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Eine Liebe, die unter der Last der Vergangenheit zu zerbrechen droht: Als Jens herausfindet, dass er im Gegensatz zu seinen Eltern nicht die Blutgruppe Null hat, bricht für ihn eine Welt zusammen. Bei Nachforschungen stößt er auf ein düsteres Familiengeheimnis, das er nicht ertragen kann: Er reißt von zu Hause aus und schließt sich einer Gruppe Jugendlicher an. Auf dem alten Fabrikgelände lernt Jens Chrissi kennen und lieben, doch ihre Gefühle zueinander werden von ihren familiären Problemen überschattet. Als Chrissi keinen Ausweg mehr sieht, versucht sie, sich das Leben zu nehmen. Nur noch Jens kann sie retten …
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Seitenzahl: 256
Peter Dempf
Roman
Kogges Hand legte sich auf Jens’ Schulter und brachte ihn für einen Moment aus dem Gleichgewicht
»He!«, protestierte Jens.
Es dauerte, bis er wieder sicher stand.
»Hast du eine Kippe?«, drängte Kogge.
Jens schüttelte den Kopf. Angela, die sich mit dem Rücken an ihn gelehnt hatte, musste ebenfalls die Haltung ändern, schmiegte sich aber wieder an ihn. Jens blondes Haar fiel auf Angelas Schultern.
»Bist du blöd, Kogge?«, schimpfte sie, doch der grinste nur.
Jens stand mit Angela und Fridde unter dem Vordach der Raucherecke des Jakob-Fugger-Gymnasiums.
In Kogges Gesicht kniete ein breites Lächeln.
»Wirklich gute Idee, Jens, aber du wirst die Bergler nie rumkriegen!«
Jens drückte Angela verärgert von sich. Rasch sah er zu ihr hin, aber seine Freundin blickte zu Boden.
»Woher weißt du das schon wieder?«, fragte er Kogge.
Jens überragte Kogge um einen halben Kopf. Seine Schultern hingen etwas nach vorn. Eine Hand hatte er in die Gesäßtasche seiner schwarzen Jeans gesteckt, mit der anderen hielt er Angelas kleinen Finger fest. Seine Jacke bauschte sich im Wind, der in Böen unter das Vordach fegte und die Rauchschwaden verblies.
»Kogge weiß alles, sieht alles, hört alles!«
Jens verzog den Mund und wandte sich direkt an Angela. Sie hatte sich weggedreht und unterhielt sich mit einer ihrer Freundinnen. Mit der freien Hand wedelte sie sich Zigarettenrauch aus dem Gesicht. Mit einem kurzen Ruck zog er an ihrem Finger. Angela schrie erschrocken auf. »Au. Du tust mir weh!«
Jens bedachte sie mit einem Stirnrunzeln.
»Warum hast du nicht den Mund gehalten«, blaffte er Angela an. »Du bist die Einzige, von der Kogge es wissen kann. Kann ich dir nichts erzählen, ohne dass du alles weiterplapperst?«
Angelas Körper straffte sich. Herausfordernd warf sie die Haare in den Nacken. Der Wind wehte ihr Strähnen über die Augen, die sie mit einer fahrigen Bewegung wegstrich. Jens hielt sie noch immer fest.
»Wenn ich es nicht weitererzähle, machst du einen Rückzieher. Wie letztens.« Angela sprach laut und den Kopf leicht zur Gruppe gedreht, damit die anderen aus ihrer Klasse mithören konnten. Sofort ebbten die Gespräche ab und alle wandten sich Jens und Angela zu.
Jens musterte Angela. Ihr Haar fiel glatt bis auf die Schultern, braun-blond meliert. Über den Lidern verlief ein goldener Lidschatten und die Wimpern waren mit schwarzer Tusche nachgezogen. Angela war sich bewusst, dass sie auffiel, dass sie bei den Jungs der Schule begehrt war, und sie versetzte ihm immer wieder solche Nadelstiche, von denen er nicht wusste, wie er sie nehmen sollte.
Eben jetzt strahlte sie in ihrer ganzen verletzenden Selbstsicherheit, und Jens fühlte, wie die anderen ihn darum beneideten, dass sie mit ihm ging. Alle wussten aber auch, dass Angela unberechenbar war. Und eben jetzt hätte keiner von den Jungs mit ihm tauschen wollen. Er ließ ihren Finger los. Für einen Augenblick glaubte er, Unsicherheit in ihren Augen zu erkennen, aber dann triumphierte Angela, als er leichthin sagte: »Die Bergler trickse ich aus! Ganz sicher.«
Er spuckte in den Wind und betrachtete den Bogen, den der Speichel in der Luft beschrieb. Sein Herz schlug wie wild, denn bis jetzt hatte er sich keine Gedanken darüber gemacht, wie er seine Biologielehrerin zu etwas zwingen sollte, was sie bereits einmal wortreich abgelehnt hatte.
Auch mit seinem Rückzieher letztens hatte Angela recht. Er hatte sich nicht getraut, »Picasso«, ihrem Kunstlehrer, ein leeres Blatt abzugeben und hatte die ganze Nacht wie verrückt gewerkelt und gemalt, um seine Collage doch noch rechtzeitig fertig zu bringen.
Kogge legte ihm wieder die Hand auf die Schulter. Er beugte sich zu ihm her und raunte ihm zu, so dass jeder, der es wollte, mithören konnte: »Wetten, du schaffst es nicht!«
Jens ließ seine Zunge über die Unterlippe gleiten. Der Wind schmeckte bitter und trug Regenfeuchtigkeit mit sich.
Die letzten Gespräche verstummten. Alle warteten auf Jens’ Reaktion.
»Abgemacht.«
»Worum wetten wir?« Kogge zögerte, dann glitt ein Lächeln über seine Lippen, das Jens nicht mochte. Kogges Einfälle waren gefürchtet. »Sagen wir, ich darf Angela küssen!«
Angela sog hörbar die Luft ein, wagte aber offenbar nicht zu widersprechen, schließlich hatte sie ihn zu diesem Deal angestachelt. Aber sie war bleich geworden.
Jens blieb ruhig. Wenn er jetzt nachgab, war es mit der Freundschaft zwischen Angela und ihm aus. Sie würde ihm niemals verzeihen, dass er sie als Wetteinsatz missbraucht hatte. Er brauchte etwas, was Kogge mehr anzog als ihr Kuss.
»Besser.« Er zögerte. »Besser wäre eine … Flasche Wodka, Kogge.«
Lange sagte Kogge nichts, musterte ihn und Angela, dann grinste er und streckte ihm die Hand hin. »Abgemacht.«
»Ihr seid Zeugen, damit er nicht kneift«, sagte Jens und deutete in die Runde.
Zustimmendes Kopfnicken.
Angela stürzte auf ihn zu und küsste ihn überschwänglich. Jens fühlte, wie ihm einige seiner Kameraden auf die Schultern klopften. Kogge hatte er ausgebootet. Doch lange konnte er sich an seinem kleinen Sieg nicht freuen.
»Wie willst du es anstellen?« Das war Kogges Art, Niederlagen in Siege zu verwandeln. Er hatte ihm ein Bein gestellt. Sein Pickelgesicht grinste ihn an. »Erzähl, Mann. Ich bin neugierig! Oder bläst du nur die Backen auf?«
Angela hielt ihn jetzt fest umschlungen. Die kleine Zwistigkeit von eben war vergessen. Jens fühlte, wie sie ihm in diesem Moment ganz gehörte, wie sie auf ihn setzte. Leise, nur für ihn und Angela hörbar, flüsterte er seine Antwort.
»Du wirst es schon sehen, Kogge. Wart’s ab!«
Die Schulglocke warf ihren Dreiklang in die Auseinandersetzung. Jens blickte kurz zu Boden, als wäre er durch die drei Töne wieder in den Schulalltag zurückgeworfen worden. Kogges Grinsen gefror. Jens ahnte, dass Kogge unsicher darüber war, wie seine Attacke gewirkt hatte. Abrupt drehte er sich um und verschwand in der Schülermenge, die zum Ende der Pause den oberen Stockwerken zuströmte. Die Schöße seines Mantels wehten hinter ihm her. Kogge trug einen dieser langen schwarzen Mäntel, die bis zu den Knöcheln hinab reichten und die zum Outfit der Matrix-Helden gehörten.
Bevor er verschwand, hob er die Hand und winkte damit. Darin lag sein Smartphone. Jens wusste, was das zu bedeuten hatte: Spätestens in fünf Minuten wusste die gesamte Schule Bescheid. Es gab für ihn keine Möglichkeit mehr, die Sache zu beenden, ohne als Feigling der Woche dazustehen.
Ein Schauer durchlief ihn. Scheiß-Idee!
Als Kogge ihm den Rücken zukehrte, wandte er sich Angela zu. Sie sah ihn von unten her an, und wenn der Anlass ein anderer gewesen wäre, hätte er sie wohl wild geküsst.
»Es wird ein Spaß, nicht wahr, Jens?«
Angela drückte sich heftig an ihn. Ihre Augen waren jetzt große schwarze Perlen in einem See aus Gold.
Jens nickte. »Die Bergler wird sich wundern. Und diese Schleimschnecke von Kogge …«
Jens beendete den Satz nicht. Er sah Kogge durch die offene Tür ins Schulhaus gehen. Mit dem Strom der Mitschüler ließ er sich nach oben treiben. Kurz bevor er ganz verschwand, blinkte sein in die Höhe gerecktes Smartphone und da klingelte bei Angela, ihm und bei den anderen auch schon die Mailbox. Sie hatten eine SMS erhalten. Er wollte sie gar nicht lesen.
»Der Mistkerl!«, hauchte er.
Die Gruppe unter dem Vordach löste sich langsam auf. Auch Jens ließ Angela los, die sich aber an ihn hängte und ihn zurückhielt.
»Jetzt komm schon. Du weißt, dass die Bergler eigen ist. Sie sperrt sonst die Tür zu«, drängte er.
Angela bot sich für einen Kuss an, aber Jens dachte an den Inhalt der SMS. Außerdem wollte er Angela bestrafen, weil sie nicht dichtgehalten hatte. Hätte er ihr gestern nur nichts erzählt. Seine Phantasie war wieder mit ihm durchgegangen, draußen, auf der Bank, im Licht der Bushaltestelle, neben Angela. Er hatte angeben wollen, sich wichtigmachen müssen, und sie hatte ihn beim Wort genommen. Ihm schwirrte der Kopf, weil ihm gestern alles so leicht erschienen war, was sich heute als Berg erwies. Die Bergler rumkriegen. Viele Lehrer ließen sich durch eine gezielte, ernsthafte Frage ablenken. Nicht die Bergler. Die verfocht in ihrem Unterricht eine klare Linie, ohne nach links oder rechts zu sehen. Angela wusste das – deshalb hatte sie Unterstützung gesucht. Ausgerechnet bei Kogge. Der wiederum hatte das alles zu einer Mutprobe, zu einer Wette aufgebauscht. Typisch. Angela und Kogge hatten ihn reingelegt. Sie wollten ihren Spaß haben. Aber nicht auf seine Kosten. Er würde ihnen einen Spaß verschaffen, aber nach seinen Regeln.
»Was hast du?«
Jens hörte aus ihrer Stimme einen besorgten Unterton heraus. Vielleicht hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn in diese Lage gebracht hatte.
»Ich muss mich vorbereiten, Angela«, erwiderte Jens und drückte ihr kurz die Hand. »Wir sehen uns in Bio.«
»Ich komme mit.« Angela einen Wunsch abzuschlagen, den sie sich in den Kopf gesetzt hatte, war schwerer, als einen zentnerschweren Steinblock aus dem Weg zu räumen.
»Ich habe eine Nadel dabei.«
Er fasste Angela am Arm und zog sie durch die Tür hinter sich her. Willig folgte sie ihm.
Vom Flur aus konnte man sehen, wie die ersten Lehrer das Lehrerzimmer verließen. Jens und Angela warteten noch einen Augenblick, bis sich die Bergler aus der Tür schob. Etwas dicklich, mit einem verhärmten Jungferngesicht und üppigen Augenbrauen sah sie erst auf den zweiten Blick aus wie eine Frau. Sie schleppte tagtäglich eine riesige Ledertasche an einem Schultergurt mit sich herum, ohne je einmal etwas daraus hervorzuholen. Ihr Notenbuch trug die Bergler in einer Gürteltasche, die aussah wie das Halfter einer Waffe. Die Lehrerin strebte dem Aufzug zu. Jens und Angela nahmen die Treppe.
»Es wird ein Spaß werden, Angela. Ich verspreche es dir.«
Langsam genoss er den Gedanken, die nächste Stunde damit zu verbringen, die Bergler zur Weißglut zu treiben.
Für ihn war das keine Frage. Schulische Probleme kannte Jens nicht und deshalb sahen ihm die Lehrer so manches nach. Auch die Bergler. Aber in regelmäßigen Abständen kitzelte es ihn einfach.
Er zog Angela weiter an der Hand hinter sich her in den zweiten Stock hinauf zu den Fachräumen für Biologie. Dabei musste er immer wieder in kurzen Stößen lachen.
»Was hast du?«, fragte Angela ihn und amüsierte sich ebenfalls.
»Ich stelle mir das Gesicht der Bergler vor, wenn ich zu ihr vormarschiere, die Nadel in der Hand!«
Jetzt lachte Angela ebenfalls. Sie holte ihr Smartphone aus der Gesäßtasche und tippte mit schnellen Daumenbewegungen eine Nachricht ein. Um sie herum piepsten und brummten die Geräte.
Jens strich sich seine Haare aus dem Gesicht. Als sie vor dem Fachraum Biologie ankamen, grinsten die Klassenkameraden. Sie hatten ihre Handys in der Hand und hatten wohl Kogges und Angelas Nachrichten gelesen. Alle wussten, was geschehen würde.
»Hast du sie sauber gemacht? Die Nadel meine ich?«, flüsterte Angela ihm ins Ohr.
»Zu Hause! Natürlich. Und dann in einen Plastikbeutel.«
Dabei klopfte er sich an die Brust. Die Nadel lag in ihrer Hülle in seiner Hemdtasche. Angela stellte sich vor ihn, griff mit ihren Händen in seine Gesäßtaschen und zog ihn an sich.
»Viel Erfolg!«
»Viel Spaß!«, gab er zurück.
In diesem Augenblick kam die Bergler den Gang herunter und schüttelte den Schlüsselbund. Die Klasse machte ihr Platz. Sie schloss auf, öffnete die Tür und ließ die Klasse an sich vorbei. Bereits beim Betreten der Klasse zählte sie die Schülerinnen und Schüler der 10a.
»Da sind wir heute ja vollzählig. Wunder über Wunder«, schnarrte ihre Stimme, die für eine Frau etwas zu tief lag.
Sie betrat das Klassenzimmer als Letzte und blieb mit dem Rücken zur Tür stehen. Aufmerksam beobachtete sie die 10a, wie sie sich in die nach oben ansteigenden Bankreihen zwängte. Dann gongte es zum Unterrichtsbeginn. Mit dem letzten Ton des Dreiklangs steckte sie den Schlüssel ins Schloss und sperrte ab. Den Schlüssel ließ sie stecken. Mit einem Ruck stellte sie ihre Tasche auf den Labortisch. Mit einer Hand strich sie die rötlichen Fliesen entlang, bis sie in der Mitte des Raumes stand. Die andere Hand hielt bereits das Notenbuch. Sie suchte sich einen Schüler für die Abfrage.
»Guten Morgen. Albert, kommen Sie bitte vor. Erzählen Sie mir etwas über den Inhalt der letzten Stunde. Wir haben uns über Blutgruppen unterhalten …«
Jens klopfte das Blut in den Schläfen und sein Atem flog. Die Zeit, in der Albert ausgefragt wurde, schlich dahin. Das Zimmer roch heute stärker nach Säuren und Putzmittel, nach Chemie und dem Formalin, das die Tiersammlung ausdünstete, als sonst. Er konnte sich in seiner Aufregung kaum auf das konzentrieren, was Albert dort draußen sagte, obwohl er wusste, dass die Bergler jeden Fehler gnadenlos auskostete. Sie korrigierte nämlich nie sofort, sondern ließ am Ende der Prüfung einen zweiten Schüler antanzen, der alle Fehler aufarbeiten musste – und zwar aus dem Gedächtnis, ohne ihre Hilfe.
»… mit dem Agglutinationstest kann man aus einigen Tropfen Blut und einem Testserum die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer bestimmten Blutgruppe ermitteln …«
Albert machte sicher eine Eins. Er war ein wandelndes Biologiebuch. Ihm fiel Bio zu wie anderen Melodien oder Wörter. Allerdings war das auch das Einzige, was man mit ihm bereden konnte. Albert wollte Biologie studieren. Irgendwann, wenn er das Abi geschafft hatte, was derzeit nicht danach aussah. Trotzdem lernte er nichts anderes und sezierte zu Hause heimlich Mäuse, deren Därme und Muskelfasern er in die Schule mitbrachte.
Jens’ Gedanken kreisten immer um dasselbe. Wie sollte er beginnen, wenn die nervtötende Abfragerei beendet war? Wie sollte er Frau Bergler dazu bringen, ihn gewähren zu lassen? Sein Kopf drohte ihm zu zerspringen und er presste die Hände gegen seine Schläfen, um einen Gegendruck aufzubauen.
»… so kann geschlossen werden, dass Eltern mit der Blutgruppe Null Kinder mit eindeutiger Blutgruppe, nämlich Null, zur Welt bringen. Kinder, die die Blutgruppe AB besitzen, entstammen Eltern, die zumindest einen Allelanteil A und einen Allelanteil B in ihrem Blut aufweisen. A- und B-Merkmale sind dominant. Das heißt, auch Menschen mit den Allelen A0 sowie B0 bilden dominante Blutgruppenbilder mit Antigen A und Antigen B aus …«
Als würde er eine Seite aus dem Biologiebuch herunterlesen, trug Albert diese Erklärungen mit seiner monotonen, gleichmäßigen Stimme vor. Die Bergler lächelte zufrieden. Dass er vergessen hatte, wie Jens registrierte, den Begriff Allel als Zustand eines Gens zu definieren, übersah sie einfach. Er lullte sie ein. Und dann kam einer von Alberts Obersätzen, auf die seine Klasse immer hoffte. Er flocht sie an Stellen ein, wo keiner es erwartete. Dafür war er berühmt. Knochentrocken und hammerhart. Diesen letzten Satz überhörte die Bergler einfach, weil ihre sonst sprichwörtlich füchsische Wachsamkeit von Alberts bühnenreifer Show eingeschläfert worden war. Der letzte Satz, den er sich leistete, riss selbst Jens vom Stuhl. Im gleichen Tonfall, mit derselben undurchsichtigen Miene, in derselben unbeweglichen Haltung schoss er seinen Pfeil ab, der die Klasse in einen Lärmkessel verwandelte.
»Und eigentlich hätte ich nichts dagegen, mit Ihnen ins Bett zu steigen!«
Die Klasse überschlug sich. Jens brüllte. Die Bergler zuckte erschrocken und wies Albert mit einem Wink zurück auf seinen Platz. Verstört und ein wenig unsicher sah sie die Klasse an, dann fuhr ihre Stimme dazwischen. Jens schlug sich noch einmal auf den Schenkel und wusste im gleichen Augenblick, dass dies ein Fehler gewesen war. Zurückhaltung zahlte sich bei der Bergler immer aus, emotionale Überschwänglichkeit wurde bestraft.
»Jens!«, schoss sein Name, von ihr abgefeuert wie ein Pistolenschuss, über die Reihen hinweg.
Die Klasse verstummte schlagartig, als hätte sein Name eine besondere Wirkung. Selbst die Bergler war überrascht und ließ den Blick argwöhnisch über die Klasse streifen.
In Jens stieg eine Ahnung hoch, als wäre das seine Chance. Langsam schob er sich aus der Bankreihe. Angela, an der er vorüber musste, gab ihm einen Klaps auf den Hintern. Die Klasse wusste sofort, dass jetzt etwas geschehen würde. Irgendetwas. Nur die Bergler hatte keine Ahnung, und das machte den Reiz aus.
Kogge lag ausgestreckt in seiner Bank, die Augen geschlossen, aber mit den Augenbrauen vollführte er Flaggenspiele. Albert, der ihm entgegenkam, grinste ihn an und zuckte mit den Schultern. Jens prüfte mit der Linken, ob er die Nadel noch immer in seiner Hemdtasche hatte. Kurz entschlossen nahm er sie heraus, fingerte an der Hülle herum und hielt endlich die Nadel zwischen Zeigefinger und Daumen. Die Bergler beachtete er keinen Augenblick.
Jens war bewusst, dass in diesem Moment mindestens drei Smartphone-Kameras auf ihn gerichtet waren. Sie würden jedes Detail, jede noch so kleine Bewegung unwiderruflich festhalten, jeden Versprecher, jede Unsicherheit, aber auch jede Frechheit. Und die Bergler hatte davon keine Ahnung. Jetzt konnte er nicht mehr zurück.
»Was haben Sie da?«
Jens erschrak, weil seine Biologielehrerin direkt vor ihm stand und ihn mit einem Blick maß, dem der Spott in den Augenwinkeln zuckte. Die Situation hatte etwas Lächerliches. Die Bergler war nur knapp über 1,60 groß, während Jens bereits die 1,95 Grenze anpeilte. Mit seinem Rundrücken beugte er sich beinahe über sie und seine Nadel hielt er, als wolle er damit zustechen. Die Bergler schien das Groteske ihres Auftritts nicht wahrzunehmen, aber die vorderen Reihen, allen voran Kogge, begannen zu glucksen und ihre Lacher hinunterzuwürgen. Sie ließ Jens stehen und wandte sich an Kogge.
»Was haben Sie zu blöken wie ein erstickendes Schaf?«
Kogge konnte nicht mehr an sich halten und prustete heraus, indem er einen Schleier feiner Tröpfchen in den Raum blies. Er hielt sich den Ärmel seines Mantels über die Augen, versuchte den Blicken der Bergler auszuweichen, wurde aber immerfort von heftigen Lachkrämpfen geschüttelt.
Jens besah sich den Labortisch, solange die Bergler Kogge in die Mangel nahm. Vor ihm aufgebaut lag eine niedrige Keramikschale, daneben zwei kleine Fläschchen mit Gummiverschlüssen, die Pipetten enthielten. Man konnte damit einzelne Tröpfchen der Flüssigkeiten aus den Flaschen absaugen. Jens stieg plötzlich der Herzschlag gegen den Adamsapfel. Wenn er sich richtig erinnerte, waren das die Seren mit den Antigenen gegen die Blutgruppen A und B, mit denen der AB0-Blutgruppennachweis geführt werden konnte: der Agglutinationstest. Letzte Woche hatte Frau Bergler ihnen die Nachweismethode erklärt.
Hinter ihm schrillte die Stimme der Bergler in einer Höhe und Lautstärke, dass die Klasse schlagartig verstummte. Nur Kogge konnte sich nicht beherrschen. Je tiefer sich Frau Berglers Gesicht rötete, je hysterischer ihre Stimme tobte, desto heftiger wurde Kogges Anfall. Für die Bergler war Jens unwichtig geworden.
Jens dagegen war aufgewühlt, sein Puls kämpfte gegen die Angst an, er schlug so stark, dass er ihn in der Kehle spürte. Der Geruch seines eigenen kalten Schweißes stieg ihm bereits übel in die Nase. Er sah kurz hinter sich und bemerkte, wie Angela die Kamera ihres Handys auf ihn drauf hielt. Sie konzentrierte sich derart auf die Aufnahme, dass sie Jens Blick nicht bemerkte.
Dann fasste er den Entschluss. Mit der Nadel stach er sich in den linken Zeigefinger, schnell und tief. Mit dem Daumen der anderen Hand half er nach. Sofort blähte sich ein Tropfen Blut an der Fingerspitze. Er ließ die Nadel fallen, ging einen Schritt vor und drückte zwei rote Tropfen in die Schale. Der Finger pulste unangenehm. Danach trat er hinter das Pult, nahm das erste Fläschchen und träufelte ein wenig Flüssigkeit auf das Blut.
Jens wusste, was herauskommen musste. Seine beiden Eltern besaßen die Blutgruppe Null, von daher durfte keines der beiden Seren mit den entsprechenden Antigenen reagieren. Sie sprachen nur auf die Blutgruppen A und B an. Nur wenn das Blut in beiden Serumtropfen klumpte, kam die Blutgruppe AB heraus. In seinen Adern floss nach dem Gesetz der Vererbung die Null-Gruppe. Allerdings hatte er keine Ahnung, welches Serum welchen Nachweis führte. Er schraubte das zweite Fläschchen auf und träufelte es auf die Schale.
In der Klasse herrschte Totenstille. Alle Blicke hatten sich von der Bergler abgewandt. Die Schüler beobachteten Jens, der das tat, was ihre Lehrerin in der letzten Woche strikt abgelehnt hatte, nämlich das Blut eines Schülers zu analysieren. Es sei verboten, weil die Gefahr einer Hepatitis nicht ausgeschlossen werden könnte. Außerdem gäbe es auch sonst Risiken, die nicht abzuschätzen seien, hatte sie spöttisch doppeldeutig bemerkt.
Mit hochrotem Kopf drehte sich jetzt auch die Biologielehrerin um. Sie hatte wohl gespürt, dass hinter ihr etwas vor sich ging, was die Aufmerksamkeit der Klasse auf sich zog. Zuerst war sie davon überrascht, dass Jens nicht mehr neben ihr stand. Schließlich musterte sie die Schale, dann den blutenden Finger und zuletzt Jens, der gerade auf die Flüssigkeit in der Schale starrte.
»Jens! Was fällt Ihnen ein? Sie können doch nicht …«
Weiter kam Frau Bergler nicht, denn hinter ihr klatschte die Klasse Jens Beifall. Angela stand auf und rief: »Bravo!«
Frau Bergler begriff die Situation schneller, als Jens es ihr zugetraut hätte. Mit nur einem Satz bekam sie die Situation in den Griff.
»Wenn Sie sich schon als Versuchskaninchen zur Verfügung stellen, Jens, muss man es nehmen, wie es ist. Sie haben mich überzeugt. Setzen Sie sich. Oder halt. Sagen Sie mir erst noch, welches Serum Sie auf welchen Tropfen Blut gegeben haben!«
Jens hatte einen Ausbruch erwartet, ein Toben, einen Aufschrei. Nichts dergleichen. Nach außen hin gleichmütig nahm die Bergler ihre Niederlage hin.
»Sie werden einen Grund haben, warum Sie Ihre Blutgruppe wissen wollten. Sie hätten es weniger spektakulär haben können. Wären Sie zum Blutspenden gegangen, wäre Ihre Blutgruppe dort automatisch ermittelt worden – und Sie hätten noch eine Cola und etwas zu essen bekommen. So einfach wäre es gewesen.«
Jens zeigte in seiner Verblüffung keine Reaktion.
»Sind Sie festgewachsen? Welches Serum wohin? Und dann marschieren Sie ab, Jens!«
Jens kam wieder zu sich. Verlegen zeigte er auf die Fläschchen mit den Seren, die er neben den jeweiligen Tropfen gestellt hatte. Frau Bergler zog einen Filzstift aus ihrer Umhängetasche und markierte sofort die Stellen mit einem Symbol. Jens schlenderte auf seinen Platz zurück. Stille begleitete ihn. Das Licht im Biologiezimmer schien plötzlich heller zu sein. Draußen regnete es nicht mehr, sondern die Sonne durchschnitt mit breiten Lichtbahnen die Wolkenbänke. Selbst der Geruch nach Chemie und Alkohol war scheinbar verschwunden. Jens’ Blick suchte den Angelas. Sie strahlte in ihrer Bank und warf ihm eine Kusshand zu. Sie deutete auf ihr Smartphone und reckte den Daumen in die Höhe. Alles im Kasten sollte das wohl bedeuten. Die Botschaft drang aber durch die Watte in seinem Gehirn nur undeutlich in sein Bewusstsein.
»Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, verklumpt eine der Proben bereits. Sie zeigt also eine Reaktion.«
Jens war aschfahl, mit roten Flecken am Hals. Er sah zu Kogge hinüber, der zerstört und missmutig auf seinem Stuhl lag und ihm durch ein Wiegen mit dem Kopf zu verstehen gab, dass er zugab, die Wette verloren zu haben. Jens zwängte sich zwischen den Kameraden, die ihm anerkennend auf den Rücken klopften, durch zu seiner Bank. Von Angela musste er sich ein weiteres Mal auf den Hintern klopfen lassen.
»Vom Ansatz her handelt es sich um eine in Mitteleuropa seltene Blutgruppe.«
Jens wollte sich setzen, aber die Nachricht fuhr ihm in die Beine. Wie elektrisiert drehte er sich nach Frau Bergler um. Blutgruppe Null war für Mitteleuropa normal, keine Seltenheit, hatten sie gelernt.
»Die Probe klumpt sauber. Eine Verwechslung ist also kaum möglich. Damit ist bewiesen, dass das Serum angeschlagen hat. Ich lasse die Schale nachher rumgehen. Beachten Sie die wässrige Flüssigkeit um den Blutklumpen herum, das ist nichtkontaktiertes Serum. Jens, Sie haben Blutgruppe B.«
Jens, der seit dem ersten Verklumpen diese Antwort erwartet hatte, es sich aber nicht hatte eingestehen wollen, versteinerte innerlich. Das konnte nicht sein. Mit einer Stimme, die er sich selbst nicht zugetraut hätte, sagte er in die Stille der Klasse hinein: »Sie müssen sich irren, Frau Bergler. Ich kann nicht Blutgruppe B haben.«
»Jetzt seien Sie doch froh. Blutgruppe B haben nur 10 Prozent der Bundesdeutschen. Der Rest verteilt sich eher gleichmäßig auf Null und A. In Asien wäre das anders. Dort ist Ihre Blutgruppe häufiger vertreten.«
»Es geht nicht!«, betonte Jens.
Diesmal sagte er es eindringlicher, so dass Frau Bergler ihn aus schmalen Augen fixierte. »Warum sollte das nicht möglich sein, Jens?«
Jens Mund trocknete aus. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen. Seine Hände und seine Knie begannen zu zittern, langsam erst, dann aber so stark, dass er mit einem Ruck in sich zusammenfiel und auf seinen Stuhl krachte.
»Jens!«, schrie Frau Bergler und stürzte in den Seitenaufgang, der zu Jens’ Bank führte.
»Bleiben Sie!«, meinte Jens, dessen Blick ins Leere lief. »Es geht schon. Meine Eltern. Ich habe meine Eltern nach ihren Blutgruppen befragt.«
»Und?«
Angela beugte sich plötzlich von hinten über ihn und streichelte seine Stirn, auf der kalt und klebrig der Schweiß stand.
»Sie haben beide Blutgruppe Null. Beide. Verdammt, ich müsste Blutgruppe Null in mir haben. Verstehen Sie, Blutgruppe Null!«
Frau Bergler richtete sich auf. Ihr Blick blieb bei jedem einzelnen Schüler kurz hängen. Langsam begann sie zu verstehen, was geschehen war. Jens hatte damit gerechnet, Blutgruppe Null zu analysieren. Aber jetzt stellte sich heraus, dass auf einem Allel ein B-Genotyp lagerte, und der war dominant. Was hieß, dass Jens Mutter zwar die Mutter war, aber sein Vater nicht der leibliche Vater sein konnte, bzw. umgekehrt.
Und eben das war es, was Jens begriffen hatte. Er sah zu Angela hin, deren Mund sich kräuselte, sah deren Smartphone auf sich gerichtet, sah den roten Punkt, mit dem es andeutete, dass die Aufnahme lief. Alles war im Kasten, alles, auch seine Niederlage.
In Jens Kopf verwirrten sich die Gedankenstränge. Er starrte auf die aufgeschlagene Doppelseite einer Zeitschrift, auf der über das riskante Leben der Acapulco-Springer berichtet wurde, die sich von hohen Felsen in die Wellenberge des Pazifiks stürzten, sah aber kaum etwas davon. Die Zeitschrift lag auf seinen Knien, die Augen wanderten über die schaumigen Brecher, aber in Gedanken lief er über den Schulhof.
Kogge war auf ihn zugekommen, kurz nachdem er aus dem Zimmer gestürzt war. Er hätte die Tür beinahe nicht aufgebracht, aber die Bergler ließ ihren Schlüssel immer stecken. Aus feuertechnischen Gründen. Aufschließen, aufreißen, hinaus stolpern war eins gewesen. Dabei waren ihm die Tränen übers Gesicht gelaufen, obwohl er es nicht gewollt hatte. Er wusste nicht genau, warum er davongelaufen war. Aus Scham davor, dass er heulen musste, oder aus Zorn darüber, dass er sich selbst in diese Situation hineingestoßen hatte. Warum hatte er auch diese blödsinnige Wette abschließen müssen? Er fühlte sich wie einer dieser Acapulco-Springer, der sich vom Felsen herabstürzte und während des Fluges feststellen muss, dass er den Wellenberg verpassen würde.
Und dann Kogge. Er war ihm offensichtlich nachgegangen, hatte sich auf der Bank im Schulhof neben ihn gesetzt. Kogge, der Freund!
»Du hast das gewusst, nicht?«, waren seine ersten Worte gewesen. »Das war alles geplant. Die Bergler ist echt fertig. Ich habe die noch nie so blass gesehen. Klasse, Mann! Den Wodka hast du dir echt verdient!«
Er hätte ihm eine reinhauen können, diesem Schwätzer und Schlaffi, der alles und jedes zerreden musste, der nie den Mund halten konnte und sich am Stolpern der anderen weidete.
»Hau ab, Mann!«, hatte er ihn angefahren, aber das war ein Fehler gewesen. Jetzt würde bald die ganze Schule darüber Bescheid wissen, dass es nicht geplant gewesen war, dass er eine Scheißinformation erhalten, dass er die Arschkarte gezogen hatte. Er hatte den Wellenberg verpasst. Er würde hart aufschlagen und bis zum Grund des flachen Strandbodens durchtauchen.
Dann war ihm die Idee gekommen: Dr. Szynski, sein Hausarzt, eigentlich der Hausarzt der Familie. Der hatte seine Praxis um die Ecke. Niemand wusste, ob der Blutgruppentest der Bergler wirklich sicher war. Alles Mögliche konnte passiert sein bei dieser Analyse. Konnte er nicht die Nachweise verwechselt haben? Vielleicht hatte in der Schale Restblut von anderen Versuchen geklebt. Vielleicht hatten er oder die Bergler die Schale verdreht und damit seine Blutprobe an eine andere Stelle gerückt. Schließlich durfte man Lehrern nicht trauen. Wer immer nur vorgab, das Beste für einen zu wollen, musste lügen.
Ohne abzuwarten, ob Angela herauskommen würde, und ohne weiter auf Kogges Fragen zu antworten, war er direkt zur Praxis von Dr. Szynski gerannt. Noch auf dem Weg dorthin hatte er sich per Handy einen Termin reservieren lassen. Er musste Gewissheit haben, bevor er nach Hause ging.
Das Wartezimmer war beinahe leer, jetzt, am Vormittag. Frau Kaiser, die Sprechstundenhilfe, hatte ihn sofort erkannt und sein Krankenblatt gezogen. Dass er sich einem Blutgruppentest unterziehen wollte, schien sie nicht weiter zu wundern. Erst Dr. Szynski runzelte die Stirn, als er seinen Wunsch, von Frau Kaiser eingetippt, auf dem Computerbildschirm des Behandlungszimmers las.
»Wofür ein Blutgruppentest, Jens?«
»Wir haben eine Blutspende fürs Rote Kreuz arrangiert. In der Oberstufe. Allerdings in abgespeckter Form. Wir sind ja keine Zielgruppe für die Blutspende-Dienste und außerdem nicht viele. Da rücken die nicht mit ihren Labors an. Ich muss meine Blutgruppe wissen, sonst darf ich nicht mitmachen«, log Jens das Blaue vom Himmel herunter.
Dr. Szynski hatte gezweifelt und ihn nicht behandeln wollen, aber sein Hinweis darauf, dass er über die Eltern privatversichert war und ein dringendes »Bitte« hatten ihn umgestimmt. Er hatte zuerst Jens’ Armbeugen untersucht und ihn dann ins Labor nebenan geschickt. Dort erwartete ihn bereits eine weitere Sprechstundenhilfe, die ihn das Hemd hochkrempeln ließ und ihm schließlich Blut abnahm. Seither saß er hier bei seinen Acapulco-Springern und wartete auf das vorläufige Ergebnis der Analyse.
»He, Junge, komm zu dir! Was ist denn los?«
Jens sah in das Gesicht von Frau Kaiser, der Sprechstundenhilfe. Sie betrachtete ihn besorgt.
»Ist dir schwindlig oder schlecht?«
Jens schüttelte den Kopf, obwohl es nicht stimmte. Ihm war leicht übel.
»Dr. Szynski möchte noch einmal mit dir sprechen.«
Jens erhob sich, dabei fiel ihm die Zeitschrift auf den Boden. Die Seite mit den Acapulco-Springern schlug zu. Bevor er sich bücken konnte, hatte die Sprechstundenhilfe bereits das Heft aufgehoben und zu den anderen auf dem Tisch mitten im Zimmer gelegt.
»Einfach geradeaus, hinterstes Zimmer!«, rief sie ihm noch nach.
Dr. Szynski empfing ihn mit einem Händedruck, der in Jens Augen etwas überschwänglich ausfiel.
»Also, Junge«, begann der Arzt, der sich wieder vor seinen Bildschirm gesetzt hatte und Informationen eintippte, »du hast ein ungewöhnliches Blut. Eine B-Blutgruppe mit interessantem negativem Rhesusfaktor. Die Zusätze können wir allerdings hier in der Praxis nicht analysieren. Dazu muss das Blut eingeschickt werden. Du kannst morgen gegen Mittag anrufen. Bis dahin haben wir die Ergebnisse. Du solltest dich trotzdem in eine Spenderkartei aufnehmen lassen. Menschen mit solchen Blutgruppen werden dringend gesucht und gebraucht. Ich kann dir anbieten …«