Caro ermittelt - Caroline Labusch - E-Book

Caro ermittelt E-Book

Caroline Labusch

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Beschreibung

Auf dass niemand mehr reinfalle: Cybercrime, Telefonterror, Lovescam und Werbelüge - in furchtlosen Selbstversuchen fordert Hobbyermittlerin Caro Betrüger und Betrügerinnen heraus und kommt zu erstaunlichsten Erkenntnissen

Hobbydetektivin Caro stolpert vor der Haustür über die spannendsten (wahren) Kriminalfälle. Wittert sie Betrug, nimmt sie mit ihren ganz eigenen Methoden die Ermittlungen auf: Was passiert, wenn man als skurriler Raffzahn auf eine Spam-Mail antwortet? Kann man einen Telefonbetrüger überführen, wenn man sich als schusseliges Rentnerpaar ausgibt? Welche Gefahren lauern auf Tinder und Kleinanzeigen? Hinter welcher Werbelüge verbirgt sich echte Kriminalität? Und: Wie durchschaut man die Tricksereien von Google? Beharrlich geht Caro ihren Fragestellungen nach; als Rächerin der Reingelegten untersucht sie kriminelle Phänomene des Alltags. Sie lernt, wie man Schufte und Schurkinnen identifiziert und findet Formeln zur Abwehr jeglichen Betrugs. Auf dass niemand mehr reinfalle!

»Caro geht als Ermittlerin ihren eigenen klugen, witzigen Weg.« krimi-couch.de

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Seitenzahl: 195

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CAROLINELABUSCH arbeitete nach ihrem Studium der Soziologie, Bildenden Kunst und Fotografie viele Jahre als Drehbuchautorin, Konzepterin und Evaluatorin für serielle TV-Produktionen. Dann begann sie eine Detektivausbildung, die sie aus Ungeduld abbrach. Mit ihrer Radioserie und dem Buchprojekt »Caro ermittelt« führt sie all diese Erfahrungen zusammen.

Caro ermittelt in der Presse:

»Ein Kunststück der Extraklasse.« krimi-couch.de

»Caro ermittelt ist der erste Podcast, der auf geniale Weise die beiden Genres True Crime und Comedy miteinander verbindet. (…) Wie das geschieht, sprüht nur so vor Komik und verrückten Einfällen.« Redaktion des Deutschen Radiopreises

»Das Hörspiel, das für mich zum Witzigsten gehört, das ich jemals gehört hab.« OhrCast

www.penguin-verlag.de

CAROLINE LABUSCH

ERMITTELT

… gegen Spam-Mailer und Love-Scammer, Schockanrufe und Scheinversprechen

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.Titel »Caro ermittelt« mit freundlicher Genehmigung des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Lizenz durch rbb media.

Copyright © 2024 by Penguin Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Matthias Bischoff

Bildbearbeitung: Lorenz & Zeller, Inning a. Ammersee

Umschlaggestaltung: Hafen Werbeagentur gsk GmbH, nach einem Entwurf von Scarlett Nimz/rbb; Lizenz durch rbb media

Umschlagabbildung: © Caroline Labusch

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-30654-0V001

www.penguin-verlag.de

Inhalt

Vorwort

VERFÜHRERISCHE E-MAIL-DEALS (SPAM)

Duell mit AngePaul98 – Teil 1

Großkonzerne als Erfüllungsgehilfen

Duell mit AngePaul98 – Teil 2

VORGETÄUSCHTELIEBE (HEIRATSSCHWINDLER)

Love-Scammer John im Jeep – sofort ausgebremst

Love-Scammer Schmidt geködert

GEFÄHRLICHEKLEINANZEIGEN-DEALS

Überfall beim Entrümpeln!

FINANZGESCHÄFTEMITPLEITEGARANTIE

Böser Wolf am Telefon

SCHOCKANRUF & SCHAM

Die ganz falsche Ecke

TÄUSCHUNGUNDENTTÄUSCHUNGINDERWERBUNG

Ein Pillenverkäufer spielt verrückt – Teil 1

Personen identifizieren

Ein Pillenverkäufer spielt verrückt – Teil 2

Nachwort

Werbung

Dank

Vorwort

Warum CARO ermittelt

Jeden Tag lösche ich ein Dutzend Spammails, davon ist die Hälfte krimineller Natur.

Ich schmeiße korrupte Inkassorechnungen in den Müll. (Und hole sie kleinlaut wieder raus.)

Werde ich nach meiner Telefonnummer, Adresse, meinem Geburtsdatum oder gar einer Ausweiskopie gefragt, steigt mein Blutdruck: »Wozu (miss-)brauchen Sie das?!?!«

Bin ich auf Facebook oder Google, lese Infoseiten oder Online-Presse, dann poppen Botschaften auf, mischen sich in den Feed, bimmeln mich an. Aufschneider, Lügner und Betrügerinnen wollen mir etwas andrehen, mich falsch informieren oder mindestens meine Aufmerksamkeit stehlen.

Und wenn das schrillende Telefon eine unbekannte Nummer auf dem Display zeigt, melde ich mich nur noch mit »Hallo«. Nicht mit Namen. Niemals! Der Anruf eines gänzlich Fremden entpuppt sich in meinem persönlichen Erfahrungshorizont meistens als Datenleck, das meine Nummer in die Hände von Direktvermarktern oder Bösewichten gespült hat!

Wir sind alle nonstop umzingelt von der Gefahr, mit legalen oder kriminellen Tricks betrogen und ausgeplündert zu werden. Lässt sich das abstellen? Nein.

Aber man kann es durchschauen und sich schützen. Und man kann andere warnen. Das habe ich vor. Unter anderem.

Wie CARO ermittelt

»Sei du selbst, alle anderen sind bereits vergeben.«

Oscar Wilde

Als ich klein war, hat mich gestört, dass mein Vater, wenn er abends von der Arbeit heimkam, grußlos in die Küche ging und dort in den Kochtopf schaute. Darin befanden sich Reste des Mittagessens, zurückgehalten von meiner Mutter, der Hausfrau. Vielleicht nervte mich die Rollenverteilung. Vielleicht war ich beleidigt, dass er mich so wenig beachtete. Oder war’s die Wiederholung? Dass mein Vater, den ich gern bewundern wollte, geradezu zwanghaft täglich diesen Topfdeckel hob, machte ihn klein und gewöhnlich. Ich wollte ihn aus seinem Trott reißen.

Unter Anwendung einer Technik, die ich gerade erst im Kunstunterricht meiner Dorfgrundschule gelernt hatte, machte ich mit Vaseline und Gipsbinden einen 3-D-Abdruck meiner linken Hand und malte ihn mit dem Tuschkasten hautfarben an. Die noch feuchte Kinderhand legte ich in den Topf, zwischen die Kartoffeln.

Auch an diesem Tag hob mein Vater den Deckel. Sein Schrei drang durchs ganze Haus. Dass er so emotional werden konnte, war mir neu. Die Selbstverständlichkeit seiner Routine dahin.

Streiche sind Auseinandersetzung, Spiegel, Katalysator und Spaß. Sie sind Selbstermächtigung und Genugtuung. Und sie fördern die erstaunlichsten Erkenntnisse zutage. Diesen Effekt mache ich mir heute noch beim Ermitteln zunutze. Siehe meine mit Streichen gespickte Fallsammlung (alles in echt1 passiert) ppp

1 Damit die Schilderungen nicht ausufern und spannend bleiben, verdichte ich das Geschehen, indem ich Reihenfolgen vertausche und kürze, jedoch immer in dem Bemühen, den Kern des Geschehens, des Gesagten und der Texte nicht zu verfremden.

pppAus meiner Fallsammlung

VERFÜHRERISCHE E-MAIL-DEALS (SPAM)

Duell mit AngePaul98 – Teil 1

Meine erste richtige Ermittlung begann in einer sternklaren Nacht. Das Geklapper der Restaurants war verhallt; einzelne Autos flatterten am offenen Fenster vorbei; in der Ferne besoffenes Grölen, passend zum Discolicht des Krankenwagens vor dem Wohnblock gegenüber. Die Mädchen schliefen, Kaspar war aus.

Ich hatte mich mit einem Rest Rotwein an meinen Schreibtisch gesetzt, um den Notstand in meinem E-Mail-Postfach zu beseitigen: Speicherplatz voll.

© Caroline Labusch

Das bebilderte Infoschreiben der Schule (»Wandertag«, 4,6 MB) wurde ausgemustert; sechs Immobilienangebote (»Handwerkerobjekt im Dornröschenschlaf«, 1,5 MB) schob ich ebenfalls in den Papierkorb. Im Spam-Ordner lag ein Treppenlift-Preisvergleich; Angebote für Mikropenisverlängerung und gefälschte Luxus-Handtaschen – was für ein Wesen sahen die Algorithmen eigentlich vor sich?

Die E-Mail von Ange Paul hätte auch in den Papierkorb gesollt, aber irgendwie mochte ich den Anfang:

Von: [email protected]: von Ange PaulAn: Caroline Labusch

Hallo Liebe. Am liebsten bin ich sehr bedauern, dass Sie plötzlich angesichts Lastkahn, in das wir nicht wissen einander vor.

Ein typischer Märchen-Spam im lustigsten Google-Translate-Deutsch. Die Hauptfigur war eine junge Frau von der Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire).

Mein Name ist Ange Paul, 21-jähriges Mädchen, ich bin die einzige Tochter meiner verstorbenen Eltern.

Mein Vater ist sehr wohlhabend Kaffee und Kakaobauern, auch der ehemalige Direktor der Landwirtschaftssektor.

Als einziges Mitglied der ivorischen Kleinfamilie Paul hatte Ange eine Serie von Unfällen und Mordanschlägen überlebt:

Meine Mutter starb bei einem Autounfall neben mit meinem älteren Bruder Kenneth und mein kleiner Bruder Anthony. Mein Vater wurde von seinen Geschäftspartnern zu Tode vergiftet.

Kurz vor dem letzten Atemzug konnte der Vater seine einzige Tochter über ihr Erbe informieren:

Vor dem Tod meines Vaters auf März 2014 in einem privaten Krankenhaus hier in meinem Land rief er mich heimlich auf seinem Bett und sagte mir, dass er die Summe von 5,7 Millionen Euro nach links in das Anlage Spannung Konto.

Die Übertragung des geerbten Vermögens auf Anges Bankkonto war kniffelig. Es brauchte jemanden wie mich:

Liebste! Aufgrund der politischen Instabilität in der Elfenbeinküste und die Hass meine Familienangehörigen, mein verstorbener Vater riet mir, für einen ausländischen Geschäftspartner zu suchen.

Um eine gute Bankkonto zur Verfügung stellenAls Wächter dieses FondsZur Anordnung machen für mich, um in Ihr Land zu kommen.

Sollte die Abwicklung dank meiner Hilfe gelingen, stünde eine satte Belohnung an:

Schließlich bin ich bereit, Ihnen 20 % des Gesamtbetrags als Modus der Entschädigung für Ihre Mühe.

20 % Provision, also ein Fünftel von 5700000, das wären 1140000 Euro! Für mich!

Ungeduldig wartet Zustimmung Antwort zu hören.

Dein Ange Paul.

Es passieren ja viele Dinge im Alltag, die man mit einer gewissen Selbstverständlichkeit nicht versteht, aber irgendwie bedient oder beiseiteschiebt (löscht). Manchmal regt sich in mir ein starkes Bedürfnis, diese Dinge zu ergründen. Und zwar höchstpersönlich. Weil es nur wenige Zeuginnen gibt, die ich so glaubhaft finde wie mich selbst.

Statt die E-Mail zu löschen, schob ich sie in mein Pseudonym-Postfach: <Hannah Reuss>. Dass diese Spammer mir kein Geld geben wollten, sondern mich abziehen, war schon klar, aber wie geht der Trick? Wie kommen die an mein Geld?

Um das verbindlich herauszufinden, musste ich mich mit vorgetäuschtem Interesse an sie herantasten. Es würde denen wahrscheinlich nicht auffallen, wenn Hannah zurückschrieb, obwohl ich, Caro, den Spam bekommen hatte. Das waren doch Massenspams, oder nicht?

Von: <Hannah Reuss>Betreff: AW: von Ange PaulAn: [email protected]

Guten Tag Frau Paul,

Es tut mir sehr leid, was Ihnen geschehen ist.

Kaum zu glauben, wie die Menschen im fernen Afrika miteinander umgehen!

Wo leben Sie denn jetzt? Haben Sie Arbeit und Unterkunft? Ich muss leider auch eine Gewissensfrage stellen: Trieb Ihr Vater an der Elfenbeinküste seinen Handel nur mit Kakao und Kaffee? Oder auch mit Elfenbein? Das lehne ich nämlich als Tierschützerin ab.

Es gibt für mich ein weiteres Problem: Ich fürchte mich vor Ihren Verwandten. Wenn diese in der Lage sind, für Geld zu töten, dann sind sie auch hinter mir her. Aufgrund dieser Umstände würde ich die 1140000 Euro Provision als gerechtfertigt ansehen.

Herzliche Grüße von Hannah Reuss aus Berlin.

Als ich am nächsten Morgen im Schlafanzug an meinen Arbeitsplatz zurückkehrte, fühlte ich mich beim Öffnen meines Postfachs, als würde ich die Felder eines Rubbelloses freikratzen. Es erschien tatsächlich eine Antwort von Ange Paul. Gewonnen!

Von: [email protected]: <Hannah Reuss>

Funfact: Die Antwort kam nicht von [email protected], sondern von [email protected]. Der Text:

Liebste! Vielen Dank für Ihre Antwort. Ich werde Ihnen etwas über meine Situation zum Detail mag, so dass Sie mich sehr gut verstehen.

Ich bin an der Universität von Cocody, studiert Medizin, weil ich ein Arzt in Zukunft sein wollen. Seit dem Tod meines Vaters dreht mein Onkel seinen schlechten Charakter über mich. Er will mich tot, aber ich fliehen aus der Falle.

Ich ging dann an die Banque Atlantique. Ich fragte den Bankdirektor Dr. Ghislain Saba, wann ich Zugang von der Kaution haben, aber er sagte mir, dass eine Vereinbarung Bindung mit meinem verstorbenen Vater gemacht wurde, dass der Fonds im Ausland nur für Investitionen Nutzung übergeben werden müssen.

In Bezug auf das Geld war mein verstorbener Vater eine Kakao-Händler. Das Geld ist nicht auf irgendwelche terroristischen oder Geldwäscheaktivitäten. Das Geld von meinem verstorbenen Vater rechtmäßig erworben.

Die unten aufgeführten mir bitte schnell senden:

Ihr vollständiger Name und AdresseDirekte Telefonnummer und Ihr FotoAlter, Familienstand und BerufSagen Sie mir etwas über Ihre Vergangenheit Arbeits- oder Geschäftserfahrungen.

Ich erwarte, dass die Angaben von Ihnen dringend. Danke und Gott schütze dich! Ange Paul.

Es war also Eile geboten, weil ihr Onkel sie »tot will«. Die Zeit, mich sofort darum zu kümmern, war da (die Selbständigkeit ist ein Jammertal). Ein Bild von Hannah musste her.

Bei der nächstbesten Gratis-Bilddatenbank stöberte ich mit der Suchwort-Kombination Frau + fröhlich + Blumen nach einem heiteren Bild:

© Shutterstock/val lawless; freepik.com, 2022

So könnte Hannah aussehen. Auf mich wirkte diese Frau verschlagen, einsam; sowohl raffiniert als auch dumm; weltfremd und unbeliebt (bei fast 200 Downloads hatte dieses Bild 0 Likes!)2.

Was Hannah noch mitbringen sollte, um auf Ange Paul reinzufallen: ein bisschen Rassismus, Verbitterung und die Bereitschaft zu unlauteren Aktivitäten:

Von: <Hannah Reuss>An: <Ange Paul>

Liebe Angelina,

bitte versuchen Sie, meine Emails etwas genauer zu lesen! Ich finde, für eine Afrikanerin ist Ihr Deutsch schon nicht schlecht, aber man merkt eben, dass das etwas an der Oberfläche bleibt. Einige meiner Fragen blieben jedenfalls unbeantwortet!

Ich heiße Hannah Magdalena Reuss und bin geboren am 1.4.1963 in Leinefelde, Thüringen (DDR). Dort habe ich die Ausbildung zum Grundschul-Lehrer gemacht und einige Jahre als Lehrer gearbeitet

(Eine konservative Frau aus der Ex-DDR-verwendet stets die männliche Form.)

Meinen Mann, der damals einen privaten Kohlen-Handel betrieb, lernte ich ebenfalls in Leinefelde kennen.

(Achtung Mitläufertum! Unter den selbständigen Kohlenhändler*innen in der DDR soll es besonders staatstreue gegeben haben.)

Im wiedervereinigten Deutschland konnte ich nicht mehr als Lehrer arbeiten und entschied mich zu einer Ausbildung als Modistin.

(Hier versteckte ich einen Hinweis: Erhielt Hannah etwa wegen Mitarbeit in der Stasi als BRD-Lehrerin Berufsverbot? Die Modistin hingegen erfand ich nur, um den Hut zu erklären.)

1991 zogen wir nach Berlin, wo es meinem Mann mit einer Beteiligung an einer Müllverbrennungsanlage gelang, uns eine solide Existenz zu sichern. Wir kauften uns eine schöne Wohnung in Berlin-Reinickendorf, in der ich immer noch wohne. Weil meine Ehe kinderlos blieb, trennte sich mein Mann von mir.

(Hannah ist jemand, der auf Arschlöcher reinfällt.)

Das war keine leichte Zeit. Ich eröffnete eine Hut-Boutique in Berlin-Spandau, die nach wenigen Monaten abbrannte. Ich entschied mich, von dem Versicherungsgeld einen Bus zu kaufen.

(Na, wer hat wohl die Boutique in Flammen gesteckt?)

Ich machte den Führerschein Klasse D und arbeite seit 2004 als freie Busfahrerin für verschiedene Transportunternehmen. Mittelfristig plane ich, mein eigenes internationales Busunternehmen aufzubauen. Es fehlt nur noch am nötigen Kleingeld.

Wenn Sie nach Deutschland kommen, wo Ihr Medizinstudium keinesfalls anerkannt wird, dann könnten Sie auch das Fach wechseln und in meinem Unternehmen mitarbeiten. Voraussetzung ist jedoch ein Deutschkurs.

Ich hoffe, Sie haben einen Eindruck gewonnen. Darf ich denn nun auch um ein Foto bitten? Haben Sie einen digitalen Fotoapparat? Oder können Sie einen leihen?

(Hannah hält ganz Afrika für rückständig. Übrigens – das ist ihr wichtig: Sie hasst die Kirche.)

P.S.: Ich würde mich freuen, wenn Sie solche Sätze wie »Gott schütze dich« weglassen könnten.

P.P.S.: Bitte kontaktieren Sie mich lieber per Email als per Telefon. Ich telefoniere sehr ungerne, da ich auf beiden Ohren einen Tinnitus habe.

Per Klick verschickt, ein bisschen nach leider zu teuren Ferienwohnungen in Südfrankreich gestöbert – schon bimmelte mein Postfach.

Von: <Ange Paul>An: <Hannah Reuss>

Mutter Hannah Magdalena Reuss,

Vielen Dank für Ihre Mail, die mir viel Eindruck erweckte, nachdem Ihre Biographie aufmerksam durchgelesen, ich schätze Ihre Bereitschaft, mich in dieser Situation zu helfen.

Eine attraktive Frau mit dunklem Teint3, die einen Rock aus afrikanisch anmutendem buntem Stoff trug. Das getigerte Sofa sorgte auch für Afrika-Stimmung, obwohl es in Afrika keine Tiger gibt. Ja, sie konnte Ivorin sein. Unpassend fand ich ihren fordernden, geradezu aufreizenden Blick.

Copyright unbekannt

Ich hoffe, Sie wissen, dass viele afrikanische Führer haben wegen Missbrauch von Befugnissen durch den Internationalen Strafgerichtshof für Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingesperrt worden.

Kenntnisse in der Geschäftswelt fehlen, die ich verlassen sich auf Ihr Wissen, Weisheit, Vertrauen, Ehrlichkeit, Richtlinien und Ehrlichkeit […]

Das Geld ohne mich abzuheben, ging nicht. Wegen der Altersgrenze (29):

Und wieder hatte die Bank eine Vereinbarung mit meinem verstorbenen Vater, die angibt, wenn der Einzahler nicht mehr lebt, dem nächsten Angehörigen der Kaution muss über 29 Jahre alt sein.

Name der Bank: Banque Atlantique

Name der Ansprechpartner: Herr Clément, Agre

Position: Verwaltungsdirektor

Bank Fax: +225 […] 83

Bank Telefon: +225 […] 56

Eine Phantasienummer? Herausfinden ließ sich das nur durch einen Anruf, den ich sicher nicht mit meinem privaten Telefon machen wollte, sondern in einem Späti um die Ecke, der damals noch »Tele-Internetcafé« hieß. Dort bekam man nicht nur Bier und Süßigkeiten, sondern konnte auch in durchnummerierten Kabinen anonyme Ferngespräche führen.4

»Entschuldigung. Was kostet ein Telefonat nach Elfenbeinküste?«

»29 Cent pro Minute. Kabine drei.«

Ganz schön teuer. Und in Kabine drei roch es trotz Rauchverbot nach Zigaretten.

Ich wählte die ewig lange Nummer des vermeintlichen Sachbearbeiters Agre Clément von der Banque Atlantique in Abidjan, hörte Rauschen, Knacken, eine Warteschleifenmusik, dann wieder Knacken, endlich ein Klingeln, dann hob tatsächlich jemand ab.

Fake-Sachbearbeiter Agre Clément (in einer mir unbekannten Sprache): Da… – das … – de…!

Ich: Hallo. It is Hannah Reuss. Am I talking to Mister Clementi?

[Hallo. Da ist Hannah Reuss. Spreche ich mit Herrn Clementi?]

Dass ich Monsieur Cléments französischen Namen verfremdete, war Absicht.

Clément: Yeah …, Mister Clementi. How are you?

[Ja …, Herr Clementi. Wie geht’s?]

Ich: How are you? How is the weather in Africa?

[Wie geht’s? Wie ist das Wetter in Afrika?]

Clément: …??? Okay. You are calling me from …. Germany? Right?

[Okay…, Sie rufen an, aus … Deutschland. Richtig?]

Ich: Yes, calling from Germany.

[Ja. Aus Deutschland.]

»Agre Clément« schien zu überlegen, um welchen Spam-Betrug es ging. Ich half ihm auf die Sprünge:

Ich: I call, for the money of Angelina Pauli.

[Ich rufe an, für das Geld von Angelina Pauli.]

Clément: Yes! Angelina!

[Ja! Angelina!]

Möglicherweise saß Herr Clément an einem Ort, der so ähnlich ausschaute wie das Tele-Internetcafé, in dem ich mich befand, nur eben auf der Südhalbkugel.

Clément: Angelina, that is what I am saying. You have to send your bank account, your ID identification and your telephone number.

[Ja, Angelina, das ist, was ich sage. Sie müssen Ihre Bankverbindung senden, IhreAusweis-Identifikation und Ihre Telefonnummer.]

© Caroline Labusch

Ich: Okay, so I send you everything and then you give me the money?

[Okay, also ich sende Ihnen alles, und dann geben Sie mir das Geld?]

Clément: … huh….?!

[Hä?]

© Caroline Labusch

Ich: I thought maybe, after I gave you my identification, I could come to Africa and I can take the money in cash.

[Ich dachte, vielleicht, nachdem ich Ihnen meine Ausweisdaten gegeben habe, könnte ich nach Afrika kommen und das Geld in bar abholen.]

Clément:(panisch) No! No – no – no – no!

Schade. Er erläuterte etwas, das ich akustisch nicht verstand:

Clément: »…, …, … – …? – …!«

Ich: Okay.

Clément: Angelina have family – you understand me now?

[Angelina hat Familie, verstehen Sie mich jetzt?]

Ich: What? My family? I don’t have family. I’m alone.

[Was? Meine Familie? Ich habe keine Familie. Ich bin allein.]

Keine Familie. Keine Freunde. Das wollte ich bei jeder Gelegenheit anbringen. Ich war das ideale Opfer.

Ich: But: Angelinas Relatives …

[Aber: Angelinas Verwandte …]

Um glaubwürdig zu bleiben, musste ich Bedenken vortragen. Anges Verwandtschaft hatte eine hohe Gewaltbereitschaft an den Tag gelegt. Warum sollten die tatenlos zusehen, wie ich Ange und ihr Vermögen nach Deutschland hole?

Ich: They maybe have a pistol or a weapon and they can say: »You give me the name of the woman in Germany or we kill you!« And than you give the name.

[Die haben vielleicht eine Pistole oder eine Waffe und können sagen: »Gib mir den Namen von der Frau in Deutschland oder wir bringen dich um!« Und dann geben Sie ihnen den Namen.]

Clément: No, no, no. Nobody is going to do that.

[Nein, nein, nein. Niemand wird das tun.]

Alles klar, alle Bedenken vom Tisch. Kurzer Smalltalk, bei dem weder ich ihn noch er mich verstand.

Clément: I am expecting to have your e-mail and the documents.

[Ich erwarte Ihre E-Mail und die Dokumente.]

Ich: Okay. Thank you, Mister Clementi. Good bye.

[Okay. Danke, Herr Clementi. Auf Wiederhören.]

Gut gelaunt knallte ich den Hörer auf und rannte nach Hause, um im Bildbearbeitungsprogramm einen Ausweis für Hannah zu basteln.

© Caroline Labusch; Shutterstock/val lawless

Ich entwarf einen Personalausweis mit einer zusätzlichen Merkmalkategorie: »Persönlichkeit«. Sollte der Ausweis irgendwann durch Zufall in die Hände von Ermittlungsbehörden gelangen, war er dadurch als Spaß-Fälschung markiert. Die Ivorer hingegen würden nur herauslesen, dass Hannah Reuss genau die richtige Partnerin für sie ist.

© Caroline Labusch; Shutterstock/val lawless

Genauso optimistisch wie bei mir muss die Stimmung auf der anderen Seite gewesen sein. Ich war noch beim letzten Schliff, da bimmelte es schon.

Von: [email protected]: TransportbedarfeAn: <Hannah Reuss>

Gnädige Frau,

Die Zahlung von Geldern über Festgeld der Bank übertragen, dessen Agenten oder Korrespondenten unterliegt den Regeln, Vorschriften und Gepflogenheiten des Landes, in dem die Zahlung erfolgen soll […]

und so weiter (unverständliche Behördensprache):

Transfer […] Zulassungsbescheinigung […] Eigentümerwechsel Papiere […] Fonds Transfer Regulatory Commission […]

Dann die erste Andeutung einer kleinen Hürde:

Richtet sich nach den vorherrschenden Richtlinien, die Transferunterlagen zu erhalten, wird es eine Summe von Euro 3150.

Der Empfänger sollte freundlich strikt an unsere Anweisung halten, so dass diese Übertragung kann ohne Haken abgeschlossen sein.

Es gelte das Verschwiegenheitsgebot:

Jede Verbreitung dieser Kommunikation durch das unbeabsichtigte Empfänger ist streng verboten.

Mit freundlichen Grüßen im Dienst: Herr Agre Clément.

Verwaltungsdirektor Banque Atlantique Kundendienst

24-Stunden-Service-Hotline: +2257 […] 156 […]

Kurz darauf folgte eine E-Mail von Ange. Obwohl ich explizit darum gebeten hatte, Gott aus dem Spiel zu lassen, machte sie weiterhin geltend, dass der das alles eingefädelt habe:

Von: <Ange Paul>An: <Hannah Reuss>

Liebe Mutter,

Vielen Dank für Ihre Email und ich schätze Ihre Bereitschaft, mir zu helfen, und ich werde Ihnen beweisen, dass mein Verständnis Sie von der Wahl auf mein Vertrauen auf Gott beruht. Ich würde mir wünschen, sollten wir wie eine Familie sein.

Ich habe mit der Bank diskutiert und sie sagt, dass Sie das Geld für die Dokumente an mich senden sollte.

Und da war er, der plumpeste aller Tricks.

Mutter, bitte Euro 3,150 das Geld mit Moneygram Übertragung zu senden.

Stellen Sie sicher, dass Sie Ihr Bestes in Sie gesetzt und Disziplin selbst gut zu beenden und stark und unabhängig davon, wie Sie die Aufgabe starten gut, müssen Sie ein starkes Engagement für Exzellenz Finishing haben.

Vielen Dank für Ihr Engagement und Gott Sie reichlich segnen.

Mit freundlichen Grüßen!

Tochter Ange.

Meine erste Frage war beantwortet: Das Opfer lechzt nach 1140000 Euro Provision, übersieht aus Geldgier alle Laufmaschen in der schlecht gestrickten Legende und legt die verhältnismäßig kleine Bearbeitungsgebühr auf den Tisch.

Beendet war der Fall damit nicht. Die hingen an meinem Köder und ich an ihrem. Nicht dass ich bereit gewesen wäre, das Geld hinzublättern, aber ich hatte kinderleicht so viel herausgefunden. Jetzt wollte ich weiter ermitteln: Wo steckten die Drahtzieher? Wie waren die drauf? Welche wahren Identitäten verbargen sich hinter Ange Paul und Agre Clément? Think big: Im Idealfall würde es mir nicht nur gelingen, Antworten zu erhalten, sondern auch die Bande zu stoppen, indem ich sie überführte und stellte.

2 freepik.com, 2022

3 Das Bild der Frau habe ich mit einem Viereck anonymisiert. Wer weiß, woher sie das haben!

4 Diese Telefonier- und Internet-Kioske sind verschwunden. Wahrscheinlich gibt’s keine Menschen mehr ohne Mobiltelefon.

Zwischendrin: Tipps und Tricks

VERFÜHRERISCHE E-MAIL-DEALS (SPAM)

Spam – Kontamination und Mülltrennung

Freemail-Adressen mit Sonderzeichen und langen Zahlen

Bei Absendern wie [email protected], [email protected], Sparkassen_info%@yahoo.de … ist Vorsicht angezeigt.

Geschenke von Fremden sind vergiftet

Fette Provisionen für wenig Arbeit oder Geschenke fürs Nichtstun von unbekannten Fremden sind fast immer giftig. Nicht ohne Handschuhe anfassen! Sondermüll.

Gebühren-Vorkasse ist unlogisch

Gebühren können nicht von der Auszahlungssumme abgezogen werden, sondern fallen im Voraus an? Das ist so, als müsste ich 5 Euro in den Bankomat einwerfen, um 100 Euro rauszulassen. Was mit solchem Unsinn bedruckt ist, gehört in den Papierkorb.

Tatortbestimmung: Jeder Depp und jede Depperte, also auch ich, kann kinderleicht herausfinden, wo eine E-Mail abgeschickt wurde. Man macht einfach den vollständigen »Header« der E-Mail durch Anwählen der Option E-Mail > Darstellung > alle Headeranzeigen sichtbar5, schneidet dieses Kauderwelsch aus etwa 500 Zeichen und Zahlen aus und fügt es bei einem der vielen kostenlosen IP-Tracer ein. Der IP-Tracer entschlüsselt das und spuckt aus, wo der Absender sitzt.

Bei den Mails von [email protected] und [email protected] kam heraus, dass die Absender ein VPN benutzten, ein virtuelles privates Netzwerk, mit dem der Standort verschleiert wird. Bei den E-Mails von Clément allerdings hatte die Bande geschludert. Die konnten ausgelesen werden.6

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Der Absender saß tatsächlich in Elfenbeinküste.

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