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"Die grausamsten Entscheidungen treffen wir für die Menschen, die wir lieben." 1918 - Das Jahr in dem der große Krieg zwischen Maschinisten und Teslanern ausbrach. Die Magierzunft könnte dem Blutvergießen ein Ende setzen, doch ihre Gesetze verbieten ein solches Eingreifen. Trotzig widersetzt sich das technomagisch begabte Halbblut Darja diesem höchsten Gebot und soll zur Strafe durch den Todesfluch hingerichtet werden. Nur mit einer Finte gelingt die Flucht. Jedoch ist ihr nun der Tod höchstselbst auf der Spur – und ihm kann niemand entkommen.
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Seitenzahl: 95
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Asche zu Asche
Eine düstere Steampunk-Romanze
Stefanie Mühlsteph
Copyright © 2018 Art Skript Phantastik Verlag
Copyright © 2018 Stefanie Mühlsteph
Art Skript Phantastik Verlag | Salach
Lektorat » Rohlmann & Engels
www.lektorat-rohlmann-engels.com
Korrektorat » Melanie Schneider
Gestaltung » Art Skript Phantastik Verlag
Cover-Dame » Kaazuclip - creativemarket.com
Cover-Schädel » Mathew MacQuarrie - Unsplash
Der Verlag im Internet
www.artskriptphantastik.de
Alle Privatpersonen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Es werden Ihnen jedoch diverse historische Persönlichkeiten begegnen.
Stefanie Mühlsteph ist Äppelwoitrinkerin und bekennende Schokoholicerin. Sie betet jeden morgen zur heiligen Dolce Gusto und lebt mit Mann, Tochter und unzähligen Büchern in einer kleinen Wohnung im Süden Hessens.
Sie arbeitete schon als Getränkeschubse, Hochspannungswiderstand, Kolumnistin, Organisationstalent und Mädchen für alles. Neben der Schriftstellerei ist sie mit Herz und Hirn Technikerin - was man vielen ihrer Geschichten ansieht.
Noch bevor viele Generationen vergehen, werden unsere Maschinen von einer Kraft angetrieben werden, die an jedem Punkt des Universums verfügbar sein wird[…]. Überall im Raum befindet sich Energie. […] Somit ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann die Menschheit ihre Maschinerien direkt an das Getriebe der Natur anschließen wird.
Nikola Tesla
Das Klacken von Stiefelabsätzen hallte im Raum nach.
»Macht sie los.«
Magie vibrierte in ihrem Inneren wie ein riesiger Bienenstock. Darja erinnerte es an eine der riesigen Dampfmaschinen, wie sie in dem Kraftwerk vor Slobozia standen. Ihr Vater hatte sie einmal dorthin mitgenommen, um ihr zu zeigen, wo er arbeitete. Damals hatte er noch geglaubt, dass sie in seine Fußstapfen treten würde. Aber diese Zeiten waren nur noch Erinnerungen.
Nun war sie weit weg von ihrer Heimat, hier in Odessa.
Einer der beiden Henker nahm ihr endlich die Ketten ab. Krachend landeten sie auf dem sterilen, weiß gekachelten Boden. Es war eine Schande, dass nicht wenigstens eine durch den Aufprall der Ketten zersprang. Sie sollten sich ihrer schließlich erinnern.
Darja rieb sich mit zitternden Fingern über die Handgelenke, den Blick starr auf die Augen ihres Gegenübers gerichtet. Das kleine Gerät, das ihre Schwester ihr zugesteckt hatte, klemmte in ihrer Faust. »Es ist ein Fehler«, sagte Darja.
Keine einzige Regung konnte sie ihrem Gegenüber ablesen. Die Gesichter der Henker waren mit dunklen Tüchern verborgen. Es war wie im Mittelalter, als ihresgleichen noch auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war.
»Das sollen deine letzten Worte sein, bist du dir sicher?«, fragte der Bulligere der beiden.
Darja kannte die Stimme des Henkers. Alexej. Ein spöttisches Lächeln huschte über ihre Lippen. Der Schläger ihrer damaligen Schulklasse war also im Vollstreckungskommando gelandet. Wer hätte gedacht, dass sie sich hier wiedersehen würden?
»Du kennst mich«, sagte sie.
Er nickte beiläufig. »Du hast dich nicht geändert. Selbst jetzt kannst du nicht zugeben, im Unrecht zu sein.«
»Ich habe keinen Fehler gemacht.« Darja wurde laut. »Ihr seid diejenigen, die ihre Augen verschließen.« Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. »Ihr lasst sie da draußen sterben, jämmerlich verrecken!«
»Still!« Der zweite Henker – eine Frau – schob sich zwischen sie. »Wir sind nicht hier, um zu diskutieren.« Zwischen ihren feingliedrigen Fingern glitzerte eine dicke Stopfnadel. Sie stach sich ohne zu zögern in den Daumen, kniete nieder und malte mit ihrem Blut säuberlich drei Runen auf das Weiß.
Jede Linie war perfekt und im richtigen Verhältnis zueinander gezogen worden.
Kalter Schweiß sammelte sich zwischen Darjas Schulterblättern. Ihre Zunge klebte am Gaumen. Etwas in ihr hatte gehofft, dass alles ein Bluff war. Dass sie das Urteil nicht vollstrecken würden. Nicht jetzt. Nicht auf diese Weise.
»Geister der Lüfte, des Himmels und der Erde!«, rief der unbekannte Henker. Ihre Stimme echote in Darjas Kopf. »Macht, dass die Gestalt des Wächters sichtbar werde. Ich rufe es hinaus, diese Seele ist bereit, schickt den Tod, dem wir alle geweiht. Schon vor ihrer Zeit.«
Schwarzer Nebel barst aus den drei Symbolen gen Decke. Darja verschränkte die Arme vor der Brust. Die Temperatur fiel schlagartig. Ihr Atem ging stoßweise und zeichnete sich als Wolken in der klirrend kalten Luft ab. Jede Faser ihres Körpers zitterte durch das Aufbegehren des Aethers gegen den Strudel aus dunkler, uralter Magie.
Darjas Instinkt schrie, dass sie abhauen solle, doch sie konnte nichts als erstarrt dastehen und zusehen.
Der Nebel zog sich plötzlich zurück, verdichtete sich zu einer Gestalt und glitt sachte, wie die Blätter eines Baums, von seinen breiten Schultern hinab. Das pechschwarze Laub verflüchtigte sich, bevor es den Boden berührte.
»Ihr habt mich gerufen.« Der Bariton des düsteren Wesens erfüllte den Raum. »Wie kann ich euch dienen?«
Darja vergaß zu atmen. Der Nebel hatte sich in einen hochgewachsenen Mann mit kantigem Kiefer verwandelt. Unter seinem schwarzen Zylinder war das blonde Haar zu einem ordentlichen Pferdeschwanz gebunden.
»Das Triumvirat hat über diese Hexe gerichtet.« Die Henkerin deutete auf Darja. »Über sie wurde die Todesstrafe verhängt.«
Die Worte fluteten wie Eiswasser Darjas Gedanken. Ihre Finger drückten das kleine Gerät in ihrer Faust tiefer in die Handfläche.
Der Mann wand sich Darja zu. Das war also der Tod. Höchstpersönlich.
Seine wasserblauen Augen waren dunkel wie die Tiefsee und so sehr sich Darja auch bemühte, sie konnte sich darin nicht spiegeln. Es schien, als verschluckten sie das Licht. Der Tod machte einen Schritt auf Darja zu und streckte den Arm aus.
»Wollen Sie nicht den Grund wissen, Sir?« Alexejs Stimme kippte. Wollte er sie retten? Oder bekam Alexej jetzt plötzlich selbst Angst? Schließlich wartete dieser Herr auf alle von uns.
Der Tod blieb stehen und sah ihn an.
»Der Grund ist mir gleich«, sagte er ruhig. »Wenn ich gerufen werde, vollstrecke ich. Ich richte nicht über die Lebenden.« Er sah von oben auf Darja herab. »Vor fast genau fünfzig Jahren habe ich die letzte verurteilte Seele mit mir genommen.« Der Tod studierte Darjas Gesicht. Etwas blitzte in seiner Miene auf. Verdruss? Darja konnte es nicht zuordnen.
Er machte einen Schritt auf sie zu. Alles in Darja wollte fliehen. Sie biss die Zähne aufeinander und weigerte sich, dem Drang nachzugeben. Beiden standen einander gegenüber, von Angesicht zu Angesicht.
Ein Gedanke an die Veranlasser des Urteils zuckte durch Darjas Kopf und schnürte ihr die Kehle zu. Niemand würde sich je wieder gegen das Triumvirat erheben, wenn sie nun hingerichtet wurde.
»Willst du nicht fliehen, Menschentochter?«, fragte er.
»Warum sollte ich? Habe ich eine Chance, zu entkommen?«
Ein Lächeln huschte über die dünnen Lippen des Todes. »Und um dein Leben bitten?«
Bitten. Darja blinzelte ihn an. »Ich glaube nicht, dass das einen Sinn hätte.« Das Urteil war verhängt worden. Es gab kein Zurück mehr.
»Du willst also sterben?«
Nun war es Darja, die lächelte. »Ich muss.«
Mit einem Mal packten seine Hände ihre Arme wie Schraubzwingen. »Ich werde es schnell machen. Du wirst es kaum bemerken.«
Darja fühlte sich, als würde alles Glück aus ihr gesaugt werden. Wie Luftblasen unter Wasser ploppten Erinnerungen in ihrem Kopf hoch und ein buntes Chaos an Gefühlen ließ ihre Knie weich werden. Sie sah vor ihrem inneren Auge ihre kleine Schwester fröhlich winken. Ihre Mutter stand am Herd und kochte. Ihr Bruder baute mit ihr zusammen einen Schneemann. Und Papa saß in seinem alten Lieblingssessel und blickte aus dem Fenster, an dem von außen Regentropfen abperlten.
»Papa«, flüsterte Darja erstickt.
Fühlte es sich so an, zu sterben?
Das Gesicht des Todes war ihr so nahe, dass sie die feinen Fältchen um seine Augen bemerkte und die winzigen Stoppeln an seinem Kinn. Er sah nicht nur so aus, sondern roch auch nicht, wie sich Darja den Tod immer vorgestellt hatte. In der Luft lag keine Verwesung und kein Schwefel. Sie wusste nicht, nach was er duftete, aber der Tod roch gut. Sie hatte es bisher nicht gewusst, aber es war ihr Lieblingsduft.
Darjas Hände suchten sich den Weg zu denen des Todes. In einer hielt sie noch immer das kleine Gerät versteckt. Die Wärme seiner Haut prickelte unter ihren starren Fingerspitzen. Ihre Augen weiteten sich. Der Tod sollte doch eiskalt sein, oder?
»Hab keine Angst«, flüsterte er. »Gleich …«
Weiter kam er nicht.
Darja lehnte sich nach vorne, reckte den Kopf in die Höhe und versiegelte die Lippen des Todes mit einem Kuss. Sie hätte nicht gedacht, dass die so weich waren.
Mit einem Geräusch wie das Flattern eines Vogels fiel sein Zylinder zu Boden. Der Strom brach schlagartig ab.
»Was zum Teufel?«, hörte Darja Alexej sagen. Das war ihr Stichwort.
Sie löste den Kuss. Ihre Hand mit dem kleinen Gerät schob sie hastig durch ihr Haar zu ihrem Nacken und schaltete die magnetostatische Barriere aus, die ihre Magie blockierte. Auf ihre Familie war Verlass. Wie ihre kleine Schwester auf dem magischen Schwarzmarkt an das Gerät gekommen war, wollte Darja lieber nicht wissen.
»Halt!«
Den Mahnruf hätte er sich sparen können. Nicht umsonst war Darja eine der besten Programmierer ihres Jahrgangs gewesen. Sie musste die Zusammensetzung der Magie ihres Gegenübers nur spüren, um sie mit einer entgegengekoppelten Stoßwelle zu löschen. Alexejs plumper Versuch, sie aufzuhalten, war lächerlich. Er arbeitete mit purer Gewalt und schon in der Schule hatte er nicht gelernt, tiefer in die Magieebenen zu greifen, um seine Sprüche wirkungsvoller zu gestalten.
Darja lenkte seinen Angriff mit einer feinen magischen Frequenz ab. Alexejs Magie krachte gegen die Wände und verglimmte wie die abgefackelte Rakete eines Feuerwerks.
Dann setzte Darja zum Gegenschlag an.
Schnelligkeit und Stärke waren nie ihr Talent gewesen, aber das machte sie durch Raffinesse wieder wett. Mit einer Partitur über verschiedene Magieebenen wob sie Angriffe, denen ihre Henker - vor allem Alexej – nur wenig entgegenzusetzen hatten. Grelle Blitze zuckten durch die Luft und die Tücher um sein Gesicht flatterten durch die Druckwellen zu Boden.
Darja streckte ihren Arm und sandte eine Welle aus, die Alexej gegen die Wand schleuderte. Bewusstlos prallte er auf die Fliesen.
Ein spitzer Schrei hallte von den Wänden wider. Die Henkerin wich mit jedem Angriff, den Darja parierte, zurück. Darja konnte sie prusten hören. Obwohl die Frau ihren Aethermagieumwandler auf Schnelligkeit eingestimmt hatte, würde sie verlieren. Sie konnte weder die Magieebenen wechseln noch die Sequenzen ändern. Es war eine starre Magie, die ausschließlich ihre Kraftreserven anzapfte und verwaltete.
Drei Schläge sandte Darja aus. Sie besann sich, zog Kraft aus dem Aether und wechselte die Magieebene.
Sechs Doppelschläge. Sie machte Finger-zeichen und änderte die Struktur ihrer Magie.
Helixmagie, eingewoben in die vierte Dimension.
Die Welle traf die Henkerin frontal und versteinerte sie in ihrer Bewegung. Ihr Atem rasselte vor Anstrengung.
»Ich habe es vielleicht verdient«, keuchte Darja und wandte sich dem Tod zu.
Er starrte sie aus aufgerissenen Augen an. Während des ganzen Kampfes hatte er wie gelähmt zugesehen. Ob ihr Kuss so mies gewesen war?
»Aber ich darf nicht sterben«, sagte sie. »Noch nicht.«
Wie mit einer übergroßen, unsichtbaren Hand bog Darja mittels einer magischen Attacke die Scharniere der Tür auseinander. Krachend fiel sie auf die Kacheln.
Knack!
Ein schmales Lächeln huschte über Darjas Lippen. Wenigstens eine Fliese hatte sie zerbrochen.
Der Flur schien unendlich lang zu sein. Wie der Kaninchenbau bei Alice im Wunderland