Brief an Diognet. Erste Apologie. Zweite Apologie - Justin der Märtyrer - E-Book

Brief an Diognet. Erste Apologie. Zweite Apologie E-Book

Justin der Märtyrer

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Beschreibung

"Wohlan denn, mache dich frei von allen Vorurteilen, die deinen Geist gefangen halten, lege ab die trügerische Gewohnheit und werde wie im Anfang ein neuer Mensch, da du ja auch nach deinem eigenen Geständnisse Hörer einer neuen Lehre sein wirst; schaue nicht bloß mit den Augen, sondern auch mit dem Verstande, welches Wesen und welche Gestalt die Götter haben, die ihr so nennt und an die ihr glaubt." So beginnt Mathetes seinen Brief an Diognet und Justin beendet seine zweite Apologie an den Senat mit den Worten: "Sobald ihr nun dieses Büchlein genehmigt habt, möchten wir es allen zugänglich machen, damit sie womöglich anderen Sinnes werden; einzig zu diesem Zwecke haben wir die vorliegenden Abhandlungen abgefaßt." Dazwischen erleben wir die wortreichen, freimütigen Verteidigungsbriefe der ersten Apologeten zur Widerlegung aller Vorurteile und zur gerechneten Beurteilung aller Christen, die der Staat ungerecht hinrichtet.

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Vorwort des Herausgebers

Das zweite Jahrhundert war eine große Herausforderung für das junge Christentum. Die Apostel, die bisher für die gesunde Lehre und Ordnung in den Gemeinden sorgten, waren alle tot, falsche Apostel waren am Vormarsch und die Christenverfolgung nahm im ganzen Römischen Imperium Fahrt auf. Christen wurden mit brutaler Staatsgewalt misshandelt und mussten für Gräueltaten bezahlen, die ihre Ankläger begingen. Es wurden Lügen über die christliche Religion verbreitet und Hass gegen Christen geschürt. Vor Gericht konnten sie sich nicht verteidigen, sondern wurden meist nur gefragt, ob sie Christen seien und – wenn sie das bejahten – zu Tode verurteilt und hingerichtet. Diese Ungerechtigkeiten riefen die ersten Apologeten auf den Plan. Sie schrieben Briefe an die römische Obrigkeit und das Volk um sich zu verteidigen und Gerechtigkeit zu fordern. Die frühesten drei Verteidigungsbriefe bringen wir in diesem Buch. Eine vierte Apologie (Verteidigungsschrift) des 2.Jh. brachten wir bereits in einem anderen Buch heraus: Minucius Felix, Dialog Octavius (s. Buchempfehlung im Anhang).

Frühchristliche Apologien enthalten viele Namen der römischen und griechischen Mythologie und Geschichte. Deswegen haben wir dem Minucius Felix ein Lexikon beigefügt. Es kann auch Lesern hier hilfreich sein. Außerdem wollen wir ein noch ausführlicheres Lexikon auf unserer Website einrichten, so der Herr will und wir die Ressourcen dafür erhalten.

Bei der Einteilung der Kapitel folgen wir der BKV. Die Überschriften, die in den Handschriften nicht vorkommen, sondern jeder Übersetzer formuliert wie er will (das gilt übrigens auch für alle Bücher in der Bibel), haben wir überarbeitet, ebenso sämtliche Fußnoten, wobei wir viele neue hinzufügten, um unseren Lesern den Zugang zu Sprache, Gedankengut und Zeitgeschichte von damals verständlich zu machen. Wir hoffen, diese Arbeit ist uns gelungen und unser Aufwand ist vielen anderen nützlich.

Michael Eichhorn, Hermagor, September 2023

Inhaltsverzeichnis

Mathetes Brief an Diognet

I Anlass und Inhalt des Briefes

II Torheit des Götzendienstes

III Aberglaube der Juden

IV Die übrigen verwerflichen Bräuche der Juden

V Charakteristik der Christen

VI Wie die Seele im Leib sind die Christen in der Welt

VII Stifter der christlichen Religion ist das Wort

VIII Erst durch den Sohn Gottes kennen wir Gott

IX Gründe für die späte Ankunft des Erlösers

X Der Segen, der aus Glauben fließt

XI Was wert ist, gekannt und geglaubt zu werden

XII Der letzte Prüfstein der Erkenntnis ist das Leben

Justin der Märtyrer Einleitung Justin

I Justins Leben

II Justins Schriften

Erste Apologie

I Widmung

II Gerechtigkeit gefordert

III Forderung nach gerichtlicher Untersuchung

IV Christen zu Unrecht wegen ihres Namens verurteilt

V Triebfeder der Christenverfolgung sind Dämonen

VI Christen sind keine Atheisten

VII Jeder Christ muss anhand seines eigenen Lebens geprüft werden

VIII Jenseitshoffnungen der Christen

IX Widersinn des Götzendienstes

X Die Christen haben keine materiellen Opfer

XI Die Christen erwarten kein irdisches, sondern ein jenseitiges Königreich

XII Die Christen sind wegen ihrer Furcht vor ewiger Strafe die besten Stützen der Staatsordnung

XIII Christen ehren Gott am gebührlichsten

XIV Das Christentum hat in seinen Bekennern eine sittliche Umwandlung bewirkt

XV Aussprüche Christi über die Keuschheit und Nächstenliebe

XVI Christi Lehren von der Geduld, Wahrhaftigkeit und werktätigen Frömmigkeit

XVII Verhalten der Christen gegen weltliche Obrigkeit

XVIII Christliche Lehre von der unsterblichen Seele

XIX Der Glaube an die Auferstehung des Fleisches ist nicht vernunftwidrig

XX Auch heidnische Dichter und Philosophen haben ein Fortleben des Menschen nach dem Tode gelehrt

XXI Auch die Lehre von der Himmelfahrt Christi entspricht der heidnischen Mythologie

XXII Dasselbe gilt von der übernatürlichen Geburt und den Wundern Jesu

XXIII Die Argumente

XXIV Erster Beweis

XXV Zweiter Beweis

XXVI Dritter Beweis

XXVII Aussetzen der Kinder ist den Christen verboten

XXVIII Der Aufschub der göttlichen Strafgerichte auf das Weltende ist um der Menschen willen

XXIX Sittliche Hoheit der Christen

XXX Beweis für die Gottheit aus den Weissagungen der Propheten

XXXI Die Propheten. Entstehung der Septuaginta

XXXII Weissagung des Patriarchen Jakob über Christus

XXXIII Weissagung des Isaias über die Geburt Jesu aus einer Jungfrau

XXXIV Bethlehem, der Geburtsort des Christus

XXXV Weissagungen über das öffentliche Leben und den Tod Christi

XXXVI Zum Verständnis der Prophezeiungen

XXXVII Worte Gottes des Vaters in den Weissagungen

XXXVIII Andere Beispiele, wie der Sohn Gottes bei den Propheten spricht

XXXIX Die Friedensmission im Alten Testament geweissagt

XL Weissagungen über die Apostel und Lehrer

XLI Weissagung über die Herrschaft Christi

XLII Manchmal wird von den Propheten Künftiges als schon geschehen erzählt

XLIII Erst freier Wille ergibt Verantwortlichkeit

XLIV Vorhersehung ist nicht Vorherbestimmung

XLV Prophezeiung über Christi Sitz im Himmel

XLVI Auch die Menschen vor Christus waren nicht ohne Verantwortung

XLVII Vorhersagung des Strafgerichtes über die Juden

XLVIII Andere Weissagungen über Jesu Leben und Tod

XLIX Prophezeiungen über die Bekehrung der Heiden und die Verwerfung der Juden

L Weissagung des Isaias über Christi Leiden

LI Weissagungen über Christi Majestät, Himmelfahrt und Wiederkunft

LII Die bereits erfüllten Prophezeiungen verbürgen das Eintreffen der übrigen

LIII Die Christen haben also die besten Gründe für die Wahrheit ihres Glaubens

LIV Entstehung der Griechischen Mythen

LV Das verborgene Symbol des Kreuzes

LVI Noch einmal über Simon den Magier

LVII Die Dämonen können Christen den Tod bringen, ihnen aber nicht schaden

LVIII Auch den Markion haben die Dämonen vorgeschoben

LIX Das Alte Testament hat dem Platon als Quelle für seine Lehre gedient

LX Platon und das Kreuz

LXI Die Taufe

LXII Nachäffung der Taufe durch die Dämonen

LXIII Nicht Gott der Vater, sondern der Sohn hat zu Moses im Dornbusch gesprochen

LXIV Auch die Sagen von den Zeustöchtern Kore und Athene sind ein Werk der Dämonen

LXV Die Eucharistie nach der Taufe

LXVI Das Wesen der Eucharistie

LXVII Gemeindeleben der Christen, besonders ihr Sonntagsgottesdienst

LXVIII Schluß und Reskript des Kaisers Hadrian über die Christenprozesse

Zweite Apologie

I Vorstellung des Anliegens

II An einem Vorkommnis wird gezeigt, wie ungerecht die Prozesse gegen die Christen sind

III Warum die Christen nicht Hand an sich selbst legen

IV Ursache der Verfolgungen sind die Dämonen

V Christus hat die Dämonen gestürzt, wie die Macht der Christen über Besessene zeigt

VI Weil Engel und Menschen freien Willen haben, ist die Bestrafung der Schlechten gerecht

VII Auch solche Philosophen, welche vernunftgemäß lehrten, wurden von den Dämonen gehaßt

VIII Justin und der Kyniker Kreszens

IX Die ewige Höllenstrafe ist keine leere Drohung

X Christliche Lehre erhabener als jede menschliche

XI Wie Christen Tod, Tugend und Laster sehen

XII Der beste Beweis für die Unschuld der Christen

XIII Justin hat das Christentum der Lehre Platons vorgezogen, weil es die ganze Wahrheit besitzt

XIV Bitte um Approbation dieses Büchleins

XV Schluß

Anhang

Die Bedeutung der Namen des Pentateuchs

Unterschiede bei biblischen Namen je Sprache

Abkürzungen

Die Zählung der Psalmen

Die Römischen Zahlen

Buchempfehlung

Namen- und Begriffsverzeichnis

Die Zählung der Psalmen erfolgt in diesem Buch nach der Septuaginta. Warum? Siehe Erklärung im Anhang!

Sprache und Rechtschreibung haben wir nur behutsam der modernen angepasst, um den Charme der alten Texte zu bewahren. Neue Fußnoten folgen in der Regel der neuen Schreibung.

Mathetes Brief an Diognet

Von diesem kostbaren Brief kennen wir heute weder den Autor noch den Empfänger. Das Wissen darüber ging verloren. Einziger Anhaltspunkt ist der Brief selbst. Darin nennt sich der Autor „ein Jünger der Apostel“1 - das letzte Wort dieser Phrase lautet in Griechisch „mathetes“. Darum nennen ihn die ANF kurzerhand „Mathetes“. Eine pragmatische-nette Idee, die sich in der Patristik durchsetzte und die wir gerne übernehmen.

Hinsichtlich des Empfängers gibt es Spekulationen darüber, ob es Diognetus, der Privatlehrer von Kaiser Marcus Aurelius, gewesen sein kann.2 Es war in jedem Fall ein gebildeter Mann, der Griechischen Religion zugetan. Das ergibt sich aus dem Brief. Ebenso wie das rege Interesse Diognets an der Religion der Christen, der Anlass des Briefes (s. Kapitel I).

Der Umstand, dass das Christentum als neu bezeichnet wird (Kap. I, II, IX), deutet darauf hin, dass der Brief früher geschrieben wurde als allgemein angenommen. Auch dessen Strahlkraft und Wortwahl deutet auf einen Apostelschüler im buchstäblichen Sinn und würde ihn ins erste oder frühe zweite Jahrhundert versetzen. Er ist voll des paulinischen Geistes und verströmt denselben reinen, ursprünglichen Duft, der für Klemens charakteristisch ist. Ein Hinweis, dass Mathetes ein Schüler des Apostel Paulus oder wenigstens von Klemens war. Es spricht wenig dagegen und erklärt, warum er bei den ANF unmittelbar nach dem 1. Klemensbrief steht. Wurde er aber zur Zeit von Kaiser Marcus Aurelius geschrieben, wäre er etwa Mitte des 2. Jh. zu datieren. In beiden Fällen ist er die früheste Apologie, noch vor Justins Apologien. Und genau dort haben wir ihn eingereiht.

1 ἀποστόλων γενόμενος μαθητὴς (apostolon genomenos mathetes), K. XI.

2 Interessante Spekulationen dazu finden sich in Bunsens „Hippolytus and his Age“, Bd. I. S. 188.

I Anlass und Inhalt des Briefes

Du hast, wie ich sehe, mein vortrefflichster Diognet, einen ungewöhnlichen Eifer, die Religion der Christen kennen zu lernen, und erkundigst dich über sie sehr genau und sorgfältig, was das für ein Gott ist, dem vertrauend und dienend sie alle die Welt geringschätzen und den Tod verachten und weder die von den Griechen anerkannten Götter als solche ansehen noch dem Aberglauben der Juden huldigen; ferner was das für eine Liebe ist, die sie untereinander hegen; endlich, warum diese neue Lebensart und Gottesverehrung erst jetzt und nicht viel früher in die Welt getreten ist.

Ich begrüße diesen deinen Wunsch herzlich und bitte Gott, der uns die Sprache und das Gehör verleiht, um die Gabe für mich, so zu sprechen, damit ich vor allem höre, dass du erbaut worden bist, und für dich, so zu hören, damit ich, der ich rede, keinen Grund zum Bedauern habe, es getan zu haben.

II Torheit des Götzendienstes

Wohlan denn, mache dich frei von allen Vorurteilen, die deinen Geist gefangen halten, lege ab die trügerische Gewohnheit und werde wie im Anfang ein neuer Mensch, da du ja auch nach deinem eigenen Geständnisse Hörer einer neuen Lehre sein wirst; schaue nicht bloß mit den Augen, sondern auch mit dem Verstande, welches Wesen und welche Gestalt die Götter haben, die ihr so nennt und an die ihr glaubt.

Ist nicht der eine Stein, ähnlich dem Pflasterstein, der andere Erz, nicht besser als die zu unserem Gebrauche geschmiedeten Geräte, ein anderer Holz, das vielleicht schon faul ist,3 wieder ein anderer Silber, das eines menschlichen Wärters bedarf, damit es nicht gestohlen werde, der wieder Eisen, vom Rost zerfressen, der endlich gebrannter Ton, in keiner Weise edler als das gewöhnlichste Hausgerät?4 Besteht nicht das alles aus vergänglichem Stoff? Ist es nicht geschmiedet aus Eisen im Feuer? Hat nicht das eine davon der Steinmetz, das andere der Erzgießer, dies der Silberschmied, jenes der Töpfer gebildet? War nicht ein jedes dieser Dinge, ehe es durch die Kunstfertigkeit jener Männer zu seiner Gestalt ausgeprägt wurde, und ist es nicht auch noch jetzt zu allem Möglichen gestaltbar? Könnten nicht die jetzt aus demselben Stoff bestehenden Geräte, wenn sie in die Hand derselben Künstler kämen, solchen (Götzenbildern) ähnlich gemacht werden? Könnten nicht wiederum diese, die jetzt von euch angebetet werden, von Menschen zu Geräten gemacht werden, ähnlich den übrigen? Sind sie nicht alle taub, nicht blind, nicht leblos? Nicht ohne Empfindung und Bewegung? Nicht alle der Fäulnis und der Verderbnis unterworfen?5Diese nennt ihr Götter, diesen dienet ihr, sie betet ihr an und werdet ihnen schließlich ähnlich.

Darum hasst ihr die Christen, weil sie solche nicht für Götter halten. Aber ihr, die ihr sie zu preisen vermeint, drückt ihr ihnen nicht weit mehr eure Verachtung aus? Verspottet und beschimpft ihr sie nicht weit mehr, indem ihr zwar die, welche von Stein und von Ton sind, ohne Bewachung verehrt, die silbernen und goldenen aber des Nachts einschließt und am Tage mit Wachposten umstellt, damit sie nicht gestohlen werden? Mit den Ehrengaben aber, welche ihr ihnen darzubringen glaubt, straft ihr sie vielmehr, wenn sie Empfindung haben; sind sie aber empfindungslos, so bringt ihr ihnen das zum Bewusstsein, indem ihr sie mit Blut und Fettdampf verehrt. Das halte einer von euch aus, das lasse einer an sich geschehen! Fürwahr, auch nicht einer der Menschen wird sich eine solche unangenehme Behandlung gefallen lassen, hat er doch Empfindung und Verstand; der Stein aber nimmt sie hin, weil er empfindungslos ist; beweist ihr also nicht selbst seine Empfindungslosigkeit?

Darüber, dass die Christen solchen Göttern sich nicht untertänig erweisen, könnte ich noch vieles andere sagen; sollte aber einem das Gesagte nicht hinreichend scheinen, so halte ich es für überflüssig, ihm noch mehr zu sagen.

3 Weish 14,1.

4 Ähnlich Justin in seiner 1. Apologie IX.

5 Vgl. Weish 13,10-14,2; Jes 44,9-19.

III Aberglaube der Juden

Weiterhin hast du, glaube ich, ein großes Verlangen, zu hören, warum die Christen Gott nicht auf dieselbe Weise verehren, wie die Juden. Wenn die Juden sich des vorher genannten Götzendienstes enthalten, so haben sie darin recht, dass sie nur einen Gott des Weltalls verehren und als Herrn ansehen; sofern sie aber auf gleiche Weise, wie die vorher genannten Heiden, Ihm diese Verehrung erweisen, sind sie im Irrtum. Denn wenn die Griechen damit, dass sie empfindungslosen und tauben Wesen Opfer darbringen, einen Beweis von Unverstand geben, so sollten diese die Juden es mit Recht noch mehr für Torheit und nicht für Gottesdienst halten, wenn sie glauben, solche Gaben ihrem Gott darbringen zu müssen, als ob Er ihrer bedürfte. Denn der den Himmel und die Erde und alles, was darin ist, erschaffen hat und uns allen darreicht, was wir brauchen, hat doch wohl nicht selbst etwas nötig von dem, was Er selbst denen, die es zu geben meinen, darreicht.6 Die Ihm aber Opfer von Blut, Fettdampf und ganzen Tieren darzubringen und Ihn durch solche Ehren zu verherrlichen glauben, die scheinen mir sich in nichts von denen zu unterscheiden, welche dieselbe Huldigung tauben Göttern darbringen; denn offenbar bringen die einen sie solchen dar, welche die Ehre nicht genießen können, die andern aber dem, der keiner Sache bedarf7.

6 Barnabas II,4; Jes 1,11ff. 66,1ff.

7 1.Klem LII,1. Das ganze Kapitel ähnelt inhaltlich Barnabas II.

IV Die übrigen verwerfliichen Bräuche der Juden

Jedoch über ihre ängstliche Vorsicht hinsichtlich der Speisen, über ihren Aberglauben betreffs der Sabbate, über ihre Prahlerei mit der Beschneidung und über ihre Heuchelei hinsichtlich des Fastens und der Neumonde, die lächerlich und nicht der Rede wert sind, verlangst du, wie ich glaube, von mir keinen Aufschluss. Denn wie sollte es nicht unrecht sein, von dem, was Gott zum Gebrauche der Menschen geschaffen hat, das Eine als gut geschaffen anzunehmen, das Andere aber als unbrauchbar und überflüssig zurückzuweisen und wie sollte es nicht gottlos sein, Gott zu verleumden, als verbiete Er, am Tage des Sabbats etwas Gutes zu tun?8 Sich aber mit der Verstümmelung des Fleisches9 als einem Zeugnis der Auserwählung zu brüsten, als ob man deswegen von Gott ganz besonders geliebt sei, verdient das nicht Spott?

Dass sie ferner beständig auf die Sterne10 und den Mond11 achten, Beobachtungen über Monate und Tage anstellen, die Anordnungen Gottes und die wechselnden Zeiten nach ihrem eigenen Gutdünken abteilen, die einen zu Festen, die andern zur Trauerfeiern12, wer möchte das für einen Beweis von Gottesfurcht und nicht vielmehr von Unverstand ansehen?

Dass sich also die Christen mit Recht von dem allgemeinen Unverstand und Irrtum13 und von der jüdischen religiösen Vielgeschäftigkeit und Prahlerei fernhalten, das hast du, wie ich glaube, zur Genüge erkannt. Erwarte aber nicht, dass du das geheimnisvolle Wesen ihrer eigenen Gottesverehrung von einem Menschen erfahren kannst.

8 Dies hielt bereits Jesus den Juden vor. Mt 12,12; Mk 3,4; Lk 6,9.

9 Gemeint ist die Beschneidung des männlichen Gliedes.

10 Die Juden begannen den Tag mit dem Anbruch der Nacht. Aber erst, wenn drei Sterne am Himmel sichtbar wurden, war man überzeugt, dass die Nacht begonnen habe. Wer also Freitagabend, wenn drei Sterne am Himmel von ihm gesehen wurden, noch arbeitete, galt als Sabbatschänder; wer arbeitete nach Erscheinen zweier Sterne, musste ein Sühneopfer darbringen für eine zweifelhafte Sünde; wer erst einen Stern sah, durfte noch arbeiten.

11 Die Juden betrachteten die Neumondtage als Feste.

12 Hier wird einerseits auf die großen Feste der Juden hingewiesen, andererseits auf den Versöhnungstag.

13 Der bei Heiden und Juden sich findet.

V Charakteristik der Christen

Denn die Christen sind weder durch Heimat noch durch Sprache und Sitten von den übrigen Menschen verschieden. Sie bewohnen nirgendwo eigene Städte, bedienen sich keiner abweichenden Sprache und führen auch kein absonderliches Leben. Keineswegs durch einen Einfall oder durch den Scharfsinn vorwitziger Menschen ist diese ihre Lehre aufgebracht worden und sie vertreten auch keine menschliche Schulweisheit wie andere.

Sie bewohnen Städte von Griechen und Nichtgriechen, wie es einem jeden das Schicksal beschieden hat, und fügen sich unauffällig der Landessitte in Kleidung, Nahrung und in der sonstigen Lebensart, legen aber dabei eine wunderbare und anerkanntermaßen auffällige Lebensweise an den Tag. Sie bewohnen jeder sein Vaterland, aber nur wie Beisassen; sie beteiligen sich an allem wie Bürger und lassen sich alles gefallen wie Fremde; jede Fremde ist ihnen Vaterland und jedes Vaterland eine Fremde.14

Sie heiraten wie alle andern und zeugen Kinder, setzen aber die geborenen nicht aus. Sie haben gemeinsamen Tisch, aber kein gemeinsames Bett. Sie sind im Fleische, leben aber nicht nach dem Fleische.15 Sie verbringen ihr Leben auf Erden, sind aber Bürger des Himmels.16 Sie befolgen die vorgeschriebenen Gesetze und übertreffen gleichzeitig diese Gesetze durch ihren Lebenswandel.

Sie lieben alle Menschen und werden von allen verfolgt. Man kennt sie nicht und verurteilt sie doch, sie werden getötet und wieder zum Leben erweckt.17

Sie sind arm und machen dennoch Viele reich; sie leiden Mangel an allem und haben doch alles im Überfluss.18 Sie werden entehrt, und doch werden sie gerade in ihrer Entehrung verherrlicht.

Sie werden schlecht geredet und doch werden sie als gerecht befunden.19 Sie werden gekränkt und segnen, werden verspottet und erweisen Ehre.20

Sie tun Gutes und werden wie Übeltäter gestraft. Bestraft man sie, freuen sie sich, als würden sie zum Leben erweckt. Von den Juden werden sie angegriffen als Fremde, und von den Griechen werden sie verfolgt; aber einen Grund für ihren Hass vermögen die Hasser nicht anzugeben.21

14 Vgl. 1.Klemensbrief, Anrede.

15 2. Korinther 10,3

16 Philipper 3,20

17 2. Korinther 4,11. 6,9

18 2. Korinther 6,10

19 2. Korinther 4,17

20 2. Korinther 4,8

21 Auf welchen heutigen Christ trifft dieses Kapitel zu? Welch beschämendes Vorbild die frühen Christen doch für uns abgeben! Vgl. Justin, 1. Apologie Kapitel XVI.

VI Wie die Seele im Leib sind die Christen in der Welt

Kurz gesagt, was im Leibe die Seele ist, das sind in der Welt die Christen. Wie die Seele über alle Glieder des Leibes, so sind die Christen über die Städte der Welt verbreitet. Die Seele wohnt zwar im Leibe, stammt aber nicht aus dem Leibe; so wohnen die Christen in der Welt, sind aber nicht von der Welt.22 Die unsichtbare Seele ist in den sichtbaren Leib eingeschlossen; so weiß man zwar von den Christen, dass sie in der Welt sind, aber ihre Religion bleibt unsichtbar.23

Das Fleisch hasst und bekämpft die Seele,24 die ihm kein Leid antut, bloß weil es von ihr gehindert wird, seinen Lüsten zu frönen; ebenso hasst die Welt die Christen, die ihr nichts zuleide tun, nur weil sie sich ihren Lüsten widersetzen.

Die Seele liebt das ihr feindselige Fleisch und die Glieder; so lieben auch die Christen ihre Hasser. Die Seele ist zwar vom Leibe umschlossen, hält aber den Leib zusammen; so werden auch die Christen von der Welt gleichsam in Gewahrsam gehalten, aber gerade sie halten die Welt zusammen. Unsterblich wohnt die Seele im sterblichen Zelte; so wohnen auch die Christen im Vergänglichen, erwarten aber die Unvergänglichkeit im Himmel.

Schlecht bedient mit Speise und Trank wird die Seele vollkommener; auch die Zahl der Christen nimmt, wenn sie mit dem Tode bestraft werden, von Tag zu Tag zu. In eine solche Stellung hat Gott sie versetzt, und sie haben nicht das Recht, dieselbige zu verlassen.

22 Johannes 17,11.14.16.

23 Sie haben keine sichtbaren Opfer, Tempel, Götterbilder, Prozessionen.

24 1. Petrus 2,11.

VII Stifter der christlichen Religion ist das Wort

Denn, wie ich schon sagte,25 nicht als irdische Erfindung wurde ihnen dieses anvertraut und nicht als ein System rein menschlicher Meinungen wollen sie dieses so sorgfältig hüten, auch nicht mit der Verwaltung menschlicher Geheimnisse sind sie betraut; sondern der allmächtige Schöpfer und unsichtbare Gott selbst, Er hat wahrhaftig die Wahrheit und Sein heiliges und unfassbares Wort26 vom Himmel her unter den Menschen Wohnung nehmen lassen und in ihren Herzen gegründet.

Er tat das nicht, wie man erwarten sollte, indem Er den Menschen einen Diener schickte, etwa einen Engel oder einen Fürsten oder einen von denen, die mit der Verwaltung im Himmel betraut sind, sondern den Schöpfer und Bildner des Alls selbst, durch den Er die Himmel geschaffen, das Meer in seine Grenzen eingeschlossen hat, dessen Geheimnisse27 alle Elemente treu bewahren, von dem die Sonne die Maße ihrer Tagesumläufe vorgezeichnet erhielt, nach dessen Befehle der Mond in der Nacht scheint, dem die Sterne gehorchen, welche der Bahn des Mondes folgen, von dem alles geordnet und bestimmt und dem alles unterworfen ist, die Himmel und was im Himmel, die Erde und was auf Erden, das Meer und was im Meere ist, Feuer, Luft, Abgrund, was in den Höhen, was in den Tiefen und was dazwischen ist. Diesen hat Er zu ihnen gesandt. Etwa, wie ein Mensch denken könnte, zur Gewaltherrschaft, um Furcht und Schrecken zu verbreiten? Keineswegs, sondern in Milde und Sanftmut schickte Er ihn, wie ein König einen Königssohn sendet, als einen Gott sandte Er ihn, wie einen Menschen zu Menschen sandte Er ihn, zur Erlösung schickte Er ihn, zur Überzeugung, nicht zum Zwang; denn Zwang liegt Gott ferne. Er sandte ihn, um zu rufen, nicht zum Verfolgen; Er sandte ihn in Liebe, nicht zum Gericht.28 Er wird ihn zwar auch noch senden zum Gerichte, und „wer wird den Tag seines Eingangs aushalten? Oder wer wird standhalten bei seiner Erscheinung?“29

Siehst du nicht, wie sie wilden Tieren vorgeworfen werden, damit sie den Herrn verleugnen, wie sie aber nicht überwunden werden? Siehst du nicht, dass, je mehr von ihnen hingerichtet werden, desto mehr die andern an Zahl wachsen?30 Das ist offenbar nicht Menschenwerk, sondern Gotteskraft, das sind Beweise Seiner Gegenwart.

25 Kapitel V.

26 Griechisch Logos. Bei den frühen Christen eine häufige Bezeichnung für Jesus Christus, s. Kapitel XI. Vgl. Joh 1,1ff; Justin, 1.Apol. V.

27 Gemeint sind die unveränderlichen und unergründlichen Naturgesetze.

28 Joh 3, 17.

29 Mal 3, 2.

30 Siehe Kapitel VI; ferner Tertullian, Apologetikum, 50.: „Wir werden jedesmal zahlreicher, so oft wir von euch niedergemäht werden; ein Same ist das Blut der Christen.“

VIII Erst durch den Sohn Gottees kennen wir Gotte

Denn welcher Mensch wusste überhaupt, was Gott ist, ehe Er selbst erschien? Oder willst du die gehaltlosen und läppischen Erklärungen jener unfehlbaren31Philosophen annehmen, von denen die einen sagen, Gott sei Feuer - wohin sie selbst wandern werden, das nennen sie Gott, die andern, Er sei Wasser32 oder ein anderes der von Gott geschaffenen Elemente? Freilich könnte, wenn eine von diesen Behauptungen annehmbar wäre, auch ein jedes der übrigen Geschöpfe in gleicher Weise für Gott erklärt werden. Aber das ist Blendwerk und Trug von Gauklern.

Von den Menschen hat keiner Gott gesehen oder erkannt, Er selbst hat sich kundgetan.33 Er offenbarte sich aber durch den Glauben, dem allein es gegeben ist, Gott zu schauen. Denn Gott, der Herr und Schöpfer des Weltalls, der alles gemacht und mit Ordnung eingerichtet hat, erwies sich nicht nur als Menschenfreund sondern auch langmütig.34 Er war zwar immer ein solcher und ist es und wird es sein, milde und gut, frei von Grimm und wahrhaft, und Er allein ist gut.35

Als Er aber den großen und unaussprechlichen Gedanken36 gefasst hatte, teilte Er ihn nur Seinem Sohne mit. Solange Er nun seinen weisen Ratschluss als Geheimnis bei sich behielt und bewahrte, schien es, als ob Er sich um uns nicht kümmere und unbesorgt sei.

Als Er aber das von Anfang an in Aussicht Genommene durch Seinen geliebten Sohn enthüllte und alle Dinge offenbar machte, gewährte Er uns alles zusammen, sowohl die Teilnahme an Seinen Wohltaten als auch das Schauen und die Erkenntnis. Wer von uns hätte das jemals erwartet?

Er war sich also aller Dinge in Seinem eigenen Geist bewusst, zusammen mit Seinem Sohn, entsprechend der Beziehung, die zwischen ihnen bestand.

31 Das ist Ironie.

32 Thales von Milet (um 600 v.Chr.) hielt das Wasser, Heraklit von Ephesus (um 500 v.Chr.) das Feuer für den Urgrund aller Dinge.

33 Joh 1,18.

34 Tit 3,4.

35 Mt 19,17.

36 der Erlösung.

IX Gründe für die späte Ankunft des Erlösers

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