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Eine Abrechnung mit den Bossen. Ein Plädoyer für ein besseres Miteinander im Beruf. Eine Inspiration zum Umdenken im Arbeitsalltag. Es reicht! Wie lange wollen wir die Schwächen der Führungskräfte noch ertragen? Frechheiten, Inkompetenz, Zumutungen: Tag für Tag haben wir zugeschaut und die Chefinnen und Chefs ihr Ding machen lassen. Selbst unsensibelste Dilettantinnen und Dilettanten erhalten Personalverantwortung. Erst wollte sich Henrik Kontredi einfach nur den Frust von der Seele schreiben. Dann wurde er zum Sprachrohr für die vielen Geknechteten, die in ihrem Beruf unter blöden Bossen leiden. Der Autor führt seine Leser:innen in die Abgründe unserer Arbeitswelt, schildert die Geschichten aber stets mit einem Augenzwinkern. Kontredi analysiert Boss-Typen des Grauens, berichtet über schlimme Ausprägungen dieser Gattung und warnt vor ihren größten Fallen. Dabei stützt er sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse über Führungskräfte und die Geführten. Der Autor sucht nach Auswegen, um den zwischenmenschlichen Katastrophen und dem Horror im Job zu entfliehen. Er findet Strategien und Lösungen, um gemeinsam besser klarzukommen. "Blöde Bosse. Komm klar mit den Schwächen der Führungskräfte und den Zumutungen auf dem Chefsessel!" ist Ratgeber und ein unterhaltsames Sachbuch zugleich. Es ist ein Plädoyer für mehr Selbstbewusstsein im Beruf, eine Aufforderung zum genauen Hinschauen und zum Setzen von Grenzen, eine Anleitung für eine andere Haltung und hoffentlich eine Inspiration zum Umdenken im Arbeitsalltag. Der alltägliche berufliche Irrsinn hat Methode. Es ist höchste Zeit, mit dem Abschied vom Irrsinn zu beginnen. "Dein Buch hat mir die Augen geöffnet. Jetzt schaue ich genau hin, wenn meine Chefin zur Zumutung wird." Dunja
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Seitenzahl: 183
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Henrik Kontredi ist Journalist, Autor und Sozialwissenschaftler. Er lebt zwischen Amsterdam und Wien und zwischen Zürich und Berlin. Harmoniemensch und Naturliebhaber – so würde sich Kontredi wohl selbst beschreiben. In seinem mittleren Alter hat er begonnen, sich für Meditation und Achtsamkeit zu begeistern. Er braucht Stille und die Weite der Landschaft, um nachzudenken und zu atmen. Großraumbüros sind eher nicht sein Ding.
Auf seinen ausgedehnten Spaziergängen und bei einer Tasse Tee im gemütlichen Studierzimmer ist er nach und nach zu der Erkenntnis gelangt, dass er weniger die Probleme beschreiben und bewundern will, sondern lieber nach Lösungen suchen möchte, die in uns verborgen liegen. Er richtet seinen Blick bewusst auf Menschen und Momente, die uns konstruktiv und wertschätzend neuen Mut machen. Das gelingt ihm zunehmend besser.
Für meinen guten Chef
R.I.P.
Vorwort
Der wichtigste Schlussgedanke gleich zu Beginn
Erste Einblicke
1.
In der Kampfarena der Inkompetenz
1.1 Das Drama nimmt seinen Lauf
1.2 Welchen Boss hätten Sie denn gerne?
1.3 Die Crashkurs-Führungsexpert:innen
2.
Schlimmer geht immer – Die Boss-Typen des Grauens
2.1 Der Tyrannosaurus-von-Köpenick-Komplex
2.2 Die Pseudokumpel-Duzer
2.3 Die Mein-Freund-das-Chefchen-Enttäuschung..
2.4 Die Neue-Besen-Zumutung
2.5 Die Busenfreundin-Stalkerin
3.
Der Schein trügt – Vorsicht vor den Fallen der Bosse
3.1 Die Klönen-Klüngel-Kontroverse
3.2 Das Neusprech-Dilemma
3.3 Die Zuckerguss-Verschleierung
3.4 Die Zöglinge-und-Lakaien-Falle
4.
Held:innen der Arbeit – Unerschrocken und ungehorsam
4.1 Die Horrorfilm-Konstante
4.2 Die Bond-Picard-Challenge
5.
Mythen der Arbeitswelt – Wie uns die Bosse für blöd verkaufen
5.1 Die Werte-Verballhornung
5.2 Die Kaninchen-aus-dem-Hut-Nummer
5.3 Die Familienunternehmens-Farce
5.4 Die Auserwählten-Prophezeiung
6.
Ticks, Störungen und Marotten – So dysfunktional sind Bosse
6.1 Die Schwinger-Gegenschwinger-Verwirrung
6.2 Die Mikromanagement-Malaise
6.3 Die Aufräum-und-Ordnungs-Disharmonie
7.
Wie es trotzdem mit uns klappen könnte
7.1 Der pädagogische Ansatz – Ist ja wie im Kindergarten
7.2 Reflektieren lernen – Wie wir die Metaebene betreten
7.3 Vorsicht vor dem Horn-Effekt
7.4 Oder wir machen es einfach so wie Lincoln
8.
Zu guter Letzt
Literatur- und Medienverzeichnis
Bosse gehören zu den größten Plagen unserer Zeit. Was müssen es für traumhafte Zustände gewesen sein, als der Mensch in Ruhe seiner Arbeit nachgehen durfte, ohne dabei von der Chefin und dem Chef gegängelt, bevormundet und drangsaliert zu werden? Die Ur-Menschen haben stressund frustfrei vor sich hin gejagt und gesammelt.
Andererseits – ganz so stressfrei war es wohl auch vor Zehntausenden von Jahren nicht. Es drohten Hungertod, angriffslustige Säbelzahntiger und viele andere Gefahren. Immer noch besser, als jeden Tag mit dem verhassten Boss auskommen zu müssen, mögen Sie als leidgeprüfte Mitarbeitende nun denken. In den ganz frühen Zeiten gab es auch noch keine Organisationshierarchien und erst recht keine Workflow-Optimierer für eine bessere Prozesseffizienz in der B2B-Customer-Experience. Verschont blieben die prähistorischen Menschen zudem vor Erfindungen und vermeintlichen Errungenschaften wie Großraumbüros und Callcentern. Doch irgendwann war es dann vorbei mit der selbstbestimmten Berufsausübung. Das kooperative Jobmodell, in dem jeder Mensch ein Gleicher unter Gleichen war, hatte ausgedient. Einzelne gewannen eine immer größere Machtfülle. Der Homo praesidens betrat die Bühne unserer Arbeitswelt.
Mit großen Schritten jagen die Vorgesetzten hoch aufs Podest und sagen seitdem an, wo es langgeht. Meist glauben sie ganz fest daran, einer historischen Bestimmung zu folgen und die große Mehrheit mit der Gewalt ihrer Weisungsbefugnis führen und anleiten zu dürfen. Wir, die Untergebenen, fügen uns in unsere Rolle und wir dienen und kuschen. Einfach so. Warum eigentlich? Und wie lange noch?
Zu Recht mögen Sie sich fragen: Warum soll ich mir das antun – die grausigen Erinnerungen eines Frustrierten lesen, der überall aneckt, nirgendwo so richtig klarkommt und jetzt auf Rachefeldzug alle seine Ex-Bosse in die Pfanne haut? Warum sollte ich mich von so jemandem ständig an mein eigenes Elend erinnern lassen; nur für ein paar gutgemeinte Ratschläge und Binsenweisheiten?
Keine Sorge, ich werde Ihnen sicher nicht sagen, was sie tun sollen. Das überlasse ich Ihrem Boss. Gerne verrate ich Ihnen aber, wie es bei mir war und wie ich versuchte habe, besser klarzukommen. „Komm klar mit den Schwächen der Führungskräfte und den Zumutungen auf dem Chefsessel!“ So lautet der Untertitel unseres Buchs, der nicht unbedingt als Aufforderung zu verstehen ist, sondern mehr als eine Einladung für ein besseres Miteinander.
Zugegeben, meine Erlebnisse sind sehr subjektiv. Die Subjektivität sei die Wahrheit, sagte der dänische Philosoph Søren Kierkegaard. Ob es wahr ist, dass blöde Bosse in der Arbeitswelt die Regel sind oder doch die unrühmliche Ausnahme, das weiß ich nicht. Zumindest kann ich aus meiner Sicht behaupten, auf überraschend viele dieser vermeintlichen Ausnahmen getroffen zu sein.
Objektiv ist die Blödheit der Bosse sowieso nicht bestimmbar. Ob ihr Verhalten angemessen erscheint, hängt vom Kontext ab. So kann eine Situation am Arbeitsplatz, die für die einen genau passt, für andere eine Zumutung darstellen. Der Kommunikationspsychologe Schulz von Thun (1998) weist auf die Unterschiede einer situationsgerechten Kommunikation hin. Jedes Team und jede Gruppe entwickeln demnach ihre ganz eigenen Vorstellungen davon, welches Verhalten in bestimmten Situationen angemessen ist. Befremdlich werde es dann, wenn die jeweiligen Vorstellungen divergieren (1998, S. 358 ff.). Zwischen mir und meinen Bossen war die Divergenz eigentlich immer gewaltig. Da drängt sich doch die Frage auf, wie es gelingt, die Kluft zu überwinden.
Die folgende Erklärung sollte eigentlich der Schluss des Buches werden. Exklusiv dürfen Sie das Ende nun schon zu Beginn lesen.
Die Arbeit an dem Buch hat mir gezeigt, dass aus dem Frust, den uns blöde Bosse bescheren und den Sie beim Lesen sicherlich nachempfinden, auch etwas wachsen kann. Das Ergebnis aus diesem Wachstumsprozess ist größer und wiegt die Summe der Ärgernisse im Berufsalltag weit auf. Die bewusste Auseinandersetzung mit den schwierigen Erfahrungen haben mir die Kraft gegeben, das Blöde-Bosse-Buch zu Ende zu bringen. Es war für mich wie eine Reise. Auf den einzelnen Etappen habe ich versucht, mich Stück für Stück und Kapitel für Kapitel aus der Opferrolle zu befreien. Allmählich dämmerte es und mir wurde klar, dass es mit der Problembeschreibung allein nicht getan ist. Lösungen müssen her.
Der wichtigste Gedanke, der am Schluss mein Buch zusammenfasst, lautet deshalb:
Ich komme mit den Schwächen der Führungskräfte besser klar.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihren eigenen Weg finden. Dass Sie erkennen, was für Sie passt, in welchen Situationen Sie an Grenzen stoßen und was Sie ändern wollen.
Alles Gute für Ihre berufliche und private Zukunft.
Mir kommt es so vor, als werde es in unserer Arbeitswelt nicht nur geduldet, dass sich Bosse schlecht benehmen. Ich glaube, es wird sogar von ihnen erwartet. Die Autovervollständigung bei Google schlägt mir Folgendes vor, wenn ich im Suchfenster „Chefs sind“ eingebe:
„Chefs sind oft Psychopathen“,
„Chefs sind Mitarbeiter egal“,
„Sind Chefs Narzissten“,
„Chefs sind gefährlich“
sowie die etwas versöhnlichere Variante „Chefs sind auch nur Menschen“.
Wie viel Mensch steckt noch im Boss? Mit wie viel Inkompetenz, Psychoshow und Marotten müssen und wollen wir klarkommen? Die Bosse prägten mein Erwerbsleben. In den vergangenen gut zwei Jahrzehnten hat die Arbeit mit all ihren Höhen und vielen Tiefen bei mir entsprechende Spuren hinterlassen. In dieser Zeit habe ich viel mehr Einblicke in die Arbeitswelten des Grauens erhalten, als mir lieb gewesen wäre. Erlebnisse mit sogenannten Führungskräften haben sich als tiefe Furchen in meine Erinnerungen eingegraben. Die blöden Bosse sind meinen Erfahrungen zufolge ein Universalproblem, mit dem viele Menschen zu kämpfen haben. Wobei „blöd“ von seinem Wortsinn her nicht nur als dumm und geistlos zu verstehen ist, sondern darüber hinaus als ziemlich unangenehm, grenzüberschreitend und bedrückend.
Die kleinere Gruppe der Bosse knechtet und drangsaliert die große Mehrheit der Menschen. Die fiesen Exemplare dieser Gattung sind im Konzern genauso zu erleben wie in der kleinsten Klitsche. Es gibt sie in Behörden und in Verlagen oder im handwerklichen Familienbetrieb. Für eine Reihe von Firmen und Organisationen stand ich in den vergangenen Jahren schon in Diensten und beglückte meine Auftrags- und Arbeitgebenden in den Bereichen Journalismus, Public Relations und Marketing. Meine Freude über die Tätigkeiten währte leider meist nur kurz.
Aufklärung, Demokratie und Gleichberechtigung? Wie viel gelten die Errungenschaften unserer modernen Gesellschaft in dem nicht ganz unwichtigen Lebensbereich der Arbeitswelten? Wird die Macht der Bosse zu einer Übermacht, dann führt dieses Missverhältnis die Mitarbeitenden in die Ohnmacht. Wachen wir gemeinsam auf und kämpfen an gegen diese lähmende Dysfunktionalität! Lange genug haben wir die Ungerechtigkeiten stillschweigend hinuntergeschluckt und uns von den Chefinnen und Chefs so manches bieten lassen. Es ist an der Zeit, uns der eigenen Wehrhaftigkeit bewusst zu werden.
Dem Buch von den blöden Bossen liegt eine Sammlung unterschiedlichster Episoden aus meinem Arbeitsleben zugrunde. Die ersten Texte habe ich damals eigentlich nur geschrieben, um meinen Frust abzubauen und das Geschehene zu verarbeiten. Es kamen dann immer neue Aspekte hinzu und der Umfang der Erzählungen stieg an. Als ich mich schließlich aufgemacht habe, das Buch fertig zu schreiben, hoffte ich wirklich sehr, dass keine meiner ehemaligen Führungskräfte, mit denen ich die leidvollen Erfahrungen gemacht hatte, noch schnell auf die Idee kommt, ein Buch mit dem Titel „Blöde Mitarbeitende“ zu veröffentlichen, in dem ich eine Hauptrolle spielen darf. Wahrscheinlich hätte ich es sogar verdient. Aber Pech, da war ich wohl schneller.
Gerne nehme ich Sie mit auf eine kleine Reise in meine berufliche Vergangenheit und stelle Ihnen das Gruselkabinett der Ex-Bosse vor. Um die Auswahl des Schreckens zu ergänzen, habe ich darüber hinaus die besonders fürchterlichen Exemplare dieser Gattung aus meinem Bekanntenkreis zusammenzutragen. Bei den Leserinnen und Lesern kann die eine oder andere Beschreibung womöglich schlimme Erinnerungen hervorrufen. Aber seien Sie unbesorgt! Ich lasse Sie mit den Launen, Ticks und Unverfrorenheiten der Bosse nicht allein. Wir suchen Lösungen und Strategien, die helfen sollen, damit wir uns endlich angemessen verteidigen können.
Unser Buch von den blöden Bossen ist ein Plädoyer für mehr Selbstbewusstsein im Beruf, eine Aufforderung zum genauen Hinschauen und zum Setzen von Grenzen, eine Anleitung für eine andere Haltung und hoffentlich eine Inspiration zum Umdenken im Arbeitsalltag. Vielleicht hilft es auch, den Kummer der Betroffenen ein wenig zu lindern.
Wenn es dazu beiträgt, ein paar Lösungsansätze für ein besseres Miteinander in die Organisationen der Wirtschaft und Verwaltung zu tragen, dann wäre das schon viel mehr, als ich ganz zu Beginn von meinem Buch erwarten durfte.
Alle Geschichten in diesem Buch haben sich auf die geschilderte Weise oder zumindest so ähnlich ereignet. Manche Geschehnisse habe ich allerdings verändert und an manchen Stellen umgeschrieben, damit aus Rücksicht auf die Beteiligten keine Rückschlüsse auf deren tatsächliche Identitäten mehr möglich sind. Die Charaktere gibt es wirklich. Nur ihre Namen sind frei erfunden.
Martialische Ausdrücke sind nicht schön. In der Sportberichterstattung war es lange Zeit üblich, kriegerische Begriffe zu verwenden. Das infantil und harmlos anmutende Spiel wurde zur Schlacht hochstilisiert, wahlweise auch als Ballgefecht oder Gemetzel bezeichnet. Heute ist solch eine Wortwahl unter Sportjournalist:innen verpönt. Kann die Kriegsrhetorik für andere Bereiche angemessen und notwendig sein? Wenn wir an die Arbeitswelt denken, welche Assoziationen liegen uns da auf der Zunge? Kampf, Schlachtfeld, Psychokrieg, Terror – lassen Sie uns doch mit dem Bild vom „Drama“ beginnen!
Das Elend bahnt sich früh im Leben an. Eltern sprechen Machtworte und erteilen Verbote. Die Erziehungskräfte im Kindergarten geben genaueste Bastelanweisungen. Dann die Schulzeit, ein einziger Schwall der Appelle, Gebote, Regeln und Kodizes, dargeboten von einer Autorität, deren pädagogische und mitmenschliche Fähigkeiten in einem langen Schulleben regelmäßig Grund für Zweifel bieten. Wer gedacht hat, nach der Schule wird es vielleicht besser, merkt dann recht schnell: In Ausbildung und Beruf ist die Leidenszeit der Befehlsempfängnis wohl immer noch nicht ausgestanden. Im Gegenteil. Jetzt gewinnt das Drama erst so richtig an Fahrt.
Obrigkeit drangsaliert Untergebene. Ein Prinzip, das unserer Wirtschaft und der Verwaltung trotz manch gegenteiliger Beteuerung immer noch zugrunde liegt. Kaum eine Organisation kommt ohne Hierarchiestruktur aus. Die Oberen stehen da wie im altrömischen Streitwagen, halten die Zügel in der Hand und bestimmen, wo es langgeht. Wir lassen uns wie die eingespannten Gäule im Kreis herum hetzen. Runde für Runde immer schneller und schneller in dem langen Wettlauf des Arbeitslebens. Ob es die Pferde bei den Römern damals besser hatten als die Wagenlenker, darf indes bezweifelt werden. Die Fahrer waren meistens Sklaven. Allesamt Gefangene in dem perfiden Drama, das sich Zirkus nannte.
Wie kriegen wir nun die Kurve zu den Wagenlenkern der Neuzeit? Im Arbeitszirkus der modernen Welt stehen die wenigen, die die Kommandos geben und die Aufführung verantworten, über den vielen, die die Anweisungen befolgen dürfen. Alle haben im Grunde genommen dieselbe Richtung im Blick. Gemeinsam wollen sie in ihrem Streitwagen die Ziellinie erreichen. Dabei den Streitwagen unfallfrei zu fahren und zu ziehen, das war schon im alten Rom keine besonders einfache Tätigkeit. Mühelos und leicht gehen uns auch heutzutage die Aufgaben nicht von der Hand in dem großen Zirkus, den wir „Job“, „Beruf“ oder „Arbeitsplatz“ nennen. Je angespannter die Wagenlenker ihre hetzenden Pferde um den Parcours jagen, desto schwieriger wird es. Wobei die Art und Weise, nach der die Führungskräfte ihr Rennen bestreiten, die Zügel halten und ihre Pferde behandeln, durchaus unterschiedlich sein kann.
Bei meiner langjährigen Beobachtung der Spezies Boss ist mir die offensichtliche Tatsache nicht verborgen geblieben, dass Führungskräfte quasi unvergleichlich sind, weil sie jeweils auf eine ganz individuelle Weise ticken. Alle spinnen auf ihre eigene Art. Menschen sind vielschichtig. Systeme sind komplex und die im Beruf zu lösenden Probleme entsprechend diffizil. Umso schwieriger erscheint es, allgemeingültige Boss-Typen zu charakterisieren. Versuchen wollen wir es natürlich trotzdem. Viele Vordenkende haben sich mit dem Thema bereits auseinandergesetzt und übergeordnete Kategorien gefunden, die uns eine Einordnung der Subtypen ermöglicht. Gewagt ist es durchaus. Auf den Chef:innen-Etagen finden sich schließlich nicht nur die Reinformen, sondern zudem viele Mischwesen, die unterschiedliche Anteile in sich tragen. Ich gehe davon aus, dass Sie in Ihrem Erwerbsleben schon dem einen oder anderen dieser Wesen begegnet sind.
Generell hat sich gezeigt: Es ist durchaus sinnvoll zu wissen, welcher Typus in unserer Anstalt das Sagen hat. Kenne ich das Übel und dessen Marotten, dann kann ich auch entsprechend handeln. Frühzeitig die Warnhinweise zu deuten, das ist für die berufliche Situation manchmal überlebenswichtig. Alle brauchen ihre eigene Strategie, um mit den Führungskräften so gut wie möglich auszukommen. Miteinander auskommen – davon kann im echten Berufsleben oft nicht die Rede sein. Leider ist häufig das Gegenteil zu beobachten. Vorgesetzte und Geführte arbeiten nicht Hand in Hand, sondern es sprechen sinnbildlich die Fäuste. Statt in der Gruppe zu kooperieren, herrscht ein Hauen und Stechen. Muss das eigentlich sein? Ist die Arbeit nicht schon schwierig genug?
Führungsschwäche. Als ich mich umhörte und zu dem Thema mit den Recherchen begann, fiel mir recht schnell auf, dass die arbeitende Bevölkerung teils ganz erheblich unter der Führungsschwäche, dem Charakter und den Fehlern ihrer Vorgesetzten leidet.
Dabei hadern viele Führungskräfte mit sich selbst und mit ihrer Rolle. Wie die Bertelsmann-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung an der Universität Witten/Herdecke im „Führungskräfte-Radar 2019“ herausgefunden hat, stecke jede dritte Führungskraft in Deutschland in einer Identitätskrise. Hohe Belastung und Verunsicherung führen demnach zu einem Demotivationseffekt bei Führenden und Geführten gleichermaßen.
Mobbing. Gleichzeitig bleibt Mobbing ein großes Problem. Psychologin und Soziologin Christa Kolodej gilt als österreichische Pionierin der Mobbingforschung. Sie unterscheidet in ihrem Selbsthilfe-Ratgeber (2018) explizit zwischen Mobbing, Bossing und Staffing. In allen Fällen handle es sich um eine systematische Schikane, die zu einem starken Machtungleichgewicht der Betroffenen führt. Beim Bossing schikanieren Vorgesetzte ihre Untergebenen. Hingegen schikanieren beim Staffing mehrere Untergebene den oder die Vorgesetzte (Kolodej 2018, S. 1). Für alle Betroffenen stelle Mobbing eine extreme Herausforderung dar (Kolodej 2018, S. 51).
Ungelöste Konflikte setzen womöglich eine regelrechte Mobbingdynamik in Gang. Die negativen Folgen sind enorm. Derartige Probleme können Druck erzeugen, Arbeitskraft und Arbeitszeit binden, Kosten verursachen und krank machen, beschreibt Anke Sommer das „Schlachtfeld Arbeitsplatz“. Geschäftsschädigende interne Verhaltensweisen gehen so weit, dass sogar die Existenzgrundlagen von Unternehmen angegriffen werden (Sommer 2019, S. 7).
Unfassbare Zustände. Huber und Fuchs (2009) sprechen unverblümt von „Psychokrieg“. Die Kriegsführung werde in den meisten Fällen von oben nach unten eingesetzt. Das heißt, Bosse und Vorgesetzte treten als Mobber auf und zwar in allen Branchen, betonen Huber und Fuchs. Den Autoren gehe es in ihrer Analyse nicht um Boss-Bashing, betonen sie. Denn weniger die Vorgesetzten an sich seien das Problem, sondern vielmehr die schwachen Führungskräfte, die durch ihr Tun unfassbare Zustände auslösen.
Mobbing macht psychisch krank. Wird der Druck am Arbeitsplatz zum Terror, dann kann das auch in körperlicher Gewalt münden. Herrscht hingegen ein Klima der gegenseitigen Unterstützung, dann entfaltet das eine ganz andere Wirkung. In der Schweizer Studie „Der soziale Aspekt von Burnout“ von 2009 haben die Forschenden zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung festgestellt, dass das Burnout-Risiko in den Unternehmen erheblich sinkt, wenn Führungskräfte ihre Mitarbeitenden bei der Arbeit sozial unterstützen.
Wie das Drama auf unserem Arbeitsplatz ausgeht – als Trauerspiel, Tragödie oder rührende Komödie – das liegt also zu einem großen Teil in den Händen der Bosse. Wäre es da nicht schön, wenn wir ein Wörtchen mitreden und selbst aussuchen dürften, wer bei uns das Sagen hat?
Sich Chefin oder Chef selbst backen. Das wäre doch toll. Nehmen Sie eine große Packung Fachkompetenz, dazu je einen ordentlichen Schuss Einfühlungsvermögen und Loyalität und drei Esslöffel voller Entschlussfreude. Noch eine Prise sympathische Ausstrahlung und dann alles kräftig durchrühren. In angemessener Zeit erst reifen, später schonend garen und am Ende gut auskühlen lassen. Fertig sind die Vorgesetzten ganz nach dem Geschmack ihrer Mitarbeitenden. Leider verwöhnen Betriebsorganisationen in den seltensten Fällen so wie ein Gourmet-Tempel die Geschmacksnerven. Vorgesetzte, die an den Gaumen ihrer Untergebenen kitzeln, lösen damit eher Brechreiz aus und bisweilen einen faden Beigeschmack.
Weil das mit dem Backen also schlecht funktioniert, bringt uns die Frage nach dem Idealbild zunächst nicht weiter. Die Bosse selbst auszuwählen, das wird uns sowieso nicht zugestanden. Selten liegt solch eine Auswahl in dem Kompetenzbereich der Unterstellten. Sie haben wenig bis gar keinen Einfluss auf die Entscheidung, wer ihre Vorgesetzten sein sollen. Chefinnen und Chefs den Rangniederen vor die Nase zu setzen – das scheint hingegen die gängige Praxis zu sein.
Die Frage, welchen Boss wir gerne hätten, stellt sich erst gar nicht. Relevanter erscheint es deshalb, genau hinzuschauen, wer denn die Menschen sind, die uns Tag für Tag als Chefinnen und Chefs das Leben schwer machen. Auch wenn so ein genauer Blick vielleicht ziemlich abstoßend sein kann. Wir wollen unseren Boss, das unbekannte Wesen, zuerst einmal gründlich durchleuchten. In der Erforschung der Arbeitshierarchie haben glücklicherweise mehrere Wissenschaftsbereiche schon viele wichtige Erkenntnisse gewonnen.
Webers Führungsstile. Der Soziologe Max Weber hat vor 100 Jahren vier Führungsstile unterschieden: den charismatischen, den autokratischen, den patriarchalischen und den bürokratischen. In seinem 1921 und 1922 erschienen Buch „Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriss der verstehenden Soziologie“ erklärt er die Grundlagen aller Herrschaftsverhältnisse. Ähnlichkeiten zu den Organisationsstrukturen, denen wir heute begegnen, sind kein Zufall. Denn das in Webers Standardwerk beschriebene Prinzip ist immer noch dasselbe: Eine Autorität erteilt ihre Befehle an die fügsamen Gehorchenden. Die Frage ist, inwiefern diese Autorität legitimiert ist.
Gehen wir zunächst von dem Fall aus, dass wir unsere Befehle von einer charismatischen Führungskraft erhalten. Eine Demokratie ist Weber zufolge als eine Art charismatische Herrschaft zu verstehen (1980, S. 122 ff.). Die Geführten lassen sich dabei gerne führen. Zumindest solange, wie sie der Chefin und dem Chef noch eine bewundernswerte Ausstrahlung attestieren können oder in der Führungskraft ein Vorbild sehen.
Im Gegensatz zu charismatischen Chef:innen im demokratischen System dürfen die Autokratinnen und Autokraten unkontrolliert wüten. Die kleinen und größeren Diktator:innen sind es gewohnt, dass ihre Anweisungen in der weiteren Befehlskette erfüllt werden. Jeder Widerspruch wäre Gehorsamsverweigerung und Majestätsbeleidigung.
Wenig Unterschiede gibt es zu einem Patriarchen oder einer Matriarchin. Der Papa oder die Mutti stehen beim patriarchalischen oder matriarchalischen Führungsstil an der Spitze, klassischerweise im Familienbetrieb. Sie haben sich ihre herausragende Stellung durch vermeintliche Altersweisheit erarbeitet. Deshalb ist ihr gütiges Wort Gesetz.
Dann wäre da noch Webers Typus des bürokratischen Führungsstils (1980, S. 125 ff.). Dabei geht es weniger um den Menschen, sondern um das Amt. Die austauschbare Führungskraft trifft die Entscheidung eben deshalb, weil sie dort oben sitzt oder steht. Bei ihr liegt die Zuständigkeit. Wer sich weiter unten in den Hierarchiestrukturen findet, der hat eben einfach weniger zu sagen. Die Herrschaft der Verwaltung lässt da wenig Spielraum.
Der Sozialpsychologe Kurt Lewin (1939) beschrieb ebenso wie Weber den autoritären Führungsstil, der von strengen Hierarchien ausgeht. Darüber hinaus nannte Lewin den kooperativen Stil. Dabei dürfen und sollen die Geführten mitreden und sie werden nicht von oben herab behandelt. Der Laissez-faire-Stil der Führung ermöglicht die größtmögliche Freiheit – alle können tun und lassen, was gerade gewünscht ist, um die Ziele zu erreichen. Des Weiteren sprach Kurt Lewin noch vom karitativen und partizipativen Stil, bei dem die Förderung und Einbindung der Mitarbeitenden im Mittelpunkt steht.
Die Theorie in allen Ehren. Aber das Phänomen der blöden Bosse wird uns dadurch nicht erklärt. Es ist ja wohl so, dass keine Führungskraft aus dem echten Arbeitsleben zu hundert Prozent einen dieser klassischen Führungsstile umsetzt. In der Realität wird nicht der eine Typus allein anzutreffen sein, sondern vermutlich eine Mischform. Statt das in der Theorie beschriebene Ideal zu verkörpern, wird vielmehr je nach Organisationsstruktur, nach den zu führenden Mitarbeitenden oder der Lage entsprechend zwischen den Methoden gewechselt werden. In der Forschung gab es nach Weber und Lewin eine Reihe weiterer Erklärung und Theorien, die uns das Phänomen der Führung nähergebracht haben. Es sind darauf aufbauend zahlreiche Ansätze und Konzepte entstanden, die für sich behaupten, das Personal in die vermeintlich richtige Richtung bringen zu können. Die Führungskräfte dürfen delegieren und dirigieren und sie müssen kontrollieren und motivieren. Ob die eine oder andere Methode funktioniert, hängt nicht zuletzt auch davon ab, welche Eigenschaften und Fähigkeiten die Mitarbeitenden haben. Die Führungsstile können sich am Verhalten, an der Beziehung oder an der Situation orientieren. Niklas Luhmann (2000) hat in seinem systemischen Ansatz eine ganzheitlichere Sichtweise etabliert, bei der es als zielführend erscheint, die Ebenen einer Organisation nicht für sich alleine zu sehen, sondern in Verbindungen mit den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen, die dort arbeiten.