Change Mindset - Sebastian Wächter - E-Book

Change Mindset E-Book

Sebastian Wächter

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Beschreibung

Vom Problemsucher zum Problemlöser - so gelingt Change! Das haben wir schon immer so gemacht... Diese Aussage fällt häufig, wenn es in Unternehmen um das leidige Thema Veränderung geht. Trifft diese Haltung jedoch auf eine Wirtschaftswelt, die sich immer schneller dreht, dann passiert, was passieren muss: Der Wandel scheitert. Sebastian Wächter beschreibt in seinem Buch, weshalb ein Change-Mindset der zentrale Faktor für einen erfolgreichen Veränderungsprozess ist. Ausgehend von seiner eigenen Lebenssituation als Querschnittsgelähmter schlägt er die Brücke zum Unternehmenskontext, um zu verdeutlichen, wie aus Veränderung letztlich Fortschritt wird. Dadurch beleuchtet er den überstrapazierten Begriff Change neu - anschaulich, inspirierend und überraschend kurzweilig.

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Seitenzahl: 154

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„Ich respektiere das Gegebene. Daneben aber freilich auch das Werdende, denn eben dies Werdende wird über kurz oder lang ebenfalls ein Gegebenes sein.

Alles Alte, so weit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben, aber für das Neue sollen wir recht eigentlich leben.“

THEODOR FONTANE „DER STECHLIN“ (I898)

INHALT

Einleitung

BEWUSSTSEIN

1.1 Wahrnehmung

1.2 Akzeptanz

1.3 Ressourcen

1.4 Rollenverständnis und Rollenanforderung

1.5 Das Kapitel in Kürze

ZIELE

2.1 Emotionalisieren des Zieles

2.2 Etappenziele

2.3 There is no I in Team

2.4 Das Kapitel in Kürze

VERANTWORTUNG

3.1 Wege zur Vermeidung

3.2 Bereitschaft zu Fehlern

3.3 Äußere Einflüsse

3.4 Weitere Aspekte der Verantwortung

3.5 Das Kapitel in Kürze

RESÜMEE

Dank

Literaturhinweise

Über den Autor

EINLEITUNG

Ich nehme Anlauf, um über den Bach zu springen. Noch einmal hole ich tief Luft und nehme bewusst wahr, wie sich meine Lunge mit der frischen Luft des eiskalten Dezembertages füllt. Dann sprinte ich los und springe kurz vor dem Bach ab. Doch irgendetwas stimmt bei dem Absprung nicht. Ich merke, dass ich nicht vom Boden wegkomme. Was ist los? Kurz vor dem Absprung hatte sich mein Fuß in einer Wurzel verhakt und ich stürze kopfüber in den Bach. Bevor ich es überhaupt richtig realisiere, schlage ich mit meinem Kopf im Bach auf und mit einem Mal wird es ruhig. Ich spüre, wie ein warmes Kribbeln durch meinen ganzen Körper fährt. Die Welt bleibt für ein paar Sekunden stehen und es wird unheimlich hell um mich herum. In diesem Moment gibt es keinen Schmerz. Tatsächlich fühle ich mich so geborgen wie noch nie. Ich möchte das Gefühl genießen, möchte loslassen, denn nie mehr werde ich so ein wohliges Gefühl empfinden. Dann liege ich da in diesem Bach. Das eiskalte Wasser umspült meinen Körper und ich kann mich nicht mehr bewegen. Langsam steigt Panik in mir auf und mein ganz persönlicher, sehr radikaler Veränderungsprozess beginnt genau in diesem Moment.

Der Sturz passierte am Samstag, den 8. Dezember 2007, beim Wandern. Wie es dazu kam, vor allem aber wie es danach für mich weiterging, das wirst du im Laufe des Buches noch genauer erfahren. Heute, 13 Jahre später, darf ich behaupten, dass ich den Unfall und alles, was er an Veränderung bedeutete und mit sich brachte, überwunden habe. Trotz dieses Schicksalsschlags führe ich ein glückliches und erfolgreiches Leben.

Meine Aufgabe heute ist es, Unternehmen und Privatpersonen dabei zu unterstützen, die Herausforderungen ihrer eigenen Change-Projekte zu bewältigen. Sowohl mein Wirtschaftsmathematik-Studium wie auch die jahrelange Tätigkeit als Aktienanalyst erlauben mir, einen fundierten Blick auf die Prozesse und Herausforderungen in den Unternehmen zu werfen. Aber viel wichtiger und wertvoller sind meine Erfahrungen aus dem Umgang mit meiner Querschnittslähmung und meine Ausbildungen zum Mentalcoach und Redner. Diese besondere Mixtur ermöglicht es mir, das leidige sowie auch arg strapazierte Thema Change aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ich merke immer mehr, dass die Herausforderungen eines Veränderungsprozesses nicht mehr darin liegen, bestimmte Verfahren zu finden oder einen passenden Prozess zu definieren bzw. aufzusetzen. Dieses Wissen rund um das Thema Change-Management, das zum großen Teil aus dem Projektmanagement übertragen wurde, ist nämlich inzwischen bei den Unternehmen und Führungskräften selbst in kleinen und mittelständischen Unternehmen mehr als ausreichend vorhanden.

Das eigentliche Problem von Veränderungsprozessen ist vielmehr die Führungskraft oder der Mitarbeiter selbst. Die Menschen und ihre inneren Haltungen und Einstellungen, mit der Veränderungen angegangen werden, sind viel entscheidender als jedes noch so erfolgversprechende Verfahren. Denn die innere Haltung ist wesentlich dafür verantwortlich, wie der Veränderungsprozess umgesetzt wird. Ob mit Herzblut und Teamspirit alles daran gesetzt wird, um das Unternehmen einen deutlichen Schritt weiterzubringen und wieder konkurrenzfähig zu machen, oder ob aus Frust und Widerwillen lediglich Dienst nach Vorschrift gemacht wird, und letztlich Gleichgültigkeit darüber herrscht, wie das Ergebnis aussieht. Oder ob sogar aus Angst und Verunsicherung das Projekt lieber erst gar nicht angegangen und eine Vogel-Strauß-Politik betrieben wird. Eines ist dabei klar: Veränderung bedeutet immer Anstrengung und Opfer von allen Beteiligten. Die entscheidende Frage lautet: Sind die Beteiligten auch dazu bereit?

Während meiner Ausbildung zum Mentalcoach hieß es immer wieder, dass die innere Haltung des Coaches und die des Coachees zu 99 Prozent über den Erfolg des Coaching-Prozesses entscheiden. Nach all meinen Erfahrungen zum Thema Change bin ich überzeugt, dass auch bei unternehmensinternen Veränderungsprozessen diese innere Einstellung der Führungskräfte und Mitarbeiter der mit Abstand wichtigste Faktor ist. Wahrscheinlich sind es keine 99 Prozent, sondern vielmehr 80 bis 90 Prozent, da Diagnoseverfahren, Marktanalysen, ein ordentliches Projektmanagement uvm. für erfolgreiche Veränderungsprozesse ebenfalls nicht zu verleugnen sind. Aber wer seinen Change-Prozess wirklich erfolgreich gestalten will, der ist auch in der Lage, sich entsprechendes Wissen über diese Prozessvorgänge im Kontext von Veränderungen anzueignen. Dies ist meine bisherige Erfahrung.

Deshalb stelle ich in diesem Buch das Change-Mindset in den Mittelpunkt. Ja, du hast richtig gelesen. Ich wage es, zwei der größten „Buzz-Words“ unserer Zeit zu vereinen. Denn genauso wie der Begriff „Change“ ist inzwischen auch die Vokabel „Mindset“ deutlich überstrapaziert. „Mindset“ klingt erst einmal gut, kommt aus Amerika und keiner weiß so ganz genau, was dahintersteckt, verwendet es aber trotzdem. „Mindset“ ist in bestimmten Kontexten ein Allheilmittel. Also werde ich dem Begriff etwas mehr Gestalt geben.

Ich übersetze Mindset ganz bewusst etwas sperrig mit „Zustand unserer Gedanken“, da ich finde, dass Übersetzungen wie „Einstellung“, „Mentalität“ oder etwa „Weltanschauung“ zu kurz greifen. Sie beschreiben Mindset nicht umfänglich genug und vor allem geben sie keinen Hinweis darauf, wie ich vorgehen soll, wenn ich an meinem Mindset arbeiten möchte – was wir im Laufe des Buches tun wollen. Wir möchten lernen, wie wir den Zustand der Gedanken in Bezug auf das Thema Change – bei uns selbst oder bei anderen – so verändern können, dass wir das gewünschte Ziel erreichen, nämlich einen erfolgreichen Veränderungsprozess. Dennoch werde ich hin und wieder auch die Bezeichnungen „Denkmuster“ oder „innere Haltung“ als Synonym für Mindset verwenden, da sie weniger sperrig sind und der Bedeutung des Begriffes doch recht nahekommen.

Im Verlauf meiner Querschnittslähmung habe ich immer wieder gemerkt, wie entscheidend der Zustand meiner Gedanken ist. Insbesondere wenn es darum ging, in meiner Entwicklung den nächsten Schritt zu machen, bei Rückschlägen wieder aufzustehen oder etwa Chancen zu ergreifen – wobei diese drei Faktoren metaphorisch zu betrachten sind, da ich weder laufen noch stehen kann und auch meine Hände von der Lähmung betroffen sind. Ebenso habe ich miterlebt, was aus Querschnittsgelähmten geworden ist, deren gedanklicher Zustand destruktiv war und damit ihrem Entwicklungsprozess im Wege stand, was nur schwer erträglich mit anzusehen war.

Bei diesen destruktiven Zuständen spreche ich von sogenannten Barrieren, die unser Mindset beeinträchtigen. Solche Barrieren können unter anderem sein, dass

wir nicht bereit sind, eine Situation voll und ganz zu akzeptieren.

wir uns von anderen Menschen bei unserem Vorhaben entmutigen lassen.

wir aus Angst vor Fehlern überhaupt nicht bereit sind, zu agieren.

Diese und viele weitere Hindernisse musste ich überwinden, um nach meiner Querschnittslähmung die Veränderung von einem vollständig pflegebedürftigen zu einem eigenständigen Leben zu schaffen.

Und diese Barrieren existieren ebenso in vielen Unternehmen. Die entsprechenden Aussagen, die ich häufig höre, lauten:

„Es läuft doch bisher noch ganz gut.“

„Das hat bei der anderen Abteilung schon nicht funktioniert.“

„Dafür bin ich nicht zuständig.“

Wenn wir Veränderung im Unternehmen wollen und wenn wir wollen, dass dieser Prozess erfolgreich verläuft, dann brauchen wir Mitarbeiter, die „barrierefrei im Kopf“ werden. Das ist zwar eine anspruchsvolle Aufgabe, wie sich im Laufe des Buches herausstellen wird, wobei aber die gute Nachricht hierbei ist, dass die Arbeit sich langfristig auszahlen wird. Denn die Veränderungen in unserer Wirtschaftswelt werden zukünftig sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihrer Intensität nicht abnehmen – ganz im Gegenteil. Die Geschwindigkeit, mit der sich die wirtschaftlichen Bedingungen ändern, wird voraussichtlich nie wieder so langsam sein wie heute. Unternehmen, die in der Lage sind, schnell und erfolgreich darauf zu reagieren, werden somit die Sieger des Wandels sein.

Wie ich schon angedeutet habe, sind die Parallelen zwischen meinen persönlichen Herausforderungen und jenen in Unternehmen groß. Daher gehe ich in diesem Buch – wie auch in meinen Vorträgen – autobiografisch anhand der Erkenntnisse aus meiner Querschnittslähmung vor und schlage schließlich die Brücke zum Unternehmenskontext. Dadurch möchte ich dir die einzelnen Aspekte möglichst anschaulich vermitteln und dir außerdem die Emotionen, die mit den einzelnen Schritten hin zu einem Change-Mindset verbunden sind, näherbringen – wohlwissend, dass „Emotion“ ein in der Arbeitswelt ungern verwendeter Begriff ist. Gerade die Berücksichtigung der Emotionen aller Beteiligten in den Veränderungsprozessen kommt meist viel zu kurz, darf aber keinesfalls vernachlässigt werden, denn bei Veränderungen geht es immer auch um Menschen, – und Menschen ohne Emotionen gibt es nun einmal nicht. Es ist also folglich unbedingt notwendig, dass das Thema Emotionen in den Unternehmen angemessene Berücksichtigung findet.

Da die Entwicklung eines Change-Mindset eben kein Leichtes ist, werde ich dir am Ende einiger Kapitel konkrete Übungen an die Hand geben. Dadurch kannst du verschiedene Bereiche des Change-Mindsets bei dir selbst oder bei deinen Mitarbeitern tatsächlich anpacken und auf das nächste Level heben. Damit der Lesefluss nicht gestört wird, findest du diese nicht in abgedruckter Form am Ende dieser Kapitel, sondern sie stehen dir jeweils durch einen Link an dortiger Stelle online zur Verfügung. Zusätzlich hast du unter www.barrierefrei-im-kopf.de/buch-change-mindset/ die Möglichkeit, alle Übungen gebündelt und in entsprechender Formatvorlage als PDF anzufordern. Dann lasse ich sie dir gerne kostenlos zukommen, somit kannst du die Übungen jederzeit alleine durchgehen. Viel Spaß damit! Falls du regelmäßigen Input zum Thema Change-Mindset erhalten möchtest, dann lege ich dir meinen Podcast „Change Mindset“ ans Herz.

Ich freue mich, dich dabei zu unterstützen, ein Change-Mindset zu entwickeln. Denn Veränderung ist kein Selbstzweck. Veränderung soll zum Fortschritt führen. Nur deshalb verändern wir uns. Los geht’s!

1. Kapitel

BEWUSSTSEIN

Das Handy vibriert auf dem Nachttisch und reißt mich aus meinen Träumen. Bevor ich realisieren kann, wo ich bin und was los ist, hat es schon wieder aufgehört. Es war nur eine SMS. Auch meine Freundin, Stefanie, wurde geweckt und dreht sich noch einmal in meinen Armen. Unsere Beziehung ist noch sehr frisch. Vor gerade einmal einem Monat sind wir nach langem Hin und Her und dem ein oder anderen Fettnäpfchen, in das ich hineingetreten bin, zusammengekommen. Am Vorabend habe ich sie auf einer Geburtstagsfeier stolz meinen Freunden vorgestellt.

In meinem Leben scheint in diesem Moment alles wie am Schnürchen zu laufen. Ich bin vor kurzem 18 Jahre alt geworden, darf endlich Auto fahren, das Abitur scheint nur noch eine Formsache zu sein, ich bin in die erste Mannschaft unseres Fußballvereins aufgerückt und ein wunderschönes Mädchen liegt in meinen Armen. Das sind die wichtigen Sachen im Leben eines 18-Jährigen.

Vorsichtig schiebe ich meinen Arm unter dem Kopf meiner Freundin hervor, um nach dem Handy zu greifen und die SMS zu lesen: „Das Spiel entfällt heute. Der Platz ist nicht bespielbar.“ So ein Mist! Ich hatte es schon fast vermutet, weil es die letzten Tage sehr stark geregnet hatte. Dabei hatte ich mich so auf das Spiel gefreut.

„Hast du die SMS bekommen?“, fragt mich mein Bruder, der Torwart in unserer Mannschaft ist, als ich gemeinsam mit Stefanie ins Esszimmer komme.

„Ja, habe ich. Das ist wirklich ärgerlich. Das Wetter wäre top zum Fußballspielen. Es ist zwar schon etwas kühl, aber die Sonne scheint herrlich“, erwidere ich.

Nach dem späten Frühstück bringe ich Stefanie noch zu Tür. Wir verabreden uns für morgen Mittag und verabschieden uns mit einem Kuss.

„Was machen wir nun am Nachmittag?“, frage ich meinen Bruder. „Für die Schule muss ich nichts mehr tun und mit den Jungs treffe ich mich erst gegen sechs Uhr abends.“

„Ja, ich habe mir den Nachmittag auch für das Fußballspiel freigehalten“, sagt er.

„Wollen wir wieder Wandern gehen?“, will ich wissen. Im letzten Jahr wurde das unser gemeinsames „Geschwisterding“ – längere Wanderrouten im nahegelegen Steigerwald. Wir lieben beide die Natur und die Bewegung. Dabei war auch immer genügend Zeit für längere Gespräche über die wirklich wichtigen Dinge dieser Welt – der Welt eines 18- und 23-Jährigen. Dadurch lernten wir uns immer besser kennen und unsere Bindung wurde enger.

„Ja klar, warum nicht. Wollen wir unsere Standardroute gehen? Die passt zeitlich gut rein“, stellt mein Bruder fest.

Eine gute Stunde später steigen wir – beide in unserer Wandermontur – im Steigerwald aus dem Auto aus. Die Luft ist frisch und rein. Der Reif hat sich wunderschön über die Gräser und Sträucher gezogen. Ab und zu lugt die Sonne durch die Bäume. Es ist ein Dezembertag zum Genießen. Es kann losgehen.

Auf halber Strecke kommen wir schließlich an diesen Bach. Er ist ungefähr zwei Meter breit.

„Gut 500 Meter weiter oben führt ein kleiner Steg über den Bach. Das ist kein großer Umweg“, sagt mein Bruder.

„Ach was, da können wir locker hinüberspringen. Überhaupt kein Problem. Den Umweg sparen wir uns“, erwidere ich. Ohne groß zu diskutieren, nickt mein Bruder, nimmt Anlauf, springt ab und landet auf der anderen Seite. Er winkt mir zu.

„Ja, das war leicht. Komm rüber!“, ruft er.

Auch ich nehme Anlauf und damit nimmt auch das Schicksal seinen Lauf. Wie du inzwischen weißt, sind das die letzten Schritte, die ich auf meinen Beinen gelaufen bin. Am Nachmittag des achten Dezembers 2007 springe ich in ein neues Leben – ein tragischer Moment für meine Familie, mein Umfeld und für mich. Alles verändert sich. Change!

Dann liege ich in diesem Bach. Ich merke sofort, dass etwas passiert ist, was nicht mehr rückgängig zu machen ist – etwas Schlimmes. Durch einen Bandscheibenvorfall, den ich zwei Jahre zuvor hatte, kannte ich mich mit der Wirbelsäule und der Neurologie unseres Körpers ganz gut aus. Das Wort Querschnittslähmung schwirrt durch meinen Kopf. Mein Bruder ist schockiert, ich bin schockiert. Die gesamte Situation hatte sich fundamental gedreht. Mein Organismus ist in Alarmbereitschaft. Er schüttet Hormone aus wie Cortisol, Cortison, Noradrenalin und Adrenalin und zwar in so hohem Ausmaß, dass es zu der Nahtod-Erfahrung kommt, die ich bereits zu Anfang beschrieben habe. Aber danach passiert etwas Spannendes. Ich „funktioniere“. Trotz dieser Extremsituation sind mein Verstand und mein Bewusstsein sehr scharf.

1.1 Wahrnehmung

In unternehmensinternen Veränderungsprozessen beobachte ich häufig, dass das Bewusstsein innerhalb des gesamten Unternehmens oder der betroffenen Einheiten alles andere als scharf ist. Es steht dem Wandel im Weg. Es ist eine Barriere.

Unser Bewusstsein arbeitet selektiv. Es ist verantwortlich dafür, welche äußeren Eindrücke wir bewusst, unbewusst oder eben gar nicht wahrnehmen. Diese Eindrücke werden über unsere Sinne (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken) aufgenommen und im Anschluss weiterverarbeitet. Nun prasseln allerdings pro Sekunde mehrere Milliarden Reize auf uns ein, wovon circa 11 Millionen von unserem Gehirn aufgenommen werden – eine beachtliche Menge und eindeutig zu viel für unser Bewusstsein. Um diese Flut an Reizen zu bewältigen, selektiert unser Gehirn die Reize und sorgt dafür, dass letztlich nur etwa 40 von ihnen pro Sekunde bewusst wahrgenommen werden. Nun ist die entscheidende Frage: Wie werden die Eindrücke gefiltert? Denn wenn unser Mindset der Zustand unserer Gedanken ist, dann ist es ganz entscheidend, was wir von der Außenwelt wahrnehmen. Das ist nämlich das Futter für unsere Gedanken – frei nach dem Motto meines Statistikprofessors: „Garbage in, garbage out!“ („Wo Müll vorne hineinkommt, kommt auch Müll hinten wieder heraus.“).

Im Rahmen dieses Buches würde es zu weit führen, diesen Selektionsprozess mit all seinen Aspekten zu analysieren. Wir müssten zu tief in die Neurowissenschaften, Hirnforschung und Neurobiologie einsteigen. Auf einen ganz bestimmten Aspekt, der für unseren Filter insbesondere in Bezug auf Veränderung wichtig ist, möchte ich jedoch näher eingehen, nämlich auf das Vermeiden von Anstrengung beziehungsweise das Einsparen von Energie. Unser energieeffizientes Verhalten hat ihren Ursprung in der Zeit, als wir noch in Höhlen lebten und uns mit dem Fell unserer Beute kleideten. Zu dieser Zeit war es anstrengend und gefährlich, Nahrung zu besorgen, weshalb das Einsparen von Energie ganz entscheidend für das Überleben war.

Habe ich bereits erwähnt, dass Veränderung immer auch Anstrengung und Opferbereitschaft mit sich bringt? Der sicherste Weg, diese Anstrengung zu vermeiden, ist, jegliche Anzeichen für Veränderung erst gar nicht wahrzunehmen. Was wir ausblenden, ist für unser Bewusstsein nicht existent. Das ist ein Grund dafür, warum die große Masse der Mitarbeiter eines Unternehmens die Notwendigkeit eines Wandels gar nicht erst sieht. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Besser also, man erstickt eventuelle Anstrengungen gleich im Keim. Dabei interessiert der Aspekt, dass die Beschaffung von Nahrung inzwischen weder anstrengend noch gefährlich ist, niemanden. Es ist offensichtlich schwierig, gegen unsere alten Instinkte zu handeln. Zu tief sind sie in uns verwurzelt.

Insofern ist es unerlässlich, dass die Verantwortlichen eines Change-Projektes zuallererst am Bewusstsein der beteiligten Mitarbeiter arbeiten. Die Menschen müssen zunächst einmal erkennen, wo sich die Problemfelder im Unternehmen befinden. Sonst fehlt im Vorfeld das Verständnis für eine nötige Veränderung. In seinem empfehlenswerten Buch Leading Change beschreibt John P. Kotter diesen Schritt im Change-Prozess mit der Überschrift „Dringlichkeit erzeugen“. Wenn zum Beispiel die Geschwindigkeit des Umsatzwachstums abnimmt, die Marge stagniert oder vereinzelt kritische Kundenstimmen laut werden, dann sind dies schon erste Anzeichen dafür, dass sich ein Veränderungsbedarf entwickelt. Jedoch fehlt bei vielen Führungskräften häufig das entsprechende Bewusstsein dafür. In solch einem Stadium wären oftmals kleine Maßnahmen ausreichend, um die Geschäftsprozesse entsprechend anzupassen oder kleinere Verbesserungen bei den Produkten vorzunehmen. Die Veränderungsintensität, wie es im Fachjargon heißt, wäre gering. Und eine entsprechende Aktion müsste gar nicht mit dem mächtigen und bei vielen Mitarbeitern Angst einflößenden Begriff „Change“ bezeichnet werden. Deshalb ist mein erster Schritt in den Unternehmen, zunächst bei den Führungskräften selbst ein höheres Bewusstsein für die Anzeichen von Veränderungsbedarf zu erzeugen. Zu diesem Zweck empfehle ich, sich täglich oder zumindest wöchentlich folgende Fragen zu stellen und die entsprechenden Antworten aufzuschreiben:

Wie reagieren Kunden auf unsere Leistungen/Produkte?

Welche Aussagen sind bei den Mitarbeitern auffällig?

Wie äußern sich Lieferanten über die Zusammenarbeit mit uns?

Wie verläuft die Margenentwicklung?

Was ist auf der Umsatzseite auffällig?

Welcher Handlungsbedarf entsteht dadurch?

Durch dieses tägliche Hinterfragen werden nach und nach wichtige Faktoren für Wandel in den Selektionsprozess unseres Bewusstseins aufgenommen. Wir trainieren somit unsere Wahrnehmung. Denn eines ist klar: Alte Verhaltensweisen abzulegen ist ein Prozess, der Zeit und Disziplin erfordert.

Das geht nicht von heute auf morgen, auch wenn es viele meiner Kunden gerne so hätten. Schließlich haben wir in der Regel unser Bewusstsein viele Jahre darauf gepolt, Anstrengung zu vermeiden. Das Erzeugen eines Change-Mindset bei Führungskräften ist aufwendig und benötigt Zeit, ist aber meiner Meinung nach unerlässlich.