Carl Peters' Griff zum oberen Nil - Reinhard Finke - E-Book

Carl Peters' Griff zum oberen Nil E-Book

Reinhard Finke

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Beschreibung

An Carl Peters (1856-1918) als Gestalt der deutschen Kolonialgeschichte schieden sich die Geister seiner Zeitgenossen. Den einen wurde er zum "Hängepeters", weil er als Reichskommissar am Kilimandscharo in eigener Machtvollkommenheit Schwarze hatte hängen lassen, die anderen verehrten ihn als Gründer von Deutsch-Ostafrika und als Kolonialhelden. Als Heldenfigur überlebte er, als Deutschland seine Kolonien verloren hatte, in Denkmälern, Straßennamen und im Film - eine Hinterlassenschaft, von der man sich seit 1945 in einem heute noch nicht beendeten Prozess zu trennen begann. Als Ruhmredner in eigener Sache kam Peters mit einem reich bebilderten Prachtband über seine auf kolonialen Zugewinn angelegte Emin-Pascha-Expedition (1889/90) heraus, die ins Innere Afrikas führte, eine Blutspur hinterließ und keines ihrer Ziele erreichte. Er stellt sich hier als genialer Führer dar, bereit für größere Aufgaben in einer kolonialpolitschen Laufbahn (erhielt aber nur den untergeordneten Posten des Reichskommissars am Kilimandscharo). Einziger Weißer an Peters' Seite war bei der etwa 100-köpfig aufgebrochenen Emin-Pascha-Expedition der Leutnant Adolf von Tiedemann, der ebenfalls einen umfangreichen bebilderten Bericht veröffentlichte, seinen Verdienst allerdings nur darin sah, aus den ihm anvertrauten schwarzen Trägern mit Hilfe der Nilpferdpeitsche halbwegs anständige Menschen gemacht zu haben. Beide Berichte, ineinander verwoben und komprimiert, versehen mit vielen Bildern, zeigen die Verbindung eines gefährlichen Megalomanen mit einem, wenn auch mit zunehmender Erfahrung nicht unkritischen, so doch loyalen Mitläufer. Arrangiert wird dies durch eine unsichtbar bleibende Erzählinstanz, auf die nicht verzichtet werden kann, weil zum Verständnis notwendige Informationen eingeflochten werden müssen. Und so, wie bei Peters Gesprächssituationen mit wörtlicher Wiedergabe von Gesprächen offenbar frei erfunden sind, verfährt bisweilen auch die unsichtbare Erzählinstanz. Unsichtbar bleibt sie auch insofern, als sie nicht wie ein bei der Expedition mitlaufendes moralisches Korrektiv in Gestalt etwa einer dritten Berichtsperson mit von der Partie sein kann.

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Karte in: Adolf von Tiedemann, Tana – Baringo – Nil, Berlin 1892

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

1. WIE DEN DEUTSCHEN EIN KOLONIALPIONIER ERSTAND, DER MIT UNDANK BELOHNT WURDE

2. DER PLAN ZU EINER DEUTSCHEN EMIN-PASCHA-EXPEDITION NIMMT GESTALT

3. Aufruf und Aufbruch

4. LEUTNANT VON TIEDEMANN BEGIBT SICH UNTERS KREUZ DES SÜDENS

5. CARL PETERS ALLEIN GEGEN ENGLISCHE ANMAßUNG

6. HERSTELLEN DER MARSCHBEREITSCHAFT

7. DER MARSCH NACH ENGATANA

8. ENGATANA: ‚EIN FESTE BURG IST UNSER GOTT’. DAS GEFECHT VON COSI NDERANA – DER KIMPALLAMPALLA

9. DEN TANA AUFWÄRTS NACH ODDOBARUROVA – DIE ERSTEN DEUTSCHEN FLAGGENHISSUNGEN

10. ODDOBARUROVA: UNTERWERFUNG DER GALLAS – KUPANDA SCHARO!

11. UNTER WILDEN – WANDOROBBO, WADDHAKA UND WAKAMBA

12. DURCHS LAND DER KIKUYU

13. KRIEG MIT DEN MASSAI – WIRKEN DER VORSEHUNG

14. AM BARINGO-SEE: CARL PETERS NIMMT BARINGO

15. DER MARSCH INS LAND KAWIRONDO

16. BESITZERGREIFUNG VON KWA SAKWA UND SCHLEIERHAFTE NACHRICHTEN AUS DEM POSTSACK VON MR. JACKSON

17. AUF IRRWEGEN NACH WACHORE

18. DER SCHLEIER FÄLLT – STANLEY MIT EMIN-PASCHA AUF DEM WEG ZUR KÜSTE! NEUEN AUFGABEN IN UGANDA ENTGEGEN!

19. PETERS’ UGANDA-VERTRAG MIT DEM KABAKA MUANGA

20. TIEDEMANN BEI DEN FRANZÖSISCHEN MISSIONAREN AUF DER SESSEINSEL

21. VERZÖGERUNGEN IN UGANDA

22. FLOTTENEXPEDITION ÜBER DEN VICTORIA NJANSA

23. AUF DER FRANZÖSICHEN MISSIONSSTATION AM NJANSA

24. DER MARSCH INS LAND UGOGO UND KRIEG MIT DEN WAGOGO

25. DAS TREFFEN MIT EMIN PASCHA IN MWAPWA

26. DURCHS LAND USAGARA UND AUFENTHALT IN DER MISSIONSSTATION MROGORO

27. GEFEIERTE HELDEN IN BAGAMOYO

28. ZURÜCK IN DEUTSCHLAND

BIOGRAFISCHE NACHTRÄGE

EMIN PASCHA

ADOLF VON TIEDEMANN

CARL PETERS

LITERATURHINWEISE

VORWORT

Die deutsche Emin-Pascha-Expedition des Dr. Carl Peters 1889/90 war eines der abenteuerlichsten und bizarrsten Unternehmen in der deutschen Kolonialgeschichte. Öffentlich proklamiert wurde es als Rettungsaktion für den deutschen Landsmann Eduard Schnitzer, der in Europa unter dem Namen Emin Pascha als Gouverneur der ägyptischen Äquatorialprovinz den Nimbus eines Kolonial-Heros genoss und durch den Mahdi-Aufstand im Sudan von der Außenwelt abgeschnitten worden war.1 Carl Peters ging es allerdings weniger um die Erfüllung einer vaterländischen Ehrenpflicht zur Rettung eines Landsmannes als vielmehr darum, wieder eine große Rolle in der kolonialen Erwerbungspolitik zu spielen, nachdem ihm die Herrschaft über das deutsch-ostafrikanische Schutzgebiet, das spätere Deutsch-Ostafrika, entglitten war, zu dem er mit seiner tollkühnen Usagara-Erwerbungsexpedition im Jahre 1884 die Grundlage geschaffen hatte.

Bei seiner Emin-Pascha-Expedition, zu der er mit nur zwölf somalischen Askari – Soldaten aus Somali – und etwa 100 schwarzen Trägern ins Innere Afrikas aufbrach, hatte Carl Peters als einzigen Weißen den jungen Dragonerleutnant Adolf von Tiedemann an seiner Seite. Als beide, nachdem man sie in der Heimat schon als verschollen oder für tot gehalten hatte, mit ihrer dezimierten Truppe lebend ins deutsche Schutzgebiet zurückkehrten, wurden sie als Helden gefeiert. Gemessen an den Zielen, die Peters vor Augen gehabt hatte, war das ganze Unternehmen allerdings ein krachender Fehlschlag: Emin Pascha war längst von Henry Morton Stanley on Sicherheit gebracht worden.

Carl Peters machte sich unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Deutschland daran, die voluminöse Darstellung „Die deutsche Emin-Pascha-Expedition“ zu verfassen,2 in der die Expedition als selbstlos mutiges Wagestück im Dienste nationaler Ehre und kolonialer Größe erscheint, und zeichnete damit das Bild eines Kolonialhelden, bereit für weitere große Aufgaben. Der dickleibige Prachtband erschien bereits 1891. Das Werk ist die Selbstdarstellung eines megalomanen Irrläufers unter der Flagge Schwarz-Weiß-Rot, der in Afrika eine Blutspur hinterließ.

Auf dem Buchrücken ist die Gestalt eines Schwarzen mit schwarz-weiß-roter Flagge in der rechten und einem Revolver in der linken Hand abgebildet. Auf dem vorderen Buchdeckel werden zwei schwarze, bis auf den Federkopfschmuck nackte Gestalten mit Speer und Schild gezeigt – Massai, die Schrecken Afrikas, von denen einer, offenbar von einer Kugel getroffen, zu Boden geht.

Auf der Titelseite stellt Peters ein Goethewort als Motto voran: „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,/Der täglich sie erobern muß“.

Das Vorsatzblatt der Titelseite zeigt ein Porträt des Verfassers nach Franz von Lenbach: Ein markantes Gesicht im Dreiviertelprofil mit Schnauzbart unter kräftig ausgeprägter Nase und über einen Kneifer schauenden Augen mit in sich gekehrtem und gleichzeitig stechend vorausschauendem Blick. Es ist das Gesicht eines Philosophen und gleichzeitigen Tatmenschen mit zwei Seelen in der Brust.

Das Vorwort verfasste Peters in Essen, Auf dem Hügel.3

Dem Text sind zahlreiche Illustrationen mit 32 Vollbildern (ganzseitigen Bildern) und 66 Textabbildungen (in eine Textseite gestellte Bilder) von Rudolf Hellgrewe, Berlin, beigegeben. Sie zeigen häufig eindrucksvolle Landschaftsszenerien oder Peters in das umgebende Geschehen beherrschender Position oder bestimmender Pose.

Bei der Darstellung des Expeditionsverlaufs legt Peters besonderes Gewicht darauf, dass er all die Hindernisse überwand, welche die konkurrierenden Engländer ihm in den Weg legten, mit denen sich eine schwächliche deutsche Politik verbündete, um ihn letztlich um all seine Verdienste zu bringen. Ausführlich werden kolonialpolitische Erwägungen angestellt. Den größten Raum nimmt die Erzählung vom Kampf eines moralisch Überlegenen gegen Halbwilde und Wilde und vom Vordringen durch eine fremdartig feindliche und gleichzeitig faszinierende Natur ein.

Am Ende des Bandes finden sich ein Anhang mit der Liste der 105 Angehörigen des Deutschen Emin-Pascha-Komitees, Korrespondenzen und Vertragstexten und ein Namens- und Sachverzeichnis. Eine Faltkarte im Farbendruck, gezeichnet von E. Borrmann nach Peters’ Itinerar, ist dem Band beigegeben

Adolf von Tiedemann, Sohn Christoph von Tiedemanns, des ersten Chefs von Bismarcks Reichskanzlei von 1878 bis 1881 und Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, verfasste ein etwa 300 Seiten umfassendes Buch „Tana-Baringo-Nil. Mit Karl Peters zu Emin Pascha“, erschienen im Jahre 1892.4

Im Vorwort verweist Tiedemann darauf, dass es sich um Auszüge aus seinem Tagebuch, das er während der Expedition führte, und Briefe in die Heimat handelt – Kinder des Augenblicks, die keine erschöpfende Darstellung des Verlaufs und der Ergebnisse der Expedition bezwecken. Das will nichts anderes heißen, als dass in geradezu naiv erscheinender Weise auf jede kritische Erwägung zur Führung der Expedition verzichtet wird. Auf dem Buchdeckel ist ein auf einem zusammengebrochenen Zelt thronender Löwe abgebildet und ein unter den Trümmern hervorlugender Tiedemann – einem Abenteuerbuch für die Jugend angemessen.

Die dem Text beigegebenen Illustrationen hat Hans Looschen nach Skizzen Tiedemanns angefertigt. Einige Kartenskizzen und Notenskizzen zu Gesängen Eingeborener verfertigte Tiedemann. In einem Anhang findet sich die „Geschichte Kintus, des ersten Königs von Uganda“, die Tiedemann von einem französischen Missionar diktiert bekam und ins Deutsche übersetzte. Am Ende des Bandes gibt eine Karte, gezeichnet von Tiedemann, die Route der Expedition wieder.

Das Vorsatzblatt der Titelseite zeigt ein Foto des Dragonerleutnants Adolf von Tiedemann in Paradeuniform, die linke Hand am Säbel, in der Rechten die Pickelhaube mit Paradebusch, und aus einem schnauzbärtigen kräftigen Gesicht blicken kneiferbewehrte Augen. Das Foto entstand offensichtlich nach der Expedition. Ein Exemplar dieses Buches versah Tiedemann mit der Widmung „Frau Geheimrat Krupp in dankbarer Erinnerung an schön auf dem Hügel verlebte Stunden überreicht. Berlin, Weihnacht 1896.“

In einer späteren Volksausgabe, erschienen 1907,5 ohne Illustrationen und ohne die Geschichte Kintus, zeigt das Vorsatzblatt der Titelseite Tiedemann in Uniform, allerdings mit aufgesetzter Pickelhaube und ohne Schnurrbart mit noch sehr jugendlich wirkendem Gesicht im Jahre 1889, d.h. kurz vor Beginn der Expedition. Wahrscheinlich hat Tiedemann einen Abzug dieses Fotos, wie aus seinem Bericht hervorgeht, während der Expedition mit sich geführt.

Peters unterließ es nicht zu versichern, dass Tiedemann immer loyal zu ihm gestanden habe – so loyal, dass er Tiedemann als reine Nebenfigur oder Staffage auf der Bühne seiner Selbstdarstellung als genialer Expeditionsführer erscheinen lassen konnte. Die Rolle, die Tiedemann in seinem eigenen Buch mit der Perspektive von Kindern des Augenblicks spielt, vermittelt allerdings auch einen enthüllenden Blick auf ein Führungsgenie, das wie der Kaiser in seinen neuen Kleidern der Geschichte voranstolziert. Und gleichzeitig gibt Tiedemann auch das Bild von einer Gefolgschaftstreue, ohne die eine Geschichte dieser Art nicht möglich geworden wäre. Diese Geschichte wird im Folgenden erzählt.

Es ist auch eine Geschichte derjenigen, ohne die die Expedition nicht einen Schritt hätte unternehmen können und von denen keinerlei Zeugnis für die Nachwelt hinterlassen wurde. Ganz namenlos blieb die Kolonne der Askari und Träger allerdings nicht, denn sie wurde auf Listen erfasst als das für die Expedition notwendige ‚Menschenmaterial’, wie es Paul Reichard in seinen „Vorschlägen zu einer praktischen Reiseausrüstung für Ost- und Centralafrika“ bezeichnete.6 Und die Handhabung dieses Menschenmaterials erforderte von der Expeditionsführung ebensoviel an tätiger Aufmerksamkeit wie die Fährnisse oder Reize des Inneren Afrikas selbst.

Adolf von Tiedemanns und Carl Peters’ Berichte lassen sich nicht einfach zu einer geschlossenen Geschichte zusammenstellen, obwohl, was Tiedemanns Bericht anbelangt, hier eine Art redaktioneller Abstimmung im Sinne Peters’ angenommen werden darf. Mit Sicherheit hat Tiedemann bei seinen Tagebuchaufzeichnungen etliche Gedanken, zumal solche mit kritischer Sicht auf Peters, zurückgehalten, weil er, öfter den Tod vor Augen, annehmen durfte, dass sein Tagebuch möglicherweise das Einzige wäre, was von ihm übrig bliebe. Es galt, Unordnung in einem drohend frühen Nachleben zu vermeiden.

Peters’ und Tiedemanns Berichte weichen in einigen Details voneinander ab, und in einigen Details widerspricht sich Peters’ eigener Bericht. Im letzteren Fall handelt es sich auch um Details, welche einen bestimmten Augenblick im Verlaufe der Expedition in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen als es Peters in der Art eines Heldenepos ergreifend darzustellen versucht: Er berichtet, dass er vor seinem „Einmarsch“ in Uganda, um von dort zu Emin Pascha in seiner Äquatorialprovinz vorzustoßen, mit Erschütterung die Nachricht erhalten habe, dass Stanley ihm längst zuvorgekommen war. Dies und auch seine Reaktion darauf - dass er sich nämlich schluchzend in sein Zelt zurückzog – war bei genauerem Hinsehen eine theatralische Inszenierung, die er seinem Begleiter Tiedemann vorgespielt hat und auch vor der Nachwelt aufrechterhalten wollte (die ihm seine Geschichte auch heute noch zu glauben scheint). Ob Tiedemann sich hier, wie auch seine Aufzeichnungen glauben machen, täuschen ließ und nicht zu der Meinung kam, dass Peters schon lange vorher von jener Nachricht wusste und sie Tiedemann aus Gründen vorenthielt, muss dahingestellt bleiben. Tiedemann schien jedenfalls früher davon überzeugt, dass Emin Pascha nicht mehr in seiner Äquatorialprovinz weilte.

Bei derartiger Beschaffenheit des Textmaterials ist es, um zu einem geschlossenen erzählenden Arrangement zu kommen, notwendig, eine erzählende Instanz einzuschmuggeln, die doch mehr weiß und ausspricht als das, was die Berichtstexte von sich aus offenlegen oder offenlegen wollen. Dabei gilt es auch, Verständnis- oder Wissenslücken zu schließen, vor denen schon Peters’ und von Tiedemanns Zeitgenossen gestanden haben müssen, wenn sie die Expeditionsberichte lasen. Peters hielt es immerhin für nötig, darauf hinzuweisen, dass mit dem Helgoland-Sansibar-Vertrag zwischen Deutschland und England, der Peters’ hochfliegende Erwartungen zunichte machte, die er gegen Ende seiner Expedition noch als deren Ergebnis hegte, Deutschland nicht Helgoland gegen Sansibar eingetauscht habe, denn es habe da nichts zu tauschen gegeben, weil Sansibar nicht deutsch war.

In seinem Expeditionsbericht bringt Peters Passagen wörtlicher Rede unter – anlässlich der Berichte über Verhandlungen mit Eingeborenen etwa – und schildert Wahrnehmungen, die er in seinem Itinerar sicher nicht festgehalten hat und die in gewisser Weise als fiktive Zutaten zu bewerten sind. Das inspiriert die erzählende Instanz, ebenso zu verfahren. Die erzählende Instanz blickt bei alledem nicht über den jeweiligen Ereignisstand des Expeditionsverlaufs hinaus und will auch nicht als eigene Instanz hervortreten. Sie amalgamiert sich den Berichtsebenen und bleibt in Peters’ und Tiedemanns Gedankenwelt und Wahrnehmungen befangen – wobei sich Gedanken und Wahrnehmungen beider auch im Raume stoßen. Sie bleibt dabei auch befangen im Sprachgebrauch Peters’ und Tiedemanns als Ausdruck derer ‚weltanschaulicher’ – so hätte es Peters genannt – Prägung. Eine unabhängige Instanz, die bei der Expedition mitmarschiert wäre, um später mit Tinte und Feder etwa als moralisches Korrektiv hervorzutreten, fällt schon wegen der Besetzung der Expedition mit nur zwei über Schriftlichkeit verfügende Weiße naturgemäß aus. Wenn das im Ergebnis Anstoß erregt, so soll es nur recht sein.

Der hier erzählten Geschichte der Emin-Pascha-Expedition wird eine Darstellung von Peters’ Lebensweg bis zu seinem Entschluss zur Expedition vorangestellt, um diesen als Konsequenz aus dem Vorhergehenden verständlich zu machen. Der Geschichte nachgestellt werden Lebensdaten Emin Paschas bis zu seinem Tode im Jahre 1892, Adolf von Tiedemanns bis zu seinem Tode im Jahre 1915 und Carl Peters’ bis zu seinem Tode im Jahre 1918, in dem auch die kurze Kolonialgeschichte des zweiten Deutschen Reiches zusammen mit diesem ihr Ende fand.

Reinhard Finke, Bochum, 2020

1 Als Mahdi galt ein Nachkomme Mohammeds mit heilsgeschichtlicher Sendung. Als Mahdi galt Muhammad Ahmad beim 1881 einsetzenden Mahdi-Aufstand im Sudan gegen die ägyptische Herrschaft. 1885 eroberten die Mahdisten Khartum, wobei der als Generalgouverneur eingesetzte Charles Gordon getötet wurde. Nach dem Tode Muhammad Ahmads im gleichen Jahr währte die Herrschaft der Mahdisten unter einem Nachfolger Muhammad Ahmads im Sudan bis 1898. Die Mahdisten wurden von einem britischägyptischen Expeditionskorps unter der Führung Herbert Kitcheners geschlagen.

2 Carl Peters, Die deutsche Emin-Pascha-Expedition, München und Leipzig (Oldenbourg) 1891.

3 D.h. als Gast Friedrich Krupps, der in seiner Villa Hügel residierte.

4 Adolf von Tiedemann, Tana-Baringo-Nil, Berlin (Walther & Apolant) 1892.

5 Adolf von Tiedemann (Major a.D., vormals im großen Generalstab), Tana-Baringo-Nil, Volksausgabe, Berlin (Schwetschke und Sohn) 1907.

6 Paul Reichard, Vorschläge zu einer praktischen Reiseausrüstung für Ost- und Centralafrika, Berlin (Dietrich Reimer) 1889.

1. WIE DEN DEUTSCHEN EIN KOLONIALPIONIER ERSTAND, DER MIT UNDANK BELOHNT WURDE7

Carl Peters wurde 1856 als achtes von elf Kindern im Pfarrhaus von Neuhaus an der Elbe geboren. In früher Kindheit bekam er mit, dass sein Vater David Livingstones Missionsreisen mit Interesse verfolgte.8 Ein späteres missionarisches Interesse wurde dadurch bei ihm nicht geweckt. Nach dem Besuch der vom Vater ins Leben gerufenen Vorschule und entsprechender Vorbereitung durch den Vater in Griechisch und Latein wurde er im Alter von 14 Jahren für ein Jahr Schüler des Gymnasiums in Lüneburg und wurde dann als Internatsschüler auf die preußische „Königliche Klosterschule Ilfeld“ im Südharz geschickt, eine Schule für Söhne meist adliger oder großbürgerlicher Herkunft. Mit dem Tode des Vaters im Jahre 1872 wurde die finanzielle Lage der Familie prekär, und Peters hatte darunter zu leiden, dass er bei den Mitschülern nicht als ihresgleichen auftreten konnte. Er stabilisierte sein Ego mit guten Leistungen, die ihm Ansehen bei den Lehrern verschafften, und unter rivalisierenden Schülergruppen trat er als Volkstribun auf. Das Abitur bestand Peters mit guten Noten.

Eine Enttäuschung war es für ihn, der die Reichseinigung in der Folge des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 mit Begeisterung erlebt hatte, dass er, als er sich zum einjährigen Militärdienst meldete, schon klein von Statur, wegen eingeschränkter Tauglichkeit abgewiesen wurde. Er verbreitete, dass seine Kurzsichtigkeit die Ursache gewesen sei. Eigenen späteren Schilderungen zufolge war er von frühester Jugend abgehärtet und im Schwimmen, Ringen und im Turnen geübt.

Zwei Semester studierte Peters in Göttingen. Mit geringen Mitteln ausgestattet, gab er Nachhilfestunden, begann Artikel für eine kleine Zeitung zu schreiben und verfügte über ein Stipendium von jährlich 210 Mark. Neben anderen Fächern wandte er sich vor allem der Philosophie zu. Schopenhauer und Eduard von Hartmann taten es ihm besonders an. Fichte, Hegel und Schelling waren ihm ein Gewäsch. Körperlich brachte oder hielt er sich in einem akademischen Turnverein in Schuss.

In Tübingen setzte Peters sein Studium fort und traf dort auf Karl Jühlke, einen Internatskameraden aus der Ilfelder Zeit, mit dem er eine eigene Studentenverbindung gründete. Inzwischen schrieb er auch Artikel für größere deutsche Zeitungen. Finanziell wurde er unabhängig, als er mit einer historischen Preisarbeit für eine Stiftung ein Stipendium von 1200 Mark jährlich gewann.9

1878 immatrikulierte Peters sich in Berlin an der philosophischen Fakultät, promovierte und strebte eine akademische Karriere an. Der Mutter zu Gefallen legte er noch das Oberlehrerexamen als Historiker und Geograf für die Prima eines Gymnasiums ab.

Ende 1880 tat sich ihm eine ganz neue, glanzvolle Welt auf, als ihn ein in England zu Reichtum und geachteter gesellschaftlicher Stellung gekommener Onkel mütterlicherseits, Karl Engel, nach dem Tode seiner Ehefrau zu sich nach London einlud, wo Peters für einige Zeit das Leben eines Gentleman führen konnte. Er entwickelte ein starkes Interesse für die britische Kolonialgeschichte und Kolonialpolitik. Als ihm von seinem Onkel in Aussicht gestellt wurde, in England naturalisiert zu werden, war ihm die deutsche Heimat doch näher, und er kehrte nach 16 Monaten Aufenthalts in England nach Deutschland zurück, um seine akademischen Karrierepläne mit einer Habilitationsarbeit „Inwiefern ist Metaphysik als Wissenschaft möglich“ weiter zu verfolgen.

Als ihn 1882 die Nachricht vom Suizid seines Onkels ereilte, begab er sich wieder nach London, um die Erbschaft seines Onkels abzuwickeln. Er selbst wurde dabei großzügig bedacht. Eine akademische Lehrtätigkeit erschien ihm nun nachgerade armselig: Nach akademischer Freiheit hätte ihn ein in Philistertum mündendes Leben erwartet. Zudem erwies sich seine umfangreiche Schrift „Willenswelt und Weltwille. Studien und Ideen zu einer Weltanschauung“, die er bereits 1881 begonnen hatte und die 1883 bei Brockhaus erschienen war, nicht als Erfolg.10 Sie war als Fortsetzung der Philosophie Schopenhauers gedacht, der, wie Peters vermutete, zu einer ganz anderen Weltsicht hätte kommen müssen, wenn er die Reichsgründung 1871 erlebt hätte.

Zusammen mit einem Amerikaner, den er in London kennen lernte, plante Peters, in Mashonaland südlich des Sambesi ein Minenunternehmen zu gründen, das er unter deutsche Flagge stellen wollte. Weil der Amerikaner aber die britische Flagge vorzog, siedelte Peters 1883 wieder nach Berlin über, um die deutsche Kolonialbewegung für seinen Plan zu gewinnen. Nur äußerlich verfolgte Peters seine Universitätskarriere noch weiter.

Der 1882 gegründete „Deutsche Kolonialverein“ mit einer um etliche Tausend breiten Mitgliederschaft, an den sich Peters wandte, hielt eine praktische Erwerbs und Siedlungspolitik im großen Stil allerdings erst im 20. Jahrhundert für möglich. Mit Goethe zu sprechen: „Getretner Quark/ Wird breit, nicht stark ...“ Das war die traurige Wahrheit über die kraftlosen aktuellen deutschen Kolonialbestrebungen – aber es konnte nicht die Wahrheit über die einem erweckten nationalen Stolz innewohnende Stärke sein: „... Schlägst du ihn aber mit Gewalt/ In feste Form, er nimmt Gestalt.“

Gestaltend tätig zu werden bot sich Peters die Gelegenheit, als er im Konservativen Klub in Berlin Zutritt bekam und beim Grafen Behr-Bandelin ein offenes Ohr für seine afrikanischen Erwerbungspläne und deren Motiv fand. Hatte er, Peters, nicht als Deutscher im Ausland erlebt, dass man zu dem am Mindestgeachteten unter all den andern Völkern Europas gehörte, die Kolonien besaßen? Musste es nicht Ehrenpflicht sein, ein deutsches Nationalbewusstsein durch kolonialen Erwerb zu stärken?

Zunächst trat Peters publizistisch für die koloniale Sache ein, um dann vom Rufer zum Berufenen zu werden, der seine Pläne selbst in die Tat umsetzt.

Da es aussichtslos erschien, sich an irgendeinen Großkapitalisten von Ansehen wie etwa an Krupp in aller Stille zu wenden, musste es nach englischem Vorbild gelten, sich selbst eine Kapitalistengruppe zur Annexion und später zur Verwaltung möglichst großer Kolonialländer unter deutscher Flagge zu schaffen. Etwa 40.000 Mark sollten für’s Erste reichen. Zusammen mit dem Grafen Behr-Bandelin gründete Peters 1884 „Die Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ und verfasste einen Aufruf an das deutsche Volk zur Unterstützung des Vorhabens zum Gebietserwerb. Eine für eine Expedition ausreichende Summe kam durch eine Reihe von Beteiligungen zusammen.

Über das geografische Ziel einer Erwerbungsexpedition wurde man sich in der Gesellschaft erst einig, als Peters bei einem Treffen vom Grafen Pfeil darauf hingewiesen wurde, dass Henry Morton Stanley in seinem Bericht „How I found Livingstone“ Usagara in Ostafrika als ein für europäische Besiedlung geeignetes Land beschrieben hatte.11 Usagara, etwa 200 km von der ostafrikanischen Küste landeinwärts gegenüber dem Sultanat Sansibar gelegen, wurde für das Unternehmen einer Landerwerbung unter dem Kommando Peters’ ausersehen, mit Dr. jur. Jühlke, dem Freund Peters’ seit Ilfelder Internats- und späteren Studienzeiten, und dem Grafen Pfeil an seiner Seite.

Bevor noch das Auswärtige Amt eingeweiht war, machte sich Peters mit Jühlke, Pfeil und einem Kaufmann, Otto, der auf eigene Kosten mit dabei war und in Usagara eine Handelsstation einzurichten vorhatte, über Triest und Aden, als Jagdgesellschaft getarnt, auf nach Sansibar. Dort ereilte ihn über den deutschen Konsul die Nachricht, dass das Reich für sein Unternehmen keinen Schutz zu übernehmen bereit sei. Das hielt Peters nicht davon ab, seine Usagara-Expedition unter deutscher Flagge in Marsch zu setzen. Er kaufte auf Sansibar Waffen, Ausrüstung und Geschenke, heuerte Träger an und verpflichtete einige persönliche Diener. Unter letzteren war ein expeditionserfahrener früherer Begleiter Stanleys. Eine wichtige Rolle war dem Übersetzer Ramassan zugedacht.

Ein unverzüglicher Aufbruch war geboten, weil eine Expedition im Auftrage des belgischen Königs sich gleichzeitig bereit hielt, um ein Stationennetz von der Küste gegenüber Sansibar hin zum Kongo anzulegen. Die Nachricht von Hungersnot auf dem Festland und umherschweifenden Massaihorden hielt die Belgier zurück, und Peters setzte mit seiner kleinen Truppe zur Küste über und vollbrachte in einem Eilmarsch von fünf Wochen ein Bravourstück: Mit Häuptlingen im Lande Usagara schloss er nach Überreichung einiger Geschenke und Verabreichung alkoholischer Getränke Abtretungsverträge ab, für deren Richtigkeit der Übersetzer stand und unter welche die Häuptlinge und Zeugen aus Peters’ Tross Handzeichen – d.h. Kreuze – machten. Auch Blutsbrüderschaften wurden geschlossen. Feierlich wurde jeweils die deutsche Flagge gehisst. Das alles war juristisch zwar eine reine Fiktion, aber entscheidend war, dass es in Europa anerkannt und von anderen Europäern in Afrika ebenso betrieben wurde. Die Berliner Kongo-Konferenz vom November 1884 bis Februar 1885 schuf die entsprechenden Voraussetzungen.

Die Belastungen, denen die Expeditionsteilnehmer ausgesetzt waren, waren enorm. Peters’ Dominanzgebaren legte die Nerven der anderen blank. Graf Pfeil, der im Hauptort Usagaras als Wahrer der Interessen der Gesellschaft zurückgelassen wurde und dort eine Station zu errichten begann, erkrankte und wurde von einem französischen Nachbarn gerettet. Der Kaufmann Otto, der an der Seite Pfeils zurückblieb, erlag einem Fieber. Peters und Jühlke hatten während des Rückwegs zur Küste selbst den Tod vor Augen. Vor Fieber marschunfähig und dem Verhungern nahe, mussten sie sich große Strecken in Hängematten tragen lassen und dirigierten die widerspenstigen Träger mit Peitsche und Revolver. Ramassan brachte Rettung, als er von einem französischen Missionar in Simbamwene einiges Gemüse herbeischaffte. Kurz vor Bagamoyo wurden sie in ein französisches Kloster eingeladen, wo sich besonders der aus Deutschland vertriebene Bruder Oscar ihrer annahm und auch eine Dhau – ein arabisches Segelschiff – zum Übersetzen nach Sansibar besorgte. Dort genossen sie, noch vollständig geschwächt und von mächtigen Dosen Chinin fast taub, ärztliche Fürsorge.

Peters begab sich, als seine Gesundheit wieder hergestellt war, über Bombay zurück nach Berlin. Jühlke blieb als Peters’ Vertreter in Sansibar zurück. Von Bombay aus telegrafierte Peters an Bismarck und unterrichtete ihn über seine Verträge und fügte hinzu, dass er den Kaiser die Oberhoheit über das Gebiet allergnädigst anzunehmen bitte. Das ganze Unternehmen hatte vier Monate gedauert und etwa 1000 Mark gekostet.

Die Gegner Peters’ oder jene, die ihn nicht ernst genommen hatten, waren überrascht, als im Februar 1885 im Reichsanzeiger der kaiserliche Schutzbrief für Peters’ Erwerbungen unter einer Hoheitsgesellschaft veröffentlicht wurde. Bismarck sprach bei einer Zusammenkunft Peters gegenüber im Tone des Wohlwollens von Usagara, während Peters lieber von Deutsch-Ostafrika gesprochen hätte. Er hatte nicht die Absicht, es dabei bewenden zu lassen, dem Reich eine Liliputkolonie zu Füßen gelegt zu haben. Bismarck zeigte sich allerdings nicht überzeugt, als Peters ihm weitere Erwerbungspläne vortrug, die noch gar nicht so weit reichten wie jene, die schon seine Vorstellungen beherrschten und sich auf Kenia, Uganda und Somaliland richteten. Ein großer Augenblick war es für Peters, als er gemeinsam mit dem Grafen Behr-Bandelin bei dem greisen Kaiser Wilhelm I. eine Audienz erhielt, um diesem seinen Dank auszusprechen. Auch vom Prinzen Wilhelm wurde Peters empfangen. Der Prinz zeigte sich sehr interessiert, war gut unterrichtet und verabschiedete Peters mit Händedruck und den Worten „Immer höher mit der deutschen Flagge!“

Als der Sultan von Sansibar in gleicher Weise wie Peters flaggehissend Ansprüche auf das von Peters bei seiner Usagara-Expedition erworbene Land geltend machte, wurde er durch eine deutsche Flottendemonstration zum Einlenken gezwungen.

Der kaiserliche Schutzbrief gab Peters jetzt die Möglichkeit, weitere Erwerbungspläne zu verfolgen, die er für die nächsten anderthalb Jahre von Berlin aus steuerte. Da die finanziell schlecht ausgestattete „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ als Hoheitsgesellschaft dazu nicht geeignet war, wurde aus ihr heraus die „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft Peters und Genossen“ (DOAG) – eine Kommanditgesellschaft – gegründet und Peters die Generalvollmacht für die Ausübung aller Gesellschaftsrechte nach außen übertragen. Die erhoffte Beteiligung des Kapitals hielt sich allerdings in Grenzen. Nur der Elberfelder Bankier von der Heydt beteiligte sich mit 100.000 Mark, und Friedrich Krupp machte eine Zuwendung von 50.000 Mark. Das reichte immerhin, um weitere Expeditionen zu finanzieren. Dazu wurde eine eigene Flagge für die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft geschaffen, um unter ihr neue Landschaften für ihr Eigentum zu erklären, bis die kaiserliche Regierung weiter entschied.

Eine Reihe von Erwerbungsexpeditionen unter draufgängerischen Führungen wurde in Gang gesetzt, für die Peters jeweils über Depesche das Kommando nach Sansibar gab – etwa „Pfeil sofort Njassa.“ Die Depeschenleitung nach Sansibar war allerdings in englischer Hand, so dass von dieser Seite mitgelesen wurde und Kollisionen mit englischen Interessen die Folge waren. Einen persönlich schmerzlichen Verlust erlitt Peters, als sein Freund Jühlke an der somalischen Küste einem Anschlag zum Opfer fiel – hinterrücks wie Siegfried von einem Speer durchbohrt, als er niederkniete, um den verletzten Fuß eines Somali zu behandeln.

Ein deutsch-britisches Ostafrika-Grenzabkommen legte 1886 zwischen England und Deutschland die Interessensphären in Ostafrika fest. Peters war in die Verhandlungen involviert, und sein Gegenspieler auf englischer Seite war William Mackinnon. Nur ein Teil der von den deutschen Erwerbsexpeditionen beanspruchten Gebiete blieb übrig. Auch die Somaliküste, wo Jühlke den Tod gefunden hatte, wurde weggegeben. Dem deutschen um Usagara arrondierten Schutzgebiet wurde der Hafen Daressalam gegen eine dem Sultan von Sansibar zu zahlende Zollpacht überlassen. Der Küstenstreifen gegenüber Sansibar blieb zunächst unter der Herrschaft des Sultans. Auf Peters’ Betreiben wurde der Kilimandscharo dem deutschen Interessengebiet zugeschlagen.

Zum deutschen Schutzgebiet, unabhängig von Peters’ Erwerbungsexpeditionen in Ostafrika, wurde auch das Sultanat Witu, wo die Gebrüder Denhardt mit der Witugesellschaft tätig geworden waren, etwa 600 km nördlich von Sansibar und ohne eigenen Hafen, erreichbar nur über die vorgelagerte, unter der Hoheit des Sultans von Sansibar stehende Insel Lamu.

Anfang 1887 wurde Peters als Bevollmächtigter der DOAG mit 26 Herren nach Sansibar geschickt. Die DOAG war inzwischen mit zusätzlichem Kapital von Bankhäusern und der Seehandlungsgesellschaft ausgestattet und in eine AG unter der Kontrolle eines Direktionsrates umgewandelt worden, so dass Peters an Einfluss verlor und nur noch einen weisungsgebundenen Direktorposten einnahm. Peters bezog in Sansibar Quartier in einem von der DOAG angemieteten arabischen Bau. In ihm war auch ein Waffenarsenal angelegt, zu dem sogar ein kleines Geschütz, eine Buschkanone, gehörte. Der Sultan von Sansibar erlaubte, die Flagge der DOAG aufzuziehen, und Peters ließ den Bau um einen neuen Flügel mit einem Gesellschaftssalon erweitern und stellte zwölf in Hellblau mit Silber livrierte Diener ein – doppelt so viele wie die im englischen Generalkonsulat in Rot und Gold gekleideten. So wurde das DOAG-Haus zum gesellschaftlichen Mittelpunkt der Deutschen auf Sansibar mit einem eigenen Haushalt. Peters zur Seite gesellte sich die Freiin Frieda von Bülow,12 Gründerin des Deutschnationalen Frauenbundes, die für den Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien nach Ostafrika gekommen war, um Krankenstationen einzurichten

Peters’ Aufgabe war es, den Stand der Kolonisierung im Schutzgebiet einer Revision zu unterziehen und voranzutreiben und mit dem Sultan einen Vertrag über die Küste abzuschließen. Die bisherige Entwicklung im Schutzgebiet war über territoriale Arrondierungen kaum hinaus gekommen. Die anfangs propagierte Besiedlung durch deutsche Landwirte erwies sich als Illusion. Auch für eine Plantagenwirtschaft im großen Stil fehlte eine wesentliche Voraussetzung, denn die einheimische Bevölkerung war nicht ohne Schwierigkeiten zur Arbeit zu zwingen. Gelöst war noch nicht die Frage: „Wie erzieht man am besten den Neger zur Plantagenarbeit?“13 Das Konzept, Stationen zur Verwaltung anzulegen, die sich wirtschaftlich selbst tragen und Blüten treiben sollten, kam nicht recht in Gang. Und bereits trassierte Eisenbahnlinien zur Erschließung des Landes auch zu bauen und in Betrieb zu nehmen fehlte immer noch das Kapital. Peters zweifelte allerdings nicht daran, dass sich auf Dauer ein ökonomischer Nutzen einstellen werde, zu dem die sich lange hinziehenden Verhandlungen mit dem Sultan über den Küstenstreifen, die auf eine Zollpacht hinausliefen, die Voraussetzung schaffen sollten.

Peters, der sich dem Sultan gegenüber als Vertrauter Bismarcks ausgab, konnte einen Präliminarvertrag aushandeln, den er zur Ratifizierung nach Berlin schickte. Und in einem Schreiben an die Direktion der DOAG bat er darum, sie möge bei der Reichsregierung beantragen, dass ihm neben seiner Stellung als Direktor der DOAG auch das Reichskommissariat für die Kolonie übertragen würde. Das hätte ihn vom deutschen Generalkonsul in Sansibar unabhängig gemacht. Peters’ Ansinnen wurde mit dem Hinweis abgelehnt, dass er erst etwas leisten müsse, bevor er zum Reichskommissar ernannt würde, und auf eine Ratifizierung seines Vertrages wartete er vergeblich.

In Berlin akzeptierte man den Küstenvertrag in der von Peters ausgehandelten Form nicht. Und als dem Sultan zu Ohren kam, dass Peters mitnichten der Vertraute Bismarcks war, als den er sich ausgegeben hatte, überging er Peters bei den weiteren Verhandlungen und ließ sie bis zu deren Abschluss über den deutschen Generalkonsul in Sansibar laufen. Peters wurde klar, dass seine Zusammenarbeit mit der DOAG sich ihrem Ende näherte. Im Dezember 1888 wurde er nach Berlin zurückgerufen. Die Freiin von Bülow kehrte 1889 wegen einer Malaria nach Berlin zurück.

7 Autobiografisches hierzu in: Carl Peters, Die Gründung von Deutsch-Ostafrika. Kolonialpolitische Erinnerungen und Betrachtungen, Berlin (Schwetschke und Sohn) 1906. Motto: „Volk und Knecht und Überwinder/ Sie gestehn zu jeder Zeit,/ Höchstes Glück der Erdenkinder/ Sei nur die Persönlichkeit.“ (Goethe).

8 David Livingstone (1813-1873), Missionsreisen und Forschungen in Südafrika, 2 Bde., Leipzig 1858.

9 Es handelt sich um eine „Untersuchung zur Geschichte des Friedens von Venedig“ (geschlossen zwischen Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) und Papst Alexander III.). – Motto: „Es irrt der Mensch, solang er strebt.“ (Goethe) S. hierzu Carl Peters, Lebenserinnerungen (1918). – Motto: „Was ich besitze, seh ich wie im Weiten,/ Und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten.“(Goethe) In: Carl Peters, Gesammelte Schriften, 1. Bd., München und Berlin 1943, S. 50 ff.

10 Carl Peters, Willenswelt und Weltwille. Studien und Ideen zu einer Weltanschauung, Leipzig (Brockhaus) 1883. – Motto: „Im Anfang war die That.“ Goethe („Faust“).

11 Dt.: Henry Morton Stanley, Wie ich Livingstone fand. Reisen, Abenteuer und Entdeckungen in Central-Afrika, Leipzig (Brockhaus/ Reclam) 1879.

12 Beigestelltes Foto in: Carl Peters, Die Gründung von Deutsch-Ostafrika (1906), S. 159.

13 Hermann Bibo, Wie erzieht man am besten den Neger zur Plantagenarbeit? Und welche Ziele müssen wir verfolgen, um unsere Kolonieen für Deutschlands Handel und Industrie allgemein segensreich und nutzbar zu gestalten? Mit Originalplänen für ein tropisches Normalhaus, Berlin (Kolonialpolitischer Verlag, Walther & Apolants Verlagsbuchhandlung) 1887.

2. DER PLAN ZU EINER DEUTSCHEN EMIN-PASCHA EXPEDITION NIMMT GESTALT

Auf seiner Heimreise traf Peters in Genua mit dem Bankier von der Heydt zusammen und erfuhr von ihm, dass ein Herr Vohse als Verwalter der Finanzen der DOAG nach Afrika unterwegs war – eine für Peters kaum hinnehmbare Ämterteilung. Er sah sich als Opfer einer Intrige und um den Lohn aller seiner Bemühungen betrogen. Die Lösung seines Kontrakts mit der DOAG war nicht mehr fern.

Von der Heydt brachte die Sprache auf die Möglichkeit einer deutschen Emin-Pascha-Expedition. Bereits Peters’ Freund, Professor Schweinfurth,14 hatte auf die Stellung Emin Paschas am oberen Nil wiederholt aufmerksam gemacht ... Peters hatte ein neues Ziel vor Augen.

Emin Pascha, als Eduard Schnitzer im Jahre 1840 in Oppeln als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, war nach dem Tod des Vaters mit der Mutter, die ein zweites Mal heiratete, zum Protestantismus konvertiert. Schnitzer hatte Medizin studiert, war aber nicht zum Examen zugelassen worden, begab sich daraufhin ins osmanische Reich und machte dort Karriere beim Aufbau eines Gesundheitswesens. Nach seiner Entlassung und dem gescheiterten Versuch, doch noch in Deutschland Fuß zu fassen, ging er in die autonome osmanische Provinz Ägypten unter der Herrschaft des osmanischen Vizekönigs, des Khediven, der unter englischem Einfluss stand. Ägypten expandierte nach Süden, und Charles Gordon, in dessen Dienste Schnitzer trat, richtete die Äquatorialprovinz ein. Als Gordon 1876 nach England zurückkehrte, übernahm Schnitzer den Posten des Gouverneurs und wurde zum Emin Pascha. Nachdem im Sudan 1881 der Mahdi-Aufstand ausgebrochen war und Gordon 1884 von England zur Hilfe nach Ägypten geschickt worden war, wurde dem 1885 in Khartum von den Mahdisten sein Haupt abgeschnitten15 ... Und seitdem war Emin Pascha in seiner Provinz von Kairo abgeschnitten.

Von Emin Pascha war die letzte sichere Kunde von Wilhelm Junker überbracht worden, der sich 1886 ganz allein von Emin Paschas Provinz nach Sansibar durchgeschlagen hatte. Eine Rettungsexpedition, die ihn und den Italiener Casati aus Emin Paschas Provinz hatte herausholen sollen, finanziert von Junkers Bruder in St. Petersburg, war unter der Führung Dr. Fischers gescheitert. Und von der 1887 aufgebrochenen englischen Expedition zur Rettung Emin Paschas unter Führung Henry Morton Stanleys war bisher jede Nachricht ausgeblieben, sie wurde für verschollen gehalten ... Peters sah seine Chance. Auf der Reise von Genua nach Berlin hatte er Zeit, mit sich zu Rate zu gehen.

Sein alter Rivale, William Mackinnon, hatte das englische „Emin-Pasha-Relief-Committee“ ins Leben gerufen und Stanley losgeschickt. Stanleys Unternehmen war groß angelegt. Vom Khediven in Kairo war Stanley mit sudanesischen Soldaten versorgt worden, und der Sultan von Sansibar hatte ihn bei der Anwerbung von etwa 600 Sansibariten als Träger unterstützt. Mit der Trägertruppe, den Soldaten, einer Menge mitgeführter Waffen und Munition, wozu auch ein ganz neuartiges Geschütz, eine Maxim-Schnellfeuerkanone, gehörte, war Stanley ums Kap der guten Hoffnung zur Kongomündung gefahren, um den Kongo aufwärts zu Emins Äquatorialprovinz vorzustoßen ...

Mit Stanley, der 1871 mit seiner Suchexpedition nach David Livingston erfolgreich gewesen war, hatte das englische Emin-Pascha-Komitee eine Figur ins Spiel gebracht, welche das Unternehmen als humanitäre Aktion erscheinen ließ, obwohl klar sein musste, dass es sich hier um die Sicherung englischer Interessen am oberen Nil handelte. Dazu sollte Emin Pascha in seiner Äquatorialprovinz über 75 Tonnen Elfenbein verfügen. Ein Schatz, mit dem sich die Kosten der Expedition mehrfach decken ließen ...

Und nun eine deutsche Expedition? Die Agitation zur Unterstützung einer deutschen Emin-Pascha-Expedition müsste diese als Rettungsaktion für einen deutschen Landsmann ausrufen. Das wäre ein starkes Argument neben dem rein humanitären. Falls Zweifel daran bestehen sollten, dass sich Emin Pascha selbst als Deutscher sah, so würden die sich in dem Augenblick zerstreuen, wo ihm ein Deutscher Landsmann als Retter entgegen trat ...

Eine deutsche Emin-Pascha-Expedition würde vom deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiet aufbrechen müssen, um zu Emin Paschas Äquatorialprovinz vorzustoßen. Ohne Verbindung nach Ägypten, die durch den Mahdiaufstand unterbrochen war, konnte sie als „nobodys country“ gelten. Und Emin Pascha müsste sich dann mit seiner Provinz unter deutschen Schutz stellen. Damit würde eine Verbindung vom deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiet vom Indischen Ozean über den Viktoriasee zum oberen Nil hergestellt. Das bisherige deutsch-ostafrikanische Schutzgebiet würde ein Hinterland bekommen, wirtschaftlich aufblühen können. Deutschland würde eine Nilmacht!

14 Georg Schweinfurth, Botaniker und Paläontologe, hatte mehrere Afrikareisen unternommen, publizierte u.a. „Im Herzen von Afrika“, Leipzig (Brockhaus) 1874 und wurde – wie auch von der Heydt – Mitglied des Emin-Pascha-Komitees (s. Abb. mit den Mitgliedern des Komitees weiter unten).

15 Bereits im gleichen Jahr erschien in Deutschland: Gordon, der Held von Khartum. Ein Lebensbild nach Originalquellen. Mit Bildnis und Karten, F.a.M. (Schriften-Niederlage des Evangelischen Vereins) 1885. (Ohne Angabe des Verfassers bzw. des Herausgebers in Person.)

3. AUFRUF UND AUFBRUCH

In einem Saal des Berliner Palais Hardenberg, Sitz des Hauses der Abgeordneten, versammelten sich am Abend des 28. Juni 1888 vierzehn Herren zu einer vertraulichen Besprechung mit dem Ziel und dem Ergebnis der Konstituierung eines provisorischen Komitees zur Unterstützung Emin Paschas und eines Aufrufs an das deutsche Volk zur Unterstützung der Rettung Emin Paschas. Eingeladen zu der vertraulichen Besprechung im Palais Hardenberg hatte Dr. Carl Peters.

Es sollte zur deutschen Ehrenpflicht gemacht werden, den Landsmann Emin Pascha in seiner Äquatorialprovinz zu retten. In dem beschlossenen Aufruf hieß es weiter, es gelte, erste Ansätze europäischer Gesittung dort vor drohender Vernichtung zu bewahren und dem Gräuel einer zügellos sich ausbreitenden Sklavenwirtschaft entgegenzutreten. Aufgabe des an die Öffentlichkeit gerichteten Aufrufs war es, die für die Ausrüstung und Durchführung einer deutschen Emin-Pascha Expedition notwendigen Gelder aufzutreiben.

Peters selbst ließ sich bei der Besprechung und Konstituierung des provisorischen Komites zur Unterstützung Emin Paschas zum vorläufigen Vorsitzenden des Komites bestimmen – vorläufig, weil er selbst die Expedition anzuführen gedachte, von welchem Zeitpunkt an der Vorsitz des Komitees in andere Hände würde übergehen müssen.

Einige Tage nach der vertraulichen Besprechung wurde von dem vorläufigen Komitee in Eingaben an den Kaiser und den Reichskanzler Mitteilung von der geplanten Unternehmung gemacht und um allerhöchste Zustimmung gebeten, worauf ermutigende und zustimmende Antworten kamen. Der Rückhalt in einer Sache der nationalen Ehre schien nun sicher, und bald sollte der Aufruf öffentlich gemacht werden.

Die von Peters für seine Person vorgesehene Rolle als Leiter der Expedition schien allerdings neu bestimmt werden zu müssen, als der Premierleutnant a.D. Hermann Wissmann sich dem vorläufigen Komitee anschloss, um an der Expedition teilzunehmen. Zu Peters’ Verdruss wurde Wissmann schon als beabsichtigter Führer des Unternehmens gesehen.16

Wissmann hatte im Jahre 1881 als erster Europäer im Auftrage der ‚Afrikanischen Gesellschaft’ das Innere Afrikas von Westen nach Osten durchquert – zunächst an der Seite des Afrikaforschers Paul Pogge, dann weiter allein und schließlich, am Ende seiner Kräfte, unterm Schutz des Sklavenhändlers Tippu Tip.17 Später erforschte er im Dienste des belgischen Königs das südliche Kongobecken. Peters hatte Wissmann auf Sansibar kennengelernt und schätzte in ihm den Afrikareisenden und Afrikaforscher. In Sachen Kolonialpolitik schien er ihm eine Fehlbesetzung, denn Wissmann vertrat die Meinung, dass Deutschland, wenn es Kolonien haben wolle, dafür bezahlen müsse. Peters kolonialpolitische Vorstellungen verbanden sich hingegen mit der Aussicht auf ökonomischen Gewinn, wobei im Solde des Reiches stehende Beamte und Militärs in Kolonien wenig zu suchen hätten. Wie sollte nun eine Expedition organisiert werden, an der auch Wissmann teilnehmen wollte? Dass Wissmann, der erfahrene und um einige Jahre ältere Afrikareisende, ihm unterstellt würde, war nicht denkbar.

Als Lösung wurde erwogen, dass Peters, gemäß seiner ersten Planung, mit einer größeren Expedition vom deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiet aus aufbrechen und Wissmann mit einer kleineren Expedition den von ihm favorisierten Weg über den Fluss Tana einschlagen sollte, um, nach getrennten Wegen, in der Äquatorialprovinz zusammenzutreffen. In Wadelei, wo Emin Pascha vermutet wurde, hätte Peters dann als führender Kopf des Gesamtunternehmens mit Emin Pascha die kolonialpolitischen Abmachungen auszuhandeln.

Die Mündung des in den Indischen Ozean fließenden Tana lag etwa 200 km nördlich des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes. Zwischen ihn und das Schutzgebiet schob sich englisches Interessengebiet mit den Häfen Mombasa und Malindi. Die Route galt für Kolonnenverkehr als ganz ungeeignet. Das war der Stand der Überlegungen, als sich am 12. September 1888 in Wiesbaden bei einer öffentlichen Vorstandssitzung der Deutschen Kolonialgesellschaft das deutsche Emin-Pascha-Komitee endgültig konstituierte. Mit einem Hoch auf den Kaiser wurde die Sitzung geschlossen.

Die Voraussetzungen für das Unternehmen änderten sich mit einem Schlag, als eine aufständische Bewegung an der Küste des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes losbrach, die Buschiri-Rebellion, genannt nach ihrem Anführer.18 Eine Depesche aus Sansibar – vom deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes aus gab es keine Drahtverbindung nach außen – gab erste Kunde hiervon. Konsul Vohse und seine Beamten der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft waren von der Küste nach Sansibar geflüchtet, und Peters schwante, dass damit die Kolonie verhunzt sei, dass die Spesen so hoch würden, dass sich das Geschäft dort nicht mehr zahlt. Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft musste sich um Schutz gegen den Aufstand an das Reich wenden und erklärte damit praktisch ihren Bankrott als Hoheitsgesellschaft.

Reichkanzler Bismarck entschloss sich zu einer Reichsaktion, an deren Spitze er Wissmann, nunmehr als Hauptmann, berief. In Deutschland hatte Wissmann Offiziere zu rekrutieren, und als Soldaten waren afrikanische Askari für die Truppe anzuwerben, mit welcher der Aufstand niedergeschlagen werden sollte. Damit fiel Wissmann für die Emin-Pascha-Expedition aus, was Peters nicht unrecht sein konnte.