete rot anzulaufen, und wenn er das befürchtete, dann war es schon unabänderlich im Anmarsch, das kannte er, dann begann es bereits an den Ohren, es half nichts, er mußte den Raum verlassen.
– Bier, Bier, Bier? fragte der Berufsschullehrer scheinheilig – das ist wahrscheinlich noch von den Möbelpackern, ja, wahrscheinlich, wo, sagst du, hinter den Wintermänteln? Na, das sind mir ja –
– Ich hole gerade mal die Post, rief der junge Mann. Das sollte der Berufsschullehrer schön selbst regeln. Mitwisser zu sein, war dem jungen Mann erträglich, die ungleich größere Schuld des Mittäters wollte er nicht tragen. Er mochte den Lehrer und fand auch dessen Frau in Ordnung. Den Rest mußten sie selbst hinkriegen.
Er ging zum Sammelbriefkasten des Mehrfamilienhauses und nahm alle nicht privat aussehenden Umschläge heraus, setzte sich wieder an seinen Platz und sortierte den Berg willkürlich, mit gespielter Kennermiene, in diverse Stapel.
– Der Laden boomt ja richtig, sagte die Ehefrau beeindruckt.
– Na ja, na ja, das meiste sind Rechnungen, oder? instruierte nun der Lehrer panisch den jungen Mann, denn irgendwann würde sich die Frau wundern, warum das Geschäft samt Zweitwohnung sich gerade so selbst finanzierte und keinen nennenswerten Gewinn abwarf.
– Rechnungen waren gestern, sagte der junge Mann düster. Das hier sind schon Mahnungen und Vollstreckungsbefehle, jaja, es ist schon hart, wenn man idealistisch an was rangeht. Entweder man zieht die Leute übern Tisch, oder man wird selbst gezogen. Daß alle einfach am Tisch sitzen bleiben, ist ausgeschlossen.
Der junge Mann wandte sich wieder dem Tetris zu, fand, er hatte die Rolle des leicht bräsigen, aber höchst eifrigen Gehilfen ordentlich gespielt, und hoffte, die Ehefrau würde ihre Konsultation bald beenden und es besser auch bei der Einmaligkeit belassen. Die Ehefrau blieb viel zu lange, der junge Mann wurde nervös, der Lehrer nicht minder.
– Was ist denn das Rote da, warte mal, gleich habe ichs, ächzte sie und grabbelte hinterm Sofa herum. Ach, ein Portemonnaie, darf ich?
Sie durfte nicht, aber wer sollte ihr das verbieten, überhaupt, wessen, ach, scheiße, das Sofa, na prima – der junge Mann fühlte wieder die Ohrtemperatur steigen, und der Lehrer tanzte bleich um die Frau herum und versuchte sie abzulenken, doch sie war entweder sadistisch oder begriffsstutzig und zog ruhig einen Ausweis aus der Geldbörse, natürlich, genau, Glückwunsch, es war das Portemonnaie der Schülerin, die in der Nacht zuvor auf diesem Sofa zu Gast gewesen war, zum Förderunterricht, wie es im Pornofilm heißen würde. Der junge Mann ließ die Tetris-Balken ungehindert sich bis zum oberen Spielfeldrand stapeln, zack, zack, zack, game over.
– Ach guck, deine Freundin – hat die das noch gar nicht gemerkt? fragte der Lehrer den jungen Mann.
– Nee, bis jetzt nicht, hab sie heut auch noch gar nicht gesprochen. Das wird sie natürlich freuen, muß ich ihr gleich sagen.
Der junge Mann ging zum Telefon und rief wieder bei der Kein-Anschluß-Domina an.
– Dein Portemonnaie! Hier bei uns! Hast du schon vermißt, sagst du, ja, keine Panik, alles da, kannst dir den Weg zum Fundbüro sparen, genau, gerade gefunden, hinterm Sofa, klasse, oder? Bringe ich dir nachher mit. Ich dich auch, bis dann.
– Und Ihre Freundin geht demnach noch zur Schule, sogar auf die meines Mannes, das ist ja ein Witz, fragte die Lehrersgattin den jungen Mann und wedelte mit einem Schülerausweis.
– Ja, Zufälle gibts, oder? Aber sie hat zum Glück keinen Kurs bei ihm. Also, das wärs ja noch, da könnte ich ihr ja die Klausuren hier vorher – neeneenee, das wäre ja zu abenteuerlich! Sie lachten, alle drei, aber aus unterschiedlichen Gründen.
Ein Haken noch, eine Falle noch:
Wie er denn das ohne eigenen Schlüssel mache, hatte die Frau den verdutzten jungen Mann gefragt. Ja, hatte der Lehrer hastig assistiert, sie fragt, weil sie gerne einen Zweitschlüssel hätte für alle Fälle, nur geht das ja leider nicht, wegen dieses Sicherheitsschlosses, nicht mal du hast ja einen Schlüssel, das wollte sie zuerst gar nicht glauben, aber so ist es ja nun mal, denn um einen Zweitschlüssel anfertigen zu lassen, brauchen wir einen Wisch vom Hausbesitzer, aber dann kriegt der das mit, private Nutzung gewerblicher Räume und so, Teufels Küche, nee, das geht schon, für uns beide reicht ein Schlüssel vollkommen aus, einer von uns ist immer da, oder wir legen den Schlüssel unter den Blumenkübel im Hof.
Die Ehefrau hatte verstehend genickt – was für ein brillanter Organisator ihr Mann war. Sie mußte sich keine Sorgen machen.
Der junge Mann hatte ungläubig den Kopf geschüttelt – was für ein brillanter Lügner der Lehrer war. Er mußte aufpassen.
Nach dieser geglückten Simulation eines Bürolebens war die Ehefrau nie wieder (weder unangekündigt noch angekündigt) in die Wohnung gekommen. Am Ende ihres Antrittsbesuchs hatte sie den jungen Mann noch einmal zur Seite genommen und ihm wohlwollend zugeflüstert, sie hätte ihn nicht bloßstellen wollen kurz zuvor, außer dem Portemonnaie sei aber auch noch ein Bekleidungsstück unter dem Sofa, das sicher ebenfalls der Portemonnaiebesitzerin, seiner Freundin also, gehöre, ein BH nämlich, den könne er ja später unauffällig selbst dort wegfischen. Zwinker. Dann war sie gegangen. Die Wohnung wurde umgehend wieder entschärft und für das normale Leben der beiden Bewohner hergerichtet; der Lehrer rief seine Schülerin an und fragte, ob sie sich nicht vielleicht ihr vergessenes Portemonnaie abends abholen wolle, gerne auch später. Der junge Mann hatte sich während des Telefonats von hinten an den Lehrer herangeschlichen, dem Ehebrecher mit dem BH die Augen wie bei „Was bin ich?“ verbunden und dann sofort den döseligen Aktienkanal ausgestellt, sich des Hemdes entledigt und die Post der anderen Hausbewohner in den Sammelbriefkasten zurückgesteckt.
Das Leben des jungen Mannes fußte auf lauter wackligen Halbheiten, doch kam er immer irgendwie durch und dachte bis zum Tag des Geldangriffs keinmal daran, grundsätzlich etwas an seiner Lebensführung zu ändern. Das mußte er dann. Als er den Brief seiner ab sofort Exgeliebten immer wieder durchlas und verwirrt die Geldmenge wieder und wieder durchzählte, tat er das Naheliegendste – er verschwand. Gründe zur Flucht hatte er genug, nun sogar das Geld, und Gründe zu bleiben fielen ihm nicht ein. Er fand sogar seinen Reisepaß.
Der junge Mann versprach sich von diesen Reisen nicht die Welt. Nur ein paar Länder. Er war nicht so naiv, die heilende Wirkung seiner Exkursion zu überschätzen, er forderte von sich nicht, erst zurückzukehren, wenn anderes Klima und anderes Essen, andere Sprache, Staatsform, Währung, Musik und Fönen mit Adapter einen anderen, einen verstehenden, einen bereinigten, ja glücklichen Menschen aus ihm gemacht hätten. Naturgemäß erwartete der gerade Verlassene auch nichts weniger, als am Seilbahnticketschalter des Bergdorfs oder am Badezeugentsalz-Wasserhahn des Küstenorts auf eine zu treffen, die viel besser war und hübscher und klüger und netter – und warum bloß nicht eher. Nein, der junge Mann wollte nur mal kurz weg. Wie jemand, der von innen mit Gummipfropf ein Schild an seine Ladentür hängt: geht gleich weiter. Er wußte, daß er zurückkehren mußte und dann irgendwie zurechtkommen. Ja. Daß Flucht keine Lösung ist, hört man immer wieder, daß man solche Krisen am besten überwindet, indem man drauflosgeht, sie benennt, ausbadet, durchwandert, ja als Herausforderung erkennt, die anzunehmen schon ein Teilsieg ist. Feige sei, wer zur Seite hüpft, und auch dumm, denn dadurch werde alles nur noch schlimmer. Jaja, schon gut. Die letzten zehn Jahre hatte der junge Mann damit verbracht, Dinge aufzuschieben, kleinzuwarten, auszusitzen, wieso sollte er jetzt eine Ausnahme machen. Fliehen, fand er, ist eine sehr gesunde und natürliche Reaktion, abhauen, weg, wenn man schon die Wahl hat, sich zu ändern oder seinen Standort (und die Wahl hatte er durch den plötzlichen Geldberg ja), dann war es weniger vermessen und deutlich erfolgversprechender, sich davonzumachen. Flucht ist immer Respekt vor dem Gegner, zugleich aber – wenigstens dessen war er noch sicher – auch ein Urvertrauen in die eigene Kraft, wieder aufzustehen, woanders, wann anders, nicht im Moment, aber der Moment könnte kommen, ausgeschlossen ist das nicht. Sonst könnte man ja dableiben und sich platt walzen lassen. Also ist Flucht Hoffnung, wenn auch manchmal die letzte. Der junge Mann mußte an eine ganz in der Nähe seiner Wohnung verlaufende Straße denken, die wegen Tiefbauarbeiten für einige Zeit aufgerissen und für den Verkehr gesperrt worden war. Umleitung.
In dieser Straße gibt es einen Bauzaun, an dem Plakatanschläge die Passanten informieren über Konzerte, Kinofilme, Tonträger, Zigaretten, Sonderangebote oder Versprechen eines Kandidaten. Da solche verbotene, doch hier und dort still geduldete Wildplakatiererei im Gegensatz zu offiziellen Plakatwänden kostenfrei ist, sind im hochfrequentierten Bereich der Innenstadt die gut beklebbaren Stromkästen, Abbruchhäuser oder Bauzäune hart umkämpft, und an jedem Morgen ist eine neue Zusammenstellung zu bestaunen, oft glänzt noch der Tapetenkleister, und die Hast der nächtlichen Aktivität wird erkennbar durch schiefe Hängung und Wellen und Falten, da auch zum sachgemäßen, nachbearbeitenden Drüberbürsten keine Zeit gewesen war, jedes vorbeifahrende Auto konnte ja auch ein Polizeiwagen sein oder vielleicht der, den man gerade komplett überplakatiert hatte und der jetzt mal eine Rückbank voll starker Kerle mitgebracht hatte, das auszudiskutieren, aber ohne zu reden. Durch die große Konkurrenz war eine immerwährende Aktualität der Wand sichergestellt. In der Zeit der Umleitung allerdings änderten auch die verstohlenen Kommandos mit Kleistereimer, Pinsel und Papierrolle ihre Route, denn für die Bauarbeiter allein wollten sie keine Plakate aufhängen, und so wurde die Plakatwand konserviert auf dem Stande des Sperrungstags. Als die Straße wieder begehbar war, so erinnerte sich der junge Mann, waren ihm die Plakate geradezu antik erschienen: Filme, die nicht mehr liefen; Platten, die man lange nicht gehört hatte; Wahlen, die längst entschieden und analysiert worden waren. Auch wenn ihre Verfallsdaten erst wenige Wochen überschritten waren, waren sie doch schon Zeugnisse von abgeschlossener Zeit, der Gegenwart zwar anhängig, aber nicht mehr in ihr wirksam. Man sah diese Plakate und dachte: damals. Wie konnte man nur. Wie war es doch schön. Diese Termine, Produkte und Gesichter, man hatte sie gefeiert, ignoriert, verpaßt, gewählt oder ausgelacht – im nachhinein, so schien es, auf jeden Fall allesamt überschätzt, natürlich, denn sie mußten Platz machen für andere. So gehen die Dinge vor sich hin. Genau solch einen Distanzgewinn durch seine Reise zu erzielen, schien dem jungen Mann ein realistischer Plan. Na ja, würde er denken. Er mußte sich nicht brutal kommandieren mit dem zumeist wenig glaubhaften
– Weiter gehts!
Sondern würde dann erleichtert bis konsterniert feststellen können
– Weiter ist es schon gegangen. Wenn das so ist – dann geht es ja tatsächlich weiter.
Als die Umleitung aufgehoben, die Straße wieder begehbar war, mußte das neue, andersfarbige Pflaster und der anfangs noch weiche, dazu viel zu schwarze neue Teer von denen, die zeitweilig umgeleitet worden waren, erst wieder langsam in Besitz genommen werden (und das anfänglich testend, mißtrauisch: hält es, ist es wie vorher? Wie einer, der den Gips abbekommt und vorsichtige erste Gehversuche unternimmt). Gleich einer Narbe hob sich dieser Bereich noch immer von seiner Umgebung ab, würde dies vielleicht auch für alle Zeit tun und Auslöser für Erinnerungen sein. Doch stete Erinnerung führt zur Gewöhnung, und die schwächt. Und so wußte man zwar, was da mal vorgefallen war, aber man dachte nicht mehr daran – genau wie man als Anlieger eines Gotteshauses bald aufhört, die stündlichen Glockenschläge mitzuzählen, es sei denn, man benötigt gerade die Uhrzeit. Neuankömmlingen fiel der Bruch im Straßenbild erst auf, wenn man sie drauf hinwies.
Der junge Mann sagte im Copyshop Bescheid und packte seine Sachen. Dem Lehrer erklärte er die Lage, und der Lehrer sagte, da sei was faul mit dem Geld, aber sofort wegfahren und alles verpulvern sei eine hervorragende Idee, sonst könne man sicher sein, die Frau käme irgendwann wieder und wolle ihn, zumindest aber ihr Geld zurück. Der Lehrer kippte den Aschenbecher aus dem Küchenfenster in den Innenhof und schüttelte den Kopf. Der junge Mann packte weiter seine Sachen. Er wollte in die Berge, ans Meer, in die Wüste und in tropische Wälder. Entscheiden wollte er sich nicht, er wollte endlich einmal erleben, wie das ist, wenn Geld Freiheit bedeutet, wie es einem in Geldanlagewerbespots immer eingeredet wird. Diese Freiheit bedeutete nun auch, daß der junge Mann nicht wußte, was er einpacken sollte. Er entschied sich für wenig und eine Tube Reisewaschmittel, den Rest wollte er sich kaufen, das fand er eine romantische Vorstellung. Nichts dabeizuhaben hieß, nichts verlieren zu können. Und er wollte nach der Frau, dem Sinn, der Daseinsfreude nicht noch mehr verlieren, also leuchtete ihm das ein. Dann packte er doch all seine Lieblingssachen ein, weil nichts dabeizuhaben ja auch hieß, nichts dabeizuhaben, wie er dann feststellte. Der Lehrer riet dem jungen Mann, das Geld vorsichtshalber in Reiseschecks umzutauschen. Der junge Mann hatte aus naheliegenden Gründen kein großes Portemonnaie, also guckte der Stapel Fünfhundertmarkscheine oben raus. Das Portemonnaie hatte bis dahin höchstens mal einen Hunderter aufbewahren dürfen und das eigentlich auch nur nach Besuchen bei der Großmutter des jungen Mannes – die neue Situation war für alle Beteiligten eine Umstellung. In der U-Bahn auf dem Weg zur Bank hielt der junge Mann die ganze Zeit die rechte Hand auf seiner Hosentasche, um sich zu vergewissern, daß kein Taschendieb seine Reisepläne zunichte machte. Mehr Geld, mehr Probleme, das hatte der junge Mann immer für eine blöde Ausrede der Reichen gehalten. Aber anders waren die Probleme schon. Die übermäßige Angst, den Besitz zu verlieren, dachte der junge Mann, rührte vor allem daher, daß er sich unrechtmäßig reich fühlte. Wahrscheinlich taten alle Reichen das, wenn sie mit weniger Reichen zusammenkamen. Der junge Mann fühlte sich plötzlich als Angehöriger des Großkapitals. Fünfundzwanzigtausend Mark, dachte er. Geldscheine segelten durch seine Gedanken. Er drückte noch stärker die Hand auf das Portemonnaie, die Adern am Handrücken traten hervor. Fünfundzwanzigtausend Mark. Soviel verdiente er im Copyshop pro Jahr. Soviel hatte er jetzt auf einen Schlag gekriegt. Verdient? Womit, wofür? Es war pervers, aber es war viel Geld. Was heißt aber? Der junge Mann war verwirrt, jedoch nicht verzweifelt. Das kommt noch, dachte er. Nein, daß das ausbliebe, das war nicht seine Sorge.
Die Reiseschecks sahen endgültig aus wie Spielgeld. Auch diese großen, glatten 500er waren dem jungen Mann so unecht vorgekommen. Als er sie unter der Panzerglasscheibe durchreichte, dachte er, was auch der Sparkassenangestellte dachte: Mal sehen, ob die überhaupt echt sind. Doch die Schwarzlichtprobe fiel positiv aus. Der junge Mann wurde nicht gefragt, woher er das Geld hatte oder ob er seine Frau vermißte. Statt dessen bat man ihn, anzugeben, in welchen Beträgen er seine Reiseschecks haben wollte. Der junge Mann ließ sich erklären, wie und wo er damit an Bargeld kommen könne, was im Falle eines Verlustes zu tun sei. Ach, verreisen, sagte der Mann hinter dem Panzerglas und lächelte kundenfreundlich. Da würde er auch nicht nein sagen. Wo es denn hinginge, wenn er fragen dürfe. Nun, fragen durfte er, aber eine Antwort hatte der junge Mann ja nicht, also sagte er, das müsse er mal sehen, und da sagte der Mann von der Sparkasse, na, wie auch immer, auf jeden Fall viel Spaß. Ob er denn über eine Gepäckversicherung nachgedacht hätte.
Immer diese Spießer, hatte der junge Mann gedacht und
– Nö! gesagt.
Immer diese Hippies, hatte der Sparkassenangestellte gedacht und
– Na, muß ja auch nicht! gesagt.
Der junge Mann reiste ans Meer. Ans warme Meer zunächst. Er plante durchaus, später auch am nördlichen Meer entlang durch kalten Wind zu laufen und sich stark zu fühlen, doch daran war im Moment nicht zu denken, er begann mit der simplen Ur-Phantasie der meisten Nordeuropäer, der Erfüllung jenes berechenbaren Sehnsuchtsreflexes, die die Werbestrategen großer Reiseunternehmen bildlich dargestellt durch zwei Palmen, ein buntes Getränk mit Strohhalm und wolkenlosen Himmel so zuverlässig ins Zentrum ihrer Werbebemühungen stellen. Sonne, Wärme, Ruhe und Wasser, dann wird nicht alles anders, aber vieles besser. So schlecht war es nicht. Aber auch nicht so umwerfend, wie der junge Mann auf den Postkarten behauptete, die er gleich am zweiten Tag allen schrieb, die er kannte. Der Postbeamte saß unter seinem Ventilator und stempelte eine knappe halbe Stunde lang die Grüße des jungen Mannes ab und bemerkte anerkennend, lots of friends habe er, der junge Mann, und da merkte der junge Mann, daß er die Postkarten eher an sich selbst geschrieben hatte, um sich zu überzeugen, daß es auch wirklich schön dort war und er sich ganz bestimmt wohl fühle und es richtig gewesen sei, überstürzt aufzubrechen, und daß sich ganz gewiß alles fügen würde, die Zeit alle Wunden und so weiter. Er erbat die Karten zurück, forgot something, dem Beamten war es ein Rätsel, aber eines von der Sorte vollwurscht, der Ventilator drehte sich weiter, die nächste sonnenölige deutsche Nase reichte Feldpost über den Tresen, und bald war Mittagspause. Der junge Mann setzte sich in ein Restaurant und bestellte allerhand. Was er sonst machen sollte, wußte er nicht. Jetzt, mit all dem Geld, machte er den ganzen Tag nichts anderes, als darauf zu warten, dafür irgend etwas zu bekommen. Ständig beschäftigte er irgendwen, einen Fahrer, einen Träger, einen Koch, einen Mixer, einen Wäscher – es kam dem jungen Mann vor, als lebte er in einer Automatenwelt, wieviel passierte, hing davon ab, wieviel Geld man hineinsteckte; in manchen Bahnhöfen gab es Modelleisenbahnlandschaften, in denen man für zwei Mark einen Zug zwei Minuten fahren lassen konnte, und wenn man noch ein Geldstück einwarf, fuhr auch noch ein Güterzug los oder eine Seilbahn, oder in einem Sägewerk ging das Licht an, oder aus einem Feuerwehrschlauch spritzte etwas Wasser in Richtung einer rußigen Ruine, je mehr man hineinsteckte, desto mehr bewegte sich, aber von selbst passierte gar nichts, und wenn man aufhörte nachzuwerfen, stand bald alles still, es hatte sich nichts verändert, es hatte nur ein paar Minuten geleuchtet, gebrummt und sich bewegt, und dafür gab es nicht mal Beweise. Der junge Mann holte noch einmal die klugerweise doch nicht verschickten Postkarten hervor und las, wie schön alles war. Wie gut es ihm ging. Wie nett es war, wie lustig, wie warm und angenehm. Fürchterlich. In die Irre führende, Genesung vortäuschende, als Ergebnis ausgegebene Zwischenberichte. Der junge Mann schrieb
Ich weiß nicht, gar nichts weiß ich
auf eine Karte und adressierte sie an sich selbst. Dann zerriß er sie, denn die würde den Lehrer unnötig beunruhigen. Wozu überhaupt Postkarten, fragte sich der junge Mann. Er bekam selbst gerne welche, aber sie zu schreiben, schien ihm gerade höchst schwachsinnig. Daß es warm war, war ja schön, aber doch nicht weiter von Bedeutung, wenn man es jemandem per Postkarte mitteilte, was sollte das anderes sein als ein Neidwecker, haha, ihr dort, ich aber hier, seht mal, hab ichs gut. Der junge Mann hatte ständig die Hand auf der Hosentasche: das Geld. Er konnte alles machen. Mit dem Geld. Das war das Problem, jetzt, da alles ging, wußte der junge Mann nicht mehr, was er sich wünschte, mit Ausnahme der Dinge, die man nicht kaufen konnte. Geld allein macht nicht glücklich, heißt es. Geld zusammen ist lustiger, dachte der junge Mann. Doch war ihm das zu banal. Das war wie eine Parabel aus dem Religionsunterricht, die Grundschüler mit Wachsmalstiften illustrieren, woraufhin die gelungensten Arbeiten während der Adventszeit in einer von der Volksbank unterstützten Sonderbeilage der Lokalzeitung abgebildet werden und die Eltern die selten schönen, aber doch immer rührenden Bilder ausschneiden und stolz an die Verwandtschaft schicken.
Der junge Mann reiste ins nächste Land und fühlte sich frei. Er fand das eher irritierend. Postkarten schrieb er nicht mehr. In den Bergen wanderte er. In einem Schloßhotel schlief er in einem Himmelbett. In einer Metropole soff der junge Mann einige Tage in Hafenkneipen, weil ihm das vorschriftsmäßig jungmännerisch erschien, eben etwas, das man machen mußte, damit man später einmal erzählen konnte, ja, damals, am Hafen, man o man, am Hafen, das war schon wild. Der junge Mann sprach mit anderen Herumreisenden. Die Themen waren stets die gleichen, und der junge Mann begann, das Spiel zu verstehen. Woher, wohin, wieviel, warum, wohin auf keinen Fall, was auf jeden Fall probieren, womit echt aufpassen. Das Geld war einfach zuviel, zwar bezahlte der junge Mann den ganzen Tag lang, aber in manchen Ländern war es einfach zu billig, und für einige Hotels oder Restaurants war der junge Mann zu geizig, weil er den Moment fürchtete, in dem die Zahl der Reiseschecks einstellig wurde und er wieder etwas tun MÜSSTE, statt wie jetzt alles tun zu KÖNNEN. Der junge Mann erlebte dies und das, und jetzt hätte er sogar Briefe schreiben können mit echten Begebenheiten, aber er wußte nicht wozu, geschweige denn an wen. Er holte noch einmal die Postkarten hervor. Er schämte sich. Dann fuhr er ein Land weiter. Solange er suchen, planen, fahren konnte, war alles in Ordnung. Er wußte nicht, was das Ziel war. Es gab wohl keins. Die Suche würde mit dem Einlösen des letzten Schecks beendet sein, wann auch immer, wo auch immer. Das würde man sehen.