Burgi, das Baby kommt - Gabriele Crepaz - E-Book

Burgi, das Baby kommt E-Book

Gabriele Crepaz

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Beschreibung

Wenn das Telefon klingelt, düst Burgi los. Sie ist freiberufliche Hebamme und sie weiß: Geburten sind alles andere als berechenbar. Sie spürt, sie muss schneller sein als die Natur. Dann aber, wenn sie da ist, muss sie der Frau ihre Ruhe lassen: "Eine Gebärende weiß intuitiv, was sie braucht, die Natur hat das so eingerichtet."

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Seitenzahl: 103

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Burgi Künig

Burgi, das Baby kommt!

Geschichten einer Hebamme

Für meine Familie

meinen Mann Emil

meine Kinder Lukas und Evi

Robert

Schwiegertochter Greti

und für Carolin, Philipp, Jana und Lia,

meine Enkel

Burgi Künig

Burgi, das Baby kommt!

Geschichten einer Hebamme

Edition Raetia

Inhalt

Vorwort

Warum dieses Buch?

Du wirst wohl daheim entbinden?

… und derweil eine Hühnersuppe

Und der Vinschger Wind bringt den Storch

Eine Geburt? Bitte nicht stören!

Ich höre am Telefon, wie es einer Frau geht …

Jede Hebamme soll stricken können

Spontan warten auf die Zwillinge

Wenn die Nachbarn die Polizei rufen

Eine Wendeltreppe ruft Weißes Kreuz, Feuerwehr, Polizei auf den Plan

Ich will nur eine Hose kaufen

Lehrjahre einer Hebamme: lieber Schafe hüten?

Meine erste Geburt: die Frau von der Tankstelle

Warum bin ich Hebamme? Ein Rätsel.

Schule der Nacht: acht Geburten auf einmal

Von steriler Abfertigung zur sanften Geburt

Herr Doktor, do sein’s fålsch!

Wenn es Spitzenhandschuhe gäbe für meine Hände

Väter bei der Geburt: Was muss ich tun?

Die Telefonnummer am Tisch

Ein genialer Einfall: der Mann mit dem Schnorchel

So ein Katzenjammer: wer rechnet denn damit?

Hilfe zur Selbsthilfe: über Nacht eine Spanische Wand

Eine Rüge für die Kaffeetante

Sind es 18 oder sechs Stunden?

Hebamme und Arzt: ein ungleiches Paar?

Geburt als Termingeschäft. Wem fällt so etwas ein?

Warum der Geburtsschmerz sinnvoll ist

Die Nacht ist eine Komplizin, weil Gebären lichtscheu macht

Krankenhaus oder Hausgeburt: die Grenze liegt bei 37 Wochen

Schluss! Jetzt gehen wir ins Krankenhaus

Hausgeburt: ist das überhaupt hygienisch?

Die Mikroben gratulieren als Erste

Mama, du riechst gut!

Endlich Eltern: was passiert nach der Geburt?

Rauswurf aus dem Paradies. Hinein ins Wochenbett.

Das emotionale Band zwischen Kind und Eltern: so geht Bonding

Die Plazenta oder den Mutterkuchen loslassen

Was Mütter fragen. Was eine überraschte Hebamme antwortet.

Welches Buch brauche ich noch?

Wie merke ich, dass es bald losgeht?

Und wenn’s nicht losgeht?

Ich habe noch keine Milch, verhungert mein Kind?

Was tun bei dieser Stuhlfarbe?

Und das gehackte Ei?

Wie bade ich mein Baby?

Hilfe, kann mein Kind ersticken?

Warum ist die Geburt bei Menschen so schwierig?

Welche Verhütung nach der Geburt?

Häufige Wehwehchen eines Säuglings. Das sagt die Hebamme.

Gelbsucht

Blähungen

Wunder Po

Schmierauge

Entzündetes Nagelbett

Nasen-Hals-Rasseln

Rote Flecken auf der Haut

Milchschorf

Schlaffe Hoden - Schleim aus der Scheide

Milchstau

Unterwäsche, Tank, Navi. Gewohnheiten einer Hebamme.

Ich bin Burgi. Aus dem Weg, bitte.

Vier Geburten an einem Tag. Das ist krass.

Es ist gut, wenn man Menschen um sich hat.

Die Autorinnen

Vorwort

Sich als Paar auf eine Schwangerschaft einzulassen, bedeutet, ohne Wenn und Aber „guter Hoffnung zu sein“. Es ist der Wunsch, zu bedingungslosen Eltern zu werden. Das klingt in unserer technologischen Welt so wie eine übergroße Verantwortung, die schwer tragbar scheint und nach Sicherheiten verlangt. Es kommt bereits vor der Schwangerschaft die Frage auf: „Was müssen wir für Voraussetzungen erfüllen, um entsprechen zu können?“ Ich halte dem die einfache Antwort entgegen: „Gut ist gut genug.“ Viele Frauen kommen dann auf den Gedanken, dass weniger oft viel mehr sein kann, als sie meinen. Die Einfachheit macht uns das Alltagsleben aber oft nicht leichter.

Aus meiner Berufserfahrung ist die Schwangerschaft der gesündeste Zustand im Leben eines Menschen. Nie sonst sind unsere Intuition und unser Instinkt so hellwach. In keiner anderen Lebenssituation ist unser Immunsystem gleichzeitig so tolerant und so schlagfertig. Die ständig notwendige Anpassung dem unglaublich schnell heranwachsenden neuen Leben gegenüber und die gleichzeitige gezielte Abwehr allem Fremden und Bedrohlichen gegenüber, im richtigen Moment und am richtigen Ort, ermöglichen das Werden eines von der Schwangerschaft wesentlich geprägten, einzigartigen Individuums in eine unbekannte Umgebung hinein.

Hinter dem Gelingen dieses großartigen Lebenszieles und hinter vielen glücklichen Kindern steht eine Hebamme, die ihre Arbeit zur Berufung und stets mit großer Liebe macht – in diesem Buch ist es beispielgebend Burgi Künig.

Ich bin sehr dankbar, dass ich als Frauenarzt tiefer in die matriarchalen Kräfte des Lebens Einblick gewinnen durfte. Drei Frauen verdanke ich persönlich meine frühe Prägung: meiner Mutter Rosa, meiner Hebamme Maddalena und meiner Volksschullehrerin Christl. Das heutige Alltagsglück verdanke ich meiner Frau Brigitte, die uns zwei gemeinsame wunderbare Kinder geschenkt hat.

Gemeinsam sind wir stark – alleine sind wir einsam: Grund genug, Familie zu sein!

St. Georgen im September 2024

Dr. Rudolf Gruber, Frauenarzt

Warum dieses Buch?

Genau ein halbes Jahrhundert bin ich Hebamme. Und gerade jetzt habe ich das Gefühl, ich bin im besten Alter für meinen Job. Ich fühle mich reich an Erfahrung, Gelassenheit und Wachsamkeit.

Warum also ein Buch, wenn man mich in Aktion erleben kann?

Es ist das Thema selbst. Schwangerschaft und Geburt. Als ich als junge Hebamme anfing, waren dies vor allem soziale Ereignisse. Heute werden in der Gesellschaft beide zunehmend als Risiko gesehen. Ich konstatiere das mit Wehmut. Denn eigentlich hat sich nichts daran geändert, wie der Mensch auf die Welt kommt, jedoch alles, wie damit umgegangen wird.

Ich sehe die Frauen, die Bücher wälzen, statt auf ihre Intuition zu vertrauen. Ich erlebe Schwangere, die das Beste wollen für ihr Kind und dabei Marketingtricks aufsitzen. Ich rieche in der Geburtsmedizin die Angst, dass etwas schiefgehen könnte. Ich beobachte die Technisierung des Gebärens.

Eine Hausgeburtshebamme, wie ich es bin, sieht das anders. Es fasziniert mich noch immer, wie wenig notwendig ist bei einer normal verlaufenden Geburt. Keine Untersuchung, keine Handschuhe, kein Eingriff, nur meine wachsamen Sinne werden benötigt. Die Frau in ihrer Rolle als Gebärende weiß intuitiv, was sie braucht und will. Einfach weil die Natur das so eingerichtet hat und der Lebenswille des Kindes mitmacht. Wir müssen sie dafür nur in Ruhe lassen.

In all den Jahren bin ich unzähligen Frauen begegnet, besonderen Frauen, die mir vertraut haben und in meiner Obhut die Geburt ihres Kindes so erleben konnten, wie sie es sich vorstellten, eben selbstbestimmt. Denn: Eigentlich braucht eine Gebärende nur sich selbst. Ich bin einfach da als Beobachterin von außen und zum Schutz von Frau und Kind. Natürlich bin ich mir bei jeder Geburt der möglichen Risiken bewusst; diese sind jedoch in der Regel vorhersehbar, es besteht also auch genügend Zeit, um eine Verlegung ins Krankenhaus zu veranlassen.

Bei jeder Geburt passiert Großes. Nichts ist normaler, nichts einmaliger als eine Geburt. Und für jeden Menschen ist sie eine Grenzsituation. Eine positiv erlebte Geburt gibt Müttern und Kindern Selbstvertrauen und Sicherheit fürs Leben. Bei allen wichtigen Übergängen können wir die Erlebnisse rund um die Geburt abrufen: beim Eintritt in den Kindergarten, beim Start ins Berufsleben, wenn wir uns vor einem öffentlichen Auftritt fürchten, immer wenn wir unter Druck geraten. Eine gute Geburt, die dem Rhythmus von Mutter und Kind folgt, ist eine Erfahrung, die uns durchs Leben trägt.

2023 hat die UNESCO die Hebammenkunst zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Damit wird offiziell anerkannt, was seit Urzeiten den Fortbestand der Menschheit garantiert: Heilkundige Frauen begleiten Schwangere, ihre Hände empfangen die Kinder am Tor zum Leben. Ich fühle mich bestätigt: Pathologien sind Aufgabe der Geburtsmedizin, Geburtshilfe bei gesunden Schwangeren gehört in Hebammenhand.

Darum erzählt dieses Buch keine Memoiren, sondern die größte Geschichte der Welt aus der menschlichsten Perspektive.

Schwanger, das ist man manchmal auch im übertragenen Sinn. Im vorliegenden Fall war es dieses Buch, das in mir „rumort“ hat. Ich wollte es schreiben, immer wieder jedoch hielten mich Zweifel ab. Habe ich wirklich Interessantes zu erzählen? Geht das gut? Ich holte mir Hilfe bei einer Journalistin. Gabriele Crepaz hat mir geholfen, dieses Buch auszutragen, sie hat es sprachlich in Form gebracht und mich immer wieder bestärkt. Vor vielen Jahren habe ich sie bei der Geburt ihrer jüngeren Tochter begleitet.

Ja, ich bin Hebamme. Kinder kommen mit mir zur Welt. Frauen begleite ich ins Muttersein. Und während die Natur mit elementarer Kraft am Werk ist, wachen die Väter über die Hühnersuppe.

Eure vielen Fragen in 50 Jahren haben mich angestachelt, immer wieder neue Antworten zu finden. So lerne ich ständig dazu. Alle zusammen haben wir dieses Buch gemacht.

Danke dafür, eure

Burgi Künig

Du wirst wohl daheim entbinden?

Ein Elefant stand in meiner Küche. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte.

Einige Kolleginnen sagten, das wirst wohl du machen. Eine Kollegin aber zweifelte: Mach das nicht! Ich selbst habe gewartet. Ich habe nicht gesagt, wir bringen das Kind zusammen zur Welt. So tanzten wir um den Elefanten herum, der immer größer wurde. Meine Tochter, die erst 19 und schwanger war. Und ich, die Hebamme. Sie hat nie gefragt, und ich habe mir gedacht, warum fragt sie nie?

Den Geburtstermin haben wir berechnet. November. Als sie in der 20. Woche war, bin ich mit ihr zum Gynäkologen gegangen. Wir kannten uns gut. „Sie werden wohl daheim entbinden mit Ihrer Mama“, lächelte er sie an. Meine Tochter hat zurückgelächelt. Ich auch. Dabei ist es geblieben. Keine Blutuntersuchung, nichts. Sie war gesund, eine junge Frau.

Bis ich es nicht mehr aushalte. Dieses Schweigen. Der Elefant im Raum. Sie ist im Bad, als ich etwas brüsk frage: „Hast du dir einmal Gedanken darüber gemacht, was wir brauchen?“

„Mami?!“, sagt sie bestimmt, „du musst mir sagen, was ich tun muss, ich weiß es nicht.“ Endlich ist die Ampel grün. Ich beginne zu organisieren. Geredet wird über die Geburt aber weiterhin nicht.

Es ist Oktober, als ich mitkriege, wie meine Tochter, selbst Krankenschwester, mit einer Kollegin telefoniert. „Lass uns wissen, wenn du ins Krankenhaus gehst, wir besuchen dich“, höre ich weit weg die Stimme der Kollegin. Und ganz nah meine Tochter: „Nein, ich bekomme mein Kind zu Hause.“

Erstaunt platzt es aus mir heraus: „Darf ich das auch wissen?!“ Niemand außer mir hört, wie dem Elefanten langsam die Luft ausgeht. Das entspannt die Lage. Ich erkläre ihr, dass ich, wie bei jeder Frau, auch bei ihr im letzten Monat einen Abstrich machen und sie untersuchen will: „Sag mir, wann du bereit dazu bist, ja?“ „Auch gleich, wenn du magst“, kommt es zurück.

Eigenwillig bleibt meine Tochter bis zum Schluss. Sie will keinen Geburtsvorbereitungskurs besuchen. Ich resigniere, und alle zusammen verlegen wir uns aufs Fuchspassen.

Nervös? Das bin höchstens ich. In der Zeit rund um den errechneten Termin ziehe ich alle Register. Ich lasse meine Tochter das Stiegenhaus putzen. Ich schicke sie in die Apotheke, Globuli kaufen. Ich will, dass sie die Äpfel schält für einen Strudel. Sie macht alles ohne Widerrede. Um 19 Uhr ist er da, der Blasensprung. Erst am Abend sehe ich, wie sie auf dem Sofa wippt. „Hast du Schmerzen?“, frage ich. „Ja, ein bisschen.“ Ich telefoniere mit einer Kollegin, die ich eingeweiht habe: „Wenn das Kind bis morgen nicht da ist, bringe ich sie ins Krankenhaus.“ Und meine Tochter denkt sich: „Wenn das bis morgen so weitergeht, dann sterbe ich.“ Dafür habe ich Antennen. Ich untersuche sie und notiere, dass der Muttermund weich und schon drei Zentimeter geöffnet ist. Für mich ein Zeichen, dass sie in der Geburt ist. Meine Tochter aber wippt einfach weiter. Nur stärker. Ich beobachte sie.

Sie spricht nicht. Ist in sich gekehrt. Um 23 Uhr legt sie sich ins Bett. Sie ist ganz bei sich. Auch als ihr Freund kommt. Ich spüre keine Unruhe an ihr. Vorbildlich. Sie legt eine Bilderbuchgeburt hin. Sie macht es so, wie sie immer gesagt hat: „Ich mache das schon, Mama.“

Und da war sie. Carolin, 3.200 Gramm. Meine erste Enkelin.

In der Aufregung haben wir nur eines vergessen: die Hühnersuppe.

… und derweil eine Hühnersuppe

Solange die Hühnersuppe am Herd köchelt, ist die Hausgeburt im Gange. Man kann es auch umgekehrt sehen. Solange das Kind nicht geboren ist, bleibt die Suppe auf dem Herd. Manchmal dauert es zwölf Stunden. Vier Stunden müssen es jedenfalls sein, damit die Suppe gelingt.

In China wird die Hühnersuppe seit Jahrhunderten jeder Frau als erste Mahlzeit nach der Geburt gereicht. In vielen Kulturen wurde das übernommen. Wir Hebammen sind von der kräftigenden Hühnersuppe überzeugt. Sie wärmt und bringt Energie zurück und hilft, die Kraftreserven nach der Geburt aufzufüllen.

Auf kleinem Feuer köchelt die Suppe dahin. So werden Proteine, Kollagen und Mineralstoffe aus dem Fleisch und dem Gemüse langsam und komplett herausgekocht und an die Brühe weitergegeben. Das hat einen positiven Einfluss auf die Blutbildung, unterstützt die Wundheilung und die Rekonvaleszenz und hilft außerdem bei der Milchbildung.