Erste und zweite Apologie - Justin der Märtyrer - E-Book

Erste und zweite Apologie E-Book

Justin der Märtyrer

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Beschreibung

Die Erste Apologie war ein frühes Werk der christlichen Apologetik, das Justin Martyr an den römischen Kaiser Antoninus Pius richtete. Darin argumentiert Justin nicht nur gegen die Verfolgung von Menschen allein aufgrund ihres Christseins, sondern liefert dem Kaiser auch eine Verteidigung der Philosophie des Christentums und eine detaillierte Erklärung der zeitgenössischen christlichen Praktiken und Rituale. Es wird angenommen, dass die Zweite Apologie als Ergänzung geschrieben wurde, und zwar aufgrund bestimmter Verfahren, die in der Zwischenzeit in Rom vor Lollius Urbicus als Präfekt der Stadt stattgefunden hatten, was zwischen 150 und 157 der Fall gewesen sein muss. Diese Apologie ist an den römischen Senat gerichtet.

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Seitenzahl: 149

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Erste und zweite Apologie

 

JUSTIN DER MÄRTYRER

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Erste und zweite Apologie, Justin der Märtyrer

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660673

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Einleitung zu Justin dem Märtyrer2

Fußnoten. 8

Erste Apologie. 9

Fußnoten. 57

Zweite Apologie. 72

Fußnoten. 83

 

 

Erste und zweite Apologie

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Einleitung zu Justin dem Märtyrer Sprache: deutsch Bibliographie: Einleitung zu Justin dem Märtyrer In: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten Band I. Aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt von Dr. Kaspar Julius (Aristides); Dr. Gerhard Rauschen (Justin, Diognet); Dr. R.C. Kukula (Tatian); P. Anselm Eberhard (Athenagoras). (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 12) München 1913. Unter der Mitarbeit von: Jürgen Voos.

 

Titel Version: Erste Apologie (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Erste Apologie/aus dem Griechischen übersetzt von Dr. Gerhard Rauschen. In: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten Band I. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 12) München 1913, 65-138. Unter der Mitarbeit von: Rudolf Heumann.

 

Titel Version: Zweite Apologie (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Zweite Apologie/aus dem Griechischen übersetzt von Dr. Gerhard Rauschen. In: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten Band I. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 12) München 1913, 139-155. Unter der Mitarbeit von: Rudolf Heumann.

 

 

 

 

Einleitung zu Justin dem Märtyrer

 

1. Justins Leben.

 Der hervorragendste unter den Apologeten des zweiten Jahrhunderts ist der Philosoph Justin der Märtyrer. Er entstammte einer heidnisch-griechischen Familie zu Flavia Neapolis (heute Nabulus), dem alten Sichem in Samaria. Er selbst schildert uns (dial. 2-8), wie er als Jüngling, von Wissensdurst getrieben, in verschiedene Schulen kam, die ihn aber alle enttäuschten. Zuerst besuchte er längere Zeit einen Stoiker, der ihn dadurch abstieß, daß er niemals Gott erwähnte, ja sogar behauptete, es sei unnötig, etwas von Gott zu wissen. Darum wandte er sich nun an einen Peripatetiker; dieser wollte jedoch an erster Stelle wissen, welchen Preis er für den Unterricht erhalten würde, und das schien dem Justin eines Philosophen unwürdig zu sein. So verließ er auch diesen und suchte einen Pythagoräer auf, Der fragte ihn, ob er auch Astronomie und Musik verstehe, da diese Wissenschaften den Geist vom Sinnlichen abziehen und zum Schauen des Göttlichen als des absolut Guten und Schönen vorbereiten; Justin mußte eingestehen, daß er von diesen Fächern nichts verstehe. Auf seiner weiteren Wanderung kam er zu einem Platoniker, bei dem er solche Fortschritte machte, daß er hoffen konnte, bald zum Schauen des Göttlichen, dem Endziele der platonischen Philosophie, zu gelangen.

Da bekam sein Leben auf einmal eine ganz andere Richtung . Ein ehrwürdiger Greis, mit dem er auf einem Spaziergange am Meere, wahrscheinlich bei Ephesus, zusammentraf, überzeugte ihn, daß auch die Philosophie Platons viele Rätsel ungelöst lasse, und wies ihn auf die jüdischen Propheten als bessere Lehrer hin. Justin hatte schon früher die Todesverachtung der Christen bewundert und aus ihr geschlossen, daß diese Menschen unmöglich die  Schlechtigkeiten begingen, die man ihnen nachsagte. So trat er zum Christentum über und widmete sein Leben fortan der Verteidigung des Glaubens; er zog als Wanderlehrer im Philosophenmantel umher und knüpfte auf öffentlichen Plätzen mit Leuten der verschiedensten Stände Gespräche an. Später gründete er in Rom eine christliche Schule; hier war Tatian, der spätere Apologet, sein Schüler, der kynische Philosoph Kreszenz aber sein erbitterter Gegner.

Über das Ende Justins haben wir einen alten, treuen Bericht, der ohne Zweifel auf dem amtlichen Gerichtsprotokolle beruht. Nach diesem Berichte wurde er zu Rom vor den Stadtpräfekten Junius Rustikus geführt, der ihn mit sechs anderen Christen enthaupten ließ (um 165).

 

2. Justins Schriftstellerei.

 

Der hl. Justin war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller . Aber von seinen acht Schriften, die Eusebius noch gekannt hat, sind nur drei vollständig auf uns gekommen und auch diese nur in einer einzigen schlechten Handschrift (Paris. nr. 450) vom Jahre 1364; es sind zwei Apologien gegen die Heiden und ein langer Dialog mit dem Juden Tryphon . Ein größeres Bruchstück einer Schrift: „Über die Auferstehung“ , das unter dem Namen Justins geht, scheint wirklich von ihm herzurühren. Andere uns erhaltene Schriften sind ihm in den Handschriften mit Unrecht zugeeignet; so eine „Rede an die Griechen“ d. i. an die Heiden, (λόγοςπρὸςἕλληνας) über die Unvernünftigkeit der Göttermythen, die Schrift „Über die Einheit Gottes “ (περὶμοναρχίας) und besonders die lange „Mahnrede an die Griechen“ (λόγοςπαραινετικὸςπρὸςἕλληνας, Cohortatio ad Graecos); die letztgenannte Schrift, die im dritten Jahrhundert entstanden ist 1, will zeigen, daß die griechischen Weisen sich vielfach widersprechen und daß  sie das Wahre, das sie bieten, den jüdischen Büchern entlehnt haben.

Der Dialog mit Tryphon enthält eine zweitägige Unterredung mit einem gelehrten Juden, der wahrscheinlich kein anderer ist als der in der Mischna erwähnte Rabbi Tarphon. Die Unterredung, die in Ephesus stattfand, wird von Justin (c. 1 und 9) nicht undeutlich in die Zeit des Barkochbakrieges (132-135) verlegt, kann aber erst nach dem Jahre 150 von Justin in die jetzige Form gebracht worden sein, da seine erste Apologie in dieser Schrift erwähnt wird. Sie handelt im ersten Teile (c.9-47) über die nur vorübergehende Geltung des jüdischen Zeremonialgesetzes, im zweiten (c. 48-108) über die Gottheit Christi und im dritten (c. 109-142) über die Berufung der Heiden zur christlichen Kirche.

Die wertvollste Leistung dieses Kirchenvaters sind seine beiden Apologien . Eusebius berichtet (h. e. IV 18,1), Justin habe zwei Apologien verfaßt und die eine dem Kaiser Antoninus Pius, die andere seinen Nachfolgern Mark Aurel und Lucius Verus übergeben. Wir besitzen nun auch unter seinem Namen zwei Apologien; die größere von ihnen ist in der Handschrift an Antoninus Pius, die kleinere an den römischen Senat adressiert. Die neuere Kritik hat aber festgestellt, daß in Wahrheit beide erhaltenen Apologien an Kaiser Antoninus Pius gerichtet sind und daß die zweite nur ein Nachtrag zur ersten ist . Der römische Stadtpräfekt Quintus Lollius Urbicus hatte drei Christen lediglich deswegen hinrichten lassen, weil sie sich als Christen bekannt hatten; das zeigte so recht die Ungerechtigkeit des gerichtlichen Verfahrens gegen die Christen und gab dem Justin Anlaß, seine vorher verfaßte Apologie durch einen Nachtrag zu erweitern. Beide Apologien wurden kurz nach dem Jahre 150 zu Rom verfaßt.

 

3. Inhalt und Einteilung der Apologien.

 

Justin schreibt nach den Eingebungen des Augenblicks ; er schweift leicht von seinem Gegenstande ab, um Exkurse zu machen, und veranlaßt  dadurch Zerstückelungen, Wiederholungen und Nachträge. Außerdem liebt er einen langatmigen Satzbau und hat eine matte Ausdrucksweise, die sich nur selten zu Schwung und Wärme erhebt. Die Kunst der Darstellung besitzt er also nicht. Der Versuch Wehofers 2, die Apologien Justins als Kunstreden, die nach den Regeln antiker Rhetorik ausgearbeitet seien, zu erweisen, hat keinen Beifall gefunden. Justin ist nicht mit einem fertigen Plan an seine Arbeit herangetreten, sondern hat seinen Gedanken freien Lauf gelassen. Darum ist es auch schwer, eine genaue Disposition seiner Apologien zu geben . Am besten unterscheidet man in der ersten Apologie zwei konzentrische Kreise von apologetischen Beweisen, einen engeren bis Kap. 12 einschließlich und einen weitern bis zum Schluß. Von der zweiten Apologie läßt sich überhaupt keine Disposition, sondern nur eine Inhaltsangabe machen 3.

 

Inhalt der ersten Apologie: *

 

A. Einleitung (c. 1-3): Die Christen dürfen nicht ihres Namens wegen, sondern nur auf Grund erwiesener Verbrechen verurteilt werden. ** B. Ausführung **(c. 4-67).

1. Engerer Zyklus von Beweisen, vornehmlich negativer Art (c.4-12): Der Name Christ beweist so wenig wie der Name Philosoph etwas für die Schuld oder Unschuld eines Menschen (c. 4). Ursache der Christenverfolgungen sind die bösen Geister (c. 5). Die Christen sind keine Atheisten (c. 6). Wenn einzelne Christen als Verbrecher überführt wurden, so folgt daraus nichts für die übrigen Christen (c.7). Beim Verhör verleugnen die Christen ihren Glauben nicht mit Rücksicht auf das jenseitige Leben (c. 8); sie lehnen die Götterverehrung ab, weil diese unsinnig  ist (c. 9). Sie bringen überhaupt keine materiellen Opfer dar (c.10). Ihre Jenseitshoffnungen und die Furcht vor ewiger Strafe hält sie von Übeltaten ab und macht sie zu den besten Stützen des Thrones (c. 11 und 12) .

2. Erweiterter Zyklus von Beweisen , insbesondere Darlegung und Rechtfertigung des Inhaltes der christlichen Religion (c. 13-67).

a) Die christliche Glaubens- und Sittenlehre (c.13-60): Die Opfer der Christen sind Gebete und Danksagungen (c. 13). Sittliche Hoheit der Christen (c. 14-17); ihre Eschatologie (c. 18-20). Die Himmelfahrt Christi, seine übernatürliche Geburt und seine Wunder (c. 21 u. 22). Die Wahrheit der Lehre der Christen ergibt sich auch daraus, daß sie allein Gegenstand des Hasses der Dämonen sind, die ihnen mit Unrecht allerlei Verbrechen nachsagen (c. 23-29). Eingehender Beweis der Gottheit Christi aus den alttestamentlichen Weissagungen (c. 30-53). Die Dämonen haben die jüdischchristlichen Weissagungen in den heidnischen Mysterien nachgeäfft, haben Menschen, wie die Samariter Simon und Menander, dazu gebracht, sich für Gott auszugeben, und haben andere, wie den Markion, dazu verleitet, einen zweiten Gott neben dem Schöpfergott zu lehren (c. 54-58). Das Alte Testament hat dem Platon für mehrere seiner Lehren als Quelle gedient (c. 59 u. 60).

b) Kultus und Gemeindeleben der Christen (c. 61-67: Die Taufe und ihre Nachäffung durch die Dämonen bei den Heiden (c. 61-64). Die Eucharistie (c. 65 u. 66). Gemeindeleben der Christen (c. 67). C. Schluß : Ernste Mahnungen an die Kaiser (c.68).

Angehängt ist der ersten Apologie ein Reskript des Kaisers Hadrian an Minucius Fundanus, den Prokonsul von Asien, welches ein geregelteres und gerechteres Verfahren bei den Christenprozessen verlangt 4.

 

Inhalt der zweiten Apologie: *

 

Veranlassung (c. 1-3). Obschon die Christen sich nach dem Himmel sehnen, legen sie doch nicht selbst Hand an sich (c. 4). Die Christenverfolgungen sind das Werk der Dämonen, welche die Christen hassen (c. 5-8). Die Bösen wird ewige Strafe treffen (c. 9). Trübsale sind der beste Weg zum Himmel (c. 10-13). Der Verfasser bittet die Kaiser, sie möchten im Interesse der Wahrheit seine Schriften veröffentlichen lassen und ein gerechtes Urteil in Sachen der Christen abgeben (c. 14-15).

 

4. Die Lehre Justins.

 

Die Schriften des hl. Justin sind zu allen Zeiten in der Kirche sehr hoch gewertet worden. Er ist der älteste Kirchenvater, von dem uns wissenschaftliche Abhandlungen erhalten sind. Mit apostolischem Freimute trat er den Mächtigsten der Erde entgegen. Wenn er aber mit Entschiedenheit das Heidentum bekämpfte, so wußte er doch auch das Gute, das sich bei den heidnischen Weisen findet, wohl zu würdigen. Besonders durch die ihm eigene Theorie vom Keim-Logos (λόγοςσπερματικὸς) hat er eine Brücke zwischen der alten Philosophie und dem Christentum geschlagen. Diese Theorie ist Folgende: Jeder Mensch besitzt in seiner Seele einen Ableger (σπέρμα) des Logos, d. h. der absoluten göttlichen Vernunft, und kann mittels desselben Wahrheiten erkennen. „Die nun dem Logos gemäß gelebt haben, sind Christen, wenn sie auch für gottlos gehalten wurden, wie unter den Hellenen Sokrates, Heraklit und ihresgleichen, bei den Barbaren Abraham, Ananias, Azarias, Misael, Elias und viele andere, deren Taten und Namen aufzuzählen zu weitläufig wäre" (ap, I 46). Manche Wahrheitselemente seien allerdings den griechischen Dichtern und Philosophen aus der jüdischen Literatur zugeflossen; denn Moses sei der älteste Schriftsteller der Welt gewesen. In Christus aber sei der göttliche Logos in seiner ganzen Fülle erschienen; die Christen und sie allein haben also die ganze Wahrheit.

 Die Schriften des hl. Justin sind auch deswegen für alle Zeiten sehr wichtig, weil sie uns von dem Glauben, dem sittlichen Leben und dem Gottesdienst der Urkirche Zeugnis ablegen . Ausführlich handelt er in seiner ersten Apologie (c. 61-67) von der Taufe und Eucharistie ; seine Bezeugung der realen Gegenwart Christi im Altarsakramente ist die bestimmteste, die wir aus dem frühen Altertume besitzen; er sagt: „Denn nicht wie gewöhnliches Wort und gewöhnlichen Trank empfangen wir dies; wie nämlich durch den Logos Gottes unser menschgewordener Erlöser Jesus Christus Fleisch und Blut zu unserm Heile annahm, so sind wir auch gelehrt worden, daß die mittels eines Gebetes um den Logos, der von ihm ausgeht, gesegnete Speise, durch die unser Fleisch und Blut durch Umwandlung genährt werden, das Fleisch und Blut dieses menschgewordenen Jesus sei“ (c. 66). Justin ist auch der erste, dem wir eine Beschreibung des Gottesdienstes der alten Kirche verdanken; nur ungern entschloß er sich, vor Heiden über die christlichen Geheimnisse zu berichten; er tat es aber, „damit es nicht, wenn er diese überging, den Anschein habe, als wenn er sich eine Unredlichkeit zuschulden kommen lasse“ (c. 61) .

In seiner Theologie ist der hl. Justin. wie auch die übrigen Apologeten des zweiten Jahrhunderts, stark von der platonischen Philosophie abhängig. Gott Vater wohnt nach seiner Auffassung in den Gegenden über dem Himmel; er kann diesen seinen Platz nicht verlassen und darum auch in der Welt nicht erscheinen. Die Verbindung zwischen ihm und der Welt vermittelt der Logos , der in der Welt sich offenbaren kann; er wohnte ursprünglich nur als Kraft in Gott, ging aber kurz vor der Weltschöpfung als Person aus ihm hervor, um seinerseits die Welt hervorzubringen. Die Engel haben eine luftartige Leiblichkeit und nehmen wirkliche Speise, das Manna, zu sich. Die Teufel wohnen in den unteren Luftschichten und werden erst nach dem Jüngsten Gerichte mit den verdammten Menschen in das Höllenfeuer eingehen. Alle menschlichen Seelen bleiben bis zum Ende der  Welt in einem Zwischenorte, dem Hades; nur die Märtyrer gehen sofort nach ihrem Tode in die Anschauung Gottes ein. Justin war auch Chiliast ; er glaubte, daß Christus am Ende vor der allgemeinen Auferstehung zunächst nur die Gerechten auferwecken und mit ihnen tausend Jahre auf Erden herrschen werde; er sagt aber ausdrücklich, daß manche „orthodoxe“ Christen, die allerdings „nicht in jeder Hinsicht vollkommen“ seien, diese Lehre nicht annehmen (dial. c. 80) .

 

5. Ausgaben und Schriften über Justin.

 

Außer den zwei oben S. VIII genannten Gesamtausgaben der Werke der altchristlichen Apologeten wurden die Apologien Justins ediert: a) Griechisch mit Einleitung von Gustav Krüger (Krügers Sammlung ausgewählter kirchen- und dogmengeschichtlicher Quellenschriften für Seminarübungen, Serie 1, Heft 1, 3. Aufl., Tübingen 1904); b) griechisch mit lateinischer Übersetzung und Anmerkungen von Gerh. Rauschen (Rauschens Florilegium patristicum, fasciculus 2, zweite Aufl., Bonn 1911); c) griechisch in neuer Textrezension von Blunt , Cambridge 1911; d) Griechisch mit französischer Übersetzung von Pautigny (Textes et documents publies par Hemmer et Lejay, Paris 1904); e) griechisch mit deutschem Kommentar von J. Maria Plättisch (Justinus des Philosophen und Märtyrers Apologien, 1. Teil Text, 2. Teil Kommentar), Münster 1912; f) deutsch mit eingehender Erklärung von H. Veil (Justins des Philosophen und Märtyrers Rechtfertigung des Christentums, Straßburg 1894).

Über die Schriften und die Lehre Justins handeln: Semisch , Justin der Märtyrer, 2 Bände, Breslau 1840; Feder S. I., Justins des Märtyrers Lehre von Jesus Christus, Freiburg 1906; Plättisch O. S. B., Der Einfluß Platos auf die Theologie Justins des Märtyrers, Paderborn 1910.

 

 

 

 

Fußnoten

 

1.       Gaul, die Abfassungsverhältnisse der pseudo-justinischen Cohortatio ad Graecos, Berlin 1902; Harnack, Die Chronologie 2. Bd., Leipzig 1904, 151 ff. und 545 ff.

2.       Wehofer O. Pr., Die Apologie Justins des Philosophen und Märtyrers in literarhistorischer Beziehung, Rom 1897.

3.       Rauschen, Die formale Seite der Apologien Justins (Theol. Quartalschrift, Tübingen 1899, 188-206).

4.       Über den Sinn dieses vielbestrittenen, aber echten Schreibens vgl. Callewaert in der Revue d’hist. et de litterature religieuses, Paris 1903, 152-189.

 

 

Erste Apologie

 

1. Widmung.

An den Kaiser Titus Älius Hadrianus Antoninus Pius Cäsar Augustus1, an seinen Sohn Verissimus2 den Philosophen, an Lucius3, eines philosophischen4 Cäsars leiblichen und des Pius angenommenen Sohn, den Freund der Wissenschaften, an den heiligen5 Senat und das ganze römische Volk richte ich Justinus, Sohn des Priskus und Enkel des Bakchius, aus Flavia Neapolis in der syrischen Landschaft Palästina, für die Leute aus jedem Volksstamm6, die mit Unrecht gehaßt und  verleumdet werden, zu denen ich auch selbst gehöre, folgende Ansprache und Bittschrift.

 

2. Die Ungerechtigkeit allein macht unglücklich7.

Daß die wahrhaft Frommen und Weisen8 nur die Wahrheit ehren und lieben und daß sie es ablehnen, hergebrachten Anschauungen, wenn diese falsch sind, zu folgen, gebietet die Vernunft. Denn nicht nur verbietet die gesunde Vernunft9, denen nachzufolgen, die etwas Unrechtes getan oder gelehrt haben, sondern der Wahrheitsfreund muß auch auf jede Weise, wenn der Tod ihm angedroht wird, das Bekenntnis und die Ausübung des Rechten seinem Leben vorziehen. Ihr nun hört allenthalben, daß ihr Fromme und Weise, Wächter des Rechtes und Freunde der Bildung genannt werdet; ob ihr es aber auch seid, wird sich zeigen. Denn nicht, um mit dieser Schrift euch zu schmeicheln oder zu Gefallen zu reden, sind wir gekommen, sondern um zu fordern, daß ihr auf Grund sorgfältiger und verständiger Untersuchung das Urteil fällt, unbeirrt durch vorgefaßte Meinung oder durch die Rücksicht auf abergläubische Menschen und ohne in unvernünftiger Leidenschaft und nach alteingewurzeltem Vorurteil gegen euch selbst das Urteil zu sprechen. Denn wir sind überzeugt, daß uns von keinem irgendein Übel zugefügt werden kann, es sei denn, daß wir als Vollbringer einer Übeltat überführt oder als schlecht erfunden worden sind. Ihr aber könnt uns wohl töten, schaden aber könnt ihr uns nicht10.

 

3. Angeklagte sollen sich rechtfertigen, die Richter aber gerecht urteilen.

 Damit man aber dieses nicht für ein unsinniges und keckes Gerede halte, verlangen wir, daß die Anschuldigungen gegen sie geprüft werden und daß sie, wenn jene sich als begründet herausstellen, nach Gebühr bestraft werden. Wenn man aber nichts nachweisen kann, so verbietet die wahre Vernunft, auf ein übles Gerücht hin unschuldigen Menschen Unrecht zu tun oder vielmehr euch selbst, wenn ihr nicht nach vernünftiger Entscheidung, sondern nach Leidenschaft die Dinge zu verhängen beliebet. Denn für eine angemessene, ja für die einzig gerechte Forderung wird jeder Vernünftige die erklären, daß die Untergebenen von ihrem Leben und von ihrem Denken eine Rechenschaft ablegen, der man nichts anhaben kann, daß aber ihrerseits auch die Machthaber sich hei Abgabe ihres Urteils nicht von Gewalttätigkeit und Willkür, sondern von Frömmigkeit und Wahrheitsliebe leiten lassen; denn nur so werden sowohl die Regierenden, als auch die Regierten des Glückes teilhaftig. Sagte doch auch irgendwo einer der Alten: „Wenn nicht Regierende und Regierte Philosophen sind, können die Staaten nicht gedeihen“11. Unsere Aufgabe ist es also, in unser Leben und in unsere Lehren allen Einsicht zu verschaffen, damit wir nicht für solche, die erfahrungsgemäß mit unseren Verhältnissen unbekannt sind und aus Unwissenheit fehlen, selbst die Strafe auf uns laden; eure Sache aber ist es, uns, wie die Vernunft es fordert, anzuhören und euch als gerechte Richter zu erweisen. Denn seid ihr einmal unterrichtet, so wird euch fürderhin keine Entschuldigung bei Gott mehr zustehen, wenn ihr nicht Gerechtigkeit übet.

 

4. Der Name Christ beweist nichts für die Strafbarkeit eines Menschen.