Change durch Co-Creation - Hans-Werner Bormann - E-Book

Change durch Co-Creation E-Book

Hans-Werner Bormann

0,0

Beschreibung

Jedes Unternehmen ist veränderbar, auf das Wie kommt es an! Die Gründe für Veränderungen sind so vielfältig wie die Herausforderungen, vor die Transformationsprojekte ein Unternehmen stellen können. So ist zwar erschreckend und doch nicht verwunderlich, dass mehr als zwei Drittel aller Change-Projekte scheitern. Als Change-Management-Experten haben Gabriela Bormann, Hans-Werner Bormann und Marcus Benfer alle Hemmnisse für nachhaltige Veränderungen kennengelernt und ein Modell entwickelt, mit dem sie sich überwinden lassen: Die Co-Creation-Methode. Co-Creation zielt dabei nicht einfach auf die Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen, sondern direkt ins Herz der organisationalen Identität. Hier werden durch gemeinsames Handeln über klassische Hierarchien hinweg neue Denk-, Verhaltens- und Entscheidungsmuster etabliert, die Veränderungen nachhaltig möglich machen. Anhand zahlreicher Praxisbeispiele leitet Sie »Change durch Co-Creation« sicher durch Ihr Transformationsvorhaben und gibt Ihnen das Rüstzeug gegen Beharrungstendenzen, sodass es letztlich für Sie heißt: Gemeinsam sind wir im Wandel erfolgreich!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 409

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hans-Werner BormannMarcus BenferGabriela Bormann

CHANGE DURCH CO-CREATION

So verdoppeln Sie den Erfolg Ihrer Transformationsprojekte

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Jedes Unternehmen ist veränderbar, auf das Wie kommt es an! Die Gründe für Veränderungen sind so vielfältig wie die Herausforderungen, vor die Transformationsprojekte ein Unternehmen stellen können. So ist zwar erschreckend und doch nicht verwunderlich, dass mehr als zwei Drittel aller Change-Projekte scheitern. Als Change-Management-Experten haben Gabriela Bormann, Hans-Werner Bormann und Marcus Benfer alle Hemmnisse für nachhaltige Veränderungen kennengelernt und ein Modell entwickelt, mit dem sie sich überwinden lassen: Die Co-Creation-Methode. Co-Creation zielt dabei nicht einfach auf die Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen, sondern direkt ins Herz der organisationalen Identität. Hier werden durch gemeinsames Handeln über klassische Hierarchien hinweg neue Denk-, Verhaltens- und Entscheidungsmuster etabliert, die Veränderungen nachhaltig möglich machen. Anhand zahlreicher Praxisbeispiele leitet Sie »Change durch Co-Creation« sicher durch Ihr Transformationsvorhaben und gibt Ihnen das Rüstzeug gegen Beharrungstendenzen, sodass es letztlich für Sie heißt: Gemeinsam sind wir im Wandel erfolgreich!

Vita

Hans-Werner Bormann, Marcus Benfer und Gabriela Bormann sind in unterschiedlichen Funktionen für die WSFB-Beratergruppe Wiesbaden tätig, die nun schon zum sechsten Mal in Folge als »Beste Berater« (organisiert von brand eins und Statista) in den Kategorien »Change-Management, Strategieentwicklung, HR, Organisation und Banken« ausgezeichnet wurde.

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1Die Kraft der schöpferischen Co-Creation

Co-Creation in der Buchentstehung

Theorie für Praktiker – Warum Sie den Anfang nicht verpassen sollten

Kapitel 2Was Veränderungen anspruchsvoll macht

Und dann ist das Projekt leider versandet – Beispiele aus der Praxis

Wie Organisationen wirklich ticken

Es geht immer um mentale Modelle – Oder: Konstruktivismus für Manager

Wir konstruieren unsere individuelle Wirklichkeit

Kollektive mentale Modelle in Organisationen

Ein Schlüssel zur Veränderung

Organisationen sind soziale Systeme, die aus Entscheidungen bestehen

Der System-Diamant – Ihr Zugang zum Herzen Ihrer Organisation

Warum sich soziale Systeme mit Veränderungen schwertun

Das Innere des System-Diamanten ist auf Selbsterhalt ausgerichtet

Organisationale Kräfte sind in der Regel stärker als personale Kräfte

Organisationen reagieren immer nur auf sich selbst

Kapitel 3Was Veränderungen gelingen lässt

Musterwechsel durch Co-Creation

Was ist Co-Creation?

Co-Creation ermöglicht Lernen 2. Ordnung

Das Handwerkszeug: Zentrale Elemente co-kreativer Veränderung

Element »Kontext gestalten«

Element »Organisation aktivieren – Co-Creation beginnen«

Element »Perspektivwechsel ermöglichen«

Element »Unterschiede einführen, die einen Unterschied machen«

Element »Möglichkeitsraum erweitern / Neues Thema einführen«

Element »Komplexität erweitern – Komplexität reduzieren«

Element »Die Organisation mit sich selbst bekannt machen«

Element »Das Thema ins Thema einführen«

Element »Musterwechsel durch Probehandeln«

Element »Lernprozesse in Rückkopplungsschleifen anregen«

Reflexion als grundlegendes Element für organisationale Transformation

Dem Musterwechsel Kraft geben

Das Innere mit dem Äußeren des System-Diamanten verbinden

In beide Richtungen denken

»Kulturprojekte« werden schnell zu Komödien

Entscheidungen ableiten und umsetzen

Entscheidungen sind Teil des co-kreativen Prozesses

Entscheidungsstrukturen unterstützen die Transformation

Strukturelle Hindernisse aus dem Weg räumen

Ein Strukturvorschlag für co-kreative Prozesse

Veränderung gestalten – Kernaufgabe von Führung

Verantwortung und Haltung der Führung

1.Für Dringlichkeit und Zielklarheit sorgen

2.Veränderungsenergie einbringen und Strukturrahmen aufrechterhalten

Macht

Mittel

Wille

Entscheidungen organisieren, Rahmen setzen, Organisation »enablen«

Von der Basisentscheidung zu Folgeentscheidungen führen

Rahmen setzen und Organisation enabeln

Die Intelligenz der Organisation nutzen

Metakompetenzen der Führung

Sich von der Tribüne aus selbst beobachten – die Macht der Metaperspektive

Kapitel 4Wie Sie Ihr Veränderungsvorhaben zielführend angehen

Grundsätzlich: (Fast) Immer den Durchblick haben

Das Fundament

Anschlussfähigkeit – damit Sie mit Ihrem Vorhaben nicht alleine dastehen

Vorläufigkeit – im Kopf flexibel bleiben!

Iteration – schrittweise auf kurvigen Pfaden

Redundanz – Wiederholen ausdrücklich erlaubt

Im Fokus: Die zentrale organisationale Herausforderung

Irgendwo geht es los: Von der Veränderungsidee zum Veränderungsvorhaben

Analyse Ihres Veränderungsvorhabens: Um was geht es konkret?

Rot-Grün-Modell: Was ist Anlass und Ziel der Veränderung?

Business Impact – Was geschieht, wenn nichts geschieht?

Wie sieht der System-Diamant IST und ZIEL aus?

Welche Entscheidungen sind bereits getroffen? Welche sind zu treffen?

Sind Ihre Key Player zur Veränderung wirklich bereit?

Retrospektive I

Untersuchen Sie Ihre Organisation: Wie tickt sie?

Wo im System steckt Veränderungsenergie?

Wer sonst ist wichtig und ist wie positioniert?

Wie groß ist Ihr Manövrierraum?

Komfort, Stretch und Panik – das Zonenmodell

Wie wird in Ihrer Organisation entschieden? Und von wem?

Abwehrroutinen – Wie Ihre Organisation normalerweise Veränderung verhindert

Wie steht es um den Change-Reifegrad Ihrer Organisation?

Co-Creation: Wie bereit ist Ihre Organisation?

Retrospektive II

Und jetzt die Diagnose: Was ist die zentrale organisationale Herausforderung im Rahmen der Veränderung?

Was sind die Key Enabler für Ihr Veränderungsvorhaben?

Organisationale Herausforderung 1: Die Wirkkraft der organisationalen Identität erkennen

Organisationale Herausforderung 2: Die Auseinandersetzung mit den Menschen wagen

Organisationale Herausforderung 3: Organisationales Denken fördern, personale Zuschreibungen auflösen

Organisationale Herausforderung 4: Neue Regeln im Verhalten verankern

Organisationale Herausforderung 5: Mit Dilemmata konstruktiv umgehen

Lösungsansatz A: Zwei in eins

Lösungsansatz B: Vernetzte und agile Organisation

Die typischen zentralen organisationalen Herausforderungen auf einen Blick

Exkurs »Umgang mit Dilemmata«

Setzen Sie Ihre Change-Erfolgsformel auf

Retrospektive III

Kapitel 5Kreieren Sie Ihre Veränderungsarchitektur

Die zur Umsetzung erforderlichen Schritte

Der Kreativprozess: So kommen Sie von Ihren Zielen zu konkreten Umsetzungsideen

Maßnahmen

Projekte

Labs

Vernetzungsgruppen

Führung statt Multiplikatoren

Welche weiteren Entscheidungen sind zu organisieren?

Ergänzende Komponenten

Projektmanagement

Wie sieht nun Ihr Plan aus?

Iterative Schleifen: So passen Sie Ihren Plan schrittweise den Rahmenbedingungen an

Retrospektive IV

Kapitel 6Setzen Sie Ihr Veränderungsvorhaben wirksam um

Der notwendige Rahmen jeder Umsetzung: Umsetzungsbegleitende Kommunikation

Prozessbegleitende Kommunikation

Die Initialkommunikation: Sinnvermittlung

Das Veränderungsvorhaben durch Kommunikation am Laufen halten

Brandbriefe – oder wie kommunizieren Sie in Krisensituationen?

Das Veränderungsvorhaben kommunikativ abschließen

Kommunikation im co-kreativen Prozess

Ist die Umsetzung auf Zielkurs? Das Wirkungsmonitoring

Interpretieren Sie die Ergebnisse kritisch

Institutionalisieren Sie Reflexionsprozesse

Der iterative Prozess: Werden Sie immer wirksamer – auch wenn es zunächst Kraft kostet!

Im Zentrum jeder Umsetzung: Das co-kreative Arbeiten am Musterwechsel auf allen Ebenen der Organisation

Die sieben wichtigsten Interventionen zur Organisation von Musterwechseln in Veränderungsprozessen

Kontext gestalten (1)

Organisation aktivieren und Joint action: Fragen stellen, Perspektive wechseln, Möglichkeitsraum erweitern (2)

Für Vergemeinschaftung sorgen (3)

Die Organisation mit sich selbst bekannt machen (4)

Das Thema ins Thema einführen (5)

Reflexion gestalten, in Konsequenzen denken (6)

Entscheidungen organisieren (7)

Ein zentraler Erfolgsfaktor beim Einsatz der Interventionen

Anhang

Danksagung

Quellen und weiterführende Literatur

Anmerkungen

Vorwort

Die Welt um uns herum, der Kontext, in dem wir leben, verändert sich derzeit tief greifend und sprunghaft. Und die Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, werden immer komplexer. Das stellt hohe Ansprüche auch an Unternehmen und Organisationen. Sie sollen innovativer, schlanker, schneller werden und dabei zugleich die aktuelle Digitalisierungswelle bewältigen. Organisationen sind also mit einem zunehmenden Veränderungsdruck konfrontiert.

Damit Unternehmen und Organisationen diese Veränderungen meistern können, ist Agilität gefordert, das heißt die Fähigkeit, erstens Veränderungsnotwendigkeiten früh und schnell zu erkennen, zweitens wirksame und nützliche Veränderungsarchitekturen zu entwickeln und drittens Veränderungen konsequent und erfolgreich umzusetzen. Dabei muss jede Organisation in ihrer Komplexität und ihrem spezifischen Kontext den eigenen Weg finden. In den meisten Fällen reicht es nicht aus, schlicht Geschäftsmodelle und Prozesse zu verändern. Es muss sich vor allem im Denken und Handeln der beteiligten Menschen etwas verändern. Das ist die große, ungleich anspruchsvollere Aufgabe, vor der Sie als Unternehmer, Führungskraft, Manager heute stehen. Und dabei helfen noch so intensives Benchmarking, vorgefertigte Rezepte oder der verstaubte Change-Management-Baukasten nicht weiter. Denn die sind letztlich nichts weiter als schlüsselfertige Standardlösungen von außen. Die Lösung für die Zukunft muss von innen kommen. Dafür muss es Unternehmen und Organisationen gelingen, zu ihrem eigenen Kern vorzudringen, zu begreifen, wie das eigene System tickt, um so die eigene Reflexionsfähigkeit zu verbessern und Schritt für Schritt die geeignete Lösung zu erarbeiten.

Vor diesem Hintergrund richtet sich dieses Buch an Sie als Unternehmer, Führungskraft oder Manager. Sie wollen Ihr Unternehmen, Ihre Organisation entwickeln, um mittelfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und langfristig das Überleben Ihrer Organisation sicherzustellen. Genau das ist Ihre Aufgabe. Denn Transformation der Organisation ist Chefsache. Sie lässt sich gemeinsam gestalten, aber nicht delegieren.

Jede Führungskraft, jeder Unternehmenslenker kennt sie im Kleinen wie im Großen: Change-Management-Modelle, Veränderungsprojekte, Umsetzung neuer Strategien und Strukturen. Und es gibt mit Sicherheit niemanden in einer Führungsposition, der nicht schon seine eigenen Erfahrungen mit dem Handwerkszeug gemacht hat. Dabei sind die herkömmlichen Methoden und bekannten Vorgehensweisen zur Veränderung und Entwicklung von Organisationen so zahlreich, wie ihre Erfolgsquote ernüchternd ist.

Können Sie schätzen, wie viele Veränderungsprojekte nachweislich ihr Ziel erreichen? Es sind gerade einmal 30 Prozent. Nicht einmal ein Drittel der Vorhaben schafft es, die angestrebte Transformation im Unternehmen dauerhaft und nachhaltig umzusetzen. Angesichts des Aufwands an Zeit, Energie und Kosten ein erschreckendes Fazit. Ein Hauptgrund hierfür ist, dass traditionelle Formen des Change-Managements in agilen und komplexen Kontexten insbesondere in großen Unternehmen zu kurz greifen:

Entscheidungen müssen durch viele Hierarchieebenen gehen, was die Entscheidungsfindung in die Länge zieht und den Veränderungsprozess erheblich verlangsamt.

Mechanistische Top-down-Umsetzungspläne unterschätzen, wie komplex Selbstorganisationstrukturen in Unternehmen sind und welch starke Dynamik sie entwickeln können.

Expertenkonzepte und abgehobene Strategiepapiere machen von der Intelligenz der in der Organisation arbeitenden Führungskräfte und Mitarbeiter kaum Gebrauch und führen daher zu Ergebnissen, die Potenzial ungenutzt lassen und Widerstandsreaktionen auslösen.

Hinzu kommen dann noch häufig anzutreffenden Phänomene, die dem Paradigma der höchstmöglichen Effizienz geschuldet sind und dabei am Kern des Problems ungebremst vorbeilaufen:

Unzureichende Problemdefinitionen: »Wir halten uns nicht lange mit Analysen auf, sondern arbeiten sofort an Lösungen!« oder: »Wir haben sehr viel Analyseergebnisse!« (aber sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht).

Anwendung von Standardlösungen: »Wir arbeiten immer sehr effizient!« (ob das auch effektiv ist, wird nicht hinterfragt) oder »Wir machen gerne mehr von dem, was sich bewährt hat« (und merken dabei gar nicht, dass die Lösungen schon längst nicht mehr zu den Problemen passen).

Unzureichende Kommunikation oder keine Vergemeinschaftung im Managementteam: »Ich habe es meinen Leuten doch gesagt – die wissen jetzt Bescheid!« oder »Folgeentscheidungen treffen wir nicht gemeinsam, so etwas hält uns nur auf!«

Der größte Agilitäts- und Veränderungsverhinderer ist aber ein beinahe schon naives Verständnis vom Funktionieren von Organisationen, das bis heute bei vielen Managern anzutreffen ist. Sie verstehen das Unternehmen oder die Organisation als eine Art technisches System, das mehr oder weniger simplen mechanischen Regeln folgt. Veränderungen am Grundgerüst dieses Systems – zum Beispiel durch Reorganisation, Einführung neuer Prozesse und Standards, Implementierung neuer IT-Systeme, Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter – führen diesem Verständnis nach automatisch zu einer Veränderung der Organisation: Sie wird dadurch vermeintlich innovativer, leistungsstärker, kundenfreundlicher, flexibler und so weiter. Doch dieses Denken führt zwangsläufig in die Irre.

Denn Organisationen sind keine technisch-mechanischen, sondern soziale und lebende Systeme. Ihr charakteristischer Kern besteht aus ihren typischen, im Laufe der Zeit entstandenen Denkweisen, Haltungen, Werten und Handlungsmustern. »So ticken wir eben hier …«, »So machen wir das bei uns …« oder »Mia san mia« hört man oft. Sie machen die sogenannte »organisationale Identität« eines Unternehmens, einer Abteilung oder eines Teams aus. In anderen Zusammenhängen spricht man auch von Organisationskultur.

Wenn Organisationen oder Organisationseinheiten sich erfolgreich verändern wollen, müssen sie an diesem Kern arbeiten, an ihrer organisationalen Identität. Nur über eine Veränderung beziehungsweise Weiterentwicklung dieser Identität lassen sich die Haltung und das Handeln von Menschen nachhaltig verändern. Das gilt übrigens auch für Organisationen, die erste Versuche in Richtung der aktuell stark diskutierten Ambidextrie unternehmen. Hierbei werden neben Organisationseinheiten, die sich auf die Optimierung des Kerngeschäfts und die Effizienzsteigerung bei bestehenden Prozessen und Leistungen konzentrieren und die tendenziell klassisch gemanagt werden, weitere Organisationseinheiten etabliert, die sich auf innovative Lösungen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle fokussieren. Nicht selten haben diese Organisationseinheiten eher Start-up- oder Netzwerkcharakter. Das erfolgreiche Zusammenspiel zweier eher gegensätzlichen Organisationeinheiten ist höchst anspruchsvoll und muss gut gestaltet und gemanagt werden. Dazu muss sich allerdings die ganze Organisation verändern und zu einer neuen organisationalen Identität finden.

Dieses Buch zeigt Ihnen, wie eine nachhaltige, erfolgreiche Transformation gelingt. Das Grundrezept dabei lautet: Musterwechsel durch Co-Creation – die eigenen Denk- und Handlungsmuster nachhaltig verändern, indem gemeinsam mit und an ihnen gearbeitet wird. Denn nur in einem gemeinsamen Prozess von Führungskräften und Mitarbeitern lässt sich die Identität einer Organisation oder Organisationseinheit erkennen und verändern. Das, was durch soziale Selbstorganisation entstanden ist, kann nur durch gemeinsame Reflexion und Aktion verändert werden.

Das Prinzip der Co-Creation wird in diesem Buch als ein machtvolles Führungskonzept entfaltet, das nicht nur in Transformationsprozessen wirkt, sondern grundsätzlich die Wirksamkeit von Führungs- und Organisationsprozessen deutlich steigert. Es geht um Führung mit Sinn – wie wir noch zeigen werden – und damit um eine Haltung, die die ganze Organisation betrifft.

Um Ihr Unternehmen, Ihren Bereich oder Ihre Abteilung in diesem Sinne zu verändern, braucht es ein neues Verständnis von Organisationen und Führung, ein dazu passendes Veränderungsformat und geeignete Führungskonzepte. Das liefert Ihnen dieses Buch. Anhand des hier entwickelten Ansatzes werden Sie

Ihre Organisation tiefer verstehen und erkennen, wie sich diese verändern lässt,

einen Plan und ein Konzept erschaffen, wie Sie Veränderungen co-kreativ umsetzen,

Ihre Wirksamkeit als Führungskraft erhöhen – als Entscheider und als Enabler, der die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schafft, andere zu befähigen, Veränderungen zu gestalten,

und vor allem: die Erfolgsquote Ihrer Veränderungsprojekte um 100 Prozent steigern.

In diesem Buch werden Sie keine Standardlösungen oder Benchmarks finden, dafür aber eine Anleitung zur »Verflüssigung« Ihres Denkens – damit Sie Räume für Entwicklung schaffen und Ihre Organisation zukunftsfähig machen können.

Wir, die Autoren dieses Buches, sind Experten aus der Change-Management- und Führungspraxis. Wir liefern Ihnen keine einfachen Kochrezepte, die versprechen, immer und in jeder Organisation zu funktionieren, oder ›Kooperations-Hypes‹, die nur an der Oberfläche kratzen, aber nicht zum Kern des Problems vordringen. Sie werden hier weder originelle Ideen wie »Halten Sie Meetings im Stehen statt im Sitzen ab« finden noch die »50 kreativsten Innovationsmethoden« oder das »Quick-and-Easy-5-Schritte-Programm«. Was wir Ihnen bieten, sind praxisnahe Denkbilder und Konzepte, die Sie in Ihrer Organisation anwenden können, um Ihre eigene, organisationsspezifische Lösung zu entwickeln.

Dabei konzentrieren wir uns konsequent auf die Umsetzung von Veränderungen. Wir liefern ihnen also auch keinen weiteren Vorschlag, wie Sie Ihre Organisation optimal aufstellen können. Populäre Organisationsdesigns wie etwa Holocracy, Lean, Integrale evolutionäre Organisationen, Theorie U oder duale Betriebssysteme und so weiter versuchen Antworten auf die Frage zu geben, wie die innovative Organisation der Zukunft aussehen kann. Sie alle haben ihre Vorzüge, Nachteile und gewiss auch Berechtigung. Doch ganz egal, welcher dieser Organisationsphilosophien Sie folgen oder ob Sie Ihr Unternehmen ganz anders organisieren: Um sie umzusetzen, werden Sie immer eine tief greifende Veränderung der organisationalen Identität erreichen müssen. Wie Sie zu dieser Veränderung gelangen, den zielführenden Umsetzungsprozess und der dazu angemessenen Führungshaltung, das zeigt Ihnen dieses Buch.

Kapitel 1Die Kraft der schöpferischen Co-Creation

Co-Creation in der Buchentstehung

Unser Kernthema in unserem Alltag als Berater ist der umfassende Veränderungsprozess in Unternehmen oder, wie wir es nennen, die »organisationale Transformation«. Unsere Arbeitsweise ist dabei die gleiche, die auch unsere Grundlage beim Schreiben dieses Buches war: co-kreativ. So wie ein Veränderungsprozess im Unternehmen nur gelingen kann, wenn in einem gemeinsamen Prozess von allen Beteiligten daran mitgearbeitet wird, so war uns auch bei der Idee, unser Modell in ein Buch zu bringen, sofort klar, dass dieses Buch in Co-Creation entstehen musste. Doch was das im Einzelnen bedeuten würde, wurde erst im Laufe unserer gemeinsamen Arbeit wirklich deutlich. Obwohl wir schon in vielen Beratungskontexten zusammengearbeitet hatten, waren wir immer wieder überrascht, feststellen zu müssen, wie häufig sich unsere Vorstellungen zum Schreibprozess, zum Sprachstil und zum Teil sogar zu Inhalten, über die wir dachten, schon längst ein gemeinsames Verständnis gefunden zu haben, im Detail doch unterschieden. Immer dann, wenn es darum ging, sehr präzise zu beschreiben, auf was es ankommt, wurden auch Unterschiede in den Vorstellungen deutlich sichtbar. Genauso, wie wir es immer wieder bei den verschiedenen Stakeholdern unserer Kunden in Beratungskontexten beobachten können. Und so waren wir dann während des Schreibens auch immer wieder ganz real mittendrin in unserem Thema.

Da wir die meiste Zeit an verschiedenen Orten tätig und in verschiedenen Beratungsprojekten eingebunden sind, waren wir uns schnell einig, dass wir für den Schreibprozess eine geeignete Kollaborationssoftware brauchen würden. Eine, die es uns ermöglichen würde, zu jeder Zeit an jedem Ort Gedanken festzuhalten und in einem einzigen Dokument gleichzeitig Textabschnitte zu erstellen, zu teilen, zu kommentieren, ohne uns gegenseitig zu behindern. Klar war auch, dass wir für den co-kreativen Buchentstehungsprozess ein frühzeitiges Feedback von potenziellen Lesern einholen wollten, um auch deren Perspektive auf das inhaltliche Konzept und die Lesbarkeit des Textes in unsere weitere Arbeit einfließen zu lassen. Und letztendlich wollten wir uns von einem Autoren-Coach begleiten lassen, der uns fachlich zur Erstellung eines Buches beraten sollte.

So weit, so gut. Doch dann galt es, weitere Entscheidungen zu treffen und gemeinsam Antworten auf wichtige Fragen zu finden. Wie viel Zeit wollten wir uns insgesamt lassen? Wer geht bei welchem Inhalt in den Lead, um einen ersten Entwurf zu erstellen? Wie zeitnah und kleinteilig wollen wir auf Textvorschläge der anderen beiden im jeweiligen Schreibstadium reagieren? Welche Fallbeispiele wollen wir in den Mittelpunkt stellen, die den Kern treffen und gleichzeitig für unsere Leser anschlussfähig sind? Wie sehr wollen wir uns von den aktuellen Hypes beeinflussen lassen, die die VUCA-Welt (kurz für: Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) auf den Markt bringt? Das war eine besonders wichtige Frage. Schließlich geht es uns in diesem Buch darum darzustellen, wie organisationale Transformation unabhängig von den heute häufig anzutreffenden normativen Ansätzen der Organisationsentwicklung gelingen kann, ohne dabei an Aktualität zu verlieren. Und last but not least: Wie wollen wir damit umgehen, wenn einer von uns zu einem vereinbarten Abstimmungstermin eine interessante Kundenanfrage bekommt? Ist es erlaubt, dass sich Prioritäten kurzfristig verschieben und sich das Buch, so ernsthaft wir es auch angehen wollen, in solchen Momenten selbst zum Luxusthema degradiert?

All diese Fragen mussten wir uns bewusst stellen und aushandeln. In offenen Diskussionen, manchmal wieder und wieder, wenn neue Facetten hinzukamen, durch den Abgleich von mentalen Modellen, unausgesprochenen Prämissen und unterschiedlichen Erwartungen. Und durch Feedback-Schleifen, wenn Meinungsverschiedenheiten oder Unklarheiten zu emotionalen Spannungen und Ineffizienzen führten. Also der ganz normale Alltag, der entsteht, wenn Co-Creation nicht nur als Prozess schöpferischer Zusammenarbeit, sondern auch als Reflexion und Veränderung der typischen Denk- und Verhaltensmuster in einem Arbeitsteam verstanden wird.

Und obgleich wir immer wieder feststellten, dass das Ergebnis besser wurde und dass die gemeinsame Arbeit uns auch Energie zurückgab, wenn wir an einem Text gemeinsam intensiv feilten, war es doch anstrengend und erforderte mehr Zeit, als wenn wir das Buch kapitelweise unter uns aufgeteilt hätten. Letzteres war jedoch für uns nie eine Alternative, da sie weder zu unserer sonstigen Arbeitsweise gepasst noch die gewünschten Ergebnisse erzielt hätte.

Warum sprechen wir hier an dieser Stelle darüber? Weil wir fest davon überzeugt sind, dass dieses Offenlegen von Sichtweisen und stetige Aushandeln von Vorgehensschritten der Schlüssel zur erfolgreichen organisationalen Transformation ist – in eng umgrenzen Kontexten, aber auch gerade in agilen und komplexen Welten.

Wir sind einen Weg gegangen, der von unseren Kunden so häufig als mühsam empfunden und nicht selten mittendrin aufgegeben wird mit Kommentaren wie »Darüber haben wir doch schon gesprochen. Jetzt muss es mal gut sein, denn schließlich geht es uns darum, Geld zu verdienen.« Und dann erfolgt meistens ein Zurückfallen in alte Muster, eine Zuwendung zum scheinbar Wesentlichen, das sich in der Regel jedoch als Schimäre herausstellt. Denn diese Themen sind keine Luxusprobleme und lassen sich selbstverständlich nicht lösen, indem man ihnen keine Aufmerksamkeit mehr schenkt. Im Gegenteil, unausgesprochene oder verdrängte unterschiedliche Auffassungen und Prioritäten, verdeckte Agenden, oft gepaart mit einem Mangel an Kommunikationskompetenz oder -bereitschaft, werden häufig zum zentralen Problem – manchmal auch erst für die nächste Managementgeneration.

Theorie für Praktiker – Warum Sie den Anfang nicht verpassen sollten

Dieses Buch verstehen wir als Leitfaden, der Sie darin unterstützt, organisationale Transformation wirksam zu gestalten. Voraussetzung für wirksame Transformation ist ein vertieftes Verständnis darüber, wie Organisationen als soziale Systeme funktionieren und wie sie durch Co-Creation verändert werden können. Ohne ein solches Verständnis laufen Sie aus unserer Sicht Gefahr, »mehr desselben« zu machen und Chancen für eine echte Weiterentwicklung ungenutzt zu lassen.

Konkret heißt das: Die Verführung mag groß sein, sich gemäß dem üblichen Management-Mantra »Time is money« gleich dem praxisnahen Kapitel 4 zuzuwenden, in dem es um die konkrete Umsetzung geht, und den beiden vorangehenden Kapiteln, in denen die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen im Vordergrund stehen, weniger Beachtung zu schenken. Doch davon raten wir Ihnen dringend ab. Denn diese Vorgehensweise folgt exakt den zentralen Mustern, die wir auch im Veränderungsprozess immer wieder antreffen und die eine echte Gefahr für nachhaltige Veränderung sind: die eher oberflächliche Auseinandersetzung mit den Grundbedingungen für Veränderung und die verfrühte Hinwendung zu Umsetzungsthemen. Auch und gerade in agilen, komplexen Kontexten ist es von entscheidender Bedeutung, dass zuerst grundlegende Denkmodelle und Haltungen, eine klare Zielrichtung und ein gemeinsames Verständnis zur Vorgehensweise etabliert werden, bevor es in die Umsetzung geht. Und auch das ist eine alte Managementweisheit, die aber nichts an Aktualität eingebüßt hat: Die Zeit, die am Anfang investiert wird, zahlt sich später aus.

Wir laden Sie daher ein, sich zunächst in den Kapiteln 2 und 3 mit den grundlegenden Bedingungen für das Gelingen von Transformationsprozessen in Organisationen auseinanderzusetzen. Anschließend werden Sie ab Kapitel 4 einen praxisnahen Leitfaden finden, der Sie durch die wesentlichen Schritte und Fragestellungen in einer Transformation, einem Veränderungsprojekt führt. Ein anonymisiertes Fallbeispiel für ein Transformationsvorhaben in einem Unternehmen mit Namen »Fixelements« wird die einzelnen Analyse-, Planungs- und Umsetzungsschritte veranschaulichen und Anregungen für Ihr eigenes Veränderungsvorhaben geben.

Was Sie hier nicht finden werden, sind Checklisten mit Arbeitsanweisungen und Tickboxen zum Abhaken. Obwohl wir auch in unseren Transformationsprojekten von Kundenseite immer wieder danach gefragt werden, halten wir Checklisten für absolut problematisch. Denn dahinter steckt die Annahme, dass eine Transformation genau so und so geht und dass derjenige, der alles abgehakt hat, eine erfolgreiche Transformation quasi als Belohnung erhält. Doch diese naive Vorstellung ist ein großer Irrtum. Denn auch wenn es hilfreich ist, vom Wissen und von den Erfahrungen erfolgreicher Transformationen zu profitieren, zeigen zahlreiche Change-Management-Studien sowie unsere eigene praktische Erfahrung, dass jedes Unternehmen seinen eigenen Weg finden muss. Und das geht nur mit intensiver Reflexion und Offenheit für neue Wege.

Statt überflüssiger Checklisten geben wir Ihnen daher eine Reihe von Empfehlungen in Form von handwerklichen »Tipps für Ihr weiteres Vorgehen«, wie eine erfolgreiche Transformation gelingen kann. Sie basieren auf dem wissenschaftlich-theoretischen Rahmen, innerhalb dessen wir arbeiten, und auf über 20 Jahren Erfahrung in organisationalen Transformationsprojekten.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und viel Erfolg beim Umsetzen!

Kapitel 2Was Veränderungen anspruchsvoll macht

Die Welt verändert sich – jeden Tag. Organisationen müssen sich an diese sich verändernde Welt anpassen, wenn sie weiter existieren wollen. Obwohl sich Heerscharen von Führungskräften, Wissenschaftlern und Beratern unablässig darum bemühen, die Marktfähigkeit von Organisationen möglichst lange zu erhalten, gelingt das mal mehr, mal weniger gut: Die durchschnittliche Lebensdauer aller Unternehmen liegt heute bei einem Dutzend Jahren, selbst die Top-500-Unternehmen überleben kaum dreimal länger.1

Angesichts dessen könnten wir nun die Schultern zucken, resignieren und sagen: »So ist das nun mal in der Wirtschaft. Daran kann man auch nichts ändern. Und unterm Strich gesehen fahren wir ja bislang ganz gut mit dem, so wie es ist.«

Oder wir geben uns mit dem Status quo nicht zufrieden: Wir suchen nach Konzepten und Umsetzungsmöglichkeiten, wie wir signifikante Veränderungen schaffen können, sogenannte »Musterwechsel«. Selbst wenn wir dabei je nach Notwendigkeit (buchstäblich im Sinne der Not, die wir wenden wollen) die schon von Schumpeter postulierte Kraft der »schöpferischen Zerstörung« nutzen müssen.2

Und dann ist das Projekt leider versandet – Beispiele aus der Praxis

Auch die Change-Fitness-Studie 2018 bestätigt: 70 Prozent aller Veränderungsprojekte erreichen ihre Ziele nicht oder nur unvollständig!3 Wenn Sie die Erfolgsquote der Veränderungen, die in Ihrer Organisation anstehen, erhöhen wollen, ist die Suche nach typischen Mustern für das Scheitern ein erster wichtiger Mosaikstein.

BEISPIEL 1: EINE NEUE IT-STRATEGIE

Ein Kreditinstitut braucht eine neue IT-Strategie. Der Vorstand beschließt, dazu ein Projekt aufzusetzen. Eine Unternehmensberatung wird engagiert, um diese neue Strategie zu entwickeln. Die Unternehmensberatung analysiert den Ist-Zustand und erhebt in Einzelinterviews die Wünsche und Anforderungen an das zukünftige System. Auf dieser Basis erstellen die Berater in Zusammenarbeit mit dem IT-Bereichsleiter ein State-of-the-Art-Konzept und stellen es dem Vorstand vor. Der Vorstand findet das Konzept schlüssig und nachvollziehbar. Er betrachtet die ausgearbeitete Lösung als Grundlage für den nun folgenden Implementierungsprozess. Für ihre fachlich hervorragende Tätigkeit erhält die Unternehmensberatung einen dreistelligen Millionenbetrag.

Der für den IT-Bereich zuständige Vorstand erhält den Auftrag zur Umsetzung und installiert dazu eine Projektorganisation. Schon nach wenigen Wochen machen die IT-Fachleute des Unternehmens ihrem Vorstand klar, warum das ausgearbeitete Konzept so nicht funktionieren kann und auch überhaupt nicht zu der Strategie und den bisherigen Konzepten des IT-Bereiches passt. Schließlich lehnen auch die IT-Hauptabteilungsleiter und der IT-Bereichsleiter das neue Konzept ab. Nach sechs Monaten wird das Projekt stillschweigend beerdigt.

BEISPIEL 2: EIN LEAN-MANAGEMENT-PROJEKT

Die Geschäftsführung eines global arbeitenden Unternehmens beschließt, Lean Management einzuführen. Von einem Mitbewerber wird ein ausgewiesener Fachmann für Lean Management abgeworben und zum Leiter des Lean-Management-Office ernannt. Für das Team werden sowohl externe Spezialisten eingestellt als auch interne Mitarbeiter rekrutiert. In die Aus- und Weiterbildung der neuen Abteilung wird investiert.

Als sich die Lean-Spezialisten an die einzelnen Niederlassungen wenden, werden sie dort freudig begrüßt. Alle Niederlassungsleiter sind an Kosteneinsparungen interessiert. Leider gibt es in den Niederlassungen keine freien Kapazitäten bei den Mitarbeitern oder Führungskräften für die Mitarbeit in Lean-Projekten – schließlich sind in dieser Branche die Margen und damit die Ressourcen sehr knapp. Die von den Lean-Fachleuten propagierte These, dass zur erfolgreichen Umsetzung auch eine neue Führungsphilosophie notwendig sei, wird wohlwollend zur Kenntnis genommen, aber ansonsten nicht weiterverfolgt.

Die Lean-Projekte kommen nicht voran. Nach zwei Jahren wird das Lean-Management-Team aufgelöst. Der Begriff »Lean Management« ist in der Organisation inzwischen tabuisiert und wird nicht mehr ausgesprochen.

BEISPIEL 3: DIGITALISIERUNG IN DER KUNDENANSPRACHE

Kunden wollen immer individueller bedient werden, sei es nun beim Kauf von Finanzdienstleistungen, Telekommunikationsleistungen oder Medienleistungen wie Print, Online-Informationen, Rundfunk und Fernsehen oder Streamingdiensten.

Die Anbieter orientieren sich immer stärker an den Kundenwünschen. Dabei werden sie von Hightech-Firmen unterstützt, die mit Systemen auf der Grundlage von »Big-Data-Analytics« die Kundenansprache revolutionieren wollen: weg von einem Verkäufermarkt (»das ist unser Angebot«) hin zum Käufermarkt (»das ist der Bedarf unserer potenziellen Kunden«). Viele Anbieter würden die Hightech-Systeme auch gerne einsetzen. Sie beschäftigen sich allerdings schwerpunktmäßig weniger mit den technischen Lösungen, sondern vor allem mit der Frage »Wie sollen wir das neue Denken in der Kundenansprache in unsere Organisation bringen? Und wie sollen wir unsere Mitarbeiter dazu motivieren, da mitzumachen?«

Viel zu viele solcher und ähnlicher Vorhaben versanden, weil es scheinbar keine Konzepte zur Bewältigung dieser Herausforderungen gibt. So werden die neuen Geschäftsfelder häufig kreativen und flexiblen Start-ups überlassen.

Was haben diese drei Beispiele gemeinsam? Ein ahnungsloses Management? Unwilligkeit, sich neuen Herausforderungen zu stellen? Widerstand gegen den Fortschritt? Nein! Tatsächlich treffen wir auf Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte, die sehr gut ausgebildet, hoch motiviert und gewillt sind, das Beste für ihr Unternehmen zu tun.

Doch oftmals unterschätzen sie, wie komplex die von ihnen angestrebten Veränderungen sind und dass sich ihr Unternehmen in Teilen oder sogar übergreifend in seiner organisationalen Identität verändern muss, damit Musterwechsel wirklich gelingen. Oder sie haben – wie in Beispiel drei – eine Ahnung davon, aber es fehlen ihnen die passenden Umsetzungskonzepte zur »Verflüssigung« der natürlichen Beharrungskräfte ihres sozialen Systems. Und manchmal fehlen dem Management der Mut und die Energie, um die Mühen, Anstrengungen und Risiken eines konzeptionell neuen Vorgehens auf sich zu nehmen. Das ist verständlich in Zeiten, da Arbeitsbelastung und Erfolgsdruck ständig zunehmen.

Doch die Arbeit an der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens braucht ihre Zeit. Sie macht nicht vor dem nächsten Quartalsergebnis halt und nimmt auch keine Rücksicht auf die Amtsperiode von Vorstand oder Geschäftsführer. Leider bedeutet jedoch genau das oft das vorzeitige Ende eines Veränderungsprojekts. Entweder, weil das Änderungsvorhaben unbedingt noch vor Ende der Amtszeit enden muss – koste es, was es wolle. Oder weil der Nachfolger glaubt, Zeichen setzen zu müssen, und das laufende Projekt für gestorben erklärt. Auch so versanden Projekte.

Halten wir fest: Die Arbeit an »der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens« ist die herausragendste und die herausforderndste Aufgabe von Führung. Selbst heute, in unserer beschleunigten Zeit mit ihrer gefühlt stetig zunehmenden Veränderungsgeschwindigkeit, gilt nach wie vor: Wer seine Firma mit Bedacht entwickelt, steht besser da. Firmen brauchen drei bis fünf Jahre Reifezeit, um ihr soziales System gesund entwickeln zu können. Das galt früher schon, und das gilt auch heute noch.

Wie Organisationen wirklich ticken

Organisationen haben eine Eigenlogik. Sie sind nicht einfach gut geölte Maschinen, die sich durch einige aufeinander abgestimmte Befehle und Eingaben steuern und beliebig beherrschen lassen. Auch wenn ihr Zweck ziemlich rational beschrieben werden kann, nämlich die Erzeugung und der Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen, bedeutet das nicht, dass alles, was in ihnen geschieht, einfach zweckrationalen Erwägungen und betriebswirtschaftlichen Eindeutigkeiten folgt. Im Gegenteil: Organisationen folgen gerne ihren eigenen Gesetzen (das kennen Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung). Und die sind weder immer logisch noch rational. Warum ist das so? Organisationen sind soziale Systeme, in denen vieles selbst organisiert geschieht und in denen typische, im Laufe der Zeit entstandene und oft unbewusste Spielregeln und Denkweisen das Handeln und Entscheiden der Menschen stark beeinflussen und für eine eigene Dynamik sorgen.

Es geht immer um mentale Modelle – Oder: Konstruktivismus für Manager

FRAU SCHMIDT UND IHRE IT-ABTEILUNG

Frau Schmidt leitet die IT-Abteilung ihres Unternehmens. Seit Längerem schon hat sie den Eindruck, dass ihre Mitarbeiter nicht gut miteinander kooperieren. Das gestrige Gespräch mit einem ihrer Teamleiter hat diesen Eindruck verstärkt. Warum hat der sich mal wieder nicht mit den anderen Teamleitern abgestimmt, bevor er zu ihr kommt? Und warum soll sie jetzt ein Problem lösen, dass die Teamleiter untereinander viel besser besprechen könnten? Die sind doch wirklich näher dran am Geschehen! Frau Schmidt entscheidet sich, zunächst ihren Teamleitern und später der gesamten Abteilung ein spezielles Training zur Zusammenarbeit zu verordnen. Die Kompetenz »Kooperationsfähigkeit« ist schließlich entscheidend, um als Abteilung die Probleme der Zukunft gemeinsam anzugehen. Und an dieser Kompetenz mangelt es offenbar.

Frau Schmidt trifft ihre Entscheidung auf der Basis ihrer Beobachtungen. Wer beobachtet, unterscheidet. Frau Schmidt ordnet die vielfältigen Eindrücke der sozialen Realität mithilfe der Unterscheidungen Kooperieren / Nicht-Kooperieren und kompetent / nicht-kompetent. Der Mangel an Kooperation ist aus ihrer Sicht ein Problem mangelnder individueller Kompetenz. Ein anderer Beobachter würde mithilfe anderer Unterscheidungen möglicherweise zu einem ganz anderen Eindruck kommen. Frau Schmidts Vorgänger, Herr Fischer, zum Beispiel: »Hier weiß jeder genau, was seine Rolle ist, und die Prozesse haben wir so gut geklärt, das eine Abstimmung der Mitarbeiter untereinander selten erforderlich ist. Wenn doch etwas mal schiefläuft, steht meine Tür jederzeit offen, und ich bin froh, wenn meine Mitarbeiter mich als Sparringspartner aufsuchen.« Anders als Frau Schmidt sieht Herr Fischer keine mangelnde Kooperation und auch kein Kompetenzproblem, sondern gut definierte Rollen und Prozesse. Wenn wir dann einmal einen Zeitsprung um zwei Jahre in die Zukunft machen, sehen wir Frau Schmidts Nachfolgerin, Frau Heidrich, mit folgender Analyse: »Das Erste, was ich hier gerne ändern möchte, sind die fehlenden Möglichkeiten zur Zusammenarbeit. Die Abteilung ist ja in starre Kästchen geteilt wie eine Excel-Tabelle, wo findet denn da die gemeinsame Problemlösung statt? Jedes Meeting mit meinen Teamleitern zeigt mir, wozu die in der Kooperation fähig sind und wie viele neue Ideen zur Prozessverbesserung dabei entstehen. Da müssen wir mal eine gemeinsame Idee entwickeln, wie wir die starren Rollen auflösen und integrierter arbeiten.« Frau Heidrich erklärt sich die Situation wieder ganz anders. Nicht mangelnde Kompetenz ist das Problem, sondern mangelnde Gelegenheit zur Zusammenarbeit und eine fehlende gemeinsame Idee, wie diese Zusammenarbeit denn gestaltet werden kann.

Wir konstruieren unsere individuelle Wirklichkeit

Drei Beobachter kommen je nach den Unterscheidungen, die sie verwenden, zu ganz unterschiedlichen Erkenntnissen, ganz unterschiedlichen Interpretationen eines Geschehens. In der Theorie wird das als Konstruktivismus bezeichnet. Dem Konstruktivismus zufolge (in unserem Buch folgen wir diesem Ansatz) sind Erkenntnisse keine exakten Abbildungen der Realität, sondern Konstrukte. Wir konstruieren uns »unsere Wirklichkeit« auf der Basis der Unterscheidungen, die wir treffen, und auf der Basis des Ausschnitts der Wirklichkeit, den wir beobachten. Frau Schmidt, Herr Fischer und Frau Heidrich – sie alle beobachten bestimmte Ausschnitte ihrer Abteilung auf der Basis ihrer Annahmen, Erfahrungen und Kenntnisse. Kurzum, alle konstruieren sich ihre Wirklichkeit vollkommen subjektiv.

Und das, so der Konstruktivismus, ist immer so, insbesondere, wenn es sich um soziale Phänomene handelt. Da gibt es nicht die eine wahre Sichtweise, sondern immer nur subjektive Wirklichkeiten. Das bedeutet nicht, dass die Wirklichkeit nicht objektiv vorhanden ist. Im Gegenteil, sie ist da. Sie ist uns aber immer nur in den mentalen Modellen zugänglich, die wir über sie konstruieren. Mentale Modelle sind unsere subjektiven ›Abbildungen‹ der Wirklichkeit, unsere Wirklichkeitskonstrukte. Sie sind immer Vereinfachungen und helfen uns, unser Handeln zu orientieren und Entscheidungen zu treffen. Frau Heidrich hat ein anderes mentales Modell als Frau Schmidt. Sie kommt zu anderen Entscheidungen und handelt anders.

Schauen wir uns noch ein zweites Beispiel an: Vergleichen Sie zwei unterschiedliche Aussagen über ein und dasselbe Projekt. 1: »Das Projekt war ein totales Fiasko. Der Projektleiter war schwach, er konnte sich weder durchsetzen noch die Projektmitarbeiter motivieren.« Demgegenüber 2: »Aus dem Projekt können wir viel lernen. Vor allem, wie wir in Zukunft die Linienvorgesetzten einbinden müssen, damit sie ihre Mitarbeiter auch tatsächlich ins Projekt schicken.« Aussage 1 baut ihre Wirklichkeitskonstruktion auf der Unterscheidung schwacher/starker Projektleiter auf. Das Geschehen wird personalisiert und mit vermeintlichen Eigenschaften einer Person verknüpft. Aussage 2 bietet eine andere Konstruktion, die auf der Unterscheidung Linienvorgesetzte einbinden vs. Linienvorgesetzte nicht einbinden basiert. Hier geht es nicht um die Eigenschaften einer Person, sondern um ein organisationales Geschehen: Ein Projekt scheitert, wenn die Linienvorgesetzten der Projektmitglieder deren Arbeit in der Linie konsequent priorisieren und sie nicht »ins Projekt lassen«. Im Vordergrund stehen Prioritätskonflikte und unterschiedliche Interpretationen in der Organisation.

Beide Beispiele machen deutlich: Je nachdem, wie beobachtet wird, ergeben sich nicht nur unterschiedliche Wirklichkeitsbeschreibungen, auch die praktischen Konsequenzen für das Führungshandeln (Was werde ich als Führungskraft tun? Welche Entscheidungen treffe ich? Welche Maßnahmen ergreife ich?) sind völlig unterschiedlich.

Kollektive mentale Modelle in Organisationen

Wenn Menschen in sozialen Systemen über einen längeren Zeitraum miteinander umgehen und wiederkehrende gemeinsame Erfahrungen machen – das trifft beispielsweise gleichermaßen auf Familien wie auf Organisationen zu –, dann entstehen neben individuellen auch gemeinsame mentale Modelle, das heißt typische gemeinsame Wirklichkeitskonstruktionen. So sieht man in diesem Team, in dieser Abteilung, in diesem Bereich oder eben in dieser gesamten Organisation die Wirklichkeit. Man kann auch von gemeinsam geteilten Glaubenssätzen sprechen. Es wird geglaubt, vorausgesetzt oder unhinterfragt angenommen, dass die Wirklichkeit (das heißt, wie das Unternehmen, der Markt, der Wettbewerb et cetera funktioniert) genau so ist. Solche kollektiven mentalen Modelle zeigen sich zum Beispiel in Aussagen wie diesen:

»Dafür müssen wir mal einen vernünftigen Prozess aufsetzen.« (Mentales Modell: Organisationen funktionieren nur auf der Basis definierter Prozesse)

»Jetzt haben wir schon die gesamte Sales Force geschult, und die neue Vertriebsstrategie wird immer noch nicht gelebt.« (Mentales Modell: Durch Qualifizierung von Personal entwickelt sich automatisch die Organisation weiter)

»Das müssen Sie jetzt aber mal nach oben eskalieren.« (Mentales Modell: Konflikte und Unsicherheiten werden bei uns durch die Hierarchie gelöst)

»Wenn wir die nicht übernehmen, verlieren wir den Anschluss an den Markt.« (Mentales Modell: Wachstum kann langfristig nur über Zukäufe realisiert werden)

»Tut mir leid, ich habe die To-dos für das Projekt einfach nicht geschafft, wir hatten in der Linie unglaublich viel zu tun.« (Mentales Modell: Linientätigkeit geht vor [funktionsübergreifender] Projekttätigkeit)

Mentale Modelle – egal ob individuelle oder gemeinsame – entstehen in der Regel nicht durch bewusste Entscheidungen, sondern selbst organisiert und (weitgehend) unbewusst. Kollektive mentale Modelle werden an neue Organisationsmitglieder weitergegeben und halten sich häufig über lange Zeit – selbst dann noch, wenn sich das Umfeld verändert, in dem sie entstanden und ihren Sinn und Nutzen hatten. Sie halten sich interessanterweise auch dann, wenn die alten Organisationsmitglieder gar nicht mehr an Bord sind. Sie haben sich von konkreten Personen gelöst und stehen für eine nicht hinterfragte Denkweise in der Organisation.

Kollektive mentale Modelle in Organisationen haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie sich Menschen in der Organisation verhalten und wie und welche Entscheidungen sie treffen.

Ein Schlüssel zur Veränderung

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Die Wirklichkeit ist uns immer nur in Form von mentalen Modellen zugänglich! Wir können gar nicht anders, als mentale Modelle zu bilden. Sie sind weder gut noch schlecht, sie sind einfach unsere Art, in der Welt zu sein.

Aber mentale Modelle können funktional sein oder dysfunktional, sie können förderlich oder hinderlich sein, je nach dem Kontext, in dem eine Person oder Organisation agiert, und je nach den Herausforderungen und Aufgaben, vor die sie gestellt ist.

Will Abteilungsleiterin Frau Schmidt im oben genannten Beispiel ihre Abteilung in Richtung auf mehr Kooperation verändern, dann wäre sie gut beraten, ihr mentales Modell zu erweitern oder zu verändern, um als Führungskraft andere, weitergehende Handlungsoptionen zu bekommen. Eine Organisation, die sich einerseits für die Einführung agiler Softwareentwicklung und damit die Einrichtung agiler, sich weitgehend selbst organisierender Teams entscheidet, aber andererseits noch immer durch das mentale Modell »Konflikte und Unsicherheiten werden bei uns durch die Hierarchie entschieden« geprägt ist, kann nicht funktionieren. Agiles Arbeiten erfordert ein anderes mentales Modell zum Umgang mit Konflikten.

Ein zentraler Schlüssel zur Veränderung von Individuen und Organisationen liegt also darin, sich die dysfunktionalen Modelle bewusst zu machen, damit sie verändert werden können. Anders gesagt: Wenn Sie die Art und Weise, wie die Menschen in Ihrer Organisation miteinander arbeiten und Entscheidungen treffen, signifikant verändern wollen, dann müssen Sie einen Weg finden, die diesem Verhalten zugrunde liegenden Wirklichkeitskonstruktionen zu verändern. Die Frage, wie man mentale Modelle bewusst machen und verändern kann, wird uns im gesamten Buch beschäftigen. Sie ist für das Gelingen von Veränderungsprozessen von zentraler Bedeutung, und wir werden vor allem in den Kapiteln »Musterwechsel durch Co-Creation« und »Wie Sie als Führungskraft Veränderungen zielführend gestalten« darauf eingehen.

Damit werden auch für Sie als Führungskraft Fragen relevant, die Sie sich so möglicherweise noch nie gestellt haben: »Wie konstruiere ich eigentlich meine Wirklichkeit?« Oder ganz praktisch: »Wie erkläre ich mir typischerweise das Verhalten meiner Mitarbeiter, gerade dann, wenn mich etwas irritiert? Von welchen Annahmen gehe ich dabei aus?« Und: »Wie konstruieren wir als Organisation (Team, Abteilung, Bereich et cetera) eigentlich unsere Wirklichkeit – wie sehen wir uns, den Markt, den Wettbewerb und so weiter?« »Welche mentalen Modelle leiten uns?«

Wenn Sie das nächste Mal mit Ihrem Team gemeinsam ein Problem diskutieren, dann probieren Sie einmal Folgendes: Anstatt zu fragen: »Worin besteht das Problem, und wie können wir es lösen?« fragen Sie: »Wie erklären wir uns das Problem, und welche anderen Erklärungen wären möglich? Auf welche anderen Lösungsideen würde uns das bringen?« Sie werden erstaunt sein, wie deutlich hierbei kollektive mentale Modelle werden, die Sie nie zuvor wahrgenommen haben.

Gehen wir für einen letzten Gedanken noch einmal zurück von den kollektiven zu den individuellen mentalen Modellen. Auch hier ergibt sich mit Blick auf Veränderungsprozesse eine wesentliche Überlegung. Stellen Sie sich vor, Frau Schmidt, Herr Fischer und Frau Heidrich aus unserem Beispiel oben bildeten das Projektteam in einer Veränderungsinitiative: »ITCooperation – Innovation durch mehr Kooperation in der IT-Abteilung«. Jeder der drei folgt einem anderen individuellen mentalen Modell. Daher hat auch jeder der drei eine andere Erklärung für das »Problem«. Eine sinnvolle gemeinsame Problemlösung ist so nicht möglich. Wollten die drei tatsächlich wirksam agieren, müssten sie zunächst ihre individuellen mentalen Modelle abgleichen – wir nennen das vergemeinschaften – und auf dieser Basis zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen, wie die Veränderung angegangen werden soll. Es geht um die Co-Creation eines kollektiven mentalen Modells: gemeinsam erarbeiten und entscheiden, was das zu lösende Problem ist, das zu erreichende Ziel und ein sinnvoller Weg zur Umsetzung. Ohne die Konstruktion einer solchen gemeinsamen Wirklichkeit ist gemeinsames zielgerichtetes Handeln nicht möglich. Auch diesen Gedanken – Co-Creation eines gemeinsamen mentalen Modells – werden wir an späterer Stelle aufgreifen und weiter entfalten.

Organisationen sind soziale Systeme, die aus Entscheidungen bestehen

Wir betrachten Organisationen in erster Linie als einen besonderen Typ sozialer Systeme. Das ist unser zentrales mentales Modell. Die Sichtweise auf Organisationen, um die es im Folgenden geht, ist die Art und Weise, wie wir uns das Funktionieren von Organisationen erklären. Das ist nicht die einzig mögliche Sichtweise auf Organisationen, aber sie hat einen hohen Erklärungswert und eröffnet für Manager und Führungskräfte jede Menge interessanter Sichtweisen und Handlungsoptionen.

Von einem sozialen System kann man – vereinfacht gesagt – sprechen, wenn mindestens zwei Personen miteinander interagieren und dabei wiederkehrende Interaktionsmuster und sprachliche »Codes« ausprägen, durch die sie sich von ihrer Umwelt abgrenzen. Klingt abstrakt, ist es aber nicht. Wenn Sie mit Ihrem Leitungsteam bei Ihrer montagmorgendlichen Lagebesprechung sitzen (oder auch stehen …), dann passiert genau das: Mehrere Personen kommunizieren nach bestimmten bewussten oder unbewussten Muster miteinander. Zum Beispiel bitten Sie Ihre Führungskräfte nacheinander um eine kurze Einschätzung der aktuellen Situation. Dabei holt vielleicht Ihr Marketingleiter immer weit aus, während Ihre IT-Chefin kurz und knapp zur Sache kommt, und sie alle verwenden dabei Formulierungen und Begriffe, die die anderen verstehen, weil sie im Laufe der Zeit so in diesem Team entstanden sind. Genau diese Art des Vorgehens und Interagierens macht sie als Team aus. Andere Teams gehen anders vor. Ein Team ist ein von der Umwelt abgegrenztes soziales System. Partnerschaften, Familien, Teams und schließlich ganze Organisationen – sie alle sind unterschiedliche Typen sozialer Systeme mit einer je eigenen Logik.

Hinter dem Begriff »Soziale Systeme« steht ein großes Theoriegebäude, die sogenannte neuere Systemtheorie, auf die wir uns in diesem Buch beziehen. Über die Systemtheorie sind viele und dicke Bücher geschrieben worden. Wir wollen in diese Theorie nicht tief eintauchen. Ganz vermeiden können wir sie allerdings auch nicht, doch wir denken, dass wir Ihnen als Führungskraft und Entscheider das zumuten können. Denn aus unserer Sicht ermöglicht es die Systemtheorie wie kaum ein anderer wissenschaftlicher Ansatz zu verstehen, worum es in Organisationen im Kern geht: um Entscheidungen und wie diese getroffenen werden, um Spielregeln und wie diese zustande kommen, und um Führung und wie diese möglichst wirksam ist. Wenn Sie sich mit einigen der Grundgedanken vertraut machen, gewinnen Sie einen anderen Blick auf Ihre Organisation und eröffnen sich neue Einflussmöglichkeiten.4

Um es in einem Bild zu sagen: Man kann sich Organisationen (und andere soziale Systeme) als ein komplexes Spiel vorstellen. Was sind nun die Bestandteile dieses Spiels? Auch wenn es Sie vermutlich überrascht – es sind nicht die Spieler. Tatsächlich scheint das komplett quer zu unserem Alltagsverständnis zu liegen. Doch die Erklärung ist simpel: Ohne Spieler kein Spiel – so viel ist klar. Die Spieler sind also die Voraussetzung, damit das Spiel überhaupt gespielt wird. Aber welche Spieler mitspielen, das ist im Zweifel austauschbar. Die Bestandteile, die wirklich das Spiel ausmachen und es von anderen Spielen unterscheiden, sind daher die Spielregeln, die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze und Regeln, nach denen das Spiel läuft.

Auf Organisationen als soziale Systeme zu schauen heißt also in erster Linie, die Spielregeln der Organisation zu untersuchen: Wie werden Entscheidungen getroffen und wie konsequent werden sie umgesetzt? Welche Strukturen und Prozesse sind in der Organisation relevant, wie werden Abläufe koordiniert? Was ist die Geschäftsstrategie und wie orientieren sich Menschen an ihr? Was sind typische Verhaltens- und Kommunikationsweisen, die sich in der Organisation immer wieder finden lassen? Wie geht die Organisation typischerweise mit ihren Kunden um? Welches handlungsleitende Bild macht man sich in der Organisation vom Markt und von den Mitbewerbern? Wie wird Führung in der Organisation gelebt? Manche dieser Spielregeln sind selbst organisiert entstanden (»Das haben wir immer so gemacht, so ticken wir hier einfach«), andere hat die Organisation bewusst beschlossen.

Das bedeutet nicht, dass die Menschen mit ihren individuellen mentalen Modellen, ihren Bedürfnissen und Emotionen in Ihrer Organisation nicht wichtig sind, ganz im Gegenteil. Ohne Menschen gäbe es keine Organisation. Deshalb ist es wichtig, Ihre Mitarbeiter zu kennen und »im Spiel zu halten«. Das ist einer der Gründe, warum Co-Creation in diesem Buch eine so zentrale Rolle spielt. Aber es sind letztlich die Spielregeln einer Organisation, die dafür sorgen, dass zehn, 100 oder 1 000 autonome Menschen, die zu jedem Zeitpunkt auch etwas ganz anderes tun könnten, ihr Verhalten miteinander koordinieren, auf ein Ziel hinarbeiten und wertschöpfende Ergebnisse produzieren. Deshalb müssen Sie, wenn Sie als Führungskraft und Entscheider Ihre Organisation nachhaltig verändern wollen, in erster Linie die Spielregeln verstehen und verändern.

Das ist für Sie, ganz nebenbei, auch eine Komplexitätsreduktion und damit eine Erleichterung. Denn organisationale Transformation bedeutet dann nicht in erster Linie, psychologische Fragen zu stellen, die auf die mentalen Befindlichkeiten der einzelnen Personen zielen – auch wenn diese natürlich eine Rolle spielen. Sondern es bedeutet, die zentralen geschriebenen und ungeschriebenen Spielregeln, die Ihre Organisation und die Haltung und das Handeln Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter maßgeblich beeinflussen, zu verstehen, bewusst zu machen und zu verändern.

Der System-Diamant – Ihr Zugang zum Herzen Ihrer Organisation

Nur was wir verstehen, können wir verändern. Zu verstehen, wie das eigene Unternehmen, die eigene Organisation tickt, ist leichter gesagt als getan. Wir haben daher ein leistungsstarkes Modell entwickelt, mit dem sich veranschaulichen lässt, wie Organisationen als soziale Systeme funktionieren, und mit dem Sie Ihre Organisationen analysieren, erklären und verstehen können: den System-Diamanten.

Der System-Diamant ist das zentrale Organisationsmodell dieses Buches. Mit seiner Hilfe lässt sich verstehen, warum Veränderungen für Organisationen oft große Herausforderungen darstellen und wie sich Organisationen dennoch wirksam verändern lassen. Wenn Sie sich einen Change-Prozess als Operation am offenen Herzen vorstellen (und der Vergleich, finden wir, ist durchaus gerechtfertigt), dann ist der System-Diamant das Instrument, das Ihnen den Zugang zu diesem Herzen öffnet. Denn er bildet die Schlüsselfaktoren für den erfolgreichen Veränderungsprozess ab, er verbindet Haltung und Handeln der Menschen in einer Organisation mit den betriebswirtschaftlichen Faktoren, und er lässt Sie sehen, was verändert werden muss, wo und wie es verändert werden muss.

Im Mittelpunkt des System-Diamanten stehen Entscheidungen. Denn Organisationen als besonderer Typus sozialer Systeme bestehen im Wesentlichen aus Entscheidungen und aus den Spielregeln, nach denen diese Entscheidungen zustande kommen. Ein Beispiel: Was in Ihrer Organisation geschieht – etwa »Welche Leistungen wollen wir an welchem Markt anbieten?«, »Welche Strategie verfolgen wir?« und so weiter –, ist nicht ein für alle Mal festlegbar, sondern muss immer wieder neu entschieden werden. Solche Entscheidungen treffen Sie in Ihrer Organisation (oder Organisationseinheit) gemeinsam mit Ihrem Führungsteam, alleine oder in anderen Konstellationen kontinuierlich. Ohne Entscheidungen gibt es kein organisationales Vorankommen und letztlich keine Organisation. Durch Entscheidungen, die Kommunikation und die Umsetzung von Entscheidungen werden Organisationen erst zu dem, was sie sind. Das geht los mit der allerersten Entscheidung, die zur Gründung einer Organisation führt – »Lasst uns gemeinsam mit dieser Dienstleistung, mit diesem Produkt die Welt zu einem besseren Ort machen« – und setzt sich fort über die vielen, vielen Entscheidungen, die die Organisation weiter voranbringen. Die Systemtheorie würde formulieren: Durch Entscheidungen bilden Organisationen ihre Identität und grenzen sich als eigenständiges System von ihrer Umwelt ab.

Abbildung 1: Der WSFB-System-Diamant

Der System-Diamant beleuchtet, wie Entscheidungen zustande kommen und was sie auf organisationaler wie personaler Ebene beeinflusst.

Organisationen müssen in der heutigen Zeit unter der Bedingung hoher Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität mit beträchtlicher Genauigkeit und Geschwindigkeit ihre Operationen koordinieren. Dazu organisieren sie Entscheidungsprämissen. Dieser Begriff klingt zwar zunächst nach einer Zumutung aus dem soziologischen Hauptseminar, hat aber eine große Erklärungskraft. Deshalb verwenden wir ihn hier. Entscheidungsprämissen sind die zum Teil bewussten, zum Teil unbewussten Vor-Festlegungen beziehungsweise Annahmen, die Menschen in Organisationen (und allgemein) beim Treffen von Entscheidungen maßgeblich beeinflussen. Sie strukturieren die Art, wie Entscheidungen gefällt werden. Sie bilden den Rahmen für Entscheidungen und legen fest, welche Entscheidungen in einer Organisation überhaupt möglich sind und welche nicht.

Gehen wir den Aufbau des System-Diamanten einmal am Beispiel der Organisation »Fußballmannschaft« durch: Das, was die hohe Selbstorganisationsfähigkeit einer Fußballmannschaft im besonderen Maß ausmacht, sind die Entscheidungen, die jeder der Spieler fast sekündlich trifft. Wohin spiele ich den Ball? Wohin bewege ich mich im Raum? Wen und was muss ich bei der gegnerischen Mannschaft besonders im Auge haben? Wer sind meine bevorzugten Anspielpartner? Diese Entscheidungen führen zur Koordination von Verhalten und zur Entwicklung von Spielzügen. Das kontinuierliche und schnelle Entscheiden und die ebenso schnelle Verknüpfung von Entscheidungen wären nicht möglich, wenn jeder Spieler in jeder Situation neu überlegen müsste, an welchen Kriterien er seine Entscheidungen orientiert. Die ganze Mannschaft orientiert sich vielmehr an in vielen Mannschaftssitzungen und Strategiebesprechungen mit dem Trainer abgestimmten Entscheidungsprämissen: Was ist unsere Spieltaktik (Strategie)? Wer agiert in welcher Rolle (Aufbaustruktur)? Welche Abläufe müssen einfach sitzen (Prozesse)? Hinzu kommt eine durch die gemeinsame Geschichte als Team entstandene typische Spielkultur (das Innere des System-Diamanten: mentale Modelle, Muster, Narrative), die ebenfalls als Set von (unbewussten) Entscheidungsprämissen fungiert. Die Entscheidungsprämissen spannen also den Rahmen, innerhalb dessen Entscheidungen getroffen werden.

Der System-Diamant besteht, zugespitzt formuliert, aus den wesentlichen Entscheidungsprämissen, die in ihrem Zusammenspiel das Funktionieren einer Organisation ausmachen. Sie sind die bewussten und unbewussten Spielregeln, die das Wesen einer Organisation prägen. Mit Blick auf unseren System-Diamanten bezeichnen wir diese Entscheidungsprämissen als Strukturmerkmale.

Schauen wir zunächst auf die fünf Strukturmerkmale im Äußeren des Diamanten:

1. Business, 2. Ressourcen, 3. Aufbaustruktur, 4. Prozesse und 5. Management- und Bewertungssysteme. Denken Sie beim Weiterlesen diese fünf Strukturmerkmale direkt für Ihre eigene Organisation mit.

Die fünf Strukturmerkmale tragen wesentlich dazu bei, dass sich auch Ihre Organisation nicht jeden Tag neu erfinden muss: Sie setzen einen Rahmen und eine Richtung für konkrete Entscheidungen im Geschäftsalltag:

Die Definition Ihres Business hilft Ihnen zu entscheiden, worauf Sie am Markt und bei der Entwicklung Ihrer Leistungen den Fokus richten – und worauf nicht. Im Kern geht es hier um die grundlegende Entscheidung, mit welcher Leistung und welchem Geschäftsmodell Ihre Organisation ihr Geld verdient oder anderweitig Nutzen stiftet. Haben Sie Ihr Geschäftsmodell einmal definiert, haben Sie damit einen Rahmen für andere Entscheidungen geschaffen. Zum Beispiel auf welche Kunden Sie sich besonders konzentrieren sollten und welche eher nicht zu Ihrer Zielgruppe gehören. Oder welche Mitbewerber Sie genauer im Auge halten sollten und welche Sie ungestraft ausblenden können. Übrigens: Nicht nur gewinnorientierte Unternehmen, sondern auch Non-Profit-Organisationen haben ein »Business«.