Bonnie Prince Charlie und die Jakobitische Rebellion 1745-1746 - William von Hassel - E-Book

Bonnie Prince Charlie und die Jakobitische Rebellion 1745-1746 E-Book

William von Hassel

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Beschreibung

Die tragische Gestalt des schottischen Prinzen Charles Edward Stuart faszinierte schon zu Lebzeiten die Gemüter seiner Mitmenschen. Gerade 24 Jahre alt ging er begleitet von einer Handvoll Getreuer an Bord eines kleinen französischen Schiffes und machte sich nach den Küsten Schottlands auf, um den Thron seiner Vorfahren zurückzugewinnen. Kein Unternehmen zu seiner Zeit war tollkühner ausgeführt, keines an Aussichtslosigkeit größer, und dennoch keines knapper gescheitert als seines. In diesem Buch schildert W. von Hassel die mitreißende Geschichte der Expedition des von seinen Anhängern liebevoll genannten "Bonnie Prince Charlie", vom unheilvollen Ende seines Traumes, und vom damaligen Scheitern des schottischen Freiheitskampfes.

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„Bonnie Prince Charlie“ um 1745.

Vorwort.

ICH will den glänzenden Anfang und das tragische Ende einer Unternehmung erzählen, die hinsichtlich der Geringfügigkeit der Mittel und der Kühnheit, mit der sie unternommen wurde, unübertroffen dasteht. In neuerer Zeit läßt sich ihr vielleicht nur der Zug des Hernán Cortez nach Mexiko vergleichen. Der Spanier zertrümmerte mit einer Handvoll Menschen ein großes zivilisiertes Reich. Wenig fehlte, und der Prinz Charles Edward Stuart hätte mit wenigen tausend Hochländern seiner Dynastie ein Reich von 21 Millionen Menschen zurückerobert.

Cortez wußte von der Macht des Staates, den er umzustürzen unternahm, so gut wie nichts. Er konnte aber nicht daran zweifeln, daß sein kleines Heer den Massen der Eingeborenen an Disziplin und Bewaffnung weit überlegen war. Der junge Prinz kannte die Zustände und die gewaltigen Hilfsquellen des Landes, welches er angriff. Aber das, was er davon wußte, konnte ihm die Schwierigkeiten der Aufgabe nur um so unübersteiglicher erscheinen lassen.

Die hannoversche Dynastie herrschte seit dreißig Jahren in Großbritannien. Vier Fürsten waren seit der Vertreibung Jakobs II. in ungestörter Reihenfolge aufeinander gefolgt. Das Heer Englands war kriegsgeübt und tapfer, wie kein zweites in Europa.

Dennoch versuchte der Abkömmling des vertriebenen Königsgeschlechts dies mächtige Reich mit einer Handvoll schlechtbewaffneter, zerlumpter Hochländer umzustoßen. Die Schiffe hatte er, wie Cortez, hinter sich verbrannt.

Die Umstände, welche dieses abenteuerliche Unternehmen erst beinahe gelingen, dann aber hoffnungslos scheitern ließen, sind ganz besonderer Natur. Aber ein eigentümlicher Zauber der Romantik ruht auf dieser Episode der englischen Geschichte. In diesem letzten der Stuarts hatte ein gütiges Geschick alle liebenswürdigen und glänzenden Eigenschaften seines Stammes vereinigt. Seine gewinnende Außenseite, der Schmelz seiner jugendlichen Erscheinung eroberten ihm im Fluge die Herzen seiner Anhänger. Noch jetzt lebt sein Bild in den Sängen und Erzählungen der schottischen Hochlande.

Die wunderbaren Erlebnisse des jungen Prätendenten haben den Verfasser schon seit langen Jahren angezogen. Indem er es versuchte, sie nach den besten Quellen wahrhaftsgetreu zu schildern, ist er sich der Mängel seiner Darstellung wohl bewußt. Indessen hofft er, daß das Interesse an dem Helden der vorliegenden Blätter den Leser gegen den ungeübten Schriftsteller Nachsicht üben lassen wird.

Inhalt.

Erstes Kapitel.

Geburt und Jugendjahre des Prätendenten. – Tod Jakobs II. – Anerkennung Jakobs III. durch Louis XIV. – Tod Wilhelms III. von Oranien, Thronbesteigung der Königin Anna. – Annahme der Act of Settlement. – Vereinigung von England und Schottland. – Französische Expedition zur Landung in Schottland. – Prozeß gegen die Jakobiten. – Tod des Prinzen von Dänemark. – Sturz des Ministeriums Marlborough-Godolphin und Erhebung der Tories. – Frieden von Utrecht. – Einladung an den Kurfürsten von Hannover, nach England zu kommen. – Intrigen der Königin Maria von Modena. – Zwist zwischen den Tories. – Tod der Königin Anna. – Thronbesteigung Georgs I. – Der Prätendent und seine Pläne. – Aufstand des Grafen von Mar. – Der Prinz Jakob landet in Schottland. – Huldigung der schottischen Großen. – Aufenthalt im Schlosse Scone. – Rückzug nach dem Norden. – Flucht des Prinzen. – Schicksal der Aufständischen im Norden. – Schicksal der Aufständischen in England. – Der Earl von Derventwater. – Die Gräfin von Nightisdale. – Exekutionen der Lords Derventwater und Kenmure. – Flucht des Grafen von Nightisdale. – Thomas Forster. – Andere Verurteilungen. – Rückkehr des Prätendenten, Sturz Bolingbrokes. – Weitere Pläne des Prätendenten; er geht nach Avignon und Rom. – Spanische Expedition nach Schottland. – Brautwerbung des Prätendenten. – Die Prinzessin Clementina und ihr Charakter. – Reise und Gefangennahme der Prinzessin. – Ihre Flucht. – Vermählungsfeier. – Geburt der Söhne. – Streitigkeiten am Hofe des Prinzen. – Die Prinzessin geht ins Kloster. – Äußerliche Versöhnung und Tod der Prinzessin. – Leben des Prätendenten und seiner Söhne um 1740.

Zweites Kapitel.

Innerer Zustand Englands nach dem Tode Louis XIV. – Die beiden ersten George. – Sir Robert Walpole. – Walpole erster Minister. – Carteret wird entlassen. – Streitigkeiten zwischen Georg I. und dem Prinzen von Wales. – Tod Georg I. – Walpole bleibt Minister. – Königin Caroline. – Maitressen des Königs Georg II.: Mrs. Howard. – Frau von Walmoden. – Nachsicht und Einfluß der Königin. – Zerwürfnis des Königs Georg II. mit Friedrich Wilhelm I. von Preußen. – Lord Townsend wird entlassen. – Entlassung des Lord Chesterfield. – Anwachsen der Oppositionspartei. – Streit zwischen Georg II. und dem Prinzen von Wales. – Charakter des Prinzen. – Tod der Königin. – Walpoles auswärtige Politik. – Einfluß der Kriegsereignisse bei Philippsburg. – Zustand der schottischen Hochlande. – Ausbruch des Krieges mit Spanien. – Tod des deutschen Kaisers Karl VI. und seine Folgen. – Sturz Walpoles. – Das Ministerium Carteret. – Schlacht von Dettingen. – Carterets Sturz. – Ministerium der Pelhams. – Tod des Kardinals Fleury, sein Charakter. – Ernennung des Kardinals Tencin zum ersten Minister in Frankreich. – Seine Pläne.

Drittes Kapitel.

Der Prätendent und seine Söhne in Rom. – Jakobitische Verschwörung in Schottland. – Abreise des Prinzen Charles Edward nach Frankreich. – Versuch einer französischen Landung in England. – Charles Edwards Pläne. – Einschiffung noch Schottland. – Begleiter des Prinzen. – Seekampf am Kap Lizard. – Landung in Schottland. – Innere Zustände Schottlands. – Kommunikationen. – Die Ortschaften des Unterlandes. – Innere Zustände der Hochlande. – Die Bewohner. –Lehnsverfassung. – Die MacDonalds und Campbells. – Die hochländischen Häuptlinge. – Hofhaltung der Häuptlinge. – Allgemeiner Charakter der hochländischen Erhebungen. – Militärische Organisation der Clane. – Charles verhandelt mit den Häuptlingen der Mac-Donalds. – Clanranald und Kinlochmoidart schließen sich an. – MacDonald von Sleat und MacLeod bleiben neutral. – Der Prinz in Borrodaile. – Cameron von Lochiel erklärt sich für ihn. – Charles in Kinlochmoidart. – Niederlage der englischen Kompanien des Kapitän Scott. – Aufpflanzung der Fahne der Stuarts in Glenfinnan. – Vormarsch gegen den Corry-Arrack.

Viertes Kapitel.

Sir Duncan Forbes, Lord-Präsident von Schottland. – General Cope. – Die englischen Streitkräfte in Schottland. – Der Marsch in die Hochlande beschlossen. – Der Marsch in die Hochlande. – Ausweichen nach Inverness. – Charles Edward marschiert auf Edinburgh. – Aufenthalt in Perth. – Lord George Murray. – Der Herzog von Perth. – Weitermarsch nach Süden, Einzug in Falkirk. – Lord Kilmarnock. – Marsch nach Linlithgow. – Innerer Zustand in Edinburgh. – Gefecht von Colt-Bridge. – Kapitulationsverhandlungen. – Die Hochländer nehmen Edinburgh. – Charles in Holyrood. – Hepburn von Keith. – Ballfest in Holyrood. – General Cope marschiert gegen Edinburgh. – Aufbruch der Hochländer. – Der Abend vor der Schlacht. – Die Schlacht bei Prestonpans. – Vollständige Niederlage der Engländer. – Einzug der Camerons in Edinburgh. – Flucht der englischen Reiterei. – Charles’ Einzug in die Hauptstadt.

Fünftes Kapitel.

Rückkehr des Königs Georg. – Intrigen Carterets. – Ankunft der Unglücksnachrichten in London. – Rüstungen in England. – Die Milizen. – Stimmung der Bevölkerung. – Zustand der englischen Armee. – Die englische Geistlichkeit. – Die Tories. – Ansichten des Prinzen Charles Edward. – Charles’ Unterhandlungen mit den hochländischen Häuptlingen. – Lord Simon Lovat. – Lord Olgivie. – Die Gordons, MacPherson von Cluny, Lord Pitsligo. – Das Lager von Duddingstone. – Lord Elcho. – Lord Balmerino. – Ausrüstung der Artillerie. – Unterhandlungen mit dem französischen Hofe. – Landung französischer Schiffe. – Innere Verwaltung Schottlands. – Stimmung der Presbyterianer. – Die presbyterianische Geistlichkeit. – Regierung Charles’, Proklamationen. – Einfluß der Frauen. – Hofhaltung in Holyrood. – Das Schloß in Edinburgh. – Behandlung der englischen Gefangenen. – Der Vormarsch nach England beschlossen.

Sechstes Kapitel.

Einmarsch der Hochländer in England. – Belagerung und Einnahme von Carlisle. – Der Feldmarschall Wade bleibt untätig bei Newcastle stehen. – Charles erhält ungünstige Nachrichten aus Schottland. – Streitigkeiten unter den hochländischen Führern. – Kriegsrat in Carlisle. – Weitermarsch der Hochländer nach Süden. – Innerer Zustand des hochländischen Heeres. – Eindruck der Erscheinung des Prinzen. – Gleichgültigkeit der Bevölkerung Englands und ihre Ursachen. – Unerwartet veränderte Stimmung in Manchester. – Formation des „Manchester-Regiments“. – Der Weitermarsch nach Derby beschlossen. – Mrs. Skyring. – Umgehung des Herzogs von Cumberland. – Einzug in Derby. – Die Häuptlinge verlangen die Umkehr nach Schottland. – Abmarsch der Hochländer nach Norden. – Der „Schwarze Freitag“ in London. – Charles’ wirkliche Aussichten in Derby. – Der Herzog von Cumberland bricht zur Verfolgung auf. – Untätigkeit des Feldmarschall Wade. – Weiterer Rückzug der Hochländer nach Penrith. – Gefecht bei Clifton. – Rückzug der Aufständischen nach Carlisle. – Das „Manchester-Regiment“ wird in Carlisle zurückgelassen. – Die Hochländer passieren die schottische Grenze.

Siebentes Kapitel.

Zustand in Schottland. – Die Hochländer in Dumfries. – Weitermarsch nach Glasgow. – Charles’ Aufenthalt in Glasgow. – Kapitulation von Carlisle. – General Hawley. – Die Hochländer belagern Stirling. – Die Stadt Stirling kapituliert. – Mirabelle de Gordon. – Anmarsch des General Hawley. – Die Hochländer konzentrieren sich bei Bannockburn. – Abmarsch zum Angriff. – Überraschung im englischen Lager. – Schlacht bei Falkirk. – Aufstellung der Hochländer. – Angriff und Niederlage der englischen Reiterei. – Niederlage der britischen Infanterie. – Der rechte englische Flügel deckt den Rückzug. – Die Hochländer verfolgen nicht. – Streitigkeiten zwischen den Clanen Clanranalds und Glengarrys. – Gegenseitige Verluste der Armeen. – Rückzug der Engländer nach Edinburgh. – Brand von Linlithgow. – Eindruck der Niederlage in London. Folgen der Schlacht. – Die Häuptlinge verlangen den Abmarsch nach Norden. – Aufhebung der Belagerung, von Stirling.

Achtes Kapitel.

Der Herzog von Cumberland. – Der Herzog in Holyrood. – Entsatz von Stirling. – Abmarsch der Hochländer nach Norden. – Lady MacIntosh. – Der „Rout von Moy“. – Einnahme von Inverness. – Eintreffen der Kolonne Sir George Murrays. – Der Herzog von Cumberland rückt nach Aberdeen. – Ministerkrise in England. – Kriegsereignisse in Atholl. – Belagerung des Schlosses Blair-Atholl. – Entsatz von Blair durch hessische Truppen. – Die gefangenen englischen Offiziere. – Charles Edwards Aufenthalt in Inverness. – Unglückliche Unternehmung gegen das Fort William. – Verzweifelte Situation des Rebellenheeres. – Der Herzog von Cumberland eröffnet die Operationen. – Die Engländer durchfurten den Spey. – Eintreffen der Unglücksnachrichten in Inverness. – Ausmarsch der Hochländer zur Schlacht. – Kriegsrat in Culloden-House. – Versuch, das feindliche Lager zu überfallen. – Rückkehr nach Culloden-Moor. – Anmarsch des englischen Heeres. – Aufstellung der Hochländer. – Aufmarsch der britischen Armee. – Beginn der Schlacht. – Unglücklicher Angriff des rechten hochländischen Flügels. – Untätigkeit des linken Flügels der Hochländer. – Der Prinz wird in die Flucht fortgerissen. – Verfolgung der Engländer. – Schreckliche Lage der Verwundeten. – Grausame Behandlung der Gefangenen. – Gefangennahme des Earl von Kilmarnock. – Lord Balmerino und der Earl von Cromartie gefangen. – Folgen der Schlacht. – Charles’ Flucht vom Schlachtfelde. – Weitere Flucht nach der Westküste Schottlands. – Ankunft in Glebiasdale. – Eine Botschaft Murrays wird ablehnend beantwortet.

Neuntes Kapitel.

Der Herzog von Cumberland pazifiziert die Hochlande. – Ende des Präsidenten Forbes. – Flucht des Lord Murray, des Herzogs von Perth und des Mr. Sheridan. – Tod des Lord Strathallan. – Ende des Lord Pitsligo und des Marquis von Tullibardine. – Flucht und Gefangennahme des Lord Lovat. – Rückkehr des Herzogs von Cumberland nach London. – Charles flieht nach den Long-Islands. – Landung in Benbecula. – Versuch, nach Stornaway auf der Insel Lewis zu gelangen. – Rückkehr nach Benbecula. – Charles’ Aufenthalt auf South-Uist. – Flucht von South-Uist und Rückkehr dahin. – Flora Mac-Donald. – Flora verabredet mit Neil MacKechan den Rettungsplan. – Gefährliche Situation des Prinzen auf Benbecula. – Flucht Charles’ mit Flora MacDonald nach Skye. – Lady MacDonald und MacDonald von Kingsburgh helfen zur Rettung des Prinzen. – Der Prinz flüchtet nach Kingsburgh-Hall. – Flucht nach Portree, Trennung von Flora MacDonald und Neil. – Floras Gefangenschaft und Ende. – Charles’ Aufenthalt auf Raasey und Rückkehr nach Skye. – Rückkehr nach dem Festlande von Schottland. – Charles ist ganz von Soldaten eingeschlossen. – Flucht mitten durch die feindliche Postenlinie. – Der Prinz bei den „sieben Männern von Glenmoristan“. – Charles vereinigt sich mit Lochiel von Cameron und MacPherson von Cluny. – Einschiffung der Flüchtlinge nach Frankreich. – Rückblick auf die Persönlichkeit Charles Edwards.

Zehntes Kapitel.

Hinrichtung der Offiziere des „Manchester-Regiments“. – Rührende Episode des James Dawson. – Verurteilung der Earls von Kilmarnock und Cromartie und des Lords Balmerino. – Der Earl von Cromartie begnadigt. – Die Todesurteile von Balmerino und Kilmarnock bestätigt. – Die Exekutionen. – Kilmarnocks Ende. – Tod des Lord Balmerino. – Drei schottische Offiziere hingerichtet. – Exekutionen in Carlisle, Brampton, Penrith und York. – Weitere Hinrichtungen in London. – Tod des Grafen von Derventwater. – Verurteilung und Hinrichtung des Lord Lovat. – Murray von Broughton. – Unglückliches Ende des Dr. Archibald Cameron. – Allgemeine Betrachtungen über die Bluturteile. – Anteil Georgs II. an den Gerichtssprüchen. – Die Jakobitenpartei wird macht- und einflußlos.

Elftes Kapitel.

Empfang des Prinzen Charles in Paris und am französischen Hofe. – Gleichgültigkeit der französischen Minister. – Charles’ vergebliche Reise nach Spanien. – Der Prinz Henry wird Kardinal. – Der Prinz wird gefangen und mit Gewalt über die französische Grenze gebracht. – Charles in Avignon. – Des Prinzen Aufenthalt in Lüttich und Bouillon, seine Besuche in England. – Tod des alten Prätendenten, Charles geht nach Italien. – Charles heiratet die Prinzessin Louisa von Stolberg-Gaedern. – Louisas Flucht und weitere Schicksale. – Charles’ letzte Lebensjahre und Tod. – Schicksale und Ende des Kardinals von York. – Schluß.

Erstes Kapitel.

AM 10. Juni 1688 zwischen 9 und 10 Uhr morgens wurde in dem St. James-Palast zu London dem Könige Jakob II. von seiner zweiten Gattin, der Prinzessin Maria von Modena, ein Sohn geboren, welcher am 15. Oktober in der Taufe den Namen „Jakob1 Francis Edward“ erhielt.

Lange Zeit hatte es den Anschein gehabt, als wenn mit dem Vater des Kindes die Reihe der Könige aus dem Hause der Stuarts enden wollte. Man hatte sogar auf ein baldiges Eintreten dieses Ereignisses gehofft; denn alle Parteien waren mit einer Regierung unzufrieden, welche den Katholizismus wieder in England einzuführen strebte, die Rechte des Parlaments antastete, die anglikanischen Bischöfe einkerkerte und irische Regimenter nach England kommen ließ, um den im Volke beginnenden Geist des Aufruhrs zu dämpfen. Die mürrische verschlossene Natur Jakob II., seine bigotte Anhänglichkeit an den päpstlichen Stuhl und die Unterwürfigkeit, mit welcher er das Bündnis Louis’ XIV. suchte, hatten ihm die Gemüter selbst aller derjenigen entfremdet, die bis dahin die treuesten Anhänger seines Hauses gewesen waren. Niemand, er mochte so hochgestellt sein wie er wollte, fühlte sich sicher vor den Machtsprüchen des finsteren blutdürstigen Tyrannen. Die Nation erwartete also mit Ungeduld den Zeitpunkt, wo die Regierung in die Hände seiner ältesten Tochter aus dessen erster Ehe übergehen mußte. Die Prinzessin Maria war an den Prinzen Wilhelm III. von Oranien, Erbstatthalter der Niederlande, verheiratet. Ihre Milde und Liebenswürdigkeit, namentlich aber das Genie ihres Gemahls versprachen eine ruhige glückliche Zeit. Indes wuchs die Unzufriedenheit mit der bestehenden Regierung in England von Tag zu Tage, und es schien um so mehr gewagt, auf den natürlichen Eintritt der Erbfolge zu warten, da der König Jakob die Absicht äußerte, seine ältere Tochter zu enterben und die jüngere zu seiner Nachfolgerin zu ernennen.

Man mußte also daran denken, den Wechsel zu beschleunigen. Bereits im Jahre 1687 waren durch einige englische Große Verhandlungen mit dem Hofe am Haag angeknüpft. Der König Jakob II. sollte entthront werden, Wilhelm in England landen und an seiner Statt die Regierung übernehmen.

Mitten innerhalb dieser Vorbereitungen, die sehr geheim betrieben werden mußten, verbreitete sich das Gerücht, daß die Königin sich in gesegneten Umständen befinde. Niemand wollte es glauben, obgleich weder das Alter der Königin, noch der Körperzustand des Königs die Nachricht unwahrscheinlich machten.

Gewisse Ungeschicklichkeiten und unglückliche Zufälligkeiten veranlaßten, daß bei der Niederkunft von den großen Würdenträgern des Reichs nur wenige zugegen waren, und gerade diese waren dem Volke verdächtig. Auch die Prinzessin Anna war nicht zur Stelle, Es verbreiteten sich Gerüchte über ein geheimnisvolles Unterschieben eines Kindes. Man flüsterte sich zu, eine der Wärterinnen habe ein solches statt einer Wärmflasche ins Bett der Königin praktiziert. Es zirkulierten sogar Broschüren in London, worin diese ganze Operation genau beschrieben und mit einem Croquis erläutert wurde. Dazu hatten die katholischen Priester in den vorhergegangenen Monaten mit großer Bestimmtheit vorausgesagt, daß ein Prinz geboren werden würde. Als nun ein solcher wirklich das Licht der Welt erblickte, glaubten neun Zehntel der Bevölkerung, daß ein ungeheurer Betrug stattgefunden habe und daß ein katholischer Wechselbalg ausersehen sei, um einst das protestantische England zu beherrschen.

Der Unmut in London nahm also, statt sich zu vermindern, zu und das unglückliche Kind, das in der Wiege dazu bestimmt schien, drei Königreiche zu regieren, wurde unrettbar mit in den Sturz der Dynastie hineingezogen.

Wenige Monate nach seiner Geburt landete Wilhelm von Oranien an der britischen Küste. Fast ohne Widerstand konnte er mit seinem Heere nach London vorrücken. Alles fiel ihm zu, und noch auf dem Arm der Mutter mußte der junge Prinz als heimatloser Flüchtling bei Nacht England verlassen. Die Küste seines Vaterlandes sollte er nur einmal wiedersehen, um dann nach kurzem Erfolge für immer in die Verbannung zurückzukehren.

Zunächst fand die vertriebene Königsfamilie in Versailles Zuflucht, wo sie Louis XIV. mit wahrhaft großmütiger und hochherziger Gastfreundschaft aufnahm.

Der Prinz von Wales war noch ein unmündiges Kind, als Jakob II. den vergeblichen Versuch machte, sein Königreich wieder zu erobern, welcher in der Schlacht am Flusse Boyne (Juni 1690) sein klägliches Ende fand. Er war ein Knabe, als Wilhelm von Oranien nach dem Tode seiner Gemahlin ihm unter der Bedingung die Thronfolge zusichern wollte, daß sein Vater ihn in England im protestantischen Glauben erziehen ließe. Jakob II. wollte auf diesen Vorschlag nicht eingehen. Er huldigte nicht der Ansicht des Königs Henri IV. von Frankreich.

Ihm galt eine Messe mehr als die Krone dreier Reiche. So kam es, daß sein Sohn während eines langen Daseins von 76 Jahren stets nur Enttäuschungen erlebte und daß alle Fehler und Sünden seiner Vorfahren sich an ihm rächten.

Ein feindliches Geschick wollte es, daß selbst sein treuester und mächtigster Bundesgenosse seine Interessen in dem Augenblicke am kräftigsten vertrat, wo jede Parteinahme nur schädlich wirken konnte und ihn in einem Zeitpunkte verließ, wo der Erfolg fast gewiß schien.

Als der König Jakob II. den 16. September 1701 sein Leben beschloß, konnte er seinem Sohne nichts hinterlassen, wie seine Ansprüche und die wahrhaft aufopfernde Freundschaft Louis XIV. Aber zu der Zeit stand ein Europäischer Konflikt wegen der spanischen Thronfolge in naher Aussicht. Der französische Monarch wollte seinem Enkel Philipp die glänzende Erbschaft verschaffen. Die Interessen Frankreichs verlangten deshalb gebieterisch, daß für alle Fälle der Frieden mit England aufrecht erhalten werde, den man eben durch einen Vertrag und die Anerkennung Wilhelms gesichert hatte. In einem Rat, der kurz nach dem Tode Jakobs versammelt wurde, waren sämtliche französische Minister dieser Ansicht. Der König allein war dagegen.

Die Frau von Maintenon, welche von seiten der englischen Königsfamilie mit großer Aufmerksamkeit behandelt war, nahm warmes Interesse an ihrem Unglück. Sie hatte den alternden Louis im voraus für eine Handlungsweise zu bestimmen gewußt, welcher seine eigene Großmut und sein Mitleid ihn schon geneigt gemacht hatten, die aber den Interessen Frankreichs gänzlich zuwiderlief. Louis versicherte den britischen Monarchen noch auf dem Sterbebette seiner Freundschaft. Wenige Tage nachher verkündeten die Herolde von der Schloßterrasse zu Versailles das Hinscheiden Jakob II. und die Thronbesteigung seines Sohnes, Jakob III., als König von England, Schottland und Irland.

Für den unglücklichen Jüngling hatte diese Anerkennung nur traurige Folgen. Die öffentliche Meinung Englands sah darin einen Schimpf; der Gesandte wurde abberufen. Der große Oranier vermittelte schon sterbend ein Bündnis fast aller europäischen Staaten gegen Frankreichs Übermacht. Das Nationalgefühl Englands brauste mächtig auf. Das Parlament bewilligte zu Rüstungen, was die Regierung verlangte. In den Haß gegen Frankreich mischte sich der Unwille gegen den Nachkommen der Stuarts, der am französischen Hofe lebte. Man erinnerte sich der Unterwürfigkeit, welche die letzten Könige dieses Geschlechts gegen Louis XIV. gezeigt hatten, auch ihrer geistigen Abhängigkeit von Rom, die man vielfach mit politischer Abhängigkeit vom päpstlichen Hofe verwechselte.

Wilhelm III. starb am 17. März 1702 ohne Nachkommen. In ruhigen Zeiten hätte vielleicht das Parlament die Erbrechte des Prätendenten in reifliche Erwägung gezogen. Die übereilte Anerkennung Louis XIV. aber verdarb alles, und Anna, die jüngere Tochter Jakob II., konnte anstandslos den Thron besteigen. Ihre geistigen Fähigkeiten waren sehr unbedeutend; sie war von schwachem, schwankendem Charakter. Sie stand ganz unter dem Einflusse des Herzogs von Marlborough, der sie durch ihre langjährige Freundin Arabella Jenning, seine Gemahlin, vollständig beherrschte.

Wenige Wochen nach ihrer Thronbesteigung (im Mai 1702) begann der gewaltige Kampf um die spanische Erbschaft, dessen Erwartung Europa seit lange in Spannung gehalten hatte. Unter des Herzogs Führung erwarben sich die englischen Heere einen Kriegsruhm wie nie zuvor. Frankreich wurde so gedemütigt, daß es sich unter den bourbonischen Königen nie wieder zu seinem alten Glanze erheben konnte. Die Partei der Whigs war allmächtig. Sie stand unter der Führung Marlboroughs und seines Schwiegersohnes Godolphin, der zum Minister des Innern und Großschatzmeister ernannt wurde. Diese beiden Staatsmänner setzten schon im Jahre 1702 die Annahme der Act of Settlement durch, wonach das Haus Stuart für immer von dem Throne ausgeschlossen wurde.

Die protestantische Nebenlinie dieses Geschlechts sollte nachfolgen. Deren Vertreter war der Kurfürst Georg von Hannover durch seine Mutter, die Prinzessin Sophie, Witwe Ernst Augusts, des ersten Kurfürsten von Hannover. Sie war die Tochter jenes Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, welcher am Anfang des dreißigjährigen Krieges eine kurze Zeit König von Böhmen war, aber in der Schlacht am weißen Berge seine Krone wieder verlor und mit der Prinzessin Elisabeth, Tochter des Königs Jakob I. von England vermählt war.

Die Königin Anna mußte die Beschlüsse des Parlaments öffentlich sanktionieren. Im geheimen wünschte sie aber ihrem vertriebenen Stiefbruder die Krone zu verschaffen. Durch Vertraute knüpfte sie mit ihm Verhandlungen an. Jakob war weniger starrsinnig wie sein Vater. Er war bereit, seine Schwester als rechtmäßige Königin anzuerkennen, wenn ihm die Thronfolge gesichert würde. Die Partei der Tories, welche in der Mehrzahl dem Prinzip der legitimen Thronfolge geneigt waren, interessierte sich sehr für diesen Plan. Aber, es war das Schicksal des unglücklichen Fürsten, daß eine Parteinahme für ihn stets nur den Erfolg hatte, daß sie ihn immer weiter von seinem Ziele entfernte. Die Königin war ohne Nachkommen. Die Jakobiten rechneten deshalb um so fester auf ihren Erfolg. Namentlich die schottischen Großen traten daher entschiedener auf. Sie verlangten, daß Anna sich mit dem Throne von England und Irland begnügen, Schottland dagegen sofort Jakob abtreten solle. Dieser Plan fand in der sogenannten Act of Security welche das schottische Parlament im Jahre 1703 annahm2, einen ziemlich deutlichen Ausdruck, obgleich er nicht vollständig an die Öffentlichkeit gelangen durfte.

Das Übermaß der jakobitischen Forderungen verstimmte die Königin. Dennoch konnte sie sich nicht entschließen, sie formell abzulehnen. Sie antwortete gar nichts. Die Führer der Whigs aber sahen die Gefahr. Sie mußten fürchten, daß Anna aus Liebe für ihren Bruder den Tories mehr bewilligen möchte, wie sie zugestehen durfte.

Es drohte eine Trennung Schottlands von England, selbst ein Bürgerkrieg. Marlborough und Godolphin beugten dem mit großem Geschick vor, indem sie beide Reiche unter einer Regierung zu vereinigen strebten. Je 30 Kommissare der beiden Nationen kamen in Westminster zusammen und im Mai 1706 einigten sie sich nach langen Verhandlungen über die Bedingungen.

Die Volksstimme in Schottland blieb jedoch der Union äußerst feindlich. Die Jakobiten schürten diese Stimmung. Aber die englischen Minister sparten kein Geld. Sie wußten durch große Geldsummen die einflußreichsten Personen zu gewinnen. Dadurch gelang es im Parlament, trotz der heftigsten, besonders vom Herzog von Hamilton geführten Opposition, den Plan durchzubringen. Im Februar 1707 wurde die Vereinigung Schottlands und Englands zu einem einzigen Reiche ratifiziert. Die schottischen Reichsbehörden hörten auf und wurden durch einen in England residierenden Staatssekretär ersetzt. Beide Länder wurden gleichen Steuern unterworfen. Die Handelsbeschränkungen wurden aufgehoben. 16 Mitglieder des hohen schottischen Adels sollten künftig als Repräsentativ-Pairs in das englische Oberhaus treten, 45 Abgeordnete in das Unterhaus. Während dieser Ereignisse hatte der Krieg auf dem Festlande seinen Fortgang. Die englischen Armeen waren allenthalben siegreich.

Am französischen Hofe sah man die inneren Streitigkeiten und Mißstimmungen mit Genugtuung, welche in England durch die Festsetzung der neuen Thronfolgeordnung hervorgerufen wurden. Man hegte die Hoffnung, daß durch eine Landung des Prätendenten ein allgemeiner Umschwung der Verhältnisse in England und infolge dessen eine Auflösung der europäischen Koalition hervorgerufen werden würde. Es wurde im geheimen eine Flotte ausgerüstet, welche ein Landheer von 10000 Mann nach der schottischen Küste überführen sollte. Die Vorbereitungen nahmen aber eine lange Zeit in Anspruch, und erst im März 1707 war die Expedition segelfertig. Der Prinz Jakob, nun ein junger Mann von 20 Jahren, schiffte sich auf dem Admiralschiff ein. Louis XIV. beschenkte ihn bei seiner Abreise mit einem prachtvollen Degen, dessen Griff mit Diamanten besetzt war. Die Flotte gelangte glücklich bis in jenen großen Meerbusen Firth of Forth, welcher den Hafen von Edinburgh bildet. Man suchte durch Signale sich den Bewohnern der Küste verständlich zu machen, aber, während Verhandlungen mit denselben angeknüpft wurden, erscholl von der See her der Donner der Geschütze. Eine weit überlegene englische Flotte unter Admiral Byng kam heran. Der französische Anführer wollte und konnte sich auf keinen Kampf einlassen. Er suchte die hohe See zu gewinnen, ein Sturm zerstreute einen großen Teil seiner Schifte. Von Byng verfolgt, rettete er sich nur mit Not in den Hafen von Dünkirchen.

Man machte nun den Häuptern der jakobitischen Partei in England den Prozeß; doch verfuhr man mit großer Milde. Nur ein einziger ward schuldig befunden, ein Einverständnis mit dem Prätendenten gehabt zu haben, und dieser einzige war rechtzeitig entflohen. Doch mußte die Königin Anna, um der öffentlichen Meinung Rechnung zu tragen, mit blutendem Herzen einen Aufruf erlassen, wodurch auf den Kopf ihres Bruders ein Preis von 100000 Kronen gesetzt wurde.

Bald nachher verlor sie ihren Gemahl, den Prinzen von Dänemark. Sie war mit zweiundvierzig Jahren Witwe. Siebzehn Mal hatte sie sich während ihrer Ehe in gesegneten Umständen befunden, aber jedesmal war ihre Hoffnung, daß ihr Kind am Leben bleiben möge, getäuscht worden. Das Parlament wollte sie zu einer neuen Vermählung drängen. Sie weigerte sich aber entschieden. Sie hatte die feste Überzeugung von der göttlichen Mission der Fürsten. Ihre Kinderlosigkeit erschien ihr wie eine Fügung des Himmels, welcher nicht zugeben wollte, daß der englische Thron noch länger seinem legitimen Erben vorenthalten werden sollte. Sie hatte keinen anderen Gedanken, als den, ihren Bruder zu ihrem Nachfolger zu machen. Doch war es für ihre schwachen Geistesgaben nicht möglich, diesen Plan ernsthaft durchzuführen. Zwar erkannte sie, daß von der herrschenden Whig-Partei eine Förderung dieser Absichten nicht zu erwarten war. Deshalb suchte sie allmählich die Regierung des Landes in die Hände der Tories zu spielen. Diese konnten aber nie auf wirkliche Herrschaft rechnen, so lange der Herzog von Marlborough noch allmächtig war.

Da kam ihnen der Zufall zu Hilfe. Das Auftreten der Herzogin gegen ihre königliche Freundin war seit längerer Zeit ein so hochfahrendes geworden, daß es nur noch eines geringen Anstoßes bedurfte, um ein unheilbares Zerwürfnis hervorzurufen. Eine jüngere Dame, Abigail Macham, welche von Arabella selbst an den Hof gebracht war, wußte mit Gewandtheit diesen Umstand zu benutzen. Eine an sich unbedeutende Veranlassung beschleunigte den Bruch. Abigail trat an die Stelle ihrer früheren Beschützerin.

Auch im Lande hatte sich in der öffentlichen Meinung ein Umschlag vollzogen. Ein fanatischer Geistlicher hatte auf der Kanzel die Revolution und ihre Ergebnisse in gehässiger Weise angegriffen. Den mächtigen Staatssekretär Godolphin hatte er mit einem Spitznamen bezeichnet. Dieser, doppelt empfindlich, weil er erst vor kurzem zu der Partei der Whigs übergetreten war, stellte den Pfarrer vor Gericht. Er wurde verurteilt.

Nun ergriffen sämtliche Geistliche des Landes die Partei des unvorsichtigen Pfarrers. Die Masse der Landbevölkerung, der niedere Adel, die gesamte Tory-Partei, alle erhoben ihre Stimmen gegen die Beeinträchtigung der bürgerlichen Freiheiten. Ein unbeschreiblicher Sturm brach gegen Godolphin los. Er mußte seine Entlassung fordern. Die Königin konnte nun ihrem geheimen Wunsche nachgeben, und die Tories ernteten die Früchte ihrer langjährigen geschickten Bemühungen. Harley, Graf von Oxford, und St. John, Marquis von Bolingbroke, wurden zu Ministern ernannt.

Das Unterhaus, in dem die Whigs noch die Majorität hatten, wurde unpopulär. Der Krieg, dessen Fortführung sie wünschten, schien nicht mehr den Interessen des Landes zu entsprechen. Der Kaiser von Österreich war gestorben. Der Erzherzog Karl, dessen Ansprüche auf den spanischen Thron England vertreten hatte, wurde deutscher Kaiser. Man mußte also fürchten, daß die Vereinigung der Kronen von Österreich und Spanien auf einem Haupte dieser Monarchie dasselbe Übergewicht in Europa geben würde, welches man mit aller Anstrengung Frankreich gehindert hatte, zu erlangen. Marlborough dagegen wollte auf alle Fälle den Krieg fortsetzen, welcher ihm Gelegenheit bot, seine ungemessene Sucht nach Reichtümern zu befriedigen.

Es erschienen Broschüren von Swift, St. John und Prior, welche ihn der Absicht beschuldigten, an der Spitze der Armee über England herrschen zu wollen. Seine glänzenden Siege wurden vergessen. Die Schuldenlast des Staates, welche durch den langen Krieg in ungeheurer Weise angeschwollen war, stand vor aller Augen; sein Sturz war unausbleiblich. Die Königin löste das Parlament durch Proklamation auf. Die neuen Wahlen brachten eine bedeutende Majorität für die Tories ins Unterhaus. Ins Oberhaus wurden zwölf neue Pairs berufen. Dadurch konnte die Regierung auch hierüber unbedingt verfügen. Eine Adresse an die Königin wurde angenommen, worin sie gebeten wurde, alle Maßregeln zu annullieren, welche bestimmt schienen „ihre Krone anzutasten und Ihrer Majestät Würde zu beschränken“. Der Friede wurde beschlossen. Der Herzog von Marlborough hatte in Voraussicht der Katastrophe sich vergeblich bemüht, vom deutschen Kaiser zum Statthalter der Niederlande ernannt zu werden.

Am 1. Januar 1712 erschien das Dekret, welches ihn absetzte und verbannte.

Die ersten Unterhandlungen mit Frankreich wurden durch Prior angeknüpft. Man einigte sich rasch. Der Herzog von Bolingbroke konnte schon 1713 in Utrecht den definitiven Frieden abschließen, dessen Inhalt bekannt ist. Anna durfte aber mit dem, was sie hauptsächlich zu erreichen wünschte, nicht öffentlich hervortreten. Die Whigs waren für Fortsetzung des Kriegs gewesen. Die Tories hatten die öffentliche Meinung allerdings so lange für sich, als sie den Frieden erstrebten. Diejenigen, welche die Sympathien der Königin für ihren Bruder teilten, durften sie nicht zeigen. Sie durften nicht daran denken, die angenommene neue Thronfolgeordnung umzustoßen. Eine Parteinahme für den Prinzen Stuart, der mit dem französischen Heere bei Oudenaarde und Malplaquet gegen die Engländer gekämpft hatte, durften sie am allerwenigsten wagen; sie hätten sich dem Verdacht des Landesverrats ausgesetzt.

Um sich von dem Argwohn jakobitischer Parteinahme gänzlich zu reinigen, verlangte Bolingbroke vielmehr die Stipulierung eines Artikels, worin Louis die Anerkennung der hannoverschen Erbfolge zusicherte und versprach, den Prätendenten aus Frankreich auszuweisen.

Die Whigs waren von der Aufrichtigkeit der Tory-Partei dennoch nicht überzeugt. Sie bemühten sich fortwährend ihre politischen Gegner in der allgemeinen Meinung herabzusetzen, indem sie dieselben verräterischer Gesinnungen beschuldigten. Eine Motion wurde deshalb eingebracht und mit großer Majorität angenommen, wodurch das Oberhaus befragt wurde, ob die Erbfolge des hannoverschen Königshauses nicht in Gefahr sei? Die Lords beantworteten die Frage mit „Nein“. Sie konnten aber die Opposition dennoch nicht beschwichtigen; denn bald wurde eine neue Motion an das Oberhaus gesandt und die Bitte an die Königin beschlossen, daß sie einen Preis auf den Kopf des Prinzen Jakob setzen möge.

Zugleich lud man den Kurfürsten Georg I. ein, nach England zu kommen. Anna war aufs äußerste verletzt, mußte aber der allgemeinen Stimmung nachgeben. Sie sandte jedoch im geheimen einen Brief an die Mutter des Thronerben und bat sie, ihren Sohn nicht reisen zu lassen. Sie schrieb, seine Ankunft in England würde einen Bürgerkrieg hervorrufen. Ihre Warnung fiel bei der Kurfürstin auf einen günstigen Boden. Diese wünschte nichts sehnlicher, als daß ihr Sohn dermaleinst den englischen Thron bestiege. Aber sie kannte die Beschränkungen, welche die Verfassung einem britischen Herrscher auferlegt und fürchtete von der vorzeitigen Erscheinung Georgs nur Sorgen um Verwicklungen. Einen entscheidenden Einfluß vermochte sie allerdinge nicht auszuüben, aber ihr Sohn war nur zu geneigt, über den Angelegenheiten seines deutschen Fürstentums die Aussichten auf die englische Krone zeitweilig zu vergessen, und die Reise nach England unterblieb. Der Erfolg zeigte, wie richtig die kluge Kurfürstin urteilte; denn es ist sicher, daß die Anwesenheit Georgs in England seine Interessen viel weniger gefördert haben würde, wie es sein Ausbleiben tat. Seine unliebenswürdige Persönlichkeit, die Unkenntnis der Sitten und selbst der Sprache seiner künftigen Untertanen hätten ihm deren Herzen nicht gewinnen können. Auch würden ernste Zerwürfnisse zwischen ihm und der Königin nicht zu vermeiden gewesen sein.

Die Einwirkung der Mutter seines Gegners war also, sehr gegen den Willen der Königin Anna, den Aussichten des Prätendenten nicht günstig. Aber seine eigene Mutter, die Witwe Jakob II., Maria von Modena, verdarb durch eine unvorsichtige Handlung alles. Ihr waren wahrscheinlich über die Sympathie der Königin von England, über jakobitische Gesinnungen eines Teils der englischen Großen übertriebene Gerüchte hinterbracht; vielleicht hatte sie auch von dem geheimen Briefwechsel mit der Kurfürstin Sophie erfahren. Sie gewann die Überzeugung, daß man in England die Rückkehr der vertriebenen Königsfamilie allgemein wünsche. Ihre Umgebung teilte ihre Ansicht. Sie hielt deshalb den Augenblick gekommen, um mit ihren eigenen Ansprüchen an das englische Parlament hervorzutreten. Plötzlich erschien ein Abgesandter von ihr in London, welcher die Zahlung der rückständigen Pension verlangte, die ihr in einem geheimen Artikel des Vertrags von Ryswick zwar zugesichert, aber nach Ausbruch des neuen Krieges nicht mehr verabfolgt war. Es war dies eine Summe von 50000 Pfund Sterling.

Die Whigs schäumten vor Wut. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit abgeworfen. Die öffentliche Meinung brauste wieder gewaltig auf gegen die katholischen Stuarts. Ihre Anhänger durften ihre Sympathien nur in den geheimsten Zusammenkünften äußern. Von neuem verlangte das Parlament, daß ein Preis auf den Kopf des Prätendenten gesetzt werden solle. Die unglückliche Anna weigerte sich, in dieser Form die Proklamation zu unterschreiben. Sie mußte aber doch 5000 Pfund Sterling demjenigen versprechen, der den sogenannten Prinzen von Wales so den englischen Gerichten nachwiese, daß er von diesen persönlich zur Rechenschaft gezogen werden könne.

Die Aussichten dieses unglücklichen Prinzen sanken durch den unvorsichtigen Schritt seiner eigenen Mutter tiefer als je zuvor. Seine Schwester konnte nichts für ihn tun, wie ihn bemitleiden. Zu derselben Zeit, wo sie einen hohen Preis auf die Ergreifung ihres Bruders setzte, konnte sie die Sehnsucht, ihn persönlich kennenzulernen, nicht mehr bemeistern. Eine geheime Zusammenkunft fand in London statt. Die Königin war aufs tiefste bewegt, als sie den unglücklichen Jüngling sah. Sie versprach, alles für ihn zu tun, was in ihren Kräften stand. Aber es hätte einer größeren Geschicklichkeit und gewaltigeren Energie bedurft, wie sie Anna besaß, um eine Angelegenheit erfolgreich durchzuführen, in welcher der ernsteste Widerstand der größten Mehrzahl des englischen Volkes zu erwarten stand. Man begann zwar, die öffentliche Meinung für die Restauration der Stuarts zu bearbeiten. Eine Menge Flugschriften erschienen, welche die Politik der Whigs verdächtigten.

Da entzweiten sich, um das Maß des Unglücks voll zu machen, die Führer der Tory-Partei, die Lords Oxford und Bolingbroke. Der erstere verließ die Partei der Königin gänzlich. Er schloß sich den Whigs an und wurde eifriger Vertreter der hannoverschen Erbfolge. Anna war untröstlich. Sie erklärte, sie wolle nicht mehr leben, denn nun sei alles verloren. Die Partei der Whigs gewann im Lande abermals die Oberhand. Adressen über Adressen richtete man an die Königin. Immer wieder verlangte man Garantien für die hannoversche Thronfolge und Gewaltmaßregeln gegen die Stuarts. Annas Lebenskraft war gebrochen; sie erkannte, daß ihr innigster Wunsch nicht erfüllt werden würde.

Um wenigstens eine Zeitlang Ruhe zu haben, vertagte sie am 20. Juli 1714, schon todkrank, das Parlament auf einen Monat. Es konnte nichts mehr helfen, daß sie den schwachen Herzog von Shrewsbury zum ersten Minister an der Stelle Harleys ernannte. Bereits am 12. August starb sie, erst 49 Jahre alt, an gebrochenem Herzen.

Ihre letzten Worte waren: „Mein teurer Bruder, wie beklage ich dich!“ Damit verriet sie die geheime Idee ihres ganzen Lebens. Nach ihrem Tode vereinigten sich die Staatsmänner aller Parteien, welche die protestantische Erbfolge wollten. Die Jakobiten durften sich nicht öffentlich zeigen. Eine Regentschaft, welche nur aus Whigs bestand, übernahm die Regierung bis zur Ankunft des neuen Königs. Georg I. wurde ohne Widerstand proklamiert.

Eine Deputation ging nach dem Kontinent, um ihn nach England zu holen. Die Mutter des Kurfürsten war einige Monate vorher gestorben, ohne die Erfüllung ihrer Wünsche zu erleben. Der Sohn nahm die Krone an und ergriff ohne Widerstand von seinem neuen Königreiche Besitz.

Sein erster Schritt war, ein neues Ministerium und ein anderes Parlament zu berufen. Die Whigs hatten in beiden die Oberhand und behielten sie von nun an bis zum Regierungsantritt Georgs III. ohne Unterbrechung.

Während dem hatte auch der unglückliche Prätendent den Tod seiner Schwester erfahren. Er befand sich seit dem Utrechter Frieden am Hofe des Herzogs von Lothringen. Daß er nicht wagen durfte, nach England zu gehen, um sein rechtmäßiges Erbe in Empfang zu nehmen, schien bei der dortigen Stimmung klar. Er begab sich also zu seinem früheren Beschützer nach Versailles. Louis XIV. war aber alt und schwach. Er lebte abgeschlossen in seiner Villa zu Marly. Er erinnerte sich der Folgen, welche die Anerkennung des Prätendenten im Jahre 1701 gehabt hatte. Er wollte sich in keine unabsehbaren Verwicklungen einlassen. Der einst allmächtige Bolingbroke hatte nach dem Regierungsantritt Georgs I. England verlassen müssen und war in die Dienste des Prätendenten getreten. Auch er versuchte vergeblich Louis zu einem energischen Entschluß zu bestimmen. Der Prinz wurde immer kühler behandelt. Von seinem Vater hatte er die unangenehme Eigentümlichkeit geerbt, daß er seine Pläne und Ansichten gegen jedermann ausplauderte. In allen Kaffeehäusern von Paris wurde nur von den weitaussehenden Unternehmungen des Prätendenten gesprochen. Auch die englische Regierung erfuhr bald davon. Sie traf ihre Vorkehrungen und der günstige Augenblick ging vorüber. Der Prinz mußte sogar Frankreich wieder verlassen.

Da erhob der Graf von Mar in Schottland die Fahne des Aufruhrs. Er war früher Staatssekretär von Schottland gewesen; seine jakobitische Gesinnung war bekannt. Trotzdem bot er beim Regierungswechsel Georg I. seine Dienste an. Man wies ihn zurück. Er glaubte nun, seine Feinde wollten ihn vernichten und floh Wut und Rache brütend, in Verkleidung nach den schottischen Hochlanden. In Aberdeennshire stand sein Stammschloß Brae-Mar. Dahin lud er unter dem Vorwande einer Jagd alle schottischen Großen ein, die seine Sympathien für die vertriebenen Stuarts teilten. Am 26. August 1715 fand die denkwürdige Versammlung statt. Der Graf von Mar war ein gewandter Hofmann. Er kam seinen Gästen mit den gewinnendsten Formen entgegen und wußte sie alle zu bewegen, daß sie dem Prätendenten huldigten. Unter denen, welche versprachen, ihre Leute zu bewaffnen und mit denselben am 6. September bei Aboyne zu versammeln, waren der Marquis von Huntley, Sohn des Herzogs von Gordon, der Marquis von Tullibardine, ältester Sohn des Herzogs von Atholl, die Earls von Nightisdale, Marishall, Traquair, Errol, Southesk, Carnwath, Seaforth und Linlithgow, die Viscounts von Kilsythe, Kenmuir etc. An demselben Tage wurde Jakob feierlich als König von Schottland, England und Irland proklamiert und eine blaue seidene Fahne enthüllt, auf welche die Gräfin von Mar neben der schottischen Distel die Inschrift: „Nemo me inpune lacessit“ gestickt hatte. Ein Zufall wollte, daß der Knopf der Fahnenstange abbrach und zur Erde fiel, als sie aufgerichtet wurde. Die Hochländer sahen darin ein unglückliches Omen.

Es bildeten sich nun zwei jakobitische Armeen. Die kleinere, südliche stand unter den Earls von Nightisdale, Winshester und Carnwath. An sie schlossen sich die Aufständischen im Norden Englands unter Forster und Lord Widdrington. Über die größere, nördliche übernahm der Graf von Mar selbst das Kommando. Sie sammelte sich bei Perth. Durch Zuzug aus den Hochlanden vermehrte sie sich bis auf 16000 Mann. Der Graf von Seaforth führte ihr von den Inseln allein 6500 Mann zu. Eine solche Zahl von Hochländern war nie zuvor vereinigt gewesen. Alle Stuarts, Robinsons, MacKenzies, MacDonalds folgten der jakobitischen Fahne. Aber es zeigte sich bald, daß der Graf von Mar seiner Aufgabe nicht gewachsen war. Schon in seiner früheren Stellung hatte er bewiesen, daß er kein Staatsmann war. Seine Tätigkeit war hauptsächlich auf die Verschönerung der Stadt Edinburgh gerichtet gewesen. In der Verwaltung Schottlands hatte er dagegen wenig geleistet. Jetzt wurde es offenbar, daß ihm auch jede Eigenschaft als Heerführer fehlte. Statt mit seiner Übermacht in die schottischen Niederlande einzurücken und auch sie zum Aufstande zu veranlassen, blieb er untätig bei Perth stehen.

Die Führer der Clane wurden ungeduldig. Niemand wollte sich ihm unterordnen. Seine Persönlichkeit war nicht der Art, um die hochmütigen Häuptlinge zum Gehorsam zu zwingen.

Alle wollten befehlen, keiner gehorchen, um so mehr, da die meisten dem Grafen in jeder Kenntnis des Kriegswesens weit überlegen waren. Es entstanden arge Zwistigkeiten. Zwei Monate vergingen. Endlich, am 10. November, mußte Mar, sehr gegen seinen Willen, dem allgemeinen Drängen nachgeben und nach Süden vorrücken.

Ihm gegenüber stand der Herzog von Argyll mit den Clanen, welche zur Regierung hielten. Er hatte nur gegen 3000 Mann zusammenbringen können. Dennoch ging er den Aufständischen kühn entgegen und setzte über den Firth of Forth. Am 13. November griff er seinen Gegner, der mit Mühe 9000 Mann rechtzeitig vereinigen konnte, bei Sheriffmuir an. Die Schlacht blieb unentschieden. Da aber Argyll seine Stellungen behauptete, während Mar sein Heer wieder nach Perth zurückführte, so erntete der erstere alle Früchte eines Sieges. In dem aufständischen Heere lösten sich nun infolge des Rückzuges die Bande des Gehorsams. Einzelne Häuptlinge und zwar die mächtigsten führten ihre Clane nach Hause. Sie erklärten, daß sie für ihre eigene Sicherheit sorgen müßten. Andere knüpften auf eigene Faust Verhandlungen mit Argyll an. So hatte Mar bald nach der Schlacht nur noch 4000 Mann zusammen. Damit blieb er wieder untätig bei Perth stehen, konnte auch mit seiner sehr beschränkten Streitkraft nicht wohl etwas anderes tun.

Der südlichen Abteilung der Jakobiten war es während dieser Ereignisse noch schlechter gegangen. Sie war in England eingedrungen und auf Preston gerückt. Hier aber wurde sie von überlegenen englischen Streitkräften eingeschlossen und am Tage des Gefechtes von Sheriffmuir mußten sich alle zu Gefangenen ergeben. Die Sache der Stuarts schien verloren.

Der Prätendent hatte indessen von dem ersten guten Fortgang seiner Angelegenheiten Nachricht erhalten. Er beschloß, sich nach Schottland einzuschiffen, um aus den Händen des Grafen von Mar die Kronen von England, Schottland und Irland in Empfang zu nehmen. Allerlei unglückliche Zufälligkeiten verzögerten seine Abreise. Seine Versuche, in St. Malo Gelegenheit zur Überfahrt zu finden, waren vergeblich. Endlich gelang es ihm, in Dünkirchen an Bord eines kleinen Kriegsschiffes zu gelangen, welches ihn nach Schottland hinüberbrachte. In seiner Begleitung befanden sich der Marquis von Tynemouth, Sohn des Herzogs von Berwick, der Leutnant Cameron und sechs andere Edelleute; alle waren als Seeoffiziere verkleidet. Nach einer stürmischen Fahrt von sieben Tagen landete er glücklich am 22. Dezember 1715 in dem kleinen Hafen von Peterhead, an der nordöstlichen Spitze von Aberdeenshire. Dem Prinzen fehlte es nicht an persönlichem Mut. Er hatte mit den französischen Garden in der blutigen Schlacht bei Malplaquet zwölf Mal die feindlichen Linien attackiert und war selbst am Arm verwundet worden. Aber dennoch kannte er den Krieg nur von seiner glänzendsten Seite. In die üppigen Feldlager war ihm der Luxus der Residenz gefolgt. Die Truppen, welche er dort sah, waren dieselben, deren glänzende Ausrüstung und taktische Ausbildung er in der Avenue des Parks von Versailles oft bewundert hatte, und die dennoch den Heeren Englands und der Verbündeten nicht hatten widerstehen können. Nun war er plötzlich von dem glänzenden Leben des französischen und lothringischen Hofes, dessen Genüssen er sich damals schon zuviel hingegeben hatte, in eine kleine, enge Hafenstadt des nördlichen Schottlands versetzt. Seine Landung machte unter der Bevölkerung, die ihm wie halbwild vorkam, viel weniger Aufsehen, wie er erwartet hatte. Das Klima war rauh und unfreundlich. Statt eines Reiches, von dem er gehofft hatte, ungestört Besitz ergreifen zu können, fand er ein Land, das er erst erobern mußte. Dazu wußte er, daß auf auswärtige Hilfe für ihn nicht zu rechnen war. Alle seine Hoffnungen beruhten also auf den wenig Tausend Hochländern, die Mar noch bei Perth zusammen hatte. Dahin beschloß er sich zu begeben. Sein Weg führte ihn längs der Küste zunächst durch die Besitzungen des Grafen von Marishal, welcher für ihn die Waffen ergriffen hatte. Am 23. ritt er nach dessen Schlosse Newburgh. Am folgenden Tage, den 24., passierte er Aberdeen und gelangte nach Fetteresso, einem Schlosse desselben Edelmanns in der Nähe dieser Stadt.

Die Nachricht von der glücklichen Ankunft des Prinzen war indessen mit unglaublicher Geschwindigkeit in das Lager der Hochländer bei Perth gelangt.

Die tapferen Männer begrüßten sie mit ungeheurem Jubel. Sie glaubten sich nun am Ende aller Not und Entbehrungen. Endlich hofften sie auf ein Ende des langwierigen Lagerlebens. Der Prinz würde sich, wie sie glaubten, ein zweiter Montrose, an ihre Spitze stellen und die Scharen der verachteten Angelsachsen vor sich hertreiben.

Der Graf von Mar, der Earl von Marishal und dreißig Edelleute setzten sich zu Pferde, um ihren Monarchen zu begrüßen. Am 25. December ganz in der Frühe gelangten sie nach Fetteresso. Der Prinz war noch zu Bett, erhob sich aber sofort und kleidete sich an. Dann wurden die Abgesandten vorgelassen. Sie warfen sich vor ihm auf die Knie und küßten seine Hand.

Die Persönlichkeit, welcher sie nun als König huldigten, entsprach jedoch keineswegs dem Bilde, welches sie sich gemacht hatten.

Jakob hatte eine lange magere Gestalt. Seine Haltung war schon nicht mehr kräftig, sondern gebückt. Er war vor der Zeit gealtert. Eine scharfe Nase kennzeichnete den Abkömmling der Stuarts. Auf seinen Zügen lag aber nicht die kühne Entschlossenheit eines Mannes, der eine fast verzweifelte Unternehmung durchführen will. Sein Gesicht war von einer geisterhaften Blässe. Sein Auftreten war ängstlich und zaghaft. Mit Gewalt zwang er sich zu einem einigermaßen heiteren Äußeren. Von seiner Stirn suchte er vergeblich die Wolke der Schwermut zu verbannen, mit der ihn der Anblick des Landes, selbst der seiner Getreuen erfüllte.

Er zeigte durchaus keine Ungeduld, sich an die Spitze seiner Truppen zu stellen. Dagegen ernannte er einen geheimen Rat und erließ sechs Proklamationen, die er als Jakob VIII. von Schottland und der III. von England unterzeichnete. Er befahl, daß für ihn in den Kirchen als rechtmäßigen Monarchen gebetet werden solle, berief alle loyalen Männer zu den Waffen für seine Rechte und erhob eine Menge seiner Anhänger zu Herzögen, Grafen und Rittern. Auch der Graf von Mar wurde zum Herzog ernannt. Dann nahm er die Huldigung der Geistlichkeit und des Magistrats der Stadt Aberdeen entgegen; – beide waren aber erst von dem Grafen von Mar eingesetzt worden. Dieser schilderte dem Prinzen nun die Lage der Angelegenheiten als eine so verzweifelte, daß seine Hoffnungen noch mehr sanken. Ein Fieberanfall ergriff ihn und hielt ihn in Fetteresso bis zum 2. Januar fest; dann ritt er weiter nach Brechin in der Nähe von Montrose. Am 5. hielt er seinen feierlichen Einzug in der kleinen Hafenstadt Dundee am Firth of Tay. An seiner rechten Seite ritt der Herzog von Mar, an seiner linken der Earl von Marishall, dreihundert berittene Edelleute folgten. Die Huldigung der Bevölkerung konnte die Schwermut des Prinzen nicht bannen. Er mußte sich Zwang antun, um ein vertrauensvolles Äußeres zu zeigen. Fast mit Gewalt nötigte ihn seine Umgebung, auf dem Marktplatze des Städtchens eine Stunde zu halten, während welcher die Bewohner herzustürzten und ihm die Hand küßten. Von Dundee zog man in kleinen Tagemärschen weiter.

Am 8. Januar erreichte der Prinz das alte ehrwürdige Schloß Scone an dem lachsreichen Tay. Seine Gefühle übermannten ihn, als er durch die Zimmer des Palastes schritt, in dem jahrhundertelang die Mitglieder seines Stammes residiert hatten, als er in der ehrwürdigen Kapelle den berühmten Stein Lia Fail sah, auf dem seit neunhundert Jahren die Könige Schottlands gekrönt waren. Am folgenden Tage, den 9., hielt er seinen feierlichen Einzug in Perth. Dann erblickte er endlich auch einzelne Abteilungen seiner kleinen hochländischen Streitmacht. Eine allgemeine Heerschau wagte er nicht abzuhalten, damit ihre geringe Zahl nicht bekannt würde.

Unterwegs hatte er wohl eine gewisse Neugierde gezeigt, die Armeen der „kleinen hochländischen Könige“ zu sehen, aber Vertrauen, mit ihnen seine Sache durchfechten zu können, hatte er nie gewonnen. Nun sah er diese schlechtgekleideten und genährten Männer. Ihr rauhes Äußere, ihre wilde unverständliche Sprache mußten ihn, der von Soldaten nur die französischen Garden gesehen hatte, aufs äußerste abstoßen. Solche ungeordnete Haufen schienen ihm nicht einmal den Namen von Soldaten zu verdienen. Irgend etwas mit ihnen zu erreichen, hielt er für unmöglich, ihre wilde Tapferkeit und die Eigentümlichkeiten ihrer Fechtweise, geordneten Heeren gegenüber, für nutzlos.

Fast noch mehr, wie er, wurden die Hochländer durch seinen Anblick enttäuscht. Sie hatten einen kräftigen feurigen Mann zu sehen erwartet, der vor Begierde brannte, sie gegen den verachteten Feind zu führen. Nun erblickten sie einen langen dürren Menschen in französischem Hofkleide, der in schlaffer Haltung auf dem Pferde saß, ihre Sprache nicht verstand und mutlos und schwermütigen Blickes sie an sich vorüberziehen ließ. Es ist natürlich, daß ihre freudige Begeisterung erlosch. Auch der Prinz kehrte gänzlich niedergeschlagen nach dem Schlosse Scone zurück.

Zwanzig Tage hielt er sich hier auf und hielt einen traurigen Hof. Er konnte sich zu keinem Entschlusse aufraffen. Er machte nicht einmal den Versuch, die Clane, welche nach Hause marschiert waren, wieder zum Heere zurückzurufen. Alles schien ihm rettungslos verloren und er wartete nur auf einen Anstoß, um sich wieder nach dem Festlande einzuschiffen.

Am 28. Januar gelangte die Nachricht in das hochländische Lager, daß der Herzog von Argyll herannahe. Die Clane jubelten bei der Aussicht auf einen Kampf.

Die Häuptlinge tranken einander zu, die Dudelsackpfeifer spielten ihre feurigsten Melodien und die Krieger tanzten in wildem Reigen. Auch, daß man erfuhr, daß einige tausend Mann holländische Truppen, welche im Solde der englischen Regierung standen, die Heeresmacht Argylls verstärkt hätten, dämpfte den wilden Kampfesmut nicht. Man erinnerte sich der Zeiten, wo der tapfere Montrose mit seiner Handvoll Hochländer weit überlegene Scharen in die Flucht geschlagen hatte. Alle sehnten sich nach einer Schlacht. Aber in dem Palaste von Scone sah man die Lage der Dinge anders an. Der Prinz weinte. Er war ungehalten, daß man ihn, statt auf einen Thron, in solche Lebensgefahr gebracht hatte. Er wollte sofort abreisen. Der Graf von Mar hielt einen Kampf auch für aussichtslos. Er befahl deshalb den Rückzug in die Hochlande. Er hatte aber keineswegs die Absicht, den Kampf hier fortzusetzen. Er war der Sache müde und gedachte, nach dem Festlande zu entkommen. Deshalb wurde der Marsch längs der Küste beschlossen.

Die Hochländer empfingen den Befehl mit Unmut und Verzweiflung, aber sie gehorchten. Am 30. Januar überschritten sie den gefrorenen Tay und marschierten auf Dundee. Von da rückten sie längs der Küste auf Montrose.

In diesem Hafen befand sich zufällig ein französisches Schiff. Der Prätendent sah darin eine günstige Gelegenheit zu seiner Flucht. Um diese Absicht vor seinen unglücklichen Anhängern geheimzuhalten, erhielt die Armee Befehl, am 4. Februar abends 8 Uhr nach Aberdeen weiterzumarschieren. Mit der Avantgarde, die früher abrückte, schickte er, um keinen Verdacht zu erregen, sein Gepäck fort. Die Schildwachen standen, wie gewöhnlich, vor der Tür seines Quartiers. Einige Stunden vor der bestimmten Abmarschzeit schlüpfte der Prinz sodann durch eine Hintertür des Hauses an den Hafen, bestieg ein Boot und ließ sich an Bord rudern. Den Grafen von Mar veranlaßte er, mit zu entfliehen. Außerdem begleiteten ihn der Earl von Melford, Lord Drummond, der General Bulkley und noch dreizehn andere Personen von Rang. Nach einer Fahrt von fünf Tagen erreichte das Schiff glücklich den Hafen von Gravelingen.

Die Flucht des Prinzen wurde erst am anderen Tage bekannt, als die Hochländer Aberdeen erreicht hatten. Sie machten ihren Gefühlen in den bittersten Worten Luft. Der Prinz, für dessen Rechte sie die Waffen ergriffen hatten, für den sie seit Monaten in der rauhen Jahreszeit unter den Waffen standen, war beim ersten Herannahen der Gefahr schnöde geflohen. Dazu hatte er noch den Oberanführer mitgenommen und sie so ohne König und General der Gnade des Siegers anheimgegeben.

Zuvor hatte der Prinz dem General Gordon die schwierige Aufgabe hinterlassen, auf möglichst günstige Bedingungen mit dem Herzog von Argyll zu verhandeln. Aber das entmutigte kleine Heer enthob ihn dieser Mühe. Die Clane lösten sich von selbst auf und marschierten in ihre heimatlichen Wildnisse zurück. Diejenigen, welche aus dem Niederlande stammten, brachen sich nach Norden Bahn. Sie gelangten nach dem kleinen Hafen von Burgh in der Grafschaft Murray. Von da schifften sie sich in offenen Booten nach den Orkney-Inseln ein, von wo die Mehrzahl glücklich nach Frankreich entkam. Der Prinz schickte den Rest des Geldes, welches er von Frankreich mitgebracht hatte, vor seiner Flucht mit einem Boten an den Herzog von Argyll und bat, die Summe zum Besten einiger armer Dörfer, die er auf seinem Rückzuge verbrannt hatte, zu verwenden. Diese Handlung beweist, daß er nicht ganz gefühllos war für die Leiden, welche das unglückliche Schottland um seinetwegen erdulden mußte.

Der Vorwurf, welcher ihn wegen des schmählichen Verlassens seiner Anhänger trifft, wird dadurch aber um nichts gemildert.

Diejenigen derselben, welche im Norden der Fahne des Prätendenten gefolgt waren, entkamen jedoch mit wenigen Ausnahmen glücklich der lauen Verfolgung der Regierungstruppen. Aber die Unglücklichen, welche im November zu Preston sich hatten ergeben müssen, wurden zu einem schrecklichen Schicksal aufgespart.

Am 9. Dezember wurden die Earls von Derventwater, Nightisdale und Carnwath, die Lords Widdrington, Kenmure und Nairn in den Tower gebracht. Am 10. Januar stellte man sie vor den geheimen Rat. Nach, einem kurzen Verhör wurden sie von dem Unterhause des Parlaments feierlich und förmlich des Hochverrats angeklagt und dem Hause der Lords zur Aburteilung übergeben. Neun Tage ließ man ihnen, um sich gegen die schweren Anklagen zu verteidigen.

Am 19. brachte man sie abermals von dem Tower nach Westminster-Hall. Hier fand jene ergreifende Szene statt, in welcher sich die Verhafteten rechtfertigen sollten. Fast alle erklärten sich schuldig. Sie gaben zu, daß sie sich aus Anhänglichkeit an den, den sie für ihren rechtmäßigen Monarchen ansahen, gegen die bestehende Regierung erhoben hätten. Sie erkannten an, daß sie sich gegen die Gesetze schwer vergangen; doch baten sie die Lords um ein mildes Urteil, weil sie unüberlegt und durch die Gewalt der Ereignisse fortgerissen, gefehlt hätten. Auch glaubten sie, daß ihnen durch die Kapitulation von Preston wenigstens das Leben gesichert sei. Im Falle der Gnade versprachen sie, dem Könige künftighin getreue Untertanen zu sein.

Am 9. Februar verkündete der Gerichtshof in abermaliger feierlicher Sitzung in Westminster-Hall das Urteil. Die ganze Grausamkeit eines barbarischen Gesetzes wurde gegen die Unglücklichen in Anwendung gebracht. Man verdammte sie zum Galgen. Ihre Leiber sollten sodann, noch zuckend, abgeschnitten, das Herz und die Eingeweide herausgerissen und verbrannt und endlich die Körper gevierteilt werden.

Dieses grausame Urteil erweckte ein allgemeines Mitleid. Namentlich der junge glänzende Earl von Derventwater wurde von allen Schichten der Bevölkerung bedauert. Er war erst 25 Jahre alt, der Gatte eines liebenswürdigen, schönen, jungen Weibes und der Vater dreier unmündiger Kinder. Auf seinem Stammschloß zu Durham im nördlichen England hatte er eine fast fürstliche Gastfreundschaft geübt und war ein Anwalt und Versorger der Armen. Seine Mutter, Mary Tudor, war eine natürliche Tochter Charles II., welche dieser mit der einst gefeierten Schauspielerin Mary Davis gezeugt hatte. Er war also ein Vetter des Prätendenten. Dieser Umstand scheint der Regierung schon frühzeitig Verdacht gegen ihn eingeflößt zu haben. Vielleicht hat er auch den besonderen Haß veranlaßt, den König Georg I. gegen ihn fühlte. Ein Befehl, ihn zu verhaften, wurde schon beim ersten Ausbruch des Aufstandes erlassen. Er hielt sich während dem bei Freunden verborgen. Erst als Forster, das Parlamentsmitglied für Northumberland, den Befehl über die Aufrührer im nördlichen England übernahm, ergriff auch er die Partei der Stuarts. Doch konnte er fast niemanden seiner Untergebenen mehr bewaffnen. Am 6. Oktober erst schloß er sich mit einem kleinen Gefolge den Aufständischen an. Am 13. November war er schon ein Gefangener. Seine unglückliche Gemahlin versuchte vergeblich, des Königs Gnade zu erlangen. Der Monarch war hart und unbeugsam. Er wollte die Frau des Verurteilten nicht vorlassen. Deshalb versuchte sie, sich ihm ohne sein Wissen zu nähern. Die Herzöge von Richmond und Albans hatten den Mut, die unglückliche Gräfin ins Schlafzimmer des Königs zu führen. Sie stürzte ihm zu Füßen und bat mit rührenden Worten um Gnade für ihren Gemahl. Alle waren aufs tiefste bewegt, nur der König wollte von nichts hören.

Die Gräfin von Nightisdale machte denselben Versuch, um ihren verurteilten Gatten zu retten. In der Nische eines Korridors des Palastes, von dem sie wußte, daß der König ihn passieren würde, wartete sie verborgen. Dann warf sie sich ihm zu Füßen, umklammerte seine Knie und flehte um Erbarmen. Sie war in tiefster Trauerkleidung, ihre Tränen flossen unaufhaltsam. Es war eine jammervolle Szene. Georg I. aber war unbeugsam. Er versuchte sich loszureißen. Die verzweifelte Frau hielt aber die Schöße seines Rockes so fest, daß er sie eine Strecke lang auf dem Fußboden fortschleifen mußte. Dann erst gelang es den Hofleuten, sie mit Gewalt zu entfernen und den König in ein Nebengemach zu bringen.

Das Unterhaus, in dem die Whigs die Majorität hatten, teilte die unbarmherzigen Gesinnungen des Monarchen. Die Gemahlinnen der Verurteilten wandten sich daher mit ihren Bitten an das Haus der Lords. Hier fanden sie endlich Mitleid. Lord Townsend unterstützte zwar die grausamen Absichten seines Monarchen und widersetzte sich energisch der Annahme der Petition. Dennoch beschloß das Oberhaus eine Bittschrift an den König und bat ihn, diejenigen Verurteilten zu begnadigen, die es zu verdienen schienen. Mit Widerstreben wählte Georg I. die Lords Widdrington, Carnwath und Nairn zur Begnadigung aus. Das Urteil der Earls von Derventwater, Nightisdale und Kenmure wurde nur insoweit gemildert, daß sie nicht gehängt, sondern enthauptet werden sollten.

Am 22. Februar 1716 fand die traurige Exekution statt. Auf Towerhill hatte man ein schwarzausgeschlagenes Schafott errichtet. Doch empfing der Henker statt dreier Opfer deren nur zwei. Der Gräfin von Nightisdale war es gelungen, ihren Gemahl am Tage zuvor in Frauenkleidern aus dem Tower entweichen zu lassen. Es existiert noch ein Brief von ihr an ihre Schwester, in welchem sie mit rührender Einfachheit die aufopfernde Handlung erzählt. Der Earl von Derventwater bestieg zuerst das Blutgerüst. Ruhig und gefaßt las er noch eine Erklärung ab, worin er seine unverbrüchliche Treue gegen das Haus Stuart bekannte, aber gleichzeitig versicherte, daß er im Falle der Gnade aus Dankbarkeit dem regierenden Königshause gehorsam gewesen sein würde. Ein Streich trennte das Haupt vom Rumpfe. Der Henker zeigte es dem Volke mit den Worten: „Seht das Haupt eines Verräters! Hoch lebe König Georg!“ Den Titel eines Grafen von Derventwater erbte sein jüngerer Bruder. Auch er sollte einst für dieselbe Sache auf dem Schafott enden.

Lord Kenmure litt mit derselben Fassung, wie sein Vorgänger, den tödlichen Streich. Sein Schicksal war ein eben so trauriges gewesen. Er hatte erst am 12. Oktober sich den Aufständischen angeschlossen. Außerdem war er Protestant. Dennoch wollte der König ihn nicht begnadigen. Zweimal mußte der Henker zuhauen, ehe der Kopf fiel.

Thomas Forster, welcher die Aufständischen in England befehligt hatte, entkam glücklich aus dem Gefängnisse von Newgate, wo man ihn unter Anklage des Hochverrats festgesetzt hatte (am 10. April).

Von den übrigen Teilnehmern niedrigeren Ranges an dem unglücklichen Aufstande saßen noch 500 in Chester Castle und noch mehr in Liverpool und Carlisle. Von diesen wurden über Tausend nach den Kolonien transportiert. Zweiundzwanzig wurden in Lancaster hingerichtet, fünf in Tyburn gehangen und gevierteilt. Fünf Offiziere der englischen Armee, die zu den Aufrührern übergegangen, erschoß man als Deserteure. Vierzehn andere entflohen glücklich. So endete der erste unglückliche Versuch des Prätendenten, sich in Besitz seines Thrones zu setzen, in Strömen des edelsten Blutes. Tausende seiner Anhänger beschlossen in dem ungesunden heißen Klima der Kolonien frühzeitig ihr Leben. Die glücklich Entkommenen starben im fremden Lande an gebrochenem Herzen.

Während dem war der Prinz selber wieder in Gravelingen gelandet. Wie alle kleinlichen Naturen, warf er die Schuld des Mißlingens seiner Unternehmung auf andere.

Namentlich beklagte er sich, daß die französische Regierung ihn nicht unterstützt hätte. Bolingbroke schien ihm hier seine Interessen nicht kräftig genug vertreten zu haben. In St. Germain empfing ihn seine Mutter Maria von Modena in Tränen. Ihr Sohn, der rechtmäßige Erbe dreier Königreiche, kehrte abermals als heimatloser Flüchtling zu ihr zurück. Auch sie war erbittert über Bolingbroke. Er hatte es nicht einmal der Mühe wert gehalten, sie aufzusuchen. Sie hatte dagegen erfahren, daß er über sie und ihren Sohn sich unehrerbietig geäußert habe. Seiner Maitresse gegenüber hatte er seinen Spott über „solche Könige und Königinnen“ nicht unterdrücken können. Gelder, die er erhalten hatte, um Waffen und Pulver zu kaufen, sollte er zum Unterhalt seiner Geliebten und in schwelgerischen Gelagen vergeudet haben. Statt die französische Regierung zur Unterstützung der Unternehmungen zu gewinnen, warf man ihm vor, daß er die jakobitischen Pläne bei fröhlichen Gastmählern gegen den englischen Gesandten ausgeplaudert habe.

Dieser Vorwurf war jedoch nur zum Teil begründet. Louis XIV. aber, welcher bis zuletzt Sympathie für die Stuarts gehabt hatte, war inzwischen gestorben. Sein Nachfolger, der Regent, wollte sich in keine Zwistigkeiten mit England einlassen. Er erkannte Georg I. sofort an und ging die Verpflichtung ein, den Prätendenten aus Frankreich zu entfernen.