Business-Ökosysteme verstehen, aufbauen und managen - Bernhard Lingens - E-Book

Business-Ökosysteme verstehen, aufbauen und managen E-Book

Bernhard Lingens

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Beschreibung

Doping für Innovationen!

Bei Business-Ökosystemen handelt es sich um gleichwertige Partnerschaften von mehreren Unternehmen. Diese bieten gemeinsam einen Service an oder schaffen eine Innovation, deren Realisierung für ein Unternehmen alleine nicht möglich gewesen wäre. Dieses Werk zeigt, was der Aufbau und der Einsatz von Business-Ökosystemen genau bedeuten, was dabei zu beachten ist, welche Grenzen, aber auch welche Chancen sich hinter diesen Konzepten verbergen. Dabei ist der Autor konsequent praxisorientiert und liefert eine konkrete Umsetzungsanleitung. Mit anschaulichen Beispielen, wertvollen Praxistipps und hilfreichen Checklisten.

- Erklärt, wie mit Plattform- und Innovationsökosystemen Wachstums- und Differenzierungsvorteile generiert werden können
- Zeigt, wie Business-Ökosysteme aufgebaut und weiterentwickelt werden
- Führt durch das Dickicht der Business-Ökosysteme und liefert klare Definitionen
- Hilft, Potenziale von Ökosystemen für die eigene Firma zu erkennen und zu aktivieren
- Liefert konkrete Handlungsanleitungen
- Mit vielen anschaulichen Beispielen aus der Praxis

„Die Inhalte dieses Buches waren eine wichtige Grundlage zur Entwicklung unserer Ökosystem-Strategie. Sie machen das komplexe Thema ‚Ökosystem‘ greifbar und enthalten sehr klare und in der Praxis direkt umsetzbare Handlungsempfehlungen. Definitiv empfehlenswert!“
Robert Eberle, Leiter Ökosysteme Raiffeisen Gruppe

„Die Inhalte dieses Buches sind bei VNTR, dem Innovations- und Venturing-Team der PostFinance, zum Standard im Bereich Ecosystem Management geworden. Wir bekommen so ein klares Verständnis zu Ecosystems und wie wir sie anwenden können – und wo nicht!“
Alice Dal Fuoco, Leiterin Innovation PostFinance

„Die Inhalte dieses Buches wurden durch Dr. Lingens in den letzten Jahren in regelmäßigen Schulungen und Beratungsprojekten mit den mehr als 100 Mitgliederfirmen unseres Verbandes vermittelt und angewendet. Viele Fehler aus früheren Projekten hätten damit vermieden werden können. Sauber fundierte Grundlagen, logisch erklärt und direkt in der Praxis anwendbar – ein Augenöffner zum Thema Ecosystem Management.“
Dr. Michael Reber, Chairman Digital Industries World e. V.

„Wir gestalten unsere aktuelle Ecosystem-Initiative basierend auf den im Buch vorgestellten Konzepten und Werkzeugen. Wissenschaftlich fundiert und gleichzeitig sehr hands-on und direkt anwendbar. Sehr wertvoll und empfehlenswert!“
Maike Wolf, Head of Innovation Team bei Gerresheimer

„Wer sich mit Zukunftsthemen auseinandersetzt, muss Ecosystems verstehen. Leider gibt es in diesem Feld zu viele Werke, die entweder zu akademisch-abstrakt oder zu oberflächlich sind. Umso wertvoller ist dieses Buch. Wer Ecosystems jenseits des Buzzwords verstehen möchte, dem sei es wärmstens empfohlen.“
Nils Müller, CEO und Gründer Trendone

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Bernhard Lingens

Business-Ökosysteme verstehen, aufbauen und managen

Der Praxisratgeber für Strategieentwicklung, Innovation und Transformation

Unter Mitarbeit von Ralf Isau

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet.Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Print-ISBN:        978-3-446-48188-6E-Book-ISBN:   978-3-446-48217-3E-Pub-ISBN:     978-3-446-48250-0

Alle in diesem Werk enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nach bestem Wissen zusammengestellt. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Werk enthaltenen Informationen für Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlag mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Weise aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht. Ebenso wenig übernehmen Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlag die Gewähr dafür, dass die beschriebenen Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt also auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benützt werden dürften.

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© 2024 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Münchenwww.hanser-fachbuch.deLektorat: Lisa Hoffmann-BäumlRedaktionelle Bearbeitung: Ralf Isau (Phantagon)Herstellung: Carolin BenedixCovergestaltung: Max KostopoulosTitelmotiv: gettyimages.de/Grapict StudioSatz: Eberl & Koesel Studio, Kempten

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

Zum Inhalt

Vorwort

I Business-Ökosysteme. Buzzword oder Innovationsbooster?

1 Konzepte

1.1 Alter Wein in neuen Schläuchen

1.1.1. Produktökosysteme: Mogelpackung

1.1.2. Industrieökosysteme: kalter Kaffee?

1.1.3. Wissensökosysteme: Erfahrungsnetzwerke

1.2 Fortschrittliche Konzepte mit betriebswirtschaftlicher Relevanz

1.2.1. Plattformökosysteme: Wachstum pur

1.2.2. Innovationsökosysteme: Synergiebooster

2 Perspektivwechsel: Wann brauche ich Business-Ökosysteme?

2.1 Eine andere Form der Distribution

2.2 Der Kunde als Ausgangspunkt

3 Rollenspiel

4 Sieben gängige Mythen

4.1 Business-Ökosysteme sind überall

4.2 Business-Ökosysteme sind dominante Branchenriesen

4.3 Business-Ökosysteme gedeihen am besten auf gewachsenen Beziehungen

4.4 Business-Ökosysteme erwachsen aus dem bestehenden Business

4.5 Business-Ökosysteme bringen uns in verschiedene Rollen

4.6 Business-Ökosysteme sollten von großen Firmen orchestriert werden

4.7 Business-Ökosysteme sind agil

II Die Strategie

5 Treiber

5.1 Herausforderungen der Firma

5.2 Kundenbedürfnisse

6 Unternehmensstrategie

7 Barrieren

7.1 Mindset des Topmanagements

7.2 Änderungsfähigkeit der Organisation

8 Elemente der Ökosystemstrategie

8.1 Ziele und Reporting

8.1.1. Ziele des Ökosystems und dazugehörige Kommunikation

8.1.2. Reporting: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

8.2 Where to play?

8.3 Modullieferant und Kundenschnittstelle

8.4 Orchestration

8.4.1. Wer übernimmt das Ruder?

8.4.2. Einzel- und Multistratege: Pro & Contra

8.4.3. Wer hält alles am Laufen?

8.5 Typ Ökosystem

8.5.1. USP und Lock-in

8.5.2. Plattform- oder Innovationsökosystem?

9 Integration in Organisation und Infrastruktur

9.1 Aufhängung innerhalb der Hierarchie

9.2 Die Theorie der lernenden Organisation

9.3 Organisatorische Umsetzung der Ökosysteminitiative

9.4 Welche Infrastruktur brauche ich?

III Die Umsetzung

10 Innovationsökosysteme: Gemeinsam stärker sein

10.1 Das Wertangebot: Nutzenbooster oder Rohrkrepierer

10.2 Wie stark muss das Wertangebot sein?

10.3 Produktentwicklung im Ökosystem: Auf die Balance kommt es an

10.3.1. Risiko Co-Spezialisierung

10.3.2. Das Drei-Phasen-Konzept

10.4 Welche Anreize gebe ich meinen Partnern?

10.5 Woran erkenne ich einen guten Partner?

10.6 Wehret den Anfängen: Kulturkämpfe, Identitätskrisen und Korpsgeist

10.7 Organisationsstrukturen für Interaktion zwischen Orchestrator und Partnern

10.8 Nur nicht aus der Rolle fallen

11 Plattformökosysteme: die Selbstvervielfacher

11.1 Worauf muss ich beim Entwurf des Geschäftsmodells achten?

11.1.1. Marktseite klären

11.1.2. Value Proposition definieren

11.1.3. Gewinne erzielen

11.2 Wie komme ich zum Lock-in- und Netzwerkeffekt?

11.3 Vermeiden Sie Nirwana-Schnittstellen

12 Fazit: Doping für Ihre Innovationen

13 Literatur

13.1 Weiterführende Literatur

13.2 Ausgewählte Quellen

14 Der Autor

Zum Inhalt

Business-Ökosysteme sind eines der derzeit meistdiskutierten und am stärksten gehypten Themen in der Managementpraxis. Kein Wunder, dass kaum eine Firma sich noch diesem Trend entzieht.

Auf der anderen Seite sind Ökosysteme genau daher auch zu einem Buzzword geworden. Vielfach werden alte Konzepte neu als Ökosystem tituliert, um auf den fahrenden Zug aufzuspringen und sich einen innovativen Anstrich zu geben. Genau hier liegt das Problem: Durch die inflationäre Verwendung des Begriffs besteht Unklarheit, was genau Ökosysteme sind, wie sie aufgebaut, verwendet oder gemanagt werden. Viele Unternehmen wenden Ökosysteme an, weil es ein Trend ist – verstehen aber nicht die Chancen und Grenzen des Konzepts, was zu Scheitern und Enttäuschung führt. Auf der anderen Seite hat die akademische Forschung präzise Definitionen und sauber fundierte Konzepte entwickelt. Leider sind diese vielfach zu verkopft und praxisfern, um echten Nutzen zu stiften. Was es daher braucht, ist ein Buch, das wissenschaftlich fundierte Managementkonzepte aufzeigt, diese aber gleichzeitig praxisnah verpackt und aufbereitet.

Genau das will dieses Buch erreichen. Der Autor, Prof. Dr. Bernhard Lingens, ist Forscher im Bereich Innovation und Business-Ökosysteme, dessen Arbeiten zum Thema in führenden wissenschaftlichen Magazinen publiziert wurden. Alle im Buch eingeführten Konzepte sind daher wissenschaftlich fundiert und basieren auf Fallstudien von mehr als 40 Ökosysteminitiativen. Als Unternehmensberater hat der Autor die Inhalte bereits selbst vielfach in Projekten angewendet und die Ökosystemstrategien diverser Großunternehmen, KMUs und Start-ups mitentwickelt. Gleichzeitig ist er Studiengangsleiter und Dozent zum Thema Innovation und Ökosysteme und hat in den letzten fünf Jahren mehr als 60 Manager in diesem Feld ausgebildet. Und nicht zuletzt ist er Unternehmer, der in Start-ups investiert und diese selber aufgebaut hat. In dieses Buch fließen daher wissenschaftlich fundierte, aber gleichzeitig in der Praxis erprobte Inhalte und Konzepte ein, die auch von Praktikern gut verstanden und umgesetzt werden können.

Vorwort

Ich bin fasziniert von Innovation – sie zu verstehen, sie voranzutreiben und sie zu ermöglichen. Kreativität und Innovationen sind ein Motor der Wirtschaft und bilden damit die Lebensgrundlage unzähliger Menschen auf unserem Planeten. Wir bewundern erfolgreiche Start-ups, die mit ihren neuen, frischen Ideen begeistern. Und oft auch unser Leben leichter machen. Wie Ihnen das besser gelingt, darum geht es in diesem Buch.

Denn in einer Welt, die sich immer schneller dreht, wird es von Tag zu Tag aufwendiger, echte Innovationen an den Start zu bringen. Auf den folgenden Seiten lernen Sie ein Konzept kennen, das für betriebliche Innovationen so etwas ist wie legales Doping für Leistungssportler.

Der Schwerpunkt des Buches liegt auf neuartigen Business-Ökosystemen, die seit der Jahrtausendwende zu großen Umwälzungen in der Wirtschaft geführt haben. Dabei geht es im Kern um die Idee, mithilfe von Partnern Innovationen umzusetzen, die man aus eigener Kraft so nie hätte realisieren können. Wer heute moderne Geschäftsideen erfolgreich und skalierbar im Markt etablieren möchte, kommt um diese neuen Ökosystemkonzepte kaum herum. Leider wird der Begriff »Ökosystem« aus genau diesem Grund als Buzzword missbraucht und auf alles angewendet, das irgendwie mit Partnern gemacht wird.

Genau hier setzt das Buch an. Es basiert auf meiner wissenschaftlichen Forschung an den Universitäten St. Gallen, Luzern und Aalborg. Die Erkenntnisse aus über vierzig Fallstudien und mehr als zwanzig Publikationen in führenden wissenschaftlichen Fachmagazinen sind in den Ratgeber eingeflossen. Alle vorgestellten Konzepte stammen aus meiner eigenen Beratungspraxis mit diversen großen wie auch kleinen Unternehmen sowie aus meinen universitären Studiengängen zur Weiterbildung von Führungskräften. Weit über 100 Manager haben diese Inhalte bereits erlernt und für sich angewendet. Auf den folgenden Seiten finden Sie somit die Essenz des aktuellen Forschungsstands, kombiniert mit echten Fallbeispielen und praktischen Anwendungstipps.

Das Buch wendet sich an Strategie- und Innovationsbeauftragte, Geschäftsführer, Busi-ness-Development-Manager, aber auch an Start-up-Gründer. Ihnen bietet es das nötige Grundlagenwissen, um Chancen und Risiken der neuen Business-Ökosysteme einzuschätzen und diese Konzepte in der Praxis umzusetzen. Ganz bewusst verzichte ich auf weitläufige Erläuterungen in kaum verständlichem Fachjargon, sondern vielmehr vermittle ich das Wissen in kompakter Form.

Das Buch gliedert sich in drei große Teile: Im ersten lernen Sie den Unterschied zwischen neuen Business-Ökosystemen und klassischen Konzepten wirtschaftlicher Zusammenarbeit kennen. Der zweite Teil behandelt strategische Überlegungen und Entscheidungen zum Aufbau eines Innovations- oder Plattformökosystems. Teil 3 schließlich vermittelt das Basiswissen zur Umsetzung solcher Ökosysteme vor und nach deren Marktgang.

In meiner Dozententätigkeit begegne ich regelmäßig jungen Studenten, die gerade ihre Matura bzw. ihr Abitur abgelegt haben. Diese Schulabgänger beginnen erst damit, die von Anglizismen geprägte Terminologie der Wirtschaftswissenschaften zu verinnerlichen. Dieses Publikum für mein Forschungsthema zu begeistern, ist bisweilen eine didaktische Herausforderung, die mir bei der Arbeit an diesem populärwissenschaftlichen Sachbuch zugutekam. Deshalb können Sie ohne großes Vorwissen in die Lektüre einsteigen.

Ich habe darauf geachtet, das Thema auf möglichst einfache Art zu vermitteln und mich auf die wichtigsten Fachbegriffe zu beschränken – mit leicht nachvollziehbaren Erklärungen. Beispiele aus der Praxis werden Ihnen dabei helfen, Möglichkeiten zur Umsetzung Ihrer Ökosystemvorhaben zu erkennen und dafür gezielt die nächsten Schritte anzugehen.

Da leichte Lesbarkeit für mich bei der Realisierung des Buches Priorität hatte, benutze ich vorwiegend das generische Maskulinum. Ich finde, dass ein gelebter Respekt gegenüber Mitmenschen jeglicher Art allemal wirksamer ist als linguistische Formalien.

Nun wünsche ich Ihnen Spaß beim Lesen und viele erhellende Momente. Mögen Ihnen die Innovationen nie ausgehen.

Bernhard Lingens

I Business-Ökosysteme. Buzzword oder Innovationsbooster?

Sie kennen bestimmt diesen Filmschnitt, der wie wohl kein anderer die Innovationskraft des Menschen versinnbildlicht: Gerade haben wir noch gesehen, wie ein affenähnliches, aufrecht gehendes Wesen einen Artgenossen erschlägt. Als Keule benutzt es einen Oberschenkelknochen, den es zuvor gefunden und als nützliches Werkzeug entdeckt hat – die erste Innovation. Nun hat der Humanoide den Knochen als Waffe gebraucht – die zweite Innovation. Fortan wird seine Sippe Tapire jagen und Rivalen töten – nichts wird mehr sein wie vorher.

Im Triumph über seinen blutigen Sieg schleudert der Mörder den Knochen in die Luft. Rotierend strebt er dem Himmel entgegen und an seinem Umkehrpunkt – Cut! – verwandelt er sich in einen Satelliten, der die Erde umkreist.

Zwischen dem Knochen und den Raumfahrzeugen in Stanley Kubricks Filmepos 2001: Odyssee im Weltraum liegen Millionen von Innovationen, die das Leben des Homo sapiens fortlaufend verändert haben. Bemerkenswert: In dem Blockbuster bringt die Affenhorde ihre epochale Innovation nicht aus sich selbst heraus in die Welt. Die Gemeinschaft brauchte einen Impuls von außen, im Film dargestellt durch einen quaderförmigen, glatten Drei-Meter-Monolithen – ein Symbol für eine außerirdische Intelligenz. Diesen Quader sehen wir insgesamt vier Mal, eine treffende Metapher für eine andauernde Verbindung, die zumindest eine der beiden Parteien auf ein höheres Level hebt.

Je komplexer die Weltwirtschaft vernetzt ist, desto seltener wird die geniale Idee eines Einzelnen ausreichen, um daraus nachhaltig Erträge zu erwirtschaften.

Deshalb entstehen auch Innovationen heute immer öfter aus Netzwerken unabhängiger Partner heraus. Diese Kooperationen sind nicht nur der sich beschleunigenden Schlagzahl der Innovationsschritte geschuldet. Auf sich allein gestellt sind einzelne Akteure heute auch kaum noch in der Lage, hoch komplexe oder gar disruptive Innovationen zur Marktreife zu führen. Erst recht nicht, wenn sie dazu über den Tellerrand ihres eigenen Kerngeschäfts hinausblicken müssen.

Um diese Herausforderungen zu meistern, brauchen Unternehmen einen Innovationsbooster. Sie müssen sich in einem Business Ecosystem untereinander vernetzen. Im Folgenden bevorzuge ich den eingedeutschten Terminus Business-Ökosysteme, um ihn von den Habitaten und ihren Bewohnern in der Natur abzugrenzen. Biologen sprechen dort wegen der im Gleichgewicht befindlichen Wechselwirkung zwischen den Organismen und der unbelebten Umwelt von einem ökologischen System. Wir finden solche Ökosysteme ebenso im Bodensee wie auf abgeschiedenen Inseln im Pazifik, in den Unterwasserhöhlen Dos Ojos in Mexiko oder in anderen isolierten Lebensräumen.

Wollen Unternehmen Innovationen schaffen, die sie alleine nicht auf die Beine stellen können, bieten hierfür Business-Ökosysteme eine Lösung.

Nicht von ungefähr hat man den Begriff des Ökosystems auf die Wirtschaft übertragen. Wie Sie auf den folgenden Seiten erfahren werden, ist ein Business-Ökosystem kein Standardrezept für den Erfolg von Innovationen. Grob gesagt geht es darum, unter der Federführung eines Einzelnen gemeinsam eine Innovation zu schaffen, die ein Unternehmen allein nicht auf die Beine stellen und erfolgreich vermarkten kann. Diese Beschreibung eignet sich jedoch nicht als allgemeingültige Definition, weil sie auch auf andere Formen wirtschaftlicher Kooperationen zutrifft oder wichtige Aspekte spezieller Ökosystemformen außer Acht lässt.

Es gibt sehr unterschiedliche Konzepte, die alle unter dem Begriff »Ökosystem« firmieren. Sein inflationärer Gebrauch führt regelmäßig zu Verwirrung und zu übersteigerten Erwartungen. Manche bezeichnen »orchestrierte Netzwerke« gar als den nächsten Evolutionsschritt in der Marktwirtschaft. Höchste Zeit, mehr Klarheit ins Thema zu bringen. Lassen Sie uns tiefer eintauchen in den Kosmos der Business-Ökosysteme.

1Konzepte

Der Begriff »Ökosystem« verbreitet sich in einschlägigen Medien in pandemischem Ausmaß. Jeder spricht davon, aber nur wenige wissen genau, was er bedeutet. Schlimmer noch: Wenn Experten der verschiedenen Schulen sich untereinander austauschen, verstehen sie oft nicht, was der andere meint. Das Durcheinander ist insofern problematisch, als es bezüglich der Ökosysteme verzerrte Vorstellungen begünstigt, die sich kaum in die Praxis umsetzen lassen.

Um erfolgreiche Business-Ökosysteme aufzubauen und sich mit anderen darüber auszutauschen, benötigen wir ein klares Verständnis für ihre Chancen und Grenzen.

In der freien Wildbahn der Wirtschaft begegnen wir fünf verschiedenen Konzepten, die man oft als »Ökosystem« bezeichnet, obwohl sie völlig unterschiedlich sind. In mindestens drei Fällen hat man einfach nur ein Buzzword, einen Modebegriff, gewählt, um alten Wein in neue Schläuche zu füllen. Bringen wir deshalb etwas Ordnung in den Begriffswirrwarr, um die Spreu vom Weizen zu trennen.

1.1Alter Wein in neuen Schläuchen1.1.1Produktökosysteme: Mogelpackung

Marketingtexte, pseudowissenschaftliche Blogs und andere Medien sprechen oft vollmundig von Ökosystemen, obwohl sie nur ein Produktportfolio meinen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das sogenannte »Apple-Ökosystem«. Die Erfinder des Macs und des iPhones bieten ihren Kunden eine clever aufeinander abgestimmte Produktpalette – alles spielt perfekt zusammen.

Bei genauerer Betrachtung handelt es sich also um eine durchdachte Marketing- und Produktphilosophie und im wirtschaftswissenschaftlichen Sinn nicht um ein Ökosystem. Aber dieses Buzzword klingt einfach hipp. Mag sein, dass einige Apple-Produkte »eine Delle ins Universum geschlagen haben«, wie Steve Jobs einmal sagte. Ein wichtiger Innovationsmotor war dabei die nahtlose Zusammenarbeit mit anderen Produkten. Aber das macht dies noch lange nicht zu einem Ökosystem, sondern zu einem klassischen Ansatz des Produktportfolio-Managements.

Aus Sicht des aktuellen Forschungsstands sind aufeinander abgestimmte Produkte konzeptionell nichts Neues. Es handelt sich hierbei nicht um Business-Ökosysteme.

Zweifellos können sie als Sprungbrett für Innovationen und zur Kundenbindung nützlich sein. Das macht sie aber nicht zu Business-Ökosystemen, die Unternehmen bisher unbekannte Wege erschließen. Wie modisch die Namen auch sein mögen, die das Marketing und die Medien ihnen geben, sie bleiben, was sie schon immer waren: Produktfamilien.

1.1.2Industrieökosysteme: kalter Kaffee?

In dem Begriff »Industrieökosystem« finden wir eine weitere, sogar in der Forschung gebräuchliche Verkörperung unseres Buzzwords. Das »Start-up-Ökosystem im Silicon Valley« etwa bezieht sich auf alle Organisationen, die in dieser Region die Welt der Firmengründungen prägen. Andere sprechen auf Neudeutsch vom »Health Ecosystem in Deutschland« und meinen schlicht die Akteure im Gesundheitswesen.

Wohlwissend um die magische Anziehungskraft des Modebegriffs verkaufen Unternehmensberatungen gerne »Ökosystemanalysen« oder »Ökosystem-Mappings«. Als Ergebnis liefern sie dann Antworten auf Fragen wie: In welche Branche sollte meine Firma einsteigen? Ist es besser, den Markteintritt über eigene Aktivitäten oder Partnerschaften voranzutreiben? Wer wären denn geeignete Partner für mich?

Diese Themen haben nichts mit Business-Ökosystemen zu tun. Noch vor ein paar Jahren sprachen die Berater von Branchenanalysen. Solche sind ohne Zweifel wichtig und wertvoll, nicht jedoch ihre Umetikettierung zum Ökosystem. Hiermit serviert man den Kunden keine Innovation, sondern nur kalten Kaffee aus der Thermoskanne.

Branchenanalysen sind keine Ökosysteme.

1.1.3Wissensökosysteme: Erfahrungsnetzwerke

Aufgewärmter Kohl ist auch die dritte Inkarnation unseres Buzzwords: das Knowledge- oder Wissensökosystem. Hier geht es um den regen Austausch von Wissen zwischen verschiedenen Organisationen oder Individuen. Schon in der Antike trafen sich Menschen auf dem Forum Romanum oder auf der Agora in Athen, um Wissen auszutauschen und über philosophische Fragen zu diskutieren. Heute kennen wir Industriecluster, Branchenverbände, Co-Working-Spaces, Innovationszentren und Ähnliches. Zweifellos sind es nützliche Konzepte – aber keine neuen Business-Ökosysteme.

Früher wäre einfach von Netzwerken oder auf Neudeutsch »Communities« die Rede gewesen, heute spricht man großspurig von einem »lebendigen globalen Ecosystem«. Oder man bezeichnet eine gemeinsam genutzte Büroinfrastruktur als »NewWork Ecosystem«. Ansonsten geschieht in dieser hippen Arbeitsumgebung kaum etwas anderes als in der Gruppe von Steinzeitmenschen, die sich um ein Feuer geschart haben, um die neuesten Erkenntnisse zur Herstellung von Faustkeilen zu teilen.

Auch Netzwerke sind keine Ökosysteme.

Die Modebegriffe, die ich Ihnen nun vorgestellt habe, können Sie gleich wieder vergessen. Buzzwords nützen Ihnen nichts beim Entwickeln und Vermarkten innovativer Produkte, für die der Kunde sein Geld freiwillig herausrückt, weil er sich von ihnen einen Nutzen verspricht. Von nun an fokussieren wir uns auf die beiden Arten von Business-Ökosystemen, die wirtschaftshistorisch neuere Konzepte von betriebswirtschaftlicher Relevanz sind: das Plattform- sowie das Innovationsökosystem.

1.2Fortschrittliche Konzepte mit betriebswirtschaftlicher Relevanz1.2.1Plattformökosysteme: Wachstum pur

Das Plattformökosystem ist ein Kind der New Economy, dessen frühe Vertreter zu Beginn des neuen Millenniums, also in den ersten Boomjahren des Internets, auf den Markt drängten. So neu, wie viele sogenannte Experten uns dies gern verkaufen wollen, sind sie also nicht. Wir erleben heute bei Plattformökosystemen nur einen inflationären Zuwachs, der uns glauben lässt, sie seien das Nonplusultra für wirtschaftlichen Erfolg.

Im Gegensatz zu alten Ansätzen mit neuen Namen sind Plattform- und Innovationsökosysteme echte, fortschrittliche Konzepte mit betriebswirtschaftlicher Relevanz.

Prominente Vertreter dieses Konzepts sind der Apple iTunes Store (und hier haben wir dann doch noch ein »Apple Ecosystem«), eBay, Amazon, Facebook oder Whats-App – allesamt digitale Marktplätze, auch Transaktionsplattformen genannt, auf denen sich Angebot und Nachfrage treffen. Die zugrunde liegende Idee ist die eines quantitativen Netzwerkeffekts, wie er sich schön am Beispiel von Amazon zeigt: Je mehr Händler auf Amazon anbieten, desto besser ist das Angebot und desto interessanter ist es für die Käufer. Je spannender die Plattform wiederum für potenzielle Kunden ist, umso mehr Personen nutzen den Marktplatz. Das macht ihn dann wieder attraktiver für die Verkäufer, da sie mehr Umsatz erzielen können. Dieser Netzwerkeffekt ist eine Wirkungskette aus Angebot und Nachfrage, die sich gegenseitig hochschaukeln.

Der für Plattformökosysteme typische Netzwerkeffekt ist eine selbstverstärkende Wirkungskette zwischen Angebot und Nachfrage, die zu einer marktbeherrschenden Dominanz führen kann.

Plattformökosysteme benötigen eine kritische Masse auf beiden Seiten der Plattform, damit der Netzwerkeffekt zu einer Kettenreaktion führt. Sobald diese Kausalkette in Gang kommt, lässt sie die Plattform über ihre selbstskalierende Wirkung stark wachsen. Dies führt oft zu einer The-winner-takes-it-all-Logik, einer marktbeherrschenden Dominanz. Diese zeigt sich deutlich beim maßgeblichen Onlinemarktplatz Amazon oder bei WhatsApp als bevorzugtes Kommunikationsmittel.

Bild 1.1Definition Plattformökosysteme

Solche Größe ist auch nötig, denn der Kernnutzen eines Plattformökosystems ist die Zusammenfassung des Angebots für einen Markt oder ein Marktsegment auf einem einzigen Marktplatz. Wenn Kunden davon ausgehen können, auf der Plattform nahezu das gesamte relevante Angebot oder zumindest eine sehr große und sinnvoll sortierte Auswahl zu finden, werden sie gar nicht erst woanders suchen. Sie wissen: Bei Amazon oder auf eBay spare ich mir stundenlange Recherche; da komme ich viel schneller und kostengünstiger ans Ziel.

Wie wir sehen, wird ein Plattformökosystem von einer quantitativen Logik bestimmt: Skalierung und Wachstum auf die kritische Masse und von dort zum dominanten Marktplatz sind die existenziellen Paradigmen (Bild 1.1). Der Wert eines Plattformökosystems misst sich nicht daran, ob der Kunde die hier feilgebotenen Produkte kaufen wird. Natürlich wird er dies. Schließlich weiß er, wonach er sucht, und hier findet er es mit geringem Aufwand.

Die Kernfrage bei einem Plattformökosystem ist: Wird es die kritische Masse für den selbstverstärkenden Netzwerkeffekt erreichen und sich zu einem dominierenden Marktplatz entwickeln?

Die Kernfrage bei der Planung und beim Aufbau eines Plattformökosystems ist vielmehr, ob es die kritische Masse erreichen und sich im gewählten Marktsegment zu einer dominierenden Stellung aufschwingen kann. Oft höre ich die Fragen, welche Anzahl von Nutzern für diese kritische Masse nötig ist und ob es in einem Markt(-segment) nur eine oder mehrere dominante Transaktionsplattformen geben kann. Die Antwort ist: Es kommt darauf an.

Betreiber von Kommunikationsplattformen wie WhatsApp werden vor Glück kaum an die Decke springen, wenn sie 100 Nutzer auf ihrer Plattform versammeln. Wer in einem großen Markt für eine Tätigkeit des täglichen Lebens eine innovative Alternative anbietet, muss einen relevanten Anteil der Bevölkerung für sich gewinnen. Die kritische Masse wird hier mindestens mehrere Tausend, eher aber viele Hunderttausend Nutzer umfassen. Neben einer solchen User-Basis ist sicher genug Platz für ein weiteres Plattformökosystem.

Im schweizerischen Immobilienmarkt etwa gibt es mit Homegate und ImmoScout24 zwei große, weitgehend gleichwertige Akteure mit ähnlichem Leistungsangebot. In Deutschland ist Immo Scout24 der Platzhirsch, hat mit immowelt.de aber einen starken Konkurrenten. Auf dem bundesdeutschen Immobilienmarkt wechseln jährlich Hunderte Milliarden Euro an Immobilienvermögen den Besitzer, ein ziemlich großer Kuchen, von dem sich noch weitere Mitbewerber ein Stück abschneiden können.

Anders ist es, wenn ein Angebot nur eine kleine Zielgruppe adressiert. So dürfte die kritische Masse bei einer Plattform zur Vernetzung von weltweit maximal 100 hoch spezialisierten Pharmaforschern bei wenigen Dutzend liegen. Hier eine zweite Plattform etablieren zu wollen, ist kaum sinnvoll.

In der Praxis stellt sich daher immer die Frage: Wie viele Akteure sind nötig, damit das Plattformökosystem seinen Kernnutzen nachhaltig erfüllen kann?

Die Value Proposition (umgangssprachlich Wertangebot, Wertversprechen, Leistungs- oder Nutzenversprechen) besteht bei einem Plattformökosystem aus Kundensicht in der Auswahl des möglichst besten Angebots mit minimalen Suchkosten.

Und dies ist auch der Unterschied zum Innovationsökosystem, dem zweiten echten Ökosystemkonzept.

1.2.2Innovationsökosysteme: Synergiebooster

»Ob Biken, Laufen oder Skifahren, jede Aktivität stellt andere Herausforderungen an eine Sohle«, erklärt mir Reto Rindlisbacher. Wie viele erfolgreiche Unternehmer ist der studierte Marketingexperte aus Horw im Kanton Luzern eher ein Visionär als ein Ingenieur. Er sieht neue Lösungen, wo es noch keine gibt, besitzt aber selbst nicht das komplette Know-how, seine Innovationen zur Marktreife zu entwickeln.

Reto hat an der Uni St. Gallen studiert, lange bevor ich dort die Leitung des Helvetia Innovation Labs übernommen hatte. Er sagt mir, ein Golfer von fünfzig Kilo gebrauche seine Füße ganz anders als ein Jogger, der achtzig Kilogramm auf die Waage bringt. Sowohl die persönlichen Körperdaten von Sportlern wie auch die Art und Intensität ihrer Aktivitäten sind als Parameter mit zu berücksichtigen, um eine maßgefertigte Sohle herzustellen. Beim Inlay eines Skischuhs ist die Sache noch einmal komplexer, erklärt Reto, weil es den Fuß vollständig umschließt. »Spätestens nach einem ganzen Tag auf der Piste merkt man entweder Druckstellen oder der Fuß rutscht im Schuh – beides ist schlecht.«

Das alles erzählt er mir, weil mich interessiert, wie er aus seiner Vision eine Innovation gemacht hat, die heute jeder kaufen kann: per 3D-Druck für jeden Kundenfuß individuell hergestellte Sohlen für Sportschuhe und Inlays für Skischuhe. Das hat er geschafft, obwohl er weder Schuhmacher noch Orthopädieexperte ist.

Dafür hat Reto im Marketing der Wintersportausrüster Völkl und Nordica gelernt, was Skifahrer wollen: einen maßgeschneiderten Skischuh, der wie angegossen am Fuß sitzt und trotzdem erschwinglich ist. Damit hatte Reto einen Kundennutzen gefunden, der viele Sportler begeistern würde. Jetzt musste er daraus nur noch ein Produkt machen, das man auch kaufen kann. »Mit den richtigen Partnern könnte mir das gelingen«, überlegte sich Reto. Und so gründete er 2016 die Firma Tailored-Fits.

Lange bevor er sein Start-up aus der Taufe hob, hatte er sich schon für den 3D-Druck begeistert. In dieser neuen Drucktechnik sah er die Chance, kostengünstig maßgeschneiderte Innenschuhe als Einzelanfertigungen herzustellen. Sohlen und Inlays zu fertigen, klingt zunächst nicht sonderlich komplex. Geht man aber ins Detail, sind für deren Entwicklung und Vermarktung jedoch viele Herausforderungen zu stemmen, mit denen Reto allein schnell überfordert wäre. Deshalb zerlegte er die Gesamtaufgabe in Einzelmodule und suchte sich dafür geeignete Partner.

Schon die Software für das schnelle, kontaktlose Scannen des Kundenfußes, die Analyse der Messwerte und die automatische Umwandlung in 3D-Druckdaten erforderte einigen Entwicklungsaufwand. Ähnlich war es bei der Auswahl der Materialien. 3D-Drucker arbeiten gewöhnlich mit festen Werkstoffen. Für eine bequeme Sohle braucht man jedoch einen weichen Kunststoff. Über zwei Jahre hinweg war viel Tüftelei nötig, bis die belgische Firma Materialise unter Retos Federführung dafür das geeignete Druckverfahren mit thermoplastischem Polyurethan entwickelt hatte.

Und das sind nur zwei der Module der Gesamtlösung von Tailored-Fits. Die vollständige Automatisierung des Bestell-, Produktions- und Lieferprozesses wäre ohne eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Partner nicht möglich gewesen. Dabei ist Reto in seiner Rolle als Stratege und Koordinator (Orchestrator) stets Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung geblieben. Am Ende war die fertige Lösung so außergewöhnlich, dass mit SCOTT Sports aus dem schweizerischen Givisiez ein großer Sportartikelhersteller das Start-up kaufte und als eigene Marke in sein Unternehmen integrierte.

Die Erfolgsgeschichte von Tailored-Fits ist ein Musterbeispiel für ein Innovationsökosystem. Der Name ist Programm: Der Zweck eines solchen Netzwerks besteht darin, eine Innovation zu schaffen, die ein Unternehmen allein nicht stemmen könnte. Es ist schon beeindruckend, wie es die Zwei-Personen-Firma von Reto Rindlisbacher aus einer Vierzimmerwohnung heraus geschafft hat, in knapp über einem Jahr mit wenigen Hunderttausend Schweizer Franken Startkapital eine der ersten 3D-gedruckten Einlegesohlen für Laufschuhe auf den Markt zu bringen.

Was auf den ersten Blick wie ein einfaches Produkt aussieht, ist in Wirklichkeit der heilige Gral der Sportindustrie: Führende Unternehmen wie Adidas hatten sich bereits daran abgearbeitet, mit etwa dem Zehnfachen an Arbeitskräften und finanziellen Investitionen sowie mit ungefähr dem Mehrfachen an Zeit. Warum mussten die Goliaths der Branche sich ausgerechnet von einem David wie Reto Rindlisbacher in ihre Schranken weisen lassen?

Weil die Riesen der Sportbranche einen anderen Ansatz verfolgten. Sie hatten alles im eigenen Haus zu realisieren versucht, um über das spätere Entwicklungsergebnis maximale Kontrolle auszuüben. Im Gegensatz dazu nutzte Tailored-Fits ein Innovationsökosystem, um sein Produkt auf den Markt zu bringen. Das Start-up schuf die zur Verwirklichung seiner Innovation nötigen Module nicht selbst, sondern mithilfe von Partnern.

Neben den bereits erwähnten Mitspielern hatte Reto eine führende Sportartikelkette mit einem dichten Netz von Geschäften mit ins Boot geholt. Das zur Entwicklung der Sohle nötige Verständnis für Biomechanik stammte von einer Sportklinik. Tailored-Fits fungierte lediglich als Koordinator dieser verteilten Wertschöpfung – in der Innovationswissenschaft sprechen wir von einem Orchestrator. Die Tailored-Fits-Story zeigt anschaulich die drei Schlüsselelemente eines jeden Innovationsökosystems:

       Ein Innovationsökosystem zielt immer auf eine gemeinsame Value Proposition für den Kunden ab, also auf ein Wertangebot oder Nutzenversprechen (hier die 3D-gedruckte Sohle). Der Kunde kann sowohl eine Firma (B2B) als auch ein Endkonsument (B2C) sein.

       Das Nutzenversprechen besteht aus sich ergänzenden (komplementären) Modulen, die von Partnern bereitgestellt werden (3D-Drucker, Geschäfte, Scanning-Lösung usw.).

       Die Partner werden vom Orchestrator (hier: Tailored-Fits) auf das gemeinsame Nutzenversprechen ausgerichtet und koordiniert.

Wie wir sehen, steht ganz am Anfang das Nutzenversprechen, das wir dem Kunden mit dem Produkt oder der Dienstleistung aus unserem Ökosystem geben. In der Forschung sprechen wir von einer Value Proposition, also einem »Wertangebot«. Es wäre völlig sinnlos, eine Innovation auf den Markt zu werfen, die den Käufern keinerlei Nutzen anbietet.

Dieser Mehrwert liegt nicht nur in dem Produkt oder der Dienstleistung selbst, sondern auch in allen positiven Aspekten, die der Kunde mit dem Angebot verbindet: das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Community, der Geruch beim Öffnen der Verpackung, die bemerkenswerte Freundlichkeit des Servicepersonals und vieles mehr. Somit können Module nicht nur physisch sein, sondern auch immateriell: Wissen, Reputation, Service.

In einem Innovationsökosystem steuern wie erwähnt mehrere Partner eigene Module bei, die erst in ihrer Gesamtheit die Value Proposition erfüllen. Deshalb bezeichnen wir diese Innovationsmodule in den Wirtschaftswissenschaften als komplementär