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Wie kann ein blinder Mensch eine Liebe zur Astronomie entwickeln, ohne je einen Stern gesehen zu haben? Gerhard Jaworek, Diplom-Informatiker am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), gilt medizinisch als vollblind. Trotzdem ist Astronomie seine Leidenschaft. In diesem Buch beschreibt er lebendig und anschaulich, wie sein naturwissenschaftliches Interesse und seine Neugierde schon im Kindesalter geweckt wurden, wie er sich diese Welt mit seiner Blindheit erobern konnte und welche Chancen die Astronomie für gelebte Inklusion bietet. Quintessenz für den Leser ist die Erkenntnis, dass auch Menschen mit Behinderung unmöglich scheinende Ideen verwirklichen können. Behinderten Menschen macht das Buch Mut, ihren Weg, so ungewöhnlich er auch sein mag, mit ihrer Einschränkung zu finden und zu gehen.
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Seitenzahl: 130
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Gerhard Jaworek
Blind zu den Sternen
Mein Weg als Astronom
AQUENSIS
MENSCHEN
Dieses Buch handelt von Inklusion. Deshalb hat sich der Verlag entschieden, es auch für Menschen mit Sehbehinderung gut lesbar zu gestalten. Das heißt: deutlicher Schrifttypus, keine Trennungen, linksbündiger Flattersatz. Dies mag auch für den Normalsichtigen eine neue Leseerfahrung sein.
Impressum
Gerhard Jaworek:
Blind zu den Sternen, Mein Weg als Astronom
Copyright: AQUENSIS Verlag Pressebüro Baden-Baden GmbH 2015
Alle Rechte vorbehalten. Jede Verbreitung, auch durch Film, Funk,
Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe jeder Art, elektronische Daten,
im Internet, auszugsweiser Nachdruck oder Einspeicherung und
Rückgewinnung in Datenverarbeitungsunterlagen aller Art ist verboten.
Lektorat: Gereon Wiesehöfer
Layout: Tania Stuchl, [email protected]
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
ISBN: 978-3-95457-149-9
www.aquensis-verlag.de
www.baden-baden-shop.de
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Mein Forschergeist wird geweckt
Weltraumhelden
Super-Oma
Frag und es wird Tag
Leuchtendes Spielzeug
Dumme Fragen
Astronomische Erlebnisse
Mondlandung
Sonnenflecken
Skylab und Space-Shuttle
Weltraumspaziergänge (Reparatur von SMM und Hubble)
Die Voyager Mission
Beschreibung der Sonde
Scharfe Bilder
Orientierung und Lagekontrolle
Kommunikation zwischen der Erde und der Sonde
Ergebnisse der Mission
Giotto am 14. März 1986
Die Sonnenfinsternis vom 11. August 1999
Cassini-Huygens
Kometenjahr 2013
Schulzeit und Studium
Zwischen Ganzheitlichkeit und Kontemplation
Hauptschule
Mittlere Reife
Schlüsselerlebnis
Visualisierung und Sonifizierung
Philosophie
Spiritualität
Gymnasium
Einmal und nie wieder
Bücher, Bücher, Bücher
Mein Weg zur Inklusion
Blind unter Sehenden
Blind unter Blinden
Freizeiten
Hilfsmittel auf Freizeiten
Hörbeispiele
Erste Modelle
Taktile Grafiken
Magnettafeln
Baukasten Astroklick
3D-Drucke
Das Internet
Smartphones und Remote-Control
Inklusion am Himmel
Pädagogische Wünsche
Zehn Gründe, sich als Blinder mit Astronomie zu beschäftigen
Exkurs: Zehn Gründe, sich als Blinder mit Vogelstimmen zu beschäftigen
Neue Wege: Astronomie in der Schule
Wissenschaftler mit vier Sinnen
Galileo Galilei (1564-1642)
Johannes Kepler (1571-1630)
John Goodricke (1764-1786)
Steven Hawking (geboren 1942)
Schlusswort
Danksagung
Anhänge
Berichte von Freizeiten
Dankesschreiben an die Besucher meiner Freizeiten
Gedichte mit Bezug zur Astronomie
Literatur und Medienverzeichnis
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist kein Zufall, dass Sie sich an dieses Büchlein wagen. Irgendetwas muss Sie bewegt haben, sich mit der Tatsache näher zu befassen, dass es blinde Astronomen zu geben scheint, die noch dazu Bücher schreiben. Gerne nehme ich Sie mit und zeige Ihnen, wie es dazu kam. Dieses Büchlein handelt nicht von einem blinden Menschen, der über einen „sechsten Sinn“ verfügt – wie oft wird angenommen, dass es so einen Sinn gäbe. Aber vier verbleibende Sinne sind nun einmal vier verbleibende Sinne, die allenfalls etwas besser trainiert sind. So kommt das Gehör bei Orientierung und Mobilität deutlich mehr zum helfenden Einsatz.
Ich höre die Sterne nicht und fühle auch den Vollmond nicht. Hätte ich keinen Kalender, wüsste ich nicht einmal, wann Vollmond ist.
Dennoch wird viel vom Hören, von Musik, von Tönen, aber auch von Farben die Rede sein. Ich schreibe dieses Buch, weil ich Sie an meiner Liebe zu Wissenschaft und Astronomie, an meiner Welt und wie ich sie wahrnehme, teilhaben lassen will. Ich zeige Ihnen, wie vielfältig ein Leben auch ohne Sehsinn sein kann. Ich freue mich, wenn Sie am Schluss der Lektüre sagen: „Ich habe erleben dürfen, die Welt mit den Sinnen eines Menschen mit Blindheit wahrzunehmen.“
Da sich Astronomie in so viele andere Disziplinen verzweigt, z.B. in Physik, Chemie, Philosophie, Religion, Technik, Musik und Geschichte, bietet sie eine ideale Chance für gemeinsamen Unterricht von Menschen mit und ohne Behinderung, für einen sogenannten inklusiven Unterricht. Außer den Sternenhimmel selbst betrachten zu können, kann nahezu alles, was diese Wissenschaft betrifft, von Menschen ohne Sehvermögen bewältigt werden.
Ich wünsche mir, Sie mit meiner Lektüre zu überraschen, gerne auch zu verblüffen. Auch ein Aha-Erlebnis freut mich sehr. Außerdem will ich in diesem Buch das Bewusstsein dafür schärfen, dass eben nicht alles für Menschen mit Blindheit so selbstverständlich ist wie für Sehende.
Geburtsblinde Menschen sprechen mit Sehenden über Farben, obwohl sie keine Vorstellung davon haben. Auch das ist eine Tatsache. Manche Blinde lieben Fußball, obwohl sich die wenigsten vorstellen können, was sich dort auf dem Platz genau abspielt. Viele blinde Jugendliche hängen sich ihre Idole an die Zimmerwände. Dabei sein und mitreden können, das ist häufig unser Schritt zur Inklusion.
Sehende Menschen machen sich oft gar kein Bild darüber, wie wenig Informationen Menschen mit Blindheit unter Umständen über eine Sache zur Verfügung stehen, und wie viel sie sich dazu denken müssen, um Lücken zu kompensieren. Dennoch gibt es fast nichts, woran blinde Menschen nicht teilhaben könnten.
Zu meiner Person
Am 21. Februar 1969 wurde ich als fünftes von sechs Kindern in Schopfheim geboren. Da ich zwei Monate zu früh das Licht der Welt erblickte, musste ich zunächst in den Brutkasten. Nach dem damaligen Stand der Medizin wurden Frühgeburten mit reinem Sauerstoff versorgt. Nicht selten, so auch bei mir, führte dies zu einer Augentrübung, die der Grund für meine Blindheit ist. In den Industrienationen war diese Art der Erblindung die häufigste Ursache.
Medizinisch betrachtet galt ich immer als zu 100% erblindet, verfügte aber, bis ich Mitte 20 war, über eine Hell-dunkel-Wahrnehmung, die sich dann mit der Zeit verschlechterte und verloren ging. Aufgewachsen bin ich mit meinen zwei Brüdern und drei Schwestern in einer Arbeiterfamilie. Somit führte vor allem mein Vater uns schon als Kinder an technische Dinge heran und lehrte uns den Umgang mit Werkzeug und Werkstoffen wie Holz. Ich erinnere mich noch, dass ich als kleines Kind Zeitungen reißen musste, aus denen anschließend mit Kleister Pappmaschee angerührt wurde, womit mein Vater die Landschaft für seine riesige elektrische Eisenbahn modellierte.
Von meiner Mutter wurden wir schon als Kinder stets zur Arbeit und Mithilfe in Haus, Hof und Garten herangezogen. Jeder musste für alle etwas übernehmen und war dafür verantwortlich. Schon mit vier oder fünf musste ich auf einem Schemel stehend Geschirr abtrocknen. Dabei habe ich übrigens sehr viele Volkslieder gelernt. Später half ich dann auch im Garten bei der Ernte mit.
Aufgrund der Größe unserer Familie konnte auf meine Einschränkung nicht viel Rücksicht genommen werden. Ich war bei allem dabei, musste bei allem helfen und von mir wurde dasselbe wie von meinen sehenden Geschwistern verlangt. Das war nicht immer fair. Es würde in der heutigen Zeit, in welcher blinde Kinder oft überbehütet werden, niemand mehr verlangen, dass ich als blindes Kind beispielsweise auf dem Feld helfe, Kamille zu pflücken. Es dauert einfach länger, wenn man die Blümchen ohne Augen suchen muss, und ich war ob dieser Langsamkeit oft frustriert und entmutigt und verlor das Selbstvertrauen. Andererseits verdanke ich dieser harten Schule eine Selbstständigkeit und Fertigkeit in so vielen Dingen, die ein blindes Kind heutzutage kaum noch erlangen kann, weil Kinder im Allgemeinen meist nicht mehr in diesem Maße im Haushalt mithelfen müssen.
Somit kann ich heute retrospektiv große Dankbarkeit für meine nicht immer einfache Kindheit empfinden. Vor dem Hintergrund des Inklusionsgedanken möchte ich hier nicht versäumen zu erwähnen, dass ich für meine klassische Ausbildung in Blindentechniken, wie Blindenschrift, Mobilitätstraining und sonstiger lebenspraktischer Fertigkeiten, die ich in sechzehn Jahren an verschiedenen Blindenschulen und Einrichtungen erlernen durfte, sehr dankbar bin.
All dies ist mir auch in der heutigen Zeit, wo im Blindenwesen viel mehr moderne Technologie Einsatz findet, eine große Hilfe. Der Inklusionsgedanke und dessen Umsetzung ist ein fließender Prozess und muss sich entwickeln. Dabei dürfen aber die unverzichtbaren Blindentechniken nicht auf der Strecke bleiben, was momentan leider in manchen Fällen geschieht. Dies aber nur am Rande. Mehr über meine Persönlichkeit erfahren und erleben sie, indem sie sich auf meine kleine Sternenreise, die auch zu mir führt, einlassen.
Ihr Gerhard Jaworek