Cala dell' Innamorata - Roland Ruisz - E-Book

Cala dell' Innamorata E-Book

Roland Ruisz

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Beschreibung

Toskana, die Insel Elba. Diese Insel ist reich an Legenden über Intrigen, verbotene Liebe und Geschichten, die hinter Namen von Bergen und Buchten stehen. Eine dieser Legenden entführt den Leser auf die Insel Elba, in die Bucht unterhalb von Capoliveri ins Jahr 1534, wo eine unmögliche Liebe der Bucht Cala dell'Innamorata ihren Namen gab. Die Erzählung ist die erste in einer Reihe weiterer, die Legenden und historische Ereignisse aufgreifen und sie neu gestalten.

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Zum Geleit und über den Autor

Gemeinhin existiert das Bild von Autoren im Elfenbeinturm. Entsprechend abgehoben erscheinen sie: weltfremd, unnahbar, unverständlich.

Für mich gehört zum Schreiben in erster Linie mein Radsport; auf dem Rennrad erfahre ich die Natur; hier sammle ich Eindrücke; hier probiere ich in Gedanken das umzusetzen, was Max Frisch Autoren auf den Weg gibt: Sie mögen "Brombeeren so im Wald verstecken, dass der Leser meint, er habe sie ganz alleine gefunden". Dazu muss ich raus aus dem Elfenbeinturm, raus in die Natur, auf‘s Rennrad, unter Menschen - auch bei kaltem Wetter und auf Kopfsteinpflaster.

In diesem Sinne wünsche ich "Guten Appetit" - und freue mich auf einen regen Austausch mit Ihnen, dem Leser, der Sie aus den Worten Ihren ganz persönlichen, inneren Film gestalten.

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Für Sabine

Drückend stülpt sich die Schwüle über den festgebrannten Bergkegel, auf welchem das Dorf C. festgepfropft und regungslos hingebacken verharrt - in Erwartung des Abends, welcher die Kühlung des nahen Meeres verspricht.

Gleißend steht das Rad der Sonne über den lehmgedeckten Dächern, über den sandig geockerten Mauern, welche sich eng zusammenducken, und in deren Winkeln die Menschen wartend verweilen, bis die Schatten an Länge gewinnen, und das lichte Weiß sich an ein rötlich fließendes Gold verliert.

Kein Vogel, kein Hund stören die Ruhe dieser Stunden; nichts als das blaue Gewölbe über der Weite des Wassers ist Zeuge derselben. Welk und verdorrt krallt sich staubgraues Gesträuch an bleichgebackene Krume; mehlgrün spreizen die Haine von Oliven ihre ledernen Zweige, in deren Schatten vereinzeltes Vieh geduldig ausharrt. Fahrwege entlang steinern aufgetürmter Mauern schleudern der Sonne die Hitze entgegen, welche der Luft eine bleierne Last wird, die sie erst des Abends ablegt.

Des Sommers liegen gar oftmals diese trägen Stunden des Wartens über der duldsamen Insel, welche eine blaue Weite weißschäumend rahmt. Gleichförmig laufen die schmalen Wellen des heißen Mittags an dem von naßschwarz widerglänzenden Felsvorsprüngen eingefassten Sandstreifen aus und erzählen von fernem Geschehen.

*

Die Hänge der Bergkuppe waren einst der Vorherrschaft der Bartanis unterstanden, deren großartige Besitzungen sich weit hinaus in die fruchtbare Ebene des Prestinabaches hinzogen.

Diesem Bach, welcher von den nahen, macchiebewehrten Bergen auch in der Hitze des Sommers noch reichlich mit Wasser gespeist wurde, verdankte das Dorf seinen Reichtum und seine Bedeutung in Handel und Handwerk weit über die Insel hinaus. Mit Ausdauer und Geschick hatte es nun die Sippe der Bartanis zu Ehre und Ansehen gebracht. Lange lag daher schon die Verleihung des Adelspatentes durch den Präfekten von Pisa zurück - ein Umstand, welcher der Familienschaft zeitlebens einen festen und bedeutenden Platz im dörflichen Leben zuweisen sollte.

Anfangs sahen sie, die Bartanis, sich zwar dem Klatsch ausgesetzt; auch Neid und Missgunst fügten ihnen so manches Leid zu, doch da sie ihre einfache Herkunft nie verleugneten und sich darüber hinaus nicht über Gebühr den übrigen Bewohnern überlegen zeigten, ließen die Schmähungen nach und wichen sogar einem gewissen Stolz, solch eine tüchtige und bedeutende Familie zu ihren Reihen zählen zu dürfen.

Freilich, eine Kluft blieb beständig zwischen den Bartanis und den übrigen, doch wurde diese im Flusse der Zeit angefüllt mit Achtung und Respekt, welcher den Abstand rechtfertigte.

Geändert hatte sich allerdings der Umgang der Bartanis; vormals fest verwurzelt in der Tradition des Dorfes, welches eine Heirat innerhalb dieses Kreises für schicklich hielt, wandten sie sich gleichgestellten Sippen zu, die – ebenfalls Großgrundbesitzer und Adelige - einen gewissen Handel in Genua und Livorno trieben.

Vermählung und Freundschaft unter diesen wurde üblich, ja war oftmals nötig, um geschäftliche Interessen zu wahren.

So war es nun schon zweihundert Jahre nicht mehr vorgekommen, dass ein Sprössling aus dem Hause der Bartanis ein gewöhnliches Mädchen aus C. ehelichte.

Im heißen Sommer jenes fernen Jahres, welches an Stimmung dem heutigen Tage so sehr ähnelt, sollen sich jedoch Dinge zugetragen haben, die das gesamte Dorfwesen in Aufruhr und Trauer versetzten.

*

Giovanni, der älteste der drei Söhne aus der Ehe zwischen Gino Bartani und Anna-Maria delle Fresce, war ein rechter Draufgänger gewesen. Ging es etwa darum, seine Interessen oder die Wünsche seiner jüngeren Brüder in die Wirklichkeit umzusetzen, so hielt er sich nicht sonderlich lange mit Lamentieren und Händeringen auf, sondern griff mit eben diesen oftmals beherzt - mitunter allerdings auch vorschnell und unüberlegt - zu.

Jedoch war er - um kein einseitiges Bild zu zeichnen – nicht rüpelhaft oder gar gewalttätig zu nennen; eher sensibel in den Anlagen litt er bisweilen unter seinem aufbrausenden Temperament, welches ihn immer wieder zu Unüberlegtem hinriss. Rätsel seines Wesens blieb jedoch seine Hemmung im Umgang mit Menschen, welche ihm etwas bedeuteten. Sicher, er konnte Partei ergreifen und für andere streiten, doch ihm selbst fiel nur der Lohn ab, welche die Tat in sich selbst trug. In den eigenen Dingen war er hingegen von seltener Hemmung und Schüchternheit, die gar nicht recht zu seinem äußeren Auftreten passen wollte.

In ganz anderen Bahnen dagegen verlief das Leben der Signorinis. Diese besaßen nur einige wenige Weingärten und einen schmalen Olivenhain auf der Nordseite des Hanges (von welchem noch die Rede sein wird) - dort also, wo der Blick gegen die kahl gebleichten Felsrippen der Berge oberhalb von Porto A. stößt, und mitunter auch in fruchtbaren Jahren der Wein sauer schmeckt, den man dort anbaut.

Gleichwohl waren die Signorinis rechtschaffene Leute, welche mit Mut der Armut trotzten, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Verhaftet der Tradition und dem Glauben, herrschte das Wort des Mannes als Familienoberhaupt; bei ihm lag auch die Verantwortung für das Wohlergehen.

Franco Signorini, so der Name jenes Mannes, erzog nun seine Tochter - er nannte sie nach ihrer Mutter Francesca - gänzlich den Regeln seiner Vorfahren entsprechend.

Früh war ihm seine Frau im Kindbett genommen worden, und so schenkte er seinem einzigen Kinde eine ungeteilte, tiefe Liebe, die so manchen der älteren Dorfschaft lächeln ließ.

Nach Jahren des Trauerns besann er sich und nahm eine Witwe zur Frau, welche ihren Mann, einen Fischer, an einem der Sturmtage an das Meer verloren hatte.

Diese Frau nun wurde der jungen Tochter eine wahre Mutter und ihrem nunmehr zweiten Manne eine rechte Hilfe. Nahm er die Tochter beiseite, so sah sie gelegentlich von ihrer Näharbeit auf, um seine Worte durch zustimmendes Nicken zu bestärken.

"Und merke dir, meine Francescina", als Francesca in das Alter eintrat, welches gewöhnlich den Schritt vom Mädchen zur Frau bedeutet, "wähle den Manne des Herzens sorgfältig, denn glücklich sollst du sein, wie es hoffentlich auch deine liebe Mutter gewesen sein mochte.

Doch bitte ich dich: Bleibe deinem Stande treu und greife nicht nach den Sternen, denn sie wärmen nicht und geben kein "Licht; greife nicht nach den hohen Früchten, denn fallen sie herab, so sind sie innen schal und faul - auch wenn man sie dir wohlfeil bietet.

Gott hat die Weltordnung geschaffen, auf dass sich nur gleiches mit gleichem vermähle; niemals hat es die Hochzeit der Maus mit einem Falken gegeben. Eher hat dieser die vorwitzige Maus geschlagen und seinen Jungen zum Fraße hingeworfen. So halte es auch du und bescheide deinen Blick; halte ihn auch in Zaume, wenn du über den Kirchplatz zum Brunnen eilst, auf dass du der schändlichen Nachrede entbehrst."

So beschaffen waren die ernsten Worte, welche der besorgte Vater an seine wohlgestaltete Tochter richtete. Sicher wünschte auch er ihr insgeheim eine sogenannte gute Partie, doch wehrte er sich schon allein gegen einen solchen Gedanken deshalb, da sich ein solcher jenseits seiner Ordnung aufhielt.

Nun wäre beider Leben, das von Francesca und dasselbige von Giovanni, geordneter verlaufen, wäre ihnen nicht eine unabhängig voneinander ausgeprägte Gewohnheit zu eigen gewesen.

Natürlich muss der Frage Platz eingeräumt werden, ob nicht dies als Ursache einer grausigen Kette voranstand; freilich ahnte hingegen keiner der Betroffenen, dass diese harmlose Neigung das Schicksal derart herausfordern sollte.

*

Die Vorliebe beider war die Stimmung des Abends gewesen.