Burgen, Sex & Abenteuer - Sina Blackwood - E-Book

Burgen, Sex & Abenteuer E-Book

Sina Blackwood

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Beschreibung

Maja, eine Schriftstellerin mit Vorliebe für das Mittelalter, folgt ihrem Liebsten in die Burgruine Fragenstein. Als sie das Tor durchquert, geschieht Seltsames - sie findet sich im 15. Jahrhundert wieder. Von ihm, der sich als Herr der Burg zu erkennen gibt, vor die Wahl gestellt, entscheidet sie sich, zu bleiben. Doch sie hat die Rechnung ohne seine Frau gemacht. Ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang beginnt.

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Inhaltsverzeichnis

Willkommen im 15. Jahrhundert

Flucht von Burg Fragenstein

Lebensretter

Auf, nach Süden

Zickenkrieg auf Runkelstein

Erinnerungen

Ein Ziel vor Augen

Spannungen

Auf der Suche nach dem Tor

Allerlei Schwierigkeiten

Es kommt noch dicker

Zwangspause im Fort

Berge & Meer

Wo alles begann

Der lange Ritt zurück

Die einzige Chance geht verloren

Willkommen im 15. Jahrhundert

Sigmund, der Münzreiche, Titularerzherzog von Österreich und Regent von Oberösterreich hatte gerade die Burg verlassen, als ein berittener Bote in den Hof galoppierte. Er warf einem Stallknecht die Zügel seines schäumenden Rosses zu und verlangte, auf der Stelle zur Geliebten des Burgherrn, der Dame Maja, gebracht zu werden.

Ein Laufbursche eilte davon. Augenblick später ließ die Dame den Reiter mit einem unguten Gefühl zu sich bitten.

Die Türklinke noch in der Hand, deutete der Fremde eine Verbeugung an und raunte: „Herrin, Ihr seid in Gefahr.“

Sie legte einen Zeigefinger auf ihre Lippen und wies ihn mit Gesten an, ihr zu folgen. Wohin der kurze Geheimgang führte, wusste der Mann nicht, nur, dass der Ort wirklich sicher sein musste.

In einer wohnlichen Kammer deutete Maja auf einen Schemel, setzte sich ebenfalls und befahl: „Sprecht!“

„Katharina spinnt Intrigen und trachtet Euch nach dem Leben.“

Maja wurde blass. Der Arm Katharinas von Sachsen, der zweiten Ehefrau Sigmunds, reichte weit. Die gelegentlichen Seitensprünge ihre Gatten mit Frauen aus dem Volk nahm sie hin, nicht aber die feste Liaison mit ihr, der geheimnisvollen Schriftstellerin, von der niemand wusste, woher sie gekommen war.

„Wer schickt Euch?“, fragte sie ziemlich irritiert, denn Sigmund spielte die offensichtliche Gefahr seit Wochen herunter.

„Jemand, der Euch sehr verehrt, um nicht zu sagen, jemand, der Euch liebt“, bekam sie zur Antwort.

„Ah ja. Es ist zu seiner Sicherheit also besser, wenn ich seinen Namen nicht kenne“, stellte sie in den Raum, erhielt aber ein zustimmendes Nicken.

„Man hält für Euch eine Kettenrüstung bereit. In der Gewandung eines kriegstauglich gerüsteten Knappen könnte man Euch aus der Burg bringen, wenn Ihr das wünscht.“

„Wer und wohin?“, hauchte Maja, der das Grauen langsam den Rücken hinauf kroch.

Er lächelte kaum merklich. „Sehr weit weg. An einen Ort, wo man Eure Kunst schätzen und Euch Zuflucht gewähren wird. Haltet Euch bereit, wenn Euch Euer Leben lieb ist.“ Er erhob sich, um anzudeuten, dass er auch ohne ihre Erlaubnis gehen musste.

„Wie bekomme ich Bescheid?“

„Ihr werdet zu gegebener Zeit die nötigen Dinge erhalten und solltet dann sofort die Burg verlassen.“

Maja nickte stumm. Still führte sie ihn durch den Geheimgang zurück. Als er auf einem frischen Pferd die Burg verließ, schaute sie ihm so lange hinterher, bis er nur noch als winziger Punkt in der Ferne zu sehen war. Dann versank sie in schwermütige Gedanken. Ja, Sigmund hatte sich in den letzten Monaten verändert. Sie erinnerte sich an jene Zeit, als sie ihr altes Leben aufgegeben hatte, um hier auf seiner Jagdburg zu leben.

Damals hatte sie sich, um ihn nicht zu verlieren, durch den Mauerspalt gezwängt, der ihre und seine Welt trennte, und fast mit dem Tod dafür bezahlt.

„Nicht bewegen, Liebste. Es wird alles gut.“ Sigmund drückte ihren Oberarm ab, um die sprudelnde Blutung einzudämmen.

Sein Medicus nahte bereits mit langen Schritten, in der Hand einige dünne Lederriemen.

„Euer Leben gegen ihr Leben“, raunte ihm Sigmund zu, begleitet von einem Blick, der nichts Gutes verhieß, sollte seine Geliebte nicht überleben.

Mit den Worten: „Ich bin kein Zauberer“, band der Heilkundige den verletzten Arm ab, um sich rasch einen Überblick zu verschaffen, ehe er Maja, in einen Umhang gebettet, ins Haus bringen ließ.

„Wer ist sie und was ist geschehen?“, fragte er beim Anblick der ungewohnten Kleidung Sigmund, der mit sorgenvoller Miene neben dem Bett stehengeblieben war und jede seiner Bewegungen genauestens beobachtete.

„Zügelt Eure Neugier!“

Diese Reaktion sagte dem Medicus mehr, als er erfragt hatte, und so setzte er alles daran, sein Leben nicht zu verwirken. Denn, dass es tatsächlich an dieses gehen werde, hatte er schlagartig begriffen. Seine Patientin war inzwischen in eine tiefe Ohnmacht gefallen, die ihr die schlimmsten Schmerzen ersparte, als sich der Arzt daran machte, die Bruchstücke des gesplitterten Ellbogens zusammen zu puzzeln und einigermaßen zu richten.

Die großflächigen Schürfwunden machten ihm weniger Sorgen. Die betupfte er mit Honig, damit sie rasch und narbenfrei heilten. Sigmund würde ihm die Leviten lesen, entstellte irgendetwas durch eine Nachlässigkeit das Gesicht seiner Geliebten.

Inzwischen hatte sich auch der Riss oberhalb des Bruches mit einem dicken Grind verschlossen. Der Medicus lockerte den Lederriemen etwas, wartete ein paar Sekunden, ehe er bekanntgab: „Das dürfte heilen. Ich werde jetzt eine Schiene anlegen, denn sie darf den Arm nicht einen Millimeter bewegen.“ Dass er ein wanderndes Blutgerinnsel in den Adern befürchtete, verschwieg er lieber.

Stattdessen verlangte er, man möge der geheimnisvollen Fremden einen Sud aus Brennnesseln zu trinken und Gerichte mit viel Kohl zu essen geben. Es genügte vollends, wenn er um die blutverdünnende Wirkung in ausreichender Menge wusste. Dass Brennnessel zugleich stark harntreibend wirkte, stand auf einem anderen Blatt. Mann musste nur dafür sorgen, dass die Verletzte in den nächsten Tagen nicht herumlief, was ihre Kammer fürs Erste optisch in eine Gefängniszelle verwandelte.

Sigmund bestimmte eine Magd als Pflegerin für Maja und widmete sich seinen Regierungsaufgaben. Dass er in Gedanken mit völlig anderen Dingen, als Steuern und Abgaben, beschäftigt war, merkte er besonders daran, dass er alle Textpassagen und Rechnungen mehrmals prüfen musste, um brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Er hatte gehofft, Maja zum Bleiben bewegen zu können, aber nicht erwartet, dass sie es tatsächlich tun werde.

Er würde also in nächster Zeit ziemlich oft, ziemlich lange zur Jagd hier residieren und seine Geschäfte von hier aus führen. Frisch vermählt hin oder her. Seine brandheiße, liebeshungrige Geliebte bedeutete ihm sehr viel mehr, als seine blutjunge im Bett unerfahrene Gattin, die er aus rein politischen Gründen geehelicht hatte.

Sigmund legte den Federkiel beiseite, schaute nach dem Stand der Sonne und beeilte sich, nach Majas Befinden zu fragen.

„Sie schläft, mein Herr“, flüsterte das Dienstmädchen.

Sigmund beugte sich hinunter und hauchte Maja einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Die kühle Haut beruhigte ihn. Er hoffte inständig, das werde auch so bleiben.

Dann fiel ihm ein, dass sie dringend andere Kleider brauchte, um keine lästige Neugier zu erregen. So ließ er nach dem Schneider schicken, obwohl noch nicht einmal sicher war, dass sie die Verletzungen überleben werde.

Der Medicus betrat die Kammer. Er wunderte sich keineswegs, den Landesherrn hier vorzufinden.

„Ich habe Johannis- und Eisenkraut mitgebracht. Das sollte einer Entzündung der tieferen Wunden vorbeugen“, erklärte er, die Tinkturen auf den Tisch stellend. „Für die lädierte Wange bleiben wir bei Honig.“

Maja schlug stöhnend die Augen auf. „Sigmund“, hauchte sie, „Ihr seid tatsächlich da. Ich glaubte, geträumt zu haben.“

„Ja, ich bin bei Euch. Und ich werde bleiben, bis es Euch wieder besser geht“, versprach er, ihre unverletzte Hand streichelnd.

„Und dann?“

„Muss ich hin und wieder wenigstens so tun, als interessiere ich mich für meine Frau.“

Die Magd fiel aus allen Wolken, der Medicus grinste innerlich, Maja lächelte selig.

Sigmund verabschiedete sich mit einem heißen Kuss und wies die Magd an, Maja alles zu bringen, was diese verlangte. Weil es Branntwein zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab, wie Maja wusste, ließ sie sich einen Krug Wein bringen, um die Schmerzen halbwegs zu ertragen und in der Nacht schlafen zu können.

Der Medicus rieb sich erfreut die Hände. Es war anzunehmen, dass er von dem bisher gewohnten Geschrei und Gewimmer der Weiber verschont blieb. Eine Dame, die in Hosen erschien, und den Schmerz wie ein Kerl hinunterspülte, imponierte ihm. Wenn sie nach ihm riefe, werde er wie der Blitz erscheinen, weil dann wirklich höchste Alarmstufe herrschte.

„Ich habe ein paar Probleme, Euern Dialekt zu verstehen, edle Dame“, seufzte er nur. „Woher kommt Ihr?“

Maja hatte schon fast der platte Witz auf der Zunge gelegen: Vom Glühweinstand. Sie besann sich aber rasch, alles vermeiden zu müssen, was zu noch mehr Fragen führen konnte. In diesem Jahrhundert, und besonders in ihrer Situation, wären Zweideutigkeiten und flapsige Sprüche völlig fehl am Platz gewesen. Also antwortete sie wahrheitsgemäß: „Aus Sachsen.“

„Ach …“, der Heilkundige schaute sie mit ungläubig aufgerissenen Augen an.

„Nein, ich bin nicht mit dem Gefolge Katharinas gekommen“, fügte Maja sofort hinzu. „Ich bin direkt aus Montecatini angereist.“ Was ja auch der Wahrheit entsprach.

Die Augen des Arztes wurden noch größer. „Dann habt Ihr also eine Pilgerreise hinter Euch!“

„Ja, man kann es durchaus so nennen“, schmunzelte Maja. „Ich habe Firenze besucht, Siena, Lucca, San Gimignano, Pisa und Cremona. Auf der Heimreise bin ich dann an dieser wundervollen Burg vorbeigekommen und habe die Einladung Erzherzog Sigmunds angenommen.“

„Ich verstehe nur nicht, wobei Ihr Euch solch seltsame Wunden zugezogen habt“, sinnierte der Medicus laut.

„Bei einem Überfall unterhalb der Burg. Ich konnte mich gerade noch bis hierher schleppen, als mich die Kräfte verließen. Ob meine Begleiter mit dem Leben davongekommen sind, weiß ich nicht.“

„Das erklärt natürlich vieles! Auch Eure andersartige Gewandung! Ihr müsst Jahre unterwegs gewesen sein!“

Rund 600 Jahre durch die Zeit, schoss es Maja durch den Kopf, was sie aber nicht aussprach. Stattdessen nickte sie nur. Sie hatte, auf die Schnelle, keine Ahnung, wie lange ihre Reise zu Pferd von Sachsen, am Fuße des Erzgebirges, aus gedauert hätte.

Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und ein anderes Mädchen übernahm die Wache am Krankenbett, so wie in den nächsten sieben Nächten. Dann gestattete der Medicus endlich, dass Maja aufstehen durfte. Bisher war sie auch nur liegen geblieben, weil ihr der Heiler in seiner Not erklärt hatte, was ihm blühen würde, stieße ihr irgendetwas zu. Sie hatte ihm also versprochen, nicht zu meutern und tapfer durchgehalten. Dafür hatte er ihr unter Mühen besorgt, was zu jener Zeit unüblich gewesen war.

Mangels Rohrzucker ließ sich Maja Rübenzucker herstellen, den der Heiler in seiner kleinen Hexenküche mühsam aus halbwegs süßen Rüben extrahierte. Als sie endlich mit eigenen Augen sehen konnte, welchen immensen Aufwand die wenigen Gramm kosteten, begnügte sie sich wieder mit Honig zum Süßen. Der war leichter zu haben und trotzdem noch teuer genug.

Wenn Sigmund sie mit „meine Teuerste“ ansprach, konnte man das durchaus wörtlich nehmen. Der Gegenwert, brandheiße Nächte, in denen es keinerlei Tabu gab, wog dem Erzherzog die finanzielle Belastung offensichtlich mehrfach auf, denn er zückte sofort den Geldbeutel, wenn Maja Wünsche äußerte.

Ansonsten hielt sich Maja mit allem sehr zurück. Sie kannte die Geschichte, wusste, was kommen werde, und mischte sich in keinerlei politische Entscheidungen ein, wie es andere Mätressen immer wieder getan hatten. Sie verfolgte Klatsch und Tratsch einzig und allein aus dem Grund, zeitig genug zu merken, wenn Sigmund seine schützende Hand von ihr nehmen werde.

Mit dem Wissen des 21. Jahrhunderts hatte sie keine Mühe, sich das Leben auf der Burg recht angenehm zu gestalten. Weilte Sigmund bei seiner Frau, steckte Maja in der Kräuterküche des Heilers, der ihr sein Wissen vermittelte und medizinische Tipps der Neuzeit als Dank erhielt, die ihm garantierten, der Beste in weitem Umkreis zu bleiben. Er war es auch, der ihr als Erster berichtete, dass Katharina auf Rache sänne.

Die immer kürzeren Abstände, zwischen immer ausgedehnteren Jagdaufenthalten auf Fragenstein waren der betrogenen Gattin tief in die Nase gefahren. Zumal ja auch sie ihre Informanten hatte. Schließlich verlangte sie, auf einen der Ausflüge mitgenommen zu werden.

Sigmund schickte einen Boten nach Fragenstein, um das Unheil anzukündigen. Maja schnürte sofort ihr Bündel und ließ sich nach Zirl bringen, wo sie unter der Obhut eines Freundes des Medicus abwarten wollte, bis die Luft wieder rein sei.

„Jetzt spielt Ihr wirklich mit Eurem Leben“, hatte sie ausgerufen, als er ihr den Vorschlag unterbreitete.

„Glaubt Ihr etwa wirklich, Ihr kämt allein zurecht?“, hatte er nur geantwortet und dem Pferd einen Klaps auf den Hintern gegeben, damit es endlich lostrabte.

Majas Dienstmädchen lief eilig hinterher. Sie wollte um gar keinen Preis Katharina unter die Augen kommen. Womöglich stellte die Fragen, wie man es früher auf der Burg getan hatte, die daraufhin den Namen Fragenstein erhalten hatte, also offiziell ein Ort der Befragung, eben auch der peinlichen, also der Folter, gewesen war.

Katharina zog sich nach drei Wochen frustriert aus der Burg zurück, in der sie weder Spuren ihrer Nebenbuhlerin entdeckt hatte, noch irgendjemanden zum Reden bringen konnte. Möglich, dass die Rivalin schon lange fort war und sich jemand einen üblen Scherz erlaubt hatte, ihr falsche Informationen zu geben.

Die Ankunft Majas wurde Sigmund schon gemeldet, als ihr Pferd noch vor der Zugbrücke war. Er eilte in den Hof, um sie vom Rücken des Tieres zu heben.

„Ihr habt mir gefehlt!“, rief er, sie fest in die Arme schließend.

„Dann fragt mich mal!“, entgegnete Maja, die froh war, endlich wieder den Luxus der Burg genießen zu können. Das Mittelalter des kleinen Mannes war nur solange romantisch, solange man nicht tagtäglich darin leben musste. Dabei hatte sie die letzten Tage sogar bei einer gut betuchten Familie verbracht. „Eure Gattin macht mir Angst!“

„Ach was! Die beruhigt sich wieder“, lachte Sigmund, für Maja festlich auftafeln lassend. Er freute sich schon jetzt unbändig auf die Annehmlichkeiten des Abends und der Nacht. Gegen das, was ihn da erwartete, muteten die ehelichen Pflichten fast wie eine Selbstbefriedigung am lebenden Objekt an.

Er sollte auch nicht enttäuscht werden. Zwar galt alles, was über das hinausging, was das 21. Jahrhundert als Missionarsstellung kannte, als tabu, aber wer Macht und Geld hatte, gönnte sich all das trotzdem. Schweigen, welches man nicht mit Geld erkaufen konnte, ließ sich notfalls mit Repressalien erwirken.

Flucht von Burg Fragenstein

Sigmund war, trotz aller Macht, sehr vorsichtig mit irgendwelchen Äußerungen, die Maja betrafen. Eigentlich gab es nur zwei Personen, die überhaupt eine Ahnung davon hatten, was wirklich zwischen den beiden lief – das persönliche Dienstmädchen Majas und der Medicus. Und der auch noch besser als ihm lieb war. Er hatte die beiden durch einen unglücklichen Zufall im Wald beim Baden an einem Bach beobachtet und seitdem plagten ihn heftige Gefühle, wenn er nur an Maja dachte.

Sie war scharfsinnig, hatte Kunstverstand und konnte anpacken … hübsch war sie … und ... Medicus Fabian wurde es siedendheiß unterm Wams. Er hatte in den letzten drei Jahren immer wieder Gesprächsfetzen zwischen den beiden aufgeschnappt, die darauf hindeuteten, dass Maja niemals mehr nach Hause zurückkehren konnte, wenn Sigmund das Interesse an ihr verlieren sollte. Dann träumte er davon, sie für sich zu gewinnen und all die Dinge zu erleben, die jetzt allein Erzherzog Sigmund im Bett mit ihr zustanden.

Natürlich war er deshalb auch besonders hellhörig, wenn es um alles ging, was irgendwie mit Maja zusammenhing. So entging ihm auch nicht, dass Sigmunds Gemahlin begann, Gerüchte über dessen Geliebte auszustreuen. Das ging so weit, dass sie behauptete, als Siegmund mit Magenkoliken nach einem Jagdausflug nach Hause kam, Maja habe ihn vergiften wollen.

Die Lage eskalierte.

„Herrin, dies wurde für Euch abgegeben!“ Das Dienstmädchen wuchtete ein schweres, in weich gegerbtes Leder eingeschlagenes, Bündel auf den Tisch.

„Von wem?“

„Von einem Herrn auf einem schwarzen Pferd.“

Maja schüttelte amüsiert den Kopf. „Sein Name?“

„Den weiß ich nicht und das Wappen auf seinem Umhang konnte ich nicht erkennen.“ Sie hob bedauernd die Hände und verließ das Zimmer.

Komisch, ausgerechnet jetzt, wo sich das Glück rar machte, schickte jemand Geschenke. Maja begann, die Riemen aufzuknoten, dann schlug sie das Leder zurück. Mit tiefstem Erschrecken starrte sie das Kettenzeug und die Waffen an, die zum Vorschein kamen.

Nur nicht in Panik verfallen, hämmerte es in ihrem Kopf, während sie sogleich begann, ihre schönsten Kleider zusammenzurollen, nach Schmuck und Geld griff und alles in ebenjenes Leder schnürte, das gerade noch die Rüstung verborgen gehalten hatte.

Oft genug hatte sie in ihrem alten Leben tagelang schwere Kettenrüstung getragen, um sich sofort zurechtzufinden. Sie streifte den gesteppten Gambeson über, die Polsterhaube, unter der sie ihr langes Haar verbarg, schlüpfte in das langärmelige Kettenhemd und legte den Waffengurt um. Alles passte perfekt. Tausendfach geübte Handgriffe, die diesmal nicht zu einer Bühnenshow gehörten, sondern ihr das Leben retten sollten.

Der beidseitig geschliffene Dolch war höllisch scharf und Maja hütete sich, die Klinge zu berühren. Ein kurzes Einhandschwert komplettierte das Waffenarsenal. Maja ließ ihren Blick durch die Kammer schweifen. In einer der Truhen lag noch ihre alte Jeans, die sicher wärmer war, als das, was sie als Beinkleidung erhalten hatte.

Rasch tauschte sie die Hosen aus, wobei sie das mittelalterliche Gewand mit ins Bündel schnürte. Zwar stand der Sommer vor der Tür, aber sie hatte keine Ahnung, was die Zukunft bringen werde.

Sie zog die Kettenhaube über, den Umhang und verließ durch den Geheimgang ihre Kammer. Ungesehen gelangte sie zum Stall, wo sie eigenhändig ihr Pferd sattelte, welches sie dann zu einer der kleinen Pforten in der Mauer führte. Draußen stieg sie auf und trieb das Tier in schnellem Trab den Weg hinunter, um dann die Handelsstraße nach Innsbruck zu nehmen.

Das Gedankenkarussell raste. Was werde Sigmund tun, wenn er von ihrer Flucht erführe? Würde er sie verfolgen lassen? Oder wäre es ihm egal? Vielleicht begrüßte er es ja sogar, sie auf so elegante Weise loszuhaben? Er hatte in den letzten Monaten schwermütig und wenig leidenschaftlich gewirkt. Ja manchmal hatte er tagsüber nicht einmal Notiz von ihr genommen. Maja hatte sich nicht aufgedrängt. Nur die Furcht war gestiegen, plötzlich hilflos ausgeliefert zu sein.

Sie seufzte. Was war sie jetzt? Auf der Flucht! Und wohin? Sie wusste es nicht. Vielleicht war es ja sinnvoll …

„Darf ich mich Euch anschließen oder steht Euch der Sinn weniger nach Gesellschaft?“, fragte jemand plötzlich genau hinter ihr.

Maja zügelte ihren Braunen und ließ den Fremden aufschließen. Er saß auf einem Rappen mit glänzendem Fell, hatte die Kapuze seines Umhangs ins Gesicht gezogen, unter der himmelblaue Augen wie kleine Sterne hervor strahlten. Ein Beipferd ohne Gepäck trabte hinterher.

„Zu zweit reist es sich angenehmer“, erklärte Maja, ihr Pferd im Schritt weitergehen lassend.

„Woher kommt ihr?“, fragte der Fremde.

Maja deutete über ihre Schulter. „Von da.“

„Und ihr wollt sicher nach dort“, schmunzelte der Reiter, mit dem behandschuhten Finger nach vorn zeigend.

„Richtig.“ Maja hob die Schultern.

„In wessen Dienst steht Ihr? Ich kann kein Wappen entdecken“, bohrte der Neuankömmling weiter.

Maja wandte sich ihm mit finsterem Blick zu. „Was geht das Euch an?“

„Was seid Ihr gleich so unwirsch? Ich möchte einfach nur wissen, mit wem ich die Ehre habe, zu reisen.“

„Ich bin Maximilian von Sebnitz“, erklärte Maja kurzerhand, wobei nur der Vorname gelogen war. Irgendwie musste sie sich ja einen plausiblen Namen einfallen lassen, den sie sich auch selber gut merken konnte. Das von war zu jener Zeit nicht zwingend ein Adelsprädikat, sondern stand viel öfter nur dem Ort der Herkunft vor.

Der fremde Reiter schob seine Kapuze zurück. „Mich nennt man Georg von Freyberg-Eisenberg.“

Maja kramte in ihrem Gedächtnis. Sie konnte den Namen nicht zuordnen, obwohl gerade sie hätte wissen müssen, wen sie vor sich hatte. Wie auch immer, das Aussehen des Herrn passte auf die Beschreibung vom Überbringer des Paketes, die Hanna gegeben hatte. So stellte sie fest: „Unser Zusammentreffen ist kein Zufall, nehme ich an.“

„Nein, das ist es nicht. Ihr habt mich nur völlig überrascht, Euch selbst mit einem Pferd versorgt zu haben. Ich hatte Euch zu Fuß erwartet.“

Maja zuckte wortlos mit den Schultern.

Es irritierte Ritter Georg doch sehr, dass sie alle Informationen hinnahm, ohne verbal darauf einzugehen. „Interessiert es Euch gar nicht, wohin ich Euch bringen soll?“

„Sicher interessiert mich das. Aber da Ihr gerade so im Redefluss wart, wollte ich Euch nicht unterbrechen. Ich denke, Ihr werdet mir zeitig genug sagen, was Ihr vorhabt. Und glaubt ja nicht, dass ich mich nicht wehren könnte, ginge mir etwas gegen den Strich!“

„Meister Fabian hat wohl recht, wenn er Euch eine Raubkatze mit scharfen Krallen nennt!“, lachte Georg.

Maja grinste breit und fragte ziemlich überrascht, weil Georg frei von der Leber redete: „Das hat er gesagt?“

„Hat er. Und ich soll Euch, auf seine Bitte hin, zur Burg Hohenfreyberg bringen.“

„Das werdet Ihr schön bleiben lassen“, rief Maja sofort angriffslustig. „Ich habe eine Allergie gegen diese Burg.“

„Eine was?! Ich verstehe nicht“, stotterte Georg sichtlich verwirrt.

„Jetzt fällt mir auch endlich ein, in welchem Zusammenhang Euer Name mit dem Erzherzog steht!“ Maja kniff die Augen zusammen. „Wenn das hier keine Falle ist, und Ihr mir wirklich helfen wollt, dann bringt Ihr mich an jeden Punkt dieser Welt, nur zu keiner Burg, die, wie auch immer, Erzherzog Sigmund gehört! Und nach Hohenfreyberg schon gar nicht!“

Wie hätte sie Georg auch erklären sollen, in einem anderen Leben dort gestorben zu sein und das nicht wiederholen zu wollen.

„Ich schwöre Euch, nichts Böses vorzuhaben. Ich habe lediglich Fabian versprochen, Euch aus dem direkten Gefahrenkreis zu bringen. Da ich selber auch auf der Suche nach neuen Herausforderungen bin, stehen uns alle Wege offen. Sagt, wohin Ihr wollt, und ich werde über Euch wachen, bis wir am Ziel sind.“

„Rosamunde Pilcher lässt grüßen“, murmelte Maja und verzog das Gesicht. Laut erwiderte sie: „Vermutlich gehen an diesem Punkt unsere Interessen bereits sehr auseinander. Ihr werdet Euch als Ritter hervortun wollen. Ich suche lediglich einen Platz, wo man mich in Ruhe lässt.“

Der Blick Georgs veranlasste sie, hinzuzufügen: „Ja, schon gut. Bla, bla, bla wir haben das 15. Jahrhundert und ich werde versuchen, Euch nicht zu verärgern.“

„Ihr seid ein Buch mit sieben Siegeln, das womöglich voller Rätsel steckt. Wir sollten vernünftigerweise versuchen, ein Quartier für die Nacht zu finden und uns nicht erwischen zu lassen. Immerhin habe ich Euch bei der Flucht geholfen. Mein Risiko ist nicht geringer, griffe man uns auf.“

„Verzeiht mir bitte.“ Maja wusste, dass es dumm war, dem Einzigen, der ihr nun noch helfen konnte, das Leben schwer zu machen. „Knappe Maximilian erwartet Eure Befehle.“

„Dann folgt mir!“ Ritter Georg ließ seinen Rappen in leichten Galopp fallen.

Auf diese Weise schafften sie einige Meilen, bis sich die Sonne endgültig anschickte, für heute hinter den Felsmassiven zu verschwinden. Georg hielt auf ein großes Bauernhaus zu. Die Bäuerin kam gelaufen und begrüßte ihn herzlich. Maja verstand kein einziges Wort.

„Wir bekommen ein gemütliches Plätzchen im Heu“, erklärte Georg, sprang vom Pferd, ohne sich um Maja zu kümmern, und folgte der Bauersfrau.

Maja, der Knappe Maximilian, hätte sich auch sehr gewundert, wenn er anders reagiert hätte. Nur kein Aufsehen erregen, hieß die Devise. Also folgte sie rasch seinem Beispiel und kümmerte sich, kaum dass die Frau gegangen war, zuerst um das Pferd ihres Ritters.

„Bleibt fern! Womöglich beobachtet man uns“, flüsterte sie, als er die weiteren Arbeiten übernehmen wollte.

Sie rieb alle drei Tiere trocken, schüttete ihnen Stroh und Hafer auf, ehe sie die Kettenhaube abnahm und sich zu Georg setzte. Der hatte mit dem Abendbrot gewartet.

„Man muss es ja nicht völlig übertreiben“, meinte er, ihr Fladenbrot und einen Zipfel Wurst reichend.

Maja fasste nach ihrem ledernen Trinkbeutel. „Ist Eurer auch leer? Dann gebt ihn mir gleich zum Füllen mit!“ Sie hielt die beiden Gefäße direkt unter den Zulauf der Pferdetränke, die mit wunderbar klarem Wasser aus dem Bächlein gespeist wurde, welches geradenwegs aus dem Gebirge kam.

„Wohl bekomm’s, Herr Ritter!“

„Herzlichen Dank, schöne Frau! Als Nachttrunk habe ich für uns etwas Besseres auf Lager.“ Er hielt einen kleineren Beutel hoch, dessen Trinkrand umgeschlagen und mit Bändern mehrfach verknotet war, um nicht einen einzigen Tropfen des Inhalts zu verlieren.

„Roter Wein?“, fragte Maja blinzelnd.

„Weißer, aber mindestens genau so gut, wie Eure Lieblingssorte.“

„Ihr seid wohl über alles informiert?“, rief Maja erschreckt.

Ritter Georg antwortete nicht, deutete aber im Sitzen eine Verbeugung an, worauf Maja tief dunkelrot anlief.

Georg entfärbte sich hingegen jäh und stammelte. „Oh weh. Vergebt mir, wenn Ihr irgendwie könnt.“