Blogging Queen: Liebe und andere Notlügen - Jutta Profijt - E-Book
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Blogging Queen: Liebe und andere Notlügen E-Book

Jutta Profijt

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Beschreibung

Einmal reich und schön sein: Der humorvolle Liebesroman »Blogging Queen: Liebe und andere Notlügen« von Jutta Profijt jetzt als eBook bei dotbooks. Kann es sein, dass nicht alles stimmt, was man so im Internet sieht? Ganz Deutschland feiert den angesagten Fashion-Blog »Millies Magazine«. Niemand weiß jedoch, dass sich hinter der glamourösen Trendsetterin eigentlich Lulu verbirgt, die in ihrem wahren Leben Stewardess-Uniform statt Designer-Klamotten trägt. Als »Millie« kann sie sich endlich in die glamouröse Welt der Fashionistas träumen – doch als plötzlich der unglaublich charmante, aber leider auch sehr gesetzestreue Polizist Frank Stahl vor ihrer Tür steht, wird aus Lulus kleiner Flunkerei plötzlich Ernst: Ein gesuchter Verbrecher soll auf einem ihrer angeblichen Urlaubsbilder zu sehen sein! Wie kommt sie aus dieser Sache nur wieder heraus? Noch dazu ist dieser Polizist wirklich verboten attraktiv … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die spritzige Liebeskomödie »Blogging Queen: Liebe und andere Notlügen« von Jutta Profijt wird alle Fans von Sophie Kinsella und Ella Marcs begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 355

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Über dieses Buch:

Kann es sein, dass nicht alles stimmt, was man so im Internet sieht? Ganz Deutschland feiert den angesagten Fashion-Blog »Millies Magazine«. Niemand weiß jedoch, dass sich hinter der glamourösen Trendsetterin eigentlich Lulu verbirgt, die in ihrem wahren Leben Stewardess-Uniform statt Designer-Klamotten trägt. Als »Millie« kann sie sich endlich in die glamouröse Welt der Fashionistas träumen – doch als plötzlich der unglaublich charmante, aber leider auch sehr gesetzestreue Polizist Frank Stahl vor ihrer Tür steht, wird aus Lulus kleiner Flunkerei plötzlich Ernst: Ein gesuchter Verbrecher soll auf einem ihrer angeblichen Urlaubsbilder zu sehen sein! Wie kommt sie aus dieser Sache nur wieder heraus? Noch dazu ist dieser Polizist wirklich verboten attraktiv …

Über die Autorin:

Jutta Profijt wurde 1967 in NRW geboren. Direkt nach ihrem Abitur zog es sie nach Frankreich, wo sie erste Erfahrungen in der Arbeitswelt sammelte, bis sie schließlich Ausbildungen als Exportkauffrau und Übersetzerin machte. Nach einigen Jahren als Exportmanagerin und schließlich als freie Dozentin packte sie die Lust am Schreiben. Heute ist Jutta Profijt erfolgreiche Autorin. Ihr Kriminalroman »Unter Fremden« wurde mit dem Friedrich-Glauser-Preis 2018 als Bester Kriminalroman des Jahres ausgezeichnet.

Die Website der Autorin: https://juttaprofijt.de/ 

Bei dotbooks erschienen ihre Romane »Schmutzengel: Chaos ist das halbe Leben«, »Möhrchenprinz: Ein Traummann auf den dritten Blick« und »Blogging Queen: Liebe und andere Notlügen«.

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eBook-Neuausgabe Mai 2023

Dieses Buch erschien bereits 2011 unter dem Titel »Blogging Queen« bei dtv, München.

Copyright © der Originalausgabe 2011 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München, unter Verwendung von Bildmotiven von Adobe Stock/nadzeya26

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-670-2

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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blog.dotbooks.de/

Jutta Profijt

Blogging Queen – Chaos ist das halbe Leben

Roman

dotbooks.

Prolog

Endlich! Wie lange habe ich darauf gewartet, und nun bin ich nur noch wenige Meter von meinem Ziel entfernt. Hinter dieser Tür, ach, was sage ich, hinter diesem Portal ist er und erhält in diesem Moment die Nachricht von meiner Ankunft. Er wird sich wundern, aber dann wird seine Neugier siegen. Jeder in der Branche weiß, wie neugierig er ist.

Aha, der Privatsekretär oder Assistent, oder wie immer sich der junge Mann, der die Reinkarnation eines olympisch gestählten antiken Griechen sein könnte, nennen mag, kehrt zurück. Mit einer einladenden Geste fordert er mich auf, ihn zu begleiten. Ich neige huldvoll den Kopf, lächle reserviert und folge ihm. Innerlich vollführe ich Luftsprünge, schreie vor Erwartung, zittere am ganzen Körper. Unsichtbar. Außenstehende sehen nur eine eher zu klein geratene Frau mit einem etwas zu dicken Hintern und einer viel zu großen Nase, die auf unglaublich hohen Absätzen erhobenen Hauptes direkt zum großen Meister geführt wird.

Und da ist er. Sein silbriger Zopf ist das Erste, was mir ins Auge fällt, dann dreht er sich um. Der hohe, steife Kragen lässt seine Kopfbewegungen ein wenig schildkrötenhaft und eckig wirken. Karl erblickt mich und kommt mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Schnell drücke ich auf den Auslöser des Fotoapparates, der, in einem Kugelschreiber versteckt, diesen magischen Moment festhält und in kleine schwarz-weiße Pixelchen zerlegt. Mehr als Schwarz und Weiß benötigt man bei diesem Mann nicht.

Und dann geschieht es. Eine Bewegung im Hintergrund lenkt meine Aufmerksamkeit auf den Mann, mit dem Karl eben noch gesprochen hatte. Es ist, als würde mein Blut durch einen Eiswürfelbereiter fließen, um dann in den Adern leise zu klirren. Diesen Mann kenne ich besser, als mir lieb ist. Niemals hätte ich allerdings erwartet, ihn hier zu treffen, denn was zum Teufel hat das Düsseldorfer Landeskriminalamt auf einer Modenschau in Paris zu suchen? Woher wissen die überhaupt, dass ich heute hier bin? Ist der Kerl mir gefolgt? Nein, es muss eine andere Erklärung geben. Leider habe ich jetzt keine Zeit, mich mit dieser Frage zu beschäftigen, denn jetzt zählt nur die Flucht.

Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen.

Kapitel Eins

Ein letzter Blick zur Uhr bestätigte, was ich schon wusste: Es wurde Zeit, dass ich zum Flughafen kam, aber ich genehmigte mir selbst – und dem geradezu verboten gut aussehenden Typ am Tisch nebenan – noch zwei Minuten. Wenn er bis dahin nicht den Mut aufbrachte, mich anzusprechen, hatte er eben Pech gehabt.

»Entschuldigung, kennen Sie sich in der Stadt aus?«, fragte er prompt. Na bitte, geht doch!

Der Stadtplan, den er seit zehn Minuten studierte, lag falsch herum. Aber ich verzieh es ihm, denn sein Anzug war von Brioni und die Krawatte von Vitaliano Pancaldi. Der Dress hatte mindestens dreitausend Euro gekostet. Der Chronograf (vulgo: Armbanduhr) war einer, von dem hochglänzende Zeitungsanzeigen behaupten, er eigne sich zur Gründung einer eigenen Tradition. Seine Schuhe waren handgenäht. Nein, ich hatte mich nicht unter den Tisch bücken müssen, um das zu sehen, denn er hatte ein Bein über das andere geschlagen und wippte mit dem rechten Fuß genau in meinem Blickfeld auf und ab.

»Ja«, erwiderte ich mit einem kurzen Nicken und einem kühlen, eiligen Lächeln. Ich begann, mein Prada-Portemonnaie aus der Prada-Handtasche zu kramen. Ich ging selbstverständlich davon aus, dass mein Nachbar das dezent geprägte Label zur Kenntnis nahm, dafür hatte ich die Handtasche schließlich extra auf diese Seite des Tisches geholt.

»Können Sie mir vielleicht sagen, wie ich am besten zur Accademia komme?«

Anfänger, dachte ich, sagte es aber natürlich nicht. »Am besten nehmen Sie die Eins.«

Seine Augenbrauen zuckten hoch. Hübsche, schön geschwungene Augenbrauen, korrekt gestutzt und ordentlich gekämmt, nicht dieser Wildwuchs, den manche Menschen im Gesicht trugen, als gäbe es weder Scheren noch Pinzetten oder überhaupt den aufrechten Gang.

»Das Vaporetto. Linie Eins. Von San Marco zur Accademia. Schneller geht’s nicht.«

Ich unterstrich das Gesagte mit einem Fingerzeig in Richtung Anleger. »Da herum.«

Bei der Geste rutschte der Ärmel meines Prada-Blazers hoch und enthüllte nun meine Armbanduhr, für die hochbezahlte Supermodels Werbung machen. Damenuhren wurden allerdings nie mit der Gründung einer Tradition beworben, denn die Hauptzielgruppe hatte keine Kinder und konnte sich keine leisten. Kinder versauen Karriere und Figur gleichermaßen. Das gilt übrigens trotz der Heidis und Ursulas, denn Ausnahmen widerlegen keine Regel – sie bestätigen sie.

Die braunen Augen meines Tischnachbarn schauten mich aufmerksam an. Ob das daran lag, dass er sich die Nummer der Vaporetto-Linie zu merken versuchte oder bei der Betrachtung meiner äußeren Erscheinung alle Details wahrnehmen wollte, konnte ich nicht erkennen, hoffte aber natürlich Letzteres. Es machte wenig Spaß, sich exquisit zu kleiden, wenn es niemand zur Kenntnis nahm.

»Und Sie, wohin sind Sie unterwegs?«, fragte er. Seine Stimme war angenehm tief, ein leichter norddeutscher Zungenschlag, der gar nicht zu seinen braunen Augen und dem dunklen Haar passte, machte die Aussprache interessant und ein bisschen exklusiv. Das Wort hanseatisch beschreibt eben nicht nur eine geografische Wahrheit, sondern auch einen gewissen Stil.

»Zum Flughafen.«

»Sind Sie öfter in der Stadt?«

»Regelmäßig.« Ich öffnete das Portemonnaie und nahm einen Fünf-Euro-Schein heraus.

»Geschäftlich?«

»Ja.«

»Entschuldigung, ich will Sie nicht aufhalten. Nicht, dass Sie Ihren Flieger verpassen.«

Bingo. Auf diesen Satz hatte ich gewartet. »Keine Sorge«, sagte ich, während ich den Geldschein neben die winzige Espressotasse legte. »Ohne mich startet er nicht.«

Ich sah das Wort FIRMENJET in seinen leicht geweiteten Augen aufleuchten, lächelte ihm noch einmal kurz zu und setzte die erst vor einigen Stunden erstandene Sonnenbrille auf, während ich auf meinen riskant hohen Absätzen mit kleinen Schritten, die durch die Saumweite des Prada-Bleistiftrocks begrenzt wurden, in Richtung Ausgang trippelte.

Touristen in bunten Hemden, hellen Shorts, weißen Socken und Turnschuhen, die sich vor dem kühlen Wetter in das berühmteste Café Venedigs geflüchtet hatten, starrten hinter mir her.

»Ist das die Schriftstellerin, die diese Krimis mit dem netten Commissario schreibt?«, fragte eine korpulente Deutsche gerade ihre jüngere Begleitung und zeigte auf eine Venezianerin mit grauem, halblangem Haar. Diese ließ nicht erkennen, dass sie sowohl die schrille Stimme als auch den weit ausgestreckten Zeigefinger bemerkt hatte, und trank in Ruhe ihre Schokolade, während sie die Zeitung las.

Ich hätte der Deutschen sagen können, dass sie es nicht war, denn ich kannte beide, wenn auch nur vom Sehen, und wusste, dass die hier Anwesende die Seniorchefin einer der ältesten Glasmanufakturen auf Murano war. Aber ich schwieg. Stammgäste im Caffè Florian kennen noch die Bedeutung des Wortes Diskretion.

Eilig schritt ich zum Ausgang und trat auf den Markusplatz, der ungewöhnlich leer war. Nur die Tauben ließen sich von dem leichten Nieselregen nicht verjagen. Inzwischen war ein kalter Wind aufgekommen, der mich bis auf die Knochen frieren ließ. Ich beeilte mich, so gut es in dem engen Rock und auf den hohen Schuhen eben möglich war, und ärgerte mich, dass ich den Mantel nicht mitgenommen hatte. Aber erstens hatte ich nicht mit diesem Kälteeinbruch Anfang Mai gerechnet, und außerdem passte der Mantel weder farblich noch von der Marke her zum Kostüm. Mit anderen Marken war ich nicht ganz so puristisch, aber wenn ich einen Prada-Tag einlegte, dann machte ich einfach keine Kompromisse, Punktum.

Es gibt nur eine einzige Stadt auf der Welt, in der ein Taxi das denkbar coolste Fortbewegungsmittel ist, und das ist Venedig. Die schnittigen Holzboote mit ihren meist ebenso coolen Fahrern adeln jeden Benutzer und lassen, sofern man einen Sinn für Stil und Eleganz hat, Erinnerungen an Grace Kelly und Cary Grant aufleben. Aber ein venezianisches Taxi ist nicht nur Kult, es ist auch das schnellste und bequemste Verkehrsmittel zum Flughafen. Die Fahrt durch die Lagune ist einfach der direkte Weg.

Leider ist es auch die teuerste Variante. Ich nahm daher die zweitschnellste: ein Vaporetto der Linie Zweiundfünfzig zur Piazzale Roma, auf dem ich im Fahrtwind stehen musste und erbärmlich fror, und von dort den Direktbus zu Venedigs Flughafen Marco Polo.

Maike und Jasmin erwarteten mich bereits.

»Mein Gott, warum kommst du nur immer auf den letzten Drücker?«, fragte Maike mit einem tadelnden Kopfschütteln.

Ich warf ihr ein entschuldigendes Kusshändchen zu, griff nach dem Trolley und verschwand in der Damentoilette. Dort galt es, in Windeseile das edle Kostüm aus Wolle und Seide auszuziehen, vorsichtig zusammenzulegen und im Trolley zu verstauen, ein Kleid aus Kunstfasern überzustreifen, den Reißverschluss im Rücken unter Verrenkungen zu schließen und ein Halstuch umzuknoten, das aus einem Grund, den niemand auch nur ansatzweise begreift, immer noch zur Uniform gehörte. Die farblich passende Jacke aus Kunstfasern war zwar genauso hässlich, wie sie billig war, kam mir in dem Moment aber gerade recht, weil sie etwas wärmte. Dann musste ich noch die Schuhe tauschen, denn mehr als sieben Zentimeter Absatzhöhe gehören laut Berufsgenossenschaft zu den vermeidbaren Gefährdungen am Arbeitsplatz. Im Laufschritt ging es wieder aus dem Waschraum heraus und mit Maike und Jasmin im Gleichschritt, mit wiegenden Hüften und hoch erhobenen Häuptern an den Touristen vorbei, durch die Halle, zur Sicherheitskontrolle und durch das noch geschlossene Gate zu unserem leeren Flieger, den wir für den Rückflug nach Deutschland übernahmen.

Die Cabin Crew war damit vollzählig an Bord.

Es folgten die üblichen Handgriffe vor dem Boarding, das freundliche Lächeln, mit dem die Gäste an Bord begrüßt werden, der prüfende Blick auf das, was in den folgenden fünfundsiebzig Minuten auf uns zukommen würde. Als endlich alle saßen, kam der erste Rundgang, Kontrollblick zum Sicherheitsgurt, die ersten anzüglichen Bemerkungen perlten an uns ab. Zwei Säuglinge an Bord, mindestens einer würde bald schreien. Wenige Reisende in Anzügen, die Mehrzahl in sogenannter Freizeitkleidung, die jeglichen Geschmack vermissen ließ. Seit selbst renommierte Fluggesellschaften Billigflüge verramschten, wurde es immer schwieriger, den Kegelclubs zu entkommen, die in Scharen den europäischen Luftraum bevölkerten.

Schon im Steigflug spürte ich dann das Kratzen im Hals, auf Reiseflughöhe war die Nase verstopft, und im Sinkflug zog und zwickte es in den Ohren. Gut, dass Bordapotheken vollständig ausgestattet sind: Schmerzmittel, Erkältungsmittel, Mittel gegen Fieber, Halspastillen, Nasenspray und eine Handvoll Vitaminbonbons schienen mir eine angemessene Reaktion auf den Beginn eines Infektes, der sich kaum zu einem unpassenderen Zeitpunkt hätte ankündigen können. Zur Sicherheit, um wirklich alles Menschenmögliche getan zu haben, warf ich noch zwei Allergietabletten ein. Einen Arzt ausrufen zu lassen, damit er mir das ebenfalls vorhandene Antibiotikum verschrieb, hielt ich dann doch für übertrieben.

Eine drastische Fehleinschätzung.

»Auf Wiedersehen und gute Heimfahrt. Auf Wiedersehen, gute Heimfahrt. Aufwiedersehen guteheimfahrtaufwiedersehenguteheimfahrtwiedersehen …« Endlich hatte auch der letzte Passagier sein Handgepäck zusammengesucht und das Flugzeug verlassen.

»Na, freust du dich denn schon auf das nächste Wochenende?«, fragte Jasmin, während wir in unserer gewohnten Formation durch die Halle stöckelten: Maike vorneweg, Jasmin und ich jeweils einen Schritt hinter ihr, rechts und links leicht versetzt. Eine perfekte Formation, die sich ihren Weg auch durch größere Menschenmengen bahnen konnte. Das lag in erster Linie an Maikes imposanter Erscheinung. Sie ist die Personifizierung dessen, wovon Fluggesellschaften träumen, wenn sie Stellen für Flugbegleiterinnen ausschreiben. Ein skandinavischer, athletischer Typ, groß gewachsen, gut gebaut, das blonde Haar lang genug, um es in einem perfekten Knoten am Hinterkopf zu tragen. Ihr Gesicht ist nicht sehr fein geschnitten, aber durchaus schön, wenn man den etwas herben, nordischen Stil mag. Dazu passt ihre entschlossene Miene, die sie immer aufsetzt, wenn sie ihre kleine Schar treuer Gefährtinnen durch die Ankunftshalle schleust.

Maike ist immer perfekt geschminkt, denn sie hat sich vor Jahren für ein Permanent-Make-up entschieden, das sie nur noch durch ein Lipgloss ergänzen muss. Sie hätte Karriere als Model oder Schauspielerin machen können, aber sie zog eine frühe Hochzeit und zwei Kinder vor. Mit ihren mittlerweile fünfunddreißig Jahren gehört Maike zu eben jenen Heidis und Ursulas dieser Welt, die normale Menschen mit ihrer Zielstrebigkeit und Konsequenz das Fürchten lehren. Maikes zweiter Vorname müsste daher nicht Veronika, sondern Effizienz lauten, weshalb wir sie gelegentlich liebevoll Evi nennen. Sie erträgt diesen Spitznamen wie alles im Leben: mit unerschütterlicher Fassung.

Jasmin bildet rein äußerlich die Mitte zwischen Maike und mir. Sie ist etwas kompakter als Maike und nur einen Meter zweiundsiebzig groß. Ihr Gesicht ist pausbäckig und offen, ihr eigentlich straßenköterblondes, schulterlanges Haar in einem warmen Dunkelrot gefärbt. Jasmin hat fünf Brüder und einen entsprechenden Wortschatz, den sie aber nur in ganz dringenden Fällen von Pöbelalarm zur Anwendung bringt. Aus Jasmins Augen lacht einem der Schalk vorwitzig ins Gesicht, und sie ist praktisch immer gut gelaunt. Offiziell wohnt sie mit ihren achtundzwanzig Jahren noch bei den Eltern, aber tatsächlich wechselt sie die Adresse mit den Männerbekanntschaften. Im Notfall findet sie bei einem ihrer älteren Brüder oder auf meiner Couch Asyl.

Die Dritte im Bunde bin ich. Maria Luisa Rigoberta Martin, genannt Lulu. Tochter einer deutschen Bäckereifachverkäuferin namens Hannelore Martin aus Dorsten-Wulfen und eines weit entfernten Verwandten der spanischen Königsfamilie mit dem schönen Namen Juan Diego de Todos los Santes y Borbón, der die blasshäutige Deutsche im zarten Alter von achtzehn Jahren am Strand von Mallorca zur werdenden Mutter machte. Sehr zu meinem Bedauern haben mir meine Eltern ihre jeweils ungünstigsten körperlichen Merkmale vererbt: meine Mutter den eher kleinen, dafür aber an den Hüften recht ausladenden Körperbau und die schmalen Lippen, mein Vater die riesige Nase. Erfreulicherweise war im Genpaket meines Vater aber auch noch die Anlage für die dunklen Augen und das pechschwarze, kräftige Haar enthalten, während meine Mutter mir ein Talent für Fremdsprachen und eine sehr ausgeprägte Fantasie mit auf den Lebensweg gab.

»Ich kann kaum noch schlafen vor Aufregung«, antwortete ich auf Jasmins Frage mit rauer Stimme.

Sie grinste breit. »Sonne satt, der feinste Sand der Welt, Palmen, Kokosmilch bis zum Platzen …«

»Und keine Männer«, warf ich ein.

Das Grinsen wurde breiter.

»Jasmin!«, ermahnte ich sie. Die zweite Silbe ihres Namens ging in einem Niesanfall unter.

»Ist ja schon gut.« Sie lachte.

Ich seufzte.

Ich wusste, dass es hoffnungslos war. Mein dreißigster Geburtstag, den ich mit sieben Kolleginnen auf den Malediven verbringen würde, sollte das größte Ereignis meines ganzen bisherigen Lebens werden. Ein ganzes Jahr lang hatte ich die Party geplant. Es hatte mich all meine Überredungskünste und ein Abendessen gekostet, den Kollegen von der Dienstplanung dazu zu bringen, alle meine Gäste für diese drei Tage auf nicht verfügbar zu setzen. All mein Charme kam zum Einsatz, um die Flüge mit meinen aufgesparten Meilen, Anwartschaften und extra Vergünstigungen für uns fest zu reservieren, und das Hotel konnte ich mir nur leisten, weil der Marketingleiter des Resorts einen Narren an Maike gefressen hatte und ich ihm ihre Anwesenheit zusagte. Mehr aber auch nicht. Ich bin schließlich keine Kupplerin.

Maikes Bilderbuchmann und ihre Bilderbuchkinder unterbrachen unser Geplänkel, denn die Kleinfamilie stand, pünktlich wie immer und mit strahlenden Gesichtern, aufgereiht vor dem Familien-Van, um die Heimgekehrte in Empfang zu nehmen. Thomas, der Mustergatte, als freischaffender Ingenieur sowohl für ein halbes Einkommen als auch den größten Teil der Haushaltsführung zuständig, nahm Maike den Trolley ab, damit sich die blonden Töchter in ihre Arme stürzen konnten.

Jasmin und ich standen schweigend dabei. Wenn diese Lebensform auch nicht unseren Idealvorstellungen entsprach, schien sie Maike doch glücklich zu machen. Bevor sie einstieg, drehte sie sich noch einmal zu uns um, warf uns eine Kusshand zu und sagte zu mir: »Du weißt ja, ich komme aus Miami, aber ich bin pünktlich am Freitagabend im Hotel. Fangt bloß nicht ohne mich an.«

Ich versprach es und sah dem Van hinterher, der sich in die endlose Schlange des Verkehrs einreihte.

»Na, wenn das keine Überraschung ist«, sagte Jasmin neben mir und winkte heftig.

Ein Typ von maximal zwanzig Jahren, dessen Baggy-Jeans oben ein breites Unterwäsche-Gummiband freiließ und unten im feuchten Dreck der Straße hing, kam lässig auf uns zugeschlendert. Er trug eine Mütze, die ihm bis fast in die Augen reichte, und ein schlabberiges T-Shirt. Er schien nicht zu frieren, während ich in dem eisigen Wind schlotterte.

»Wer ist das denn?«, fragte ich leise.

»Danny«, flüsterte Jasmin. »Oder Benny?« Sie überlegte. »Keine Ahnung, aber er ist echt süß.«

Inzwischen war Danny-Benny bei uns angekommen. »Hey, Süße. Ich dachte mir, ich hole dich ab. Hast du Lust auf Gesellschaft?«, nuschelte er um ein Kaugummi herum.

Jasmin drückte mir einen Kuss auf die Wange. »Bis Freitag, Süße.« Dabei zwinkerte sie mir verschwörerisch zu.

Allein wollte ich mir kein Taxi nehmen, also schleppte ich mich zum Bahnsteig, fuhr nach Hause und ging sofort ins Bett. Schlaf hilft am besten gegen eine Erkältung.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, schwante mir Schreckliches. Mein warmer Frotteeschlafanzug, den ich am Vorabend aus der hintersten Ecke des Schranks hervorgekramt hatte, war klatschnass, ebenso wie meine Haare und das gesamte Bettzeug. Fieber. Mein leises Stöhnen ging in einen Hustenanfall über, und das Husten erzeugte einen sehr unangenehmen dumpfen Druck im rechten Ohr. Im linken hingegen war der Schmerz spitz und ziehend. Nicht schon wieder!, dachte ich.

Meine Ohren waren schon immer sehr empfindlich. Als Kind hatte ich mehrere Mittelohrentzündungen und musste von Oktober bis März Mützen tragen, was ich meiner Mutter nie verziehen habe.

Ich stand auf und ging ins Bad meines Ein-Zimmer-Apartments in Düsseldorf-Oberkassel. Als Flugbegleiterin verdiente man keine Reichtümer, aber Oberkassel war angesagt, deshalb wohnte ich dort. Da ich kein Auto hatte, störte mich die Parkplatznot nicht, und da ich nicht oft zu Hause war, bot ein Zimmer mir Platz genug.

Den Rest meines Geldes gab ich für Kleidung und Accessoires aus. Auch wenn ich das, was mir gefiel, im Secondhandladen kaufen musste, damit ich mir die angesagten Labels überhaupt leisten konnte.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich präsentabel hergerichtet hatte, aber ich lehne es grundsätzlich ab, ungepflegt aus dem Haus zu gehen. Ein einfacher Hosenanzug mit einem Rollkragenpullover erschien mir angemessen, dazu trug ich flache Schuhe mit einer warmen Einlegesohle aus Wolle. So ausgerüstet schaffte ich es endlich zur Praxis meines Hausarztes.

Das Wartezimmer war voll, und die Patienten sahen praktisch alle aus, als wären sie Statisten in einem dieser Filme, in denen ein geheimnisvolles Virus das Überleben der Menschheit infrage stellt. Na super, das würde wohl ewig dauern.

Zum Glück hatte der Arzt eine sehr gute Auswahl an Illustrierten in seinem Wartezimmer. Woran sonst sollte man feststellen, ob ein Arzt gut ist oder nicht? Warten musste man überall, und ob er die richtige Diagnose stellte und das richtige Medikament verschrieb, wenn man krank war, ließ sich schlecht überprüfen. Die Qualität der Zeitschriften war dagegen ganz einfach festzustellen.

Hatte der Arzt nur die Blätter für die Frau über sechzig abonniert, in denen Dirndl tragende Volksmusikanten in ihren Vollholz-Blockhäusern vor dem heimeligen Kaminfeuer abgelichtet waren, kam er für mich nicht infrage. Auch eine einseitige Ausrichtung auf Autos oder abgefahrene Sportarten wie Paragliding, Fahrradtrekking oder Canyoning interessierten mich nicht. Ich griff nach einer Zeitschrift, die sich mit aktuellen Wohntrends beschäftigte und hatte danach noch Zeit für Fashion, Beauty, Garten, Wellness und Klatsch über Stars und Sternchen, bis mein Name aufgerufen wurde.

»Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«

Mein Arzt sah aus wie jemand, der all seine guten Ratschläge selbst beherzigt. Er war schlank, braun gebrannt, sportlich, durch und durch gesund, wenn auch nicht mehr der Jüngste. Fünfzig war er sicher schon, aber das weiße Haar bildete einen sehr aparten Kontrast zu dem dunklen Teint. Er trug immer weiße Hosen und bunte Poloshirts, wie die Assistentinnen auch. Diese Woche war ein kräftiges Türkis dran, beim Besuch davor war es Schwarz gewesen. Zwar keine modischen Highlights (bunte, über der Hose getragene Poloshirts gehen eigentlich gar nicht), aber wenigstens keine Spur von weißen Kitteln oder anderen eindeutigen Begleiterscheinungen des kassenärztlichen Siechtums.

»Ich habe Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Fieber – und Ohrenschmerzen.«

Er bemerkte mein Zögern sofort, hob die Augenbraue und schaute auf seinen Computerbildschirm. »Sie sind Stewardess. Hatten Sie die Ohrenschmerzen schon bei Ihrem letzten Flug?«

Ich nickte.

Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich einen Spaß daraus machen, stundenlang über Krankheiten und ärztliche Untersuchungen zu reden, also machte ich die Sache kurz: Ich hatte eine leichte Entzündung auf der rechten und eine Mittelohrentzündung mit Riss im Trommelfell auf der linken Seite. Da ich auf Befragen zugeben musste, im linken Ohr ein leises Pfeifen zu hören und bei schnellen Bewegungen Schwindel zu verspüren, nahm er mir Blut ab. Ein Virus, das langwierige Ohrenleiden verursache, mache gerade die Runde. Auf jeden Fall, verkündete der Arzt mit entschlossenem Blick, erfordere jede einzelne Diagnose eine totale Flugabstinenz.

»Für wie lange?«, fragte ich mit zitternder Stimme.

»Sie haben eine sehr lange Krankengeschichte mit Ihrem Ohr und, ehrlich gesagt, befürchte ich eine chronische Entzündung, die Sie berufsunfähig machen könnte. Warten wir mal den Bluttest ab, aber ich tippe so auf ungefähr zehn Wochen.«

Ich schnappte nach Luft. »Das geht nicht.« Ich hörte selbst, dass mein Tonfall leicht hysterisch klang.

»Warum?«

Ich erzählte dem Arzt von meiner riesigen Geburtstagsparty, von den Kolleginnen, die Urlaub genommen hatten und mühsam von der Rufbereitschaft ferngehalten werden konnten, von den langen Vorbereitungen, den Flügen, dem Hotel, dem Sandstrand … Der Arzt schnalzte mitleidig mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Wenn Sie diesen Flug antreten, werden Sie vielleicht auf einem Ohr taub. Ist es Ihnen das wert?«

Ich drängte die Tränen zurück und schluckte mehrmals. »Nein«, krächzte ich.

Er legte mir in einer väterlichen Geste die Hand auf die Schulter und drückte leicht zu. »Es tut mir wirklich leid, aber bitte seien Sie vernünftig. Sie bekommen vorn an der Rezeption ein Rezept und die Krankmeldung. Lassen Sie sich einen neuen Termin in zwei Wochen geben. Alles Gute.«

Ich fühlte mich nicht in der Lage, meine Gäste sofort anzurufen, sondern nahm mir das für den Abend vor. Stattdessen warf ich die verschriebenen Medikamente plus ein Schlafmittel ein und rollte mich unter der Bettdecke zusammen, um die nächsten Stunden im Halbschlaf und friedlichem Vergessen vor mich hin zu vegetieren.

Leider funktionierte das mit dem Vergessen deutlich besser als geplant. Zwar überkam mich bei jedem Aufwachen die Erinnerung an meine geplatzte Geburtstagsfeier, aber mehr auch nicht. Drei Tage verbrachte ich im Halbschlaf zwischen Pillenschlucken, Fieberschlaf und Heulkrampf. Entsprechend scheußlich sah ich aus, als ich an meinem Geburtstag in den Spiegel schaute. Ich war sicher, dass die Krähenfüße, die Tränensäcke, die scharfen Falten von der Nase zum Mund und das stumpfe Haar nicht nur mit der Grippe zu tun hatten, sondern mich ab sofort auf meinem weiteren Lebensweg begleiten würden.

Ich war dreißig.

Uralt.

Ab jetzt ging es bergab.

Ich sah, wie meine Augen bereits wieder anfingen zu schimmern, als das Handy mich aus meinen Betrachtungen riss und den Anruf meiner Freundin Sabine ankündigte.

»Happy Birthday, meine Liebe, ach, wie ich dich beneide, du sitzt bestimmt gerade unter einer Palme oder schaukelst in einer Hängematte oder lässt dich von einem gut gebauten Eingeborenen massieren …«

Ich schluchzte los.

»Lulu? Lulu! Bist du das? Was ist denn los?«

Ich heulte lauter.

»Lulu?« Sabines Stimme wurde drängender. Sie machte sich Sorgen. Richtig so.

»Huuuuhhu«, jammerte ich ins Telefon. »Ich bin krank und liege zu Hause im Bett.«

Stille.

»Ich bin so uhuhuhunglücklich.«

Ein Weinkrampf machte jedes weitere Wort unmöglich.

»Ich komme«, sagte Sabine. »Halbe Stunde. Halte durch.«

Es dauerte eine Dreiviertelstunde, aber dann kam sie.

Sabine Winterberg ist die Freundin, mit der ich schon gespielt habe, als wir beide noch Windeln trugen. Damals waren Krabbelgruppen nicht so verbreitet, aber in Dorsten-Wulfen gab es eine. Es war eine Mischung aus privater Clique und Kindertagesstätte, in der fünf Kinder alleinerziehender Mütter von zwei Omas betreut wurden. Seitdem sind Sabine und ich befreundet, auch wenn sich unsere Lebenswege früh getrennt haben. Sabines Mutter heiratete wieder und zog nach Düsseldorf. Sabine und ich blieben befreundet. Sabine begann ihr Grafikdesignstudium, ich wurde Flugbegleiterin, aber wir hielten Kontakt. Sabine heiratete und ich war ihre Brautjungfer. Sie ließ sich scheiden, und ich organisierte eine Scheidungsfete mit allen Freundinnen auf Mallorca, bei der Sabine feststellte, dass sie lesbisch war. Die Feststellung hielt bis zur Rückkehr, dann wurde sie wieder nüchtern und hetero. Unser Kontakt war nicht so regelmäßig, wie es sich vielleicht für alte Sandkastenfreundinnen gehörte, aber im Zweifelsfall konnten wir uns aufeinander verlassen.

Dies war eindeutig ein solcher Fall.

»Willst du heulen, trinken oder reden?«, fragte Sabine, als sie hereinkam.

»Reden«, schluchzte ich an ihrem Hals.

»Dann hör auf zu heulen und stell den Schampus kalt, damit wir später zum Trinken übergehen können.« Sie drückte mir eine eisgekühlte Flasche Moët-et-Chandon Brut Impérial in die Hand. Sabine kümmerte sich eben auch um die Details.

Ich nahm ihr die Flasche aus der Hand und stellte sie in meinen Kühlschrank neben den Kirschjoghurt mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum. Ansonsten war der Kühlschrank leer.

»Schmeiß die Mikrowelle an, Kleines, hier kommt etwas zum Aufwärmen.«

Sabine reichte mir die Verkaufsverpackung eines Delikatessenhändlers, dessen Angebot weit über meinen finanziellen Möglichkeiten lag. Ich stellte die Schale in die Mikrowelle und drückte auf Start. Währenddessen packte Sabine den Korb aus, der voller Obst, Gemüse, Brot, Käse, Saft und Sprudeltabletten war. Magnesium und Kalzium, Zink, Multivitamin, Eisen, verschiedene einzelne Vitamine sowie Mineralien und Spurenelemente in Zitronen- oder Orangengeschmack.

Die Mikrowelle machte »Pling«.

»Putz dir die Nase, setz dich an den Tisch und entspann dich.«

Ich gehorchte. Sabine füllte die Suppe in einen tiefen Teller, gab mir einen Löffel und setzte sich mir gegenüber. Ich fing an zu essen. Himmlisch. Eine dicke, sämige, höllisch scharfe Gulaschsuppe, in der kein noch so kleines Fetzchen schwabbeliges Fett oder zähe Sehne zu finden waren, dafür aber viel dunkles, kräftiges Fleisch. Ich kratzte den letzten Rest aus dem Teller und lehnte mich zurück. Es ging mir schon etwas besser.

»Erzähl.«

Also berichtete ich. Von dem für Anfang Mai völlig untypischen, nasskalten Wind in Venedig, der beginnenden Erkältung, dem Riss im Trommelfell, dieser blöden Ohrenentzündung, mit der nicht zu spaßen war, und von den letzten drei Tagen, die ich kaum bewusst wahrgenommen hatte. Als mir einfiel, dass dies mein dreißigster Geburtstag war, fing ich wieder an zu heulen.

»Okay, dann gehen wir jetzt am besten zum Trinken über«, entschied Sabine und holte zwei Champagnerflöten aus dem Schrank. Ich besitze wenig Geschirr, aber die entscheidenden Dinge sind da.

»Alles Gute zum Geburtstag, Lulu-Maus«, sagte Sabine und zog mich auf die Beine. Dann umarmte sie mich fest. »Lass dich nicht hängen, es geht dir bald wieder gut, und dann holst du die Feier eben nach.«

Ich antwortete nicht, wusste aber genau, dass das nicht der Fall sein würde. Weder hatte ich das Geld für einen zweiten Anlauf, noch würde ich die Kolleginnen jemals wieder unter einen Hut bekommen. Wahrscheinlich saßen sie in diesem Moment auf einem winzigen Eiland im Indischen Ozean und warteten auf mich. Ich hatte ja niemandem Bescheid gegeben.

Um Himmels willen! Das wurde mir jetzt erst klar! Die sieben saßen am Strand und machten sich vielleicht die größten Sorgen. Sie konnten mich nicht einmal erreichen, weil die Insel einer der wenigen Orte dieser Welt ist, an dem es absichtlich keine Mobilfunk-Verbindung gibt. Ich hatte das für eine gute Idee gehalten, damit die Airline uns mit absoluter Sicherheit in Ruhe ließe. Jetzt sah die Sache gar nicht mehr so lustig aus.

»Ich muss unbedingt eine Mail an das Hotel schreiben«, sprudelte es aufgeregt aus mir heraus.

»Beruhige dich«, sagte Sabine. »Die Mail kann warten. Jetzt gibt es erst mal eine schöne Überraschung für die arme, kranke Lulu-Maus.«

Ich blickte sie überrascht und vielleicht ein bisschen alarmiert an. »Welche Überraschung?«

»Du ziehst um.«

Kapitel Zwei

»Ich fliege für drei Monate mit Holger nach Patagonien.«

Ich starrte Sabine an. Patagonien war ein menschenleerer Landstrich in Chile und in jedem Fall weit weg vom Kunstmuseum, dem Louvre, der Tate oder dem Guggenheim, wo Sabine sonst gern ihre freie Zeit verbringt.

Die Sache mit Patagonien überforderte mich in meinem geschwächten Zustand, also suchte ich einen anderen Zugang zu Sabines Plänen. »Wer ist Holger?«

»Der Mann meines Lebens.«

Sabines Augen strahlten. Alles an Sabine strahlte, wie mir in diesem Moment auffiel. Sie trug wie immer Schwarz von Kopf bis Fuß, aber ihre Haut strahlte, ihr platinblondiertes Haar strahlte, und die vielen silbernen Ringe, Ketten und Ohrringe strahlten auch.

»Seit wann?«, fragte ich.

»Seit zwei Wochen«, sagte Sabine feierlich.

Das beruhigte mich ein bisschen, denn meine letzte Erinnerung an einen Mann an Sabines Seite war verschwommen mit dem Namen Andreas verbunden. Oder Thomas? Definitiv nicht Holger. Ich war also nicht altersdement, weil mir der Name nichts sagte. Sabine hatte einfach mal wieder innerhalb weniger Tage den Mann ihres Lebens gewechselt. Der Letzte hatte wie lange gehalten …?

»Diesmal ist es der Richtige«, sagte Sabine.

»Ich hoffe es für dich«, entgegnete ich matt. »Was wollt ihr in Patagonien?«

»Wir wollen die Natur mit allen Sinnen erleben.«

In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken los. »Was heißt das?«

»Trekking. Mit Rucksack und Zelt und dann ab in die Pampa.«

Ich war unfähig, zu antworten. An Sabines Füßen sah man grundsätzlich High Heels, seit sie laufen konnte. Sie trug ausschließlich Markenklamotten, und zwar first hand. Sie wusch sich jeden Tag zweimal die Haare, färbte sie wöchentlich und ging alle acht Tage zur Maniküre, Pediküre und zur Kosmetikerin, die ihre ohnehin samtige Gesichtshaut mit feinst zermahlenem Muschelkalk aus den Sedimenten eines prähistorischen Meeres abschliff. Sie hatte seit der achten Klasse nichts mehr getragen, das schwerer als zwei Kilo war, denn immer fand sich ein Typ, der ihr den Tornister oder später im Studium die Tasche schleppte. Sie hatte seit dem Sportunterricht, dem sie meist mit fadenscheinigen Entschuldigungen fern blieb, keine körperliche Ertüchtigung mehr betrieben. Der Gang in die Sauna und das Abrubbeln des Körpers mit einer Massagebürste waren das Äußerste, das sie sich in dieser Hinsicht zumutete. Sie hatte niemals in einem Zelt übernachtet und öffnete selbst im Winter das Fenster ihres Innenstadt-Penthouses nur, wenn sie sich vorher davon überzeugt hatte, dass das Moskitonetz lückenlos und fest im Rahmen saß.

»Trekking«, murmelte ich fassungslos.

»Wir wollen unsere Zivilisationsfesseln ablegen und wieder ein Teil der Natur werden«, schwärmte Sabine. »Den Wind und den Regen im Gesicht spüren, ein Gefühl für Dimensionen gewinnen, indem wir alle Distanzen aus eigener Kraft zurücklegen und uns ganz auf uns selbst und unseren Platz im Kosmos besinnen. Wir sind alle Kinder derselben Erde, Lulu. Wir können nur überleben, wenn wir uns dessen wieder bewusst werden. Diese Reise wird eine Offenbarung.«

Das fürchtete ich auch.

»Und jetzt verstehst du auch, warum es so ein glücklicher Zufall ist, dass du die nächsten Wochen nicht fliegen darfst. Du kannst meine Wohnung hüten und dich um Sergeant Pepper kümmern. Ich wüsste ja sonst gar nicht, wohin mit ihm.«

Sergeant Pepper war Sabines Hund.

»Sabine, meinst du nicht, dass diese Sache mit dem Naturerlebnis ein bisschen, äh, übertrieben ist? Fang doch erst mal hier in Deutschland mit einer Wanderung an, um zu sehen, ob dir das überhaupt liegt …«

»In Deutschland wandern?« Sie sah mich an, als hätte ich ihr vorgeschlagen, in meinem Klo nach Lachs zu angeln. »Die Wege sind breit wie Straßen, an jedem Baum findest du eine Markierung, und ständig laufen dir Wandergruppen aus der Eifel in Kniebundhosen und karierten Hemden über den Weg.«

Diese Erkenntnisse musste sie von Holger haben, denn Sabine ist seit Jahren nicht mehr aus einer städtischen Agglomeration herausgekommen. Ein Spaziergang mit Sergeant Pepper am Rhein oder im Hofgarten war das Äußerste, das sie in Sachen Naturerlebnis zu bieten hatte.

»Und zelten? Versuch es doch erst mal hier …«

»Ach, Lulu, das ist ja lächerlich«, sagte Sabine mit einem Gesichtsausdruck, als müsste sie demnächst auf der Verkehrsinsel am Mörsenbroicher Ei, Düsseldorfs vermutlich verkehrsreichster Kreuzung, in einem Kunstfaser-Iglu übernachten. »Hier gibt es ja nur Campingplätze mit eingeteilten Parzellen und Stromanschluss und einem Waschhaus mit heißer Dusche. Das ist doch kein echtes Camping. Wenn schon, dann soll es gleich richtig sein.«

Unsere Champagnerflöten waren inzwischen leer. Zusammen mit den Medikamenten, der Müdigkeit, die mich nach der heißen Suppe überkam, und meinem geschwächten Zustand hatte das eine Glas mir bereits einen leichten Schwips beschert, aber angesichts der Neuigkeiten fühlte ich das dringende Bedürfnis, weiterzutrinken. Wir leerten die Flasche, während Sabine mir von Holger, dem wunderbarsten Mann der Welt, erzählte, und schliefen irgendwann nebeneinander auf dem Sofa ein.

»Na bitte, du siehst doch schon viel besser aus«, sagte Sabine am nächsten Tag gegen Mittag. Ich musste ihr recht geben, auch wenn ich inständig hoffte, dass dieser Status der Wiederherstellung meines äußeren Erscheinungsbildes noch nicht das Ende der Fahnenstange war. Die Kosmetikerin, der Sabine sich regelmäßig anvertraute, hatte auch bei mir ein wahres Wunder bewirkt. Nach einem Peeling, einer Bedampfung, einer Gesichts- und Dekolleté-Massage und einer Maske war meine Haut deutlich feinporiger, die Augen wirkten frischer, die Falten um Mundwinkel und Nase hatten einiges an Tiefe verloren. Ich schöpfte wieder Hoffnung für die Zukunft.

»Los jetzt, Holger erwartet uns schon«, drängelte Sabine und schob mich aus der Tür. Die Rechnung hatte sie bereits mit einer ihrer zahlreichen Kreditkarten beglichen. Als Geburtstagsgeschenk, wie sie sagte. Ich hakte sie unter und ließ mich von ihr durch die belebten Straßen führen.

Die Brasserie am Belsenplatz war wie immer voller Leben. Ich hatte den Ort des Kennenlernens aussuchen dürfen und mich für das Lokal ganz in der Nähe meiner Wohnung entschieden. Mindestens einmal im Monat aß ich dort, und jetzt, da ich die nächsten Wochen notgedrungen in der Stadt verbringen würde, wollte ich erst einmal richtig ankommen. Wenn es einen Ort in Düsseldorf gab, der mir das Gefühl von Heimat vermittelte, dann dieser hier.

Sabine warf sich in Holgers Arme, als hätten sie sich wochenlang nicht gesehen, was mir die Zeit für eine flüchtige Betrachtung der beiden als Paar gab.

Das Ergebnis war frappierend. Holger und Sabine waren der fleischgewordene Beweis für das Sprichwort, nach dem sich Gegensätze anziehen sollen: sie eher mittelgroß, von der Natur mit einer hervorragend proportionierten Figur ausgestattet, sehr gepflegt, sehr modisch, sehr städtisch, er dagegen mit einer Optik wie eine Vogelscheuche, die morgens noch Krähen vom Feld gejagt hatte. Holger war ein langer Schlaks, dünn wie ein Strichmännchen, mit schmalen, hängenden Schultern, Haaren in undefinierbarer Farbe und einer Wischmoppfrisur. Seine Kleidung bestand aus einer alten hellblauen Jeans, einem grün-schwarz karierten Holzfällerhemd, unter dem ein orangefarbenes T-Shirt hervorlugte, und Wanderschuhen. Sein kleiner Kopf war an allen sichtbaren Stellen spitz: spitzes Kinn, spitze Nase, spitze Wangenknochen, spitze Eckzähne. Warum kann ich seine Eckzähne sehen?, fragte ich mich plötzlich und realisierte, dass Holger mich mit seinen strahlend blauen Augen anblickte und breit lächelte. Beide Hände waren weit vorgestreckt, im nächsten Moment griffen sie zu und zogen mich an sich. Er drückte mich herzlich und gab mir ein Küsschen links, eins rechts. Sein ungezügelter Haarschopf kitzelte mich.

»… schon viel von dir erzählt«, bekam ich endlich mit.

»Jaaa …«, murmelte ich und kam mir vollkommen bescheuert vor. »Wollen wir uns nicht setzen?«

»Holger ist Politikwissenschaftler und Erdsystemforscher. Wir können diese Reise jetzt noch machen, bevor er seinen Lehrstuhl an der Uni Hohenheim antritt.«

»Erdsystemforscher?«, wiederholte ich zweifelnd. Davon hatte ich noch nie etwas gehört.

»Ja«, antwortete Holger, während er mit der einen Hand die Menükarte und mit der anderen Sabines Hand hielt. »Die Erdsystemwissenschaft verknüpft Wissen aus Natur-, Agrar- und Wirtschaftswissenschaften und wird jetzt zu einem eigenen Studiengang. Dort lernen die Studierenden, technologische, ökonomische und soziale Veränderungen in ihrem komplexen Zusammenhang einzuschätzen. Mit Fachidiotentum kommen wir bei den Herausforderungen, vor denen unsere und die nächste Generation stehen, nicht mehr weiter.«

Sabine folgte seinen Worten mit strahlenden Augen.

Ich nickte. »Ach so.«

»Es ist aber natürlich alles sehr technologie- und wissenschaftslastig. Da kann es nicht schaden, sich vorher noch einmal ganz auf die ursprüngliche Kraft der Natur einzulassen.«

»Klar«, entgegnete ich.

»Was isst du denn?«, fragte Sabine.

»Den Salat, aber bitte ohne die Putenbrust«, antwortete Holger. »Und du?«

Ich sah, wie Sabine mit sich rang, und erwartete ihre Antwort mit hochgezogener Augenbraue und einem flauen Gefühl im Magen.

»Ich auch.«

Spätestens in diesem Moment war mir klar: Sabine war diesem Mann mit Haut und Haar verfallen. Sabine ist nämlich eine leidenschaftliche, überzeugte, genüssliche Fleischesserin.

»Du bist Vegetarier?«, vergewisserte ich mich eigentlich unnötigerweise, aber aus reiner Gehässigkeit. Ich wollte Sabine diese Eigenschaft noch einmal in aller Deutlichkeit unter die Nase reiben.

Holger nickte. »Nur die christlichen Religionen stellen den Menschen über die Umwelt. Die Aufforderung: Mach dir die Erde untertan ist eine der größten Katastrophen der Menschheitsgeschichte. Man kann sagen, dass das Klimaproblem aus der christlichen Religion entstanden ist, weil der Mensch sich nicht mehr als Teil der Welt, sondern als ihr unabhängiger Herrscher empfindet. Das zeigt sich auch darin, dass man seine Mitgeschöpfe tötet und aufisst.«

Ich bemühte mich um einen interessierten Gesichtsausdruck, während ich mich an einen Artikel über die Lebens- und Essgewohnheiten der Menschen in Patagonien erinnerte, den ich erst kürzlich gelesen hatte. Darin hatte etwas über eine sehr fleischlastige Ernährung gestanden.

»Kennst du Patagonien? Warst du schon mal dort?«, fragte ich also. »Oder hast du schon mal so einen längeren Aufenthalt in der Wildnis …« überlebt, hätte ich fast hinzugefügt.

Holger winkte lächelnd ab. »Zu Frage eins: Nein. Zu Frage zwei: Ebenfalls Nein und zu Frage drei: Auch Nein. Und genau das ist der springende Punkt. Es ist wichtig, dass man sich auch mal auf etwas ganz Neues einlässt. Nur in der Bereitschaft, Bekanntes hinter sich zu lassen und sich dem Unbekannten rückhaltlos auszuliefern, liegt die Chance auf einen Erkenntnisgewinn.«

»Nun schau doch nicht so skeptisch«, rügte mich Sabine.

Anscheinend hat mein Interesse heuchelnder Gesichtsausdruck doch nicht funktioniert. Schade, diese intelligente Frau war eindeutig gerade dabei, mit einem in jeglicher Hinsicht blauäugigen Typen in ihr Unglück zu rennen. Und zwar rückhaltlos, wie Holger so schön formuliert hatte.

Ich nahm mir vor, Sabine ab sofort und gnadenlos zu bearbeiten, um sie von diesem Irrsinn abzubringen.

Ich greife der Entwicklung vor, wenn ich verrate, dass es mir nicht gelang. Dabei hätte ein Erfolg meiner Überredungsbemühungen nicht nur Sabine, sondern auch mir eine ganze Menge Scherereien erspart. Aber dazu komme ich noch.

»Hier ist das Hundefutter. Er bekommt zweimal am Tag jeweils vierhundert Gramm. Sonst wird er zu dick, sagt der Tierarzt.«

Sergeant Pepper, eine Promenadenmischung mit einem nicht unerheblichen Anteil Bobtail in seinen Genen, sah mich mit seinem treuherzigsten Blick von unten an, während Sabine mich instruierte. Dieser Hund hatte es wirklich drauf, so zu tun, als verstünde er jedes Wort.

»Du bist sicher nicht so streng mit mir, oder?«, schien er mich zu fragen. »Vierhundert Gramm sind ganz schön wenig für einen Kerl wie mich.«

Ich zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Sabine hatte unsere heimliche Verständigung natürlich gleich bemerkt.

»Kein Gramm mehr«, sagte sie in dem schneidenden Tonfall, der keinen Widerspruch zulässt.

Ich nickte. Sergeant Pepper und ich würden uns schon irgendwie einig werden.

»Die Espressomaschine kennst du ja.«

Ich nickte wieder.

»Wenn mit der Wohnung irgendetwas ist, wenn kein heißes Wasser da ist oder so, wende dich an Herrn Siebert im Erdgeschoss. Er ist so eine Art Hausmeister. Die anderen Leute sind auch nett, den neuen Typ aus der Wohnung unter meiner kenne ich nicht, der zieht gerade erst ein. Der wird dir keine große Hilfe bei Problemen am Haus sein.«

»Okay.« Ich versuchte, mir den Namen Siebert zu merken. Erdgeschoss. Hausmeister.

»Die Telefonanlage ist so eingestellt, dass eingehende Anrufe über meine Privat- und Geschäftsnummer auf eine Ansage umgestellt werden. Hinaustelefonieren ist kein Problem. Und wenn du dein Handy weiterleiten willst, kannst du das auf diese Nummer hier tun, die müsste ganz normal durchklingeln.«

Wir probierten es aus, und natürlich funktionierte es. Sabine ist eine Perfektionistin, in deren Leben alles funktioniert. Ihr Kühlschrank ist immer ordentlich gefüllt, wenn auch meist mit hochwertigen Convenience-Gerichten, ihr Gefrierfach immer eisfrei, alle elektrischen und elektronischen Geräte erfüllen die ihnen zugedachten Aufgaben absolut zuverlässig. Ich konnte es nicht fassen, dass sie all das für drei Monate mückenverseuchte Pampa aufgeben wollte.

»Was soll ich bloß zehn Wochen lang tun?«, fragte ich deprimiert, als Sabine an meinen Koffern vorbei zu ihrem Rucksack ging, ihn mit einem unglaublichen Kraftakt hochhob und auf die Schulter hievte.