Charles III. – Mit dem Herzen eines Königs - Catherine Mayer - E-Book
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Charles III. – Mit dem Herzen eines Königs E-Book

Catherine Mayer

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Beschreibung

König Charles, wie man ihn noch nicht kennt

Diese bahnbrechende Biografie über König Charles zeigt ihn in einem völlig neuen Licht: als eine komplexe Persönlichkeit mit vielen Passionen, getrieben von seiner Vergangenheit und der ganz klaren Philosophie, aktiv zu agieren. Die Bestsellerautorin und preisgekrönte Journalistin Catherine Mayer, die sich seit Jahrzehnten intensiv mit der Welt der britischen Königsfamilie befasst, hat direkten Zugang zu Charles und seinen engsten Vertrauten. Entstanden auf der Basis zahlreicher Interviews mit dem engsten Kreis der Freunde, Wegbegleiter, Mitarbeiter und auch mit ihm selbst, zeigt dieses Buch auf jeder Seite: Schon als Prinz war Charles weitaus mehr als nur der künftige König in Warteschleife.

Dies ist die aktualisierte und erweiterte Neuausgabe des Sunday-Times-Bestsellers »Charles – Mit dem Herzen eines Königs«

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Seitenzahl: 848

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Er ist eine der faszinierendsten Persönlichkeiten unserer Zeit und doch zugleich immer noch ein großer Unbekannter: König Charles III., zur Zeit seiner Krönung mit 73 Jahren der älteste Thronfolger der britischen Geschichte. Schon in den Jahren zuvor hat er – als leidenschaftlicher Verfechter seiner Überzeugungen – den Grundstein für eine neue Interpretation der britischen Monarchie gelegt, an der er seine Regentschaft orientieren wird.

Auf der Basis zahlreicher Interviews mit Wegbegleitern, Kritikern, Mitarbeitern und auch mit ihm selbst führt diese Biografie mitten hinein in das Universum des neuen Königs und gewährt überraschende Einblicke in seine Persönlichkeit, seine Gedankenwelt und auch in sein Alltagsleben als Prinz in der Residenz Clarence House. Darüber hinaus liefert Catherine Mayer eine längst überfällige Neubewertung einer der meistdiskutierten Episoden der modernen Adelsgeschichte: der Ehe mit Diana.

Fesselnd, überraschend offen, bisweilen humorvoll macht diese Biografie unmissverständlich klar: Bereits als Prinz hat der Philanthrop, Aktivist, passionierte Umweltschützer und Biobauer Charles vieles bewirkt – in seiner Rolle als König wird dieser Mann Großbritannien noch weit aktiver gestalten als dies bisher üblich war.

Diese erweiterte und aktualisierte Taschenbuchausgabe enthält zwei zusätzliche Kapitel über das britische Königshaus und die Skandale der letzten Jahre.

Catherine Mayer ist Journalistin und berichtet seit drei Jahrzehnten über internationale Politik und Zeitgeschichte. Sie war Leitende Redakteurin bei der Zeitschrift Time sowie Vorsitzende der Foreign Press Association in London und hat bereits zahlreiche Führungspersönlichkeiten interviewt: Präsidenten und Premierminister, Prominente aus Kultur und Wirtschaft, genauso wie Mitglieder des britischen Königshauses. Als Autorin hat Catherine Mayer mit ihrem Buch über die Vorzüge und Gefahren der Alterslosigkeit, Amortality, für Aufsehen gesorgt. Sie lebt in London.

Catherine Mayer

CHARLES III.

Mit dem Herzen eines Königs

Die Biografie

Aus dem Englischen von Barbara Steckhan, Christa Prummer-Lehmair, Sabine Lohmann, Andreas Gressmann und Bernhard Schmid

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe erschien 2015 bei WH Allen, einem Imprint von Ebury Publishing, London, unter dem Titel: Charles. The Heart of a King.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

›Always Look On The Bright Side of Life‹: Words and Music by Eric Idle Copyright © 1990 Python (Monty) Pictures Limited. Universal Music Publishing Limited. All Rights Reserved. International Copyright Secured. Used by permission of Music Sales Limited.

›These Hands‹: Words and Music Copyright © Dave Gunning. Used by permission.

Copyright © 2015 by Catherine Mayer

Catherine Mayer has asserted her right to be identified as the author of this work in accordance with the Copyright, Designs and Patents Act 1988

First published by WH Allen, an imprint of Ebury Publishing, London. WH Allen is part of Penguin Random House UK.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

http://www.heyne.de

Redaktion: Boris Heczko, Berlin, Angela Kuepper, München und Petra Kaiser, Grünstadt

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, nach einer Originalvorlage von Two Associates, London

Umschlagfoto vorne: © Ben A. Pruchnie/ Getty Images

Umschlagfoto hinten: © Tim Graham/ Getty Images

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-30682-3V001

Für Andy, auf ewig

Inhalt

Vorwort zur Neuausgabe 2022

Teil 1

Kapitel 1: Raus mit dem Neuen, rein mit dem Alten

Kapitel 2: Stinkreich

Teil 2

Vorwort zur Ausgabe von 2015

Kapitel 3: Ein Tag aus seinem Leben

Kapitel 4: Im Schatten der Mutter

Kapitel 5: Ein Prinz unter Menschen

Kapitel 6: Der Herzbube

Kapitel 7: Unter Wölfen

Kapitel 8: Vertrauen und Zuversicht

Kapitel 9: Regent im Wartestand

Kapitel 10: Architektur-Kontroversen

Kapitel 11: Der Ritter des Commonwealth

Kapitel 12: Eine Trumpfkarte im Ausland

Kapitel 13: Harmonien und Disharmonien

Kapitel 14: Gibt es Alternativen?

Kapitel 15: Der König schütze Gott

Kapitel 16: Heilige Räume

Kapitel 17: Glücklich und in aller Munde

Kapitel 18: Könige von morgen

Ausblick

Anhang

Anmerkung der Autorin

Dank

Auswahlbibliografie

Anmerkungen

Register

Bildteil

Vorwort zur Neuausgabe 2022

Er weiß, er muss jeden Augenblick kommen, dieser Anruf, vor dem ihm von Kindesbeinen an graut. Dann folgen zehn Tage Zeremoniell, bis ins Detail durchgeplant, jeder seiner Schritte vom Protokoll diktiert. Man hat sich auf all das bereits vor über zehn Jahren geeinigt, kürzlich allerdings einige Änderungen vorgenommen, welche die jüngst entstandenen Lücken an der Familienspitze widerspiegeln. Monatelang brüteten Spitzenbeamte über dem minutiösen Ablaufplan, diskutierten die Symbolik, feilten an einer tröstenden Botschaft, die zugleich Erneuerung verheißen soll. Wie aber mit dem Konflikt im Herzen all dieses Gepränges umzugehen sei, damit ließ man den Hauptakteur freilich völlig allein. Durch seine Ernennung zum König verliert Charles so manches, was ihm lieb und teuer ist, womit der Katalog von Kummer und Fährnissen, der ihn erwartet, jedoch erst beginnt. Sein ganzes – nicht immer leichtes – Leben steht im Zeichen einer einzigartigen Bestimmung: die Krone zu erben, sie zu bewahren und weiterzugeben. Bis in die jüngste Zeit nahm sich nur die erste dieser Pflichten beängstigend aus.

Die Liebe eines Sohnes zu seiner Mutter, seine Scheu davor, an ihren Tod auch nur zu denken, die überwältigende Trauer, wenn es dann so weit sein sollte: All das sollte offenkundig sein, wird jedem offenkundig sein, der ihn kennt. Aber selbst dann, und trotz des Umstandes, dass er während der Rituale von Staatstrauer und Thronbesteigung im schonungslosen Licht der Öffentlichkeit stehen wird, kann er durchaus nicht auf einhelliges Mitgefühl hoffen. Das liegt nicht nur daran, dass die meisten Länder, denen Königin Elizabeth II. als Staatsoberhaupt gedient hat, ihrer mit enormem Aufwand gedenken werden oder dass man sich der Berichterstattung rund um die Uhr nirgendwo auf der Welt wird entziehen können, es ist vielmehr so, dass die Tränen und Achtungsbezeigungen von Menschen, die gelernt haben, ihre Gefühle offen zu zeigen, womöglich ansprechender sind als die seinen.

Darüber hinaus zwingt uns das Ableben von Prominenten, uns unseren eigenen Verlusterfahrungen, Ängsten und Schwächen zu stellen, und die Queen ist nun einmal die berühmteste Frau der Welt. Seit fast einem Jahrhundert ist sie nun, so fern auch immer, in unserem Bewusstsein präsent. Nur ein verschwindend kleiner Teil der Weltbevölkerung hat nie von der Queen gehört. Im Februar 2022 setzte sie mit siebzig Jahren auf dem Thron einen neuen Maßstab: Kein britischer Monarch hat länger regiert als sie. Sie definierte die eigene Rolle, bestimmte ihre Bedingungen, durch Leben und Tat ein Modell. Aber die Beziehung ihrer Zeitgenossen zu ihr geht noch tiefer: Überall gibt es Menschen, die von ihr träumen, ohne dass sie wüssten, warum.1 Sie ist, in welchem Ausmaß auch immer, Teil unserer Erinnerung. Für viele steht sie für Beständigkeit, für Unempfänglichkeit gegenüber Modetorheiten, vielleicht auch für das trügerische Versprechen von Unsterblichkeit. Wenn sie stirbt, könnte die Wucht des Schmerzes, in all seiner unartikulierten Tiefe, ihrem Erben durchaus Auftrieb geben, ihn womöglich aber auch in die Tiefe ziehen.

Das Gewicht seiner Vergangenheit lastet schwer auf ihm. Unser Eindruck von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist nicht nur von gesellschaftlichen Einstellungen geprägt, sondern auch von Narrativen, die sich, einmal ausgebracht, als schwieriger auszumerzen erweisen als Giersch. Durch die Scheidung von der einzigen Frau, deren Gesicht nicht weniger bekannt, aber um ein Vielfaches ausdrucksvoller war als das der Queen, schrieb sich der Prince of Wales, wenn auch unbeabsichtigt, die Rolle des kalten, leidenschaftslosen Egoisten auf den Leib. Doch auch wenn Zweiteres nicht ganz von der Hand zu weisen ist, könnte Ersteres der Wahrheit nicht ferner sein: Charles ist ein ausgesprochen gefühlvoller Mensch. Nichtsdestoweniger läuft er Gefahr, die alte Mär zu bekräftigen, wenn er die Riten zu Ehren seiner Mutter – so wie man es ihm anerzogen hat und wie sie es von ihm erwartet hätte – gesetzt und nach außen hin ungerührt absolviert.

So oder so wird bei einigen die Abneigung gegen die Monarchie – oder Charles persönlich – ihrem Mitgefühl für ihn im Wege stehen; bei anderen wird Trauer in Gereiztheit umschlagen, wenn Sportveranstaltungen, Festivals und Lieblingssendungen den Feierlichkeiten zum Opfer fallen. Dass beide, Charles wie auch seine Mutter, alt sind – im Augenblick der Niederschrift dieser Zeilen, 73 respektive 96 –, lässt sich nicht bestreiten. Aber während es der Königin durch ihre unermüdliche Arbeit bis in die zehnte Lebensdekade hinein gelang, die kulturell bedingte Unterbewertung des Lebens ihrer älteren Untertanen zu überwinden, wird ihrem Sohn in diesem Punkt wohl weniger Glück beschert sein. Sie hatte ein langes, erfülltes Leben, wird man dem angeschlagenen König sagen, ganz so, als wäre die Trauer um jemanden jenseits der durchschnittlichen Lebenserwartung des Guten zu viel. Auch wird, einem weiteren, damit eng verbundenen Vorurteil geschuldet, aufgrund Charles’ fortgeschrittenem Alter an seiner Eignung als Thronfolger gezweifelt.

Wären dies normale Zeiten, nichts von alledem würde seine Chancen auf eine erfolgreiche Regentschaft ernsthaft tangieren, aber es sind dies nun einmal keine normalen Zeiten. Charles benötigt jedes Gran Wohlwollen, das er bekommen kann. Seine Mutter hat zahlreiche Prüfungen bestanden. Diese sind jedoch nichts gegen die Herausforderungen, denen er sich gegenübersieht – so einige davon seine eigene Schuld oder die der Familie und der »Firma«, wie man die Gesamtheit der Haushalte aus den Reihen der Royals auch nennt.

Die vorliegende Biografie, erstmals 2015 erschienen, dann für die Taschenbuchausgabe im folgenden Jahr auf den neusten Stand gebracht, bietet eine eingehende Analyse des künftigen Königs. Der Charakter ist ein wichtiger Punkt bei der Einschätzung jedweder Art von Führungspersönlichkeit, besonders aber bei einem Monarchen, der die Rolle eher in den Schoß gelegt – oder auf den Hals geladen – bekommt, als dass er sie sich verdienen müsste, und der sich von vielen der Kontrollmechanismen befreit sieht, die Politikern oder Managern in ihrem Handeln Regeln vorgeben. Charles klammert sich an Konventionen und gesetzlich verbriefte Privilegien, die ihn und die Arbeit seines Hofes – seine Interventionen, Initiativen, Organisationen und Finanzen – vor der unmittelbaren Einsicht bewahren. Sein Bildnis ziert Briefmarken und Münzen; sein Porträt schmückt offizielle Gebäude über die verbliebenen Reste des Empires hinweg; sein Klon wurde uns in Medienberichten aufgetischt und in Film, Funk und Fernsehen dramatisiert, aber ein klares Bild von ihm haben wir nicht. Ein Gutteil von dem, was über ihn geschrieben und berichtet wird, geht am Thema vorbei, ist schlicht falsch, wenn nicht gar lächerlich. Er beklagt sich oft und gerne darüber, hält aber nach Kräften die Systeme am Leben, die zu derlei Verzerrungen führen.

Mein Bericht, der sich sowohl auf einen ungewöhnlich großzügigen Zugang zu ihm selbst als auch auf Interviews mit Freunden und Kritikern, Insidern am Hofe und gut informierte Kreise stützt, enthüllte eine komplexe Persönlichkeit voll menschlicher Widersprüche, mal gewollt witzig, mal ungewollt, geprägt von einem – in seinem Fall wörtlich zu nehmenden – Anspruchsdenken und dennoch voll Unsicherheiten – und alles in allem einnehmender, als man erwarten würde. Meine Recherche legte darüber hinaus die Schlüsselelemente der sich zusammenbrauenden Krise offen, die heute die Dynastie der Windsors bedroht: Fehler und organisatorische Schwächen, unzuträgliche Verhaltensweisen, die man unter den Teppich kehrte, anstatt sie zu unterbinden. Interne Machtkämpfe untergraben jedwede Bemühung, die sich bekriegenden königlichen Parteien wieder zu einen. Skandale rütteln an den Toren des Palastes. Immer wieder bringt sein überraschendes Glaubenssystem Charles in die Bredouille. Aber ich möchte hier nicht vorgeben, das alles bereits im Voraus gewusst zu haben. Die Fundamente der Monarchie erschienen mir und der überwiegenden Mehrheit der von mir befragten Quellen für eine so alte Institution doch überraschend stabil. Meinungsumfragen erhärteten diese Sicht. Dieser Tage freilich sind die sich weitenden Risse nicht mehr zu übersehen.

Was ist passiert? Was hat das Bild so drastisch verändert? Ich leite die hier vorliegende Neuausgabe mit zwei neuen Kapiteln ein, die diese Frage ebenso unter die Lupe nehmen wie die sechs dazwischenliegenden Jahre, die der Institution so zugesetzt haben: die Harry-und-Meghan-Jahre, die Prinz-Andrew-und-Jeffrey-Epstein-Jahre, die Geld-gegen-Titel-Jahre und die Jahre innerfamiliären Zwists und seine Folgen: Aufsplittung und Zerfall.

Wirkt jede dieser Entwicklungen für sich schon zersetzend, so sehen wir ihre Wirkung im Zusammenspiel potenziert. Beim Gottesdienst anlässlich Prinz Philips Begräbnis 2021 saß die Königin, ein Bild der Trauer und der Würde, in sich zusammengesunken allein in ihrer Bank, nicht zuletzt weil aufgrund der Covid-Maßnahmen die Messe von königlichem auf das Maß Normalsterblicher reduziert worden war. Zur Zeit der bereits wieder größer angelegten Feierlichkeiten zu Philips Gedächtnis im folgenden Jahr galt die Aufmerksamkeit dann weniger seiner gebrechlichen Witwe als dem misslichen Umstand, dass sie, trotz seiner angeblichen Verbannung aus dem öffentlichen Leben, am Arm ihres zweiten Sohnes Andrew in die Westminster Abbey kam. Nicht weniger auffällig war die Abwesenheit ihres Enkels Harry.

Im Januar 2022 erkannte die Queen Andrew sämtliche Titel und Schirmherrschaften ab, aber es ist der jüngere Prinz, der seine Zeit im Exil zubringt.2 In einer brisanten Sondersendung bekamen Harry und Meghan Gelegenheit, das auszusprechen, was Talkmasterin Oprah Winfrey »ihre Wahrheit« nannte: Harry und seine Gattin Meghan schilderten eine von Rassismus durchsetzte Palastkultur ohne jedes Gespür für die Verzweiflung einer Frau in ihrer Mitte – worin er in vielfacher Hinsicht die Situation seiner Mutter widergespiegelt sah.3 Selbstverständlich wurde dies zurückgewiesen, aber die Gegendarstellungen gemahnten an Andrews lässige Arroganz in einem BBC-Interview fünfzehn Monate zuvor, das seinen erzwungenen Rücktritt als »working royal«, als aktives Mitglied der Königsfamilie, mit beschleunigt hatte. Wie nur hatte er sich bei Jeffrey Epstein, einem verurteilten Pädophilen, aufhalten und die Missbrauchsopfer direkt vor seiner königlichen Nase übersehen können, fragte ihn Emily Maitlis in ihrer Sendung Newsnight und zitierte die Anwälte eines der Opfer, Virginia Guiffre, geborene Roberts: »Man konnte unmöglich Zeit bei [Epstein] verbringen und nicht Bescheid wissen.« Worauf Andrew antwortete: »Ich lebe im Buckingham Palace, einer Institution, in der ständig Bedienstete herumlaufen, und ich möchte ja nicht überheblich klingen, aber bei Jeffrey Epstein liefen eine Menge Leute herum.«4

Es ist kaum vorstellbar, dass ein Mitglied der königlichen Familie im Alleingang deren Ruf noch größeren Schaden zufügen könnte – aber darauf werden wir womöglich nicht lange warten müssen. Während ich diese Zeile schreibe, wappnet sich die königliche Familie gegen Harrys Memoiren, mit deren Einschlag in Bälde zu rechnen ist. Sein Onkel Charles Spencer hatte in seiner Trauerrede für Diana versprochen, dafür Sorge zu tragen, dass die Seelen ihrer Jungs »sich ungehindert entfalten« könnten. Harry ist dabei, diese Vision zu verwirklichen. Auch wenn ältere Verwandte, einschließlich seiner Eltern, offen oder insgeheim, mit Biografen zusammengearbeitet haben, so hat nie zuvor ein Windsor seine Wahrheit in solchem Umfang und derart unmittelbar zum Ausdruck gebracht.

Wie aus Harrys Bekanntenkreis verlautet, macht ihm der Bruch mit seiner Familie schwer zu schaffen, und er ist damit nicht allein. Bei seinem Bruder William lägen die Nerven ebenfalls blank, ist von einer dieser Quellen zu hören, und sein Kummer äußere sich, wie stets seit dem Verlust seiner Mutter, als Zorn. Was Charles anbelangt, so spricht eine andere Quelle von einem »abgrundtiefen Schmerz«. Es wäre ein Einfaches, in diesem Hader nichts weiter als Futter für die Gazetten zu sehen. Als die erfolgreiche Netflix-Serie The Crown die jüngste Geschichte der Windsors für das Fernsehen dramatisierte, wurde deutlich, dass ein Gutteil der Welt die Familie längst so sah – als Charaktere in einer Seifenoper.

Mein Buch zielt darauf, diese Vorstellung aufzubrechen, da es sich hier, auch wenn sie sich in Palästen abspielt, um eine sehr menschliche Geschichte handelt und die Monarchie nun einmal von Belang ist, ob man dies nun für richtig hält oder nicht. Diese Institution übt weit mehr Macht und Einfluss aus als gemeinhin angenommen, sagt Jonny Dymond, der für das Königshaus zuständige Korrespondent der BBC. Das erkläre sich durch »ihre Wandlungsfähigkeit, ihre Anpassungsfähigkeit, ihre tiefe Verwobenheit mit dem Gefüge des Bürgertums, aus all dem, was wir von der königlichen Familie nicht zu sehen bekommen, dem Eisberg sozusagen. Es ist eine relativ kleine Gruppe von Leuten, eine relativ kleine Institution, die jedoch über eine erstaunliche Reichweite verfügt«.5

Vor Harrys Wandlung vom Soldaten-Prinzen zum Kämpfer für soziale Gerechtigkeit setzte kein Mitglied des Königshauses diese Macht, diesen Einfluss bewusster ein als sein Vater, der interventionistische Aktivist.

Was Turbulenzen anbelangt, ist Charles seit Langem schon König – König der Unruhestifter. Mit seiner Krönung wird ihm die Aufgabe zufallen, Turbulenzen zu unterdrücken, statt sie zu schüren. Jeder Monarch hätte seine liebe Mühe damit, Kurs zu setzen inmitten zunehmender Polarisierung und Populismus und einem gegenläufigen Hunger nach sozialer Gerechtigkeit, Gleichheit und Wiedergutmachung der vom Empire angerichteten Schäden. Für einen Mann wie ihn könnte sich das als besonders knifflig erweisen: Die Welt ist weniger nachsichtig als früher, und er ist jemand, dessen bisheriger Weg mit nicht explodierten Minen gepflastert ist.

Er hat ein gemeinnütziges Imperium aufgebaut, das – sieht man von der Vorbereitung auf die Thronfolge einmal ab – mangels einer Aufgabe zu seinem Lebenswerk geworden ist. Dies gelang ihm nicht nur durch die Akquise von Spenden durch Berater und Angestellte, sondern auch durch den persönlichen Kontakt zu ultrareichen Geldgebern. »Er ist ständig auf Spendentour. Ständig«, sagte Ben Elliot, ein Neffe qua Charles’ Heirat mit Camilla, in einem Interview für die erste Ausgabe dieses Buches.6

Im Lichte neuer Informationen werde ich später auf ein Dinner im Jahr 2013 zurückkommen, das ich in der ursprünglichen Einleitung zu diesem Buch beschrieben habe. Stattgefunden hat es in Dumfries House, einem alten Herrensitz in Schottland, der durch Charles’ Intervention der Umwandlung in ein Hotel entging und heute in neuem Glanz erstrahlt. Zehn von Charles’ und Camillas Gästen unterstützten seine gemeinnützigen Einrichtungen bereits oder waren potenziell dazu bereit – und sieben sollten später für Schlagzeilen sorgen, unter anderem wegen Geldwäsche, Korruption und der Innenausstattung von Downing Street Number 10.

Ich möchte hier keineswegs allen an diesem Abend nach Dumfries Geladenen Unredlichkeiten unterstellen. Tatsache ist jedoch, dass Charles sich durch die Dringlichkeit, mit der er sich um Spenden für seine karitativen Unterfangen bemüht – ein Impuls übrigens, hinter dem, wie diese Biografie zeigt, die Überzeugung steht, seine Stellung zur Rettung der Welt einsetzen zu müssen –, womöglich in eine prekäre Situation manövriert hat. Und das nicht nur, weil die Art und Weise, wie die Welt seiner Auffassung nach zu retten sei, ihn auf Kollisionskurs mit Einzelpersonen, Organisationen und manchmal sogar mit ganzen Berufszweigen gebracht hat. Zur Vorbereitung auf die Königswürde hat er seinen wohltätigen Stiftungen eine Schlankheitskur verpasst, sein einschlägiges Engagement und seine Auftritte in der Öffentlichkeit zurückgefahren sowie seinen Interventionismus gezügelt, aber seine alten Verbindungen könnten ihn durchaus heimsuchen, sollten übergeordnete Kräfte für eine Umgestaltung öffentlicher Prioritäten sorgen.

Eine dieser Kräfte ist die problematische soziale Situation. Die tiefe Kluft zwischen den Reichsten und dem Rest der Weltbevölkerung tat sich bereits lange vor der schier unfassbaren Reihe weltweiter Unruhen und Katastrophen auf, vor der Covid-Pandemie oder Russlands Invasion der Ukraine. Die Lebenshaltungskosten klettern unaufhaltsam nach oben. Der jähe Anstieg der Energiepreise wird zum grausamen Dilemma für Haushalte, bei denen das Geld ohnehin schon knapp ist: Hier heißt es, heizen oder essen. Die Geduld der besonders Gebeutelten mit der Führungsschicht neigt sich langsam dem Ende, zumal wenn diese Regeln bricht, die andere befolgen sollen, oder entgegen den von ihr gepredigten Werte handelt.

Die sozialen Medien greifen Heucheleien und Skandale auf, was jedoch keineswegs die einzige Gefahr ist, die sie für die Windsors darstellen. Facebook, Instagram, Twitter, TikTok und andere Plattformen haben unsere Auffassung von Privatsphäre und ihrer Grenzen für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auf immer verändert – eine heikle Entwicklung für eine Familie, in der man von Geburt an im Rampenlicht steht. Man gibt diesen Plattformen darüber hinaus die Schuld an der Ausbreitung von Unruhen, der Verbreitung von Propaganda und Falschinformationen und wirft ihnen die zielgruppengenaue Ansprache von Einzelnen und die Maximierung der gesellschaftlichen Spaltung vor. Gerade dieser letzte Punkt verweist auf ein weiteres von Charles’ Problemen: Sein Umweltbewusstsein, das einst als Spleen eines Exzentrikers galt, mag heute auf größere Resonanz treffen als früher, aber viele seiner grundlegenden Überzeugungen polarisieren heute stärker denn je – was ihm seine vorrangige Aufgabe als Staatsoberhaupt erschweren könnte, die doch in der Einigung seines Volkes besteht.

In dieser Hinsicht war die Queen von Anfang an ein kaum zu erreichendes Vorbild. Tag für Tag, Jahr für Jahr tat sie ihre Arbeit, so merkwürdig und belanglos diese im Einzelnen auch anmuten mochte, wenn man an den Empfang von Staatsgästen, an Schiffstaufen oder die Vergabe von Titeln und Würden denkt. Als ihr schwindende Kräfte die Flügel stutzten und sie im Mai 2022 – übrigens erst zum dritten Mal in siebzig Jahren – der feierlichen Eröffnung des Parlaments nicht beiwohnen konnte, sprang ein ernster Charles für sie ein. Der Schlusssatz seiner Ansprache war ergreifend: »In diesem Jahr des Platinjubiläums«, intonierte Charles, »sieht Ihre Majestät mit Freude den Feierlichkeiten entgegen, die überall im Vereinigten Königreich und im Commonwealth stattfinden werden.«

Sie war angeschlagen, aber nicht ausgezählt. Sie erschien bei einigen, wenn auch nicht bei allen dieser Feierlichkeiten, stellte vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben bei manch einer Entscheidung ihr persönliches Vergnügen vornan. Als der Comedian Omid Djalili, einer der Moderatoren einer besonderen Jubiläumsveranstaltung anlässlich ihrer geliebten Royal Windsor Horse Show, ihr »ergebenst« dafür dankte, »uns der feierlichen Eröffnung des Parlaments gegenüber den Vorzug zu geben«, fiel ihre Reaktion eher salopp als königlich aus.

Einen Großteil ihrer Pflichten als Staatsoberhaupt hatte sie bereits in aller Stille an andere delegiert, nahm aber weiterhin, soweit möglich, wichtige Termine wahr, so ihre regelmäßigen Treffen mit dem Premierminister und dem Kronrat. Bei privaten Begegnungen, so heißt es, sei Ihre Majestät immer sehr offen, in der Öffentlichkeit jedoch hält sie mit ihren persönlichen Ansichten größtenteils ganz bewusst hinterm Berg. Dafür wie auch für ihre unverwüstliche Art erfreut sie sich der Bewunderung ebenso breiter wie unterschiedlicher Teile der Bevölkerung quer durch alle politischen Lager. 2012, im Vorfeld eines früheren Meilensteins, ihrem diamantenen Jubiläum, benannte der Hersteller des traditionellen Brotaufstrichs Marmite sein Produkt vorübergehend liebevoll in Ma’amite um, schmückte sein Firmenzeichen mit zwei aufsteigenden Corgis und änderte seinen bekannten Slogan »You either love it or hate it« in ein königliches »One either loves it or one hates it« um.7

Charles dagegen ist Marmite – und das fast schon sein ganzes Erwachsenenleben lang. Die Meinungsforscher von YouGov befragen die Bevölkerung regelmäßig zu der Beliebtheit der einzelnen Royals. Im Mai 2022 genoss die Queen die Sympathien von 81 Prozent ihrer Untertanen; Charles hinkte mit 54 Prozent weit hinterher.8 Wenn es einen Trost an diesem Ergebnis gibt, so liegt er darin, dass es auf historische Beständigkeit verweist: Die Monarchie erfreute sich durchweg, wenigstens im Vereinigten Königreich, der Gunst einer Mehrheit der Untertanen, und Charles’ Werte blieben dabei, von kleinen Ausschlägen nach oben und unten abgesehen, konstant. Kurzzeitig tat sich zwar ein Abgrund während der Auflösung seiner ersten Ehe auf, aber seitdem sind größere Dramen ausgeblieben.

Auch ist sich das künftige Staatsoberhaupt in sehr hohem Maße der Macht von Thron und Tradition bewusst und auch des unsichtbaren Kraftfeldes, in das sie ihn hüllen. Institutionen und Strukturen bestehen lange über ihr Haltbarkeitsdatum hinaus, weil Entschlossenheit und konzertierte Anstrengungen nötig sind, um sie zu liquidieren. Auch muss den Menschen mehr als nur ein wenig an einer Veränderung gelegen sein, um sie zu riskieren, ist sie doch der Teufel, den sie nicht kennen.

Charles wird wahrscheinlich nicht der letzte Windsor auf dem britischen Thron sein. Womöglich ist er noch nicht einmal der vorletzte. Um jedoch zu verstehen, warum das nächste Haupt, das die Krone tragen wird, nicht ruhig schlafen kann, muss man sich nur die Trias aus Gefahren ansehen, welche seinen Beratern bis in die jüngste Zeit als »Albtraumszenario« galt – eine Formulierung, mit der ein ehemaliger Bediensteter des Hofes allen Ernstes mir gegenüber aufwartete. So sorgten sich seine Berater, Charles könne König werden, bevor man sich über den künftigen Titel seiner Gattin einig sei: Säße Camilla, gegenwärtig die Herzogin von Cornwall, dann als Prinzessin oder als seine Königin neben ihm? Sie knabberten an den Nägeln vor Angst, das Commonwealth of Nations könne einen anderen als Charles zum Nachfolger seiner Mutter als Vorstand des freiwilligen Zusammenschlusses dieser 54 Nationen küren, von denen sich immerhin die meisten, wenn auch nicht alle, einst unter dem Joch der Briten sahen.9 Sie fragten sich, ob einer der störrischen karibischen Angehörigen des Commonwealth, allesamt ehemalige Kolonien, die den Monarchen als Staatsoberhaupt behalten hatten, den Augenblick des Übergangs dazu nutzen würde, sich zur Republik zu erklären. Sollte eine dieser drei Eventualitäten eintreten, so erklärte mir der ehemalige Bedienstete des Hofes, so könnte die Öffentlichkeit darin ein Versagen des neuen Regenten sehen.

Wie unbedeutend nehmen sich die ersten beiden Bedenken doch heute aus. Und wie sehr hatten Charles’ Berater die dritte Eventualität unterschätzt.

Die Königin selbst setzte der Debatte über den Titel ihrer Schwiegertochter ein Ende, indem sie bei ihrer Botschaft zum Platin-Jubiläum den »aufrichtigen Wunsch« aussprach, dass Camilla nach Charles’ Thronbesteigung als Queen Consort, als Gemahlin des Königs, gelten solle.10 Das Commonwealth entschied sich, Charles’ offensichtlichen Mangel an Zuneigung für den Bund sowie die Argumente für eine Lösung von seinen kolonialen Ursprüngen zu ignorieren, und bestätigte Charles 2018 als künftiges Oberhaupt.11

Wäre hier etwas anders gekommen, keine dieser Eventualitäten hätte für mehr als einen vorübergehenden Rückschlag gesorgt. Im Gegensatz dazu ist der Bruch mit den karibischen Staaten, der längst eingesetzt hat, von weit größerer Bedeutung, als man in Palastkreisen zu begreifen scheint. Die folgenden beiden Kapitel, die eigens für diese Ausgabe verfasst wurden, beschäftigen sich mit den ebenso erheblichen wie wachsenden Gefahren, denen sich Charles und seine Regentschaft tatsächlich gegenübersehen.

Zunächst jedoch eine Anmerkung zu Biografien von Angehörigen der Königsfamilie – und insbesondere dieser. Bis in die jüngste Zeit ließen die Windsors nur selten Richtigstellungen verlautbaren oder legten gar Rechtsmittel ein; sie hielten sich an eine Maxime, die man Benjamin Disraeli, einem britischen Premier im 19. Jahrhundert, zuschreibt: »Never explain, never complain« (»Nie erklären, nie beschweren«). Die Konventionen und die Presseabteilung des Palastes hielten die Medien fern, es sei denn, die Medien verstießen gegen geltendes Recht oder Freunde und Bedienstete der Royals plauderten Vertrauliches aus. Auch tat sich der ein oder andere Royal selbst mit einem Journalisten zusammen. Prinzessin Diana, die ihr Bruder Charles Spencer einmal in einem viel zitierten Ausspruch als »die meistgejagte Person der Zeitgeschichte« bezeichnete und die sich mehr als einmal von Personen aus ihrem unmittelbaren Umfeld an die Presse verraten sah, tat sich ebenfalls heimlich mit ihrem Biografen Andrew Morton und mit anderen Journalisten zusammen, um ihnen eine Sichtweise ihres Lebens anzuvertrauen, die im scharfen Gegensatz zu den offiziellen Darstellungen stand.

Diese Zusammenarbeit, die sie anfangs bestritt, von der jedoch die Detailtreue und der Kenntnisreichtum der Veröffentlichungen zeugten, machte die Journalisten zu ihrem Sprachrohr. Ähnlich verhielt es sich mit Charles und seinem offiziellen Biografen Jonathan Dimbleby sowie der wohlwollenden Chronistin Penny Junor, die – ob dem nun so war oder nicht – nach Ansicht der übrigen Medien für ihn sprachen. Heute ist das anders, wie im Falle von Omid Scobie, der zusammen mit der Journalistin Carolyn Durand Harry und Meghan: Auf der Suche nach Freiheit schrieb: Es handelt sich um einen Bericht über die Ereignisse, die zu Harry und Meghans Ausscheiden aus der königlichen Firma führten, und es ist das erste Buch seit Mortons und Dimblebys, das die Geschichte eines Royals nicht nur schilderte, sondern veränderte. Scobie wurde fälschlicherweise nicht als Biograf des Paars, sondern als ihr »Freund« dargestellt. Das verleiht dem Bericht der beiden Autoren nicht nur ein ungebührliches Gewicht, es bringt sie auch als Journalisten in Misskredit.

Meine Entschlossenheit, nicht in dieselbe Falle zu tappen, erfuhr ungewollt Auftrieb aus Clarence House: Aufgeschreckt von Enthüllungen in einem Serienvorabdruck der ersten Ausgabe dieses Buches in der Times, sprachen ungenannte Berater ominös von einer Klage, während Charles’ damaliger Privatsekretär William Nye einen kurzen, aber geharnischten Protestbrief an die Zeitung schrieb. Als mich einige Monate darauf Dokumentarfilmer auf Empfehlung einiger dieser Berater um Interviews anzugehen begannen, war ich verwirrt. »Was sagen die denn über mein Buch, nachdem sie es tatsächlich gelesen haben?«, fragte ich. »Dass es zu 98 Prozent zutreffend ist«, kam prompt die Antwort. »Tja«, sagte ich, »dann richten Sie ihnen bitte aus, dass ich die zwei Prozent mit Freuden richtigstelle, wenn sie mich wissen lassen, was da nicht stimmt.«

Bei der Vorbereitung dieser Neuausgabe habe ich mich entschieden, den ursprünglichen Text unangetastet zu lassen. Dieser Text, der den zweiten Teil des vorliegenden Buches ausmacht, wurde sowohl von den darin behandelten Personen als auch von Quellen, Anwälten und Fachleuten Zeile für Zeile immer wieder auf Herz und Nieren geprüft.

Grund für meine Entscheidung ist jedoch noch eine zweite Überlegung: Auf keinen Fall wollte ich meine ursprünglichen Reaktionen und Analysen revidieren, nur um sie mit meiner veränderten Perspektive unter einen Hut zu bringen. So wie die Monarchie den jeweiligen Monarchen reflektiert, so ist auch jede Biografie, jede journalistische Arbeit von den Ansichten und Erfahrungen ihres Autors geprägt. Wer wir sind, bestimmt, was wir schreiben.

In diesem Sinne kann es so etwas wie eine objektive Wahrheit nicht geben, sondern nur Oprah Winfreys relativierte Version. Was Autoren (oder auch Interviewer) keinesfalls von ihrer Pflicht gegenüber der Wahrheit entbindet – im Gegenteil. Kritisches Denken ist ebenso unerlässlich wie Fairness. Dasselbe gilt für Fakten und, wo immer möglich, auch für Transparenz.

Viele Autoren, die sich mit Mitgliedern des Königshauses befassen, schreiben, als wären sie mit besagten Personen in einem Raum, als wären sie Beobachter der von ihnen geschilderten Ereignisse. Das deutet in der Regel darauf hin, dass sie die Schilderung einer anonymen Quelle wiederholen. Der Leser hat keine Möglichkeit, sich ein Bild von den Ansichten, von den persönlichen Neigungen der Quelle zu machen – ganz zu schweigen von deren Glaubwürdigkeit. Ich benutze anonymes Material niemals auf diese Weise. Wenn ich eine Szene schildere, dann habe ich sie auch erlebt. Freilich hätte ich dieses Buch unmöglich schreiben können, hätten sich mir nicht zahlreiche Menschen unter Zusicherung von Anonymität anvertraut; so manch andere, namentlich genannte Quelle, hat selbst einen Hund im Rennen, sei es ein monarchistischer Corgi oder eine republikanische Promenadenmischung – will sagen, sie möchte auf die eine oder andere Weise von ihrer Aussage profitieren.

Nichts ist für bare Münze zu nehmen. Fakten lassen sich interpretieren. Wie sie interpretiert werden – und auch die Entscheidung darüber, was wichtig ist oder nicht –, das hängt vom Autor ab, von den Bedingungen, unter denen eine Publikation entsteht, und vom Kontext. Und all das kann sich jederzeit ändern.

Vor ein paar Jahren, bei einer Party anlässlich einer Neuerscheinung, baute sich plötzlich eine Gestalt vor mir auf und unterbrach die Unterhaltung, die ich gerade führte. Ich müsse doch ganz aufgeregt sein, meinte der Fremde, wegen Charles’ bevorstehendem Geburtstag und der Möglichkeit zur Berichterstattung, die so ein freudiger Anlass böte. Verblüfft sah ich mit offenem Mund zu der Person auf.

Selbst wenn mir an der Rolle einer Hofberichterstatterin gelegen wäre, was nicht der Fall ist, hätte ich dafür schlicht keine Zeit. In der kurzen Zeitspanne zwischen der Veröffentlichung meiner Biografie über Charles und dieser merkwürdigen Begegnung hatte ich die Women’s Equality Party mitbegründet, für sie Wahlkampf gemacht und ein Buch über die Gleichberechtigung der Geschlechter recherchiert und geschrieben. Auch hatte ich einige Auftragsarbeiten – nicht-royaler Art – verfasst, verschiedene Beratertätigkeiten übernommen sowie einen Thinktank mitbegründet und geleitet, der sich mit den Auswirkungen datengetriebener Technologien befasste, und musste zudem (oder zumindest den Versuch dazu unternehmen) all das mit einem nicht weniger geschäftigen Privatleben in Einklang bringen.

Diese geschäftigen Jahre haben zwangsläufig mein Denken geprägt – wie auch Ereignisse jüngeren Datums, seien sie globaler, nationaler oder ganz und gar persönlicher Natur. Ich habe in rascher Folge viel zu viele Menschen verloren, die mir nahestanden, unter ihnen, gleich zu Beginn der Pandemie, meinen Stiefvater und, einen Monat darauf, Andy, meinen Ehemann und Partner, mit dem ich dreißig Jahre zusammen war. Es gibt in meinem ursprünglichen Text nichts, von dem ich mich distanzieren wollte, und vieles, was ich heute genauso schreiben würde wie seinerzeit. Es war eine interessante Erfahrung für mich, dieses Buch mit ausreichend Abstand nicht als Autorin, sondern als Leserin zu entdecken. Ich finde mein Porträt von Charles überzeugend und hoffe, das gilt auch für Sie.

Bei alledem hat sich die Perspektive, aus der ich ihn und seine Welt heute sehe, in der Zwischenzeit auf subtile, aber doch signifikante Weise verändert. Die Erfahrung hat mich gelehrt, wie zerbrechlich das Leben ist, wie tiefgreifend die Folgen von Tun und Lassen sind. Dinge, die uns so beständig erscheinen – Gewissheiten, Institutionen, geliebte Menschen –, sind im nächsten Augenblick nicht mehr da. Nur weil sie uns so vertraut sind oder so lange um uns waren, heißt das nicht, dass sie auch morgen noch existieren. Veränderungsprozesse können äußerst turbulent und grausam sein, und sie treffen die Schwächsten besonders hart. Das kommt mir angesichts des Niedergangs der Monarchie in den Sinn. Ich war schon immer, ganz instinktiv, Republikanerin, und so brachte ich bereits in früheren Ausgaben dieses Buches meine Ängste bezüglich der Frage zum Ausdruck, wie ein solcher Übergang im Vereinigten Königreich vonstattengehen könnte. Und ich stehe mit meinen Befürchtungen bei Weitem nicht allein. Jüngst überraschte mich eine politisch links von der aktuellen Labour Party stehende alte Freundin mit der Aussage, sie wünsche sich, die Queen würde ewig leben. So sehr sie auch von der Notwendigkeit eines gewählten Staatsoberhauptes überzeugt ist, sieht sie das Ende der Ära Elizabeths weniger als Chance für einen ordentlichen Übergang zur Republik denn als einen Augenblick, den populistische Kräfte für sich nutzen könnten.

Ich teile diese Einschätzung, habe jedoch mittlerweile auch gesehen, wie Systeme, die reif für Reformen sind, Veränderungen widerstehen – wie die Monarchie und die mit ihr verwobenen staatlichen Institutionen, die damit die Öffentlichkeit verraten, der sie doch dienen sollten, und die für Angriffe immer anfälliger statt widerstandsfähiger werden. Der konkreten politischen Betätigung statt der bloßen Berichterstattung verdanke ich eine differenzierte Sicht auf die Schwächen dieser Systeme sowie eine größere Aufmerksamkeit gegenüber den Mechanismen der Ausgrenzung, wie sie, auf ganz unterschiedliche Weise, die Geschichten von Epsteins Opfern und Meghan Markle illustrieren. Ich fand Prinz Andrew früher irgendwie komisch. Heute geht mir das nicht mehr so. Es liegt mir fern, ihre Handlungsfähigkeit kleinzureden in meinem Bemühen, ihn und Charles und den Rest der Familie als – was sie sicherlich auch sind – Produkte ihrer Erziehung und der Umstände zu sehen, als durch ihr Schicksal geprägt, aber auch durch es privilegiert: Andrews Verhalten ist durch nichts zu entschuldigen.

Desgleichen haben mir die Bemühungen um die Finanzierung der Women’s Equality Party mehr denn je die Schwierigkeiten und Gefahren der Spendenakquise vor Augen geführt. Charles geht dabei mit schier verwegener Begeisterung zu Werke. Sicher, seine gemeinnützigen Initiativen unterliegen nicht denselben Restriktionen wie politische Parteien im Vereinigten Königreich. Aber ein wesentlicher Zweck dieser Restriktionen – den Kauf von Einfluss durch ausländische Akteure zu verhindern – sollte doch wohl auch für den Prince of Wales gelten und nicht nur für Parteien. Ebenso wenig stellt die Manipulation durch staatliche Akteure die einzige Gefahr dar: Was da als karitative Philanthropie durchgeht, ist oft alles andere als wohltätig – hier geht es um das Reinwaschen von Reputationen oder Geld, um die Schaffung von Abhängigkeiten und Verbindlichkeiten auf persönlicher Ebene, die sich womöglich später einfordern lassen.

Charles’ Abenteuer in seinem Bemühen, die Reichen um Geld anzugehen, sind das Thema von Rebel Prince, einem Buch von Tom Bower, dem Autor, der auf besagter Verlagsparty meine Unterhaltung störte. Ich mag ihn damals nicht erkannt haben, kannte aber einige seiner früheren Bücher. Seine Herangehensweise an Institutionen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens besteht weniger darin, sie zu beschreiben, als sie zu demontieren. Diese Art des Journalismus hat seinen Nutzen, ist er doch ein Korrektiv gegen die Art von Hofberichterstattung, die im Extremfall Missbrauchstätern wie Jeffrey Epstein und Jimmy Savile ihr Handwerk erleichtert.

Der Charles in Bowers Buch ist übellaunig und nicht selten schwer von Begriff – Eigenschaften, die auch ich festgestellt habe, auch wenn Bower ihnen größere Bedeutung einräumt. Seine Camilla dagegen weicht stärker von der Person ab, die ich durch meine Recherchen und aufgrund uns gemeinsamer Verbindungen zu verschiedenen Organisationen kennengelernt habe, die sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, insbesondere WOW – das Women of the World Festival. (Sie ist dessen Präsidentin, ich bin Mitglied des Gründungskomitees.)

Camilla hat sich dafür entschieden, sich in ihrer öffentlichen Rolle für Probleme fernab der üblichen unverfänglichen Palette königlicher Anliegen zu engagieren: weibliche Genitalverstümmelung, häusliche Gewalt und der Tribut, den die weitverbreitete Gewalt gegen Frauen und Mädchen fordert. »Wie viele Frauen müssen noch belästigt, vergewaltigt oder ermordet werden, bis wir uns entschlossen zusammentun, um eine gewaltfreie Welt zu schaffen?«, fragte sie im Oktober 2021 in einer Ansprache anlässlich des Mordes an der jungen Britin Sarah Everard durch den Polizisten Wayne Couzens.12 Als die künftige Gemahlin des Königs von der »Notwendigkeit« sprach, »die Männer in unserem Leben dazu zu bekommen, sich in dieser Bewegung [gegen die Gewalt] zu engagieren«, fragte ich mich unwillkürlich, ob ich die Einzige im Raum sei, die hin- und hergerissen war zwischen leidenschaftlicher Zustimmung und Abscheu gegen ihren Schwager Andrew, der in eben diesem Augenblick an der Abweisung von Virginia Giuffres Klage arbeitete.

Einige Monate später, während eines Empfangs anlässlich des Weltfrauentages im St. James’s Palace, beobachtete ich einen heiteren Austausch zwischen Camilla und der Schauspielerin Emerald Fennell, die sie als intrigantes Biest in The Crown spielt. Danach kam Camilla auf mich zu, nahm meine Hand und sagte mir, wie betrüblich es für sie gewesen sei, von Andys Tod zu erfahren. Teils war ich verwundert über die Erfahrung, einmal selbst Gegenstand einer königlichen Obliegenheit zu werden, welche ich bis dahin nur von ferne mitverfolgt hatte: dem Spenden von Trost. Wie ich feststellen musste, empfand ich die Geste als wohltuender, als ich mir es je hätte vorstellen können. Freilich analysierte die Journalistin in mir gleichzeitig ihre Handlungsweise, erinnerte mich daran, dass ich seit Andys Tod bereits mindestens zweimal mit ihr gesprochen hatte, woraufhin mir klar wurde, dass jemand in Clarence House, im Wissen um meine Arbeit an einer Neuausgabe dieses Buches, ihr ans Herz gelegt haben musste, mir zu kondolieren.

Und wie herzlich sie das tat. Ich tue mich schwer, mir Bowers Camilla in dieser Rolle vorzustellen. Seinen Quellen zufolge war sie »faul«, »oft ungepflegt«, neigte zu »Wutausbrüchen« und »Zickigkeit« und hatte »etwas von einem Pferd«. Und sein eigenes Urteil über sie tat er auch kund: »Charles kam immer wieder zu Camilla zurück, weil sie ihm gab, was er emotional brauchte, und weil sie eine versierte Geliebte war«, schreibt er in einem der ersten Kapitel.13 »Das landläufige Bild von ihr als Frau«, so sein abschließendes Urteil, »deren Jugend ausschließlich dem gesellschaftlichen Amüsement, vor allem Partys und der Jagd, gewidmet war, und die sich nun, in mittleren Jahren, ins gemachte Nest setzte, traf haargenau zu.«14

Es geht hier nicht darum, Camilla in Schutz zu nehmen. Es ist durchaus möglich, dass sie bis zu einem gewissen Grad so ist und das tut, was Bower behauptet. Meine Quellen jedenfalls weichen in ihrer Einschätzung, ihrer Begeisterung und anderem von dieser Darstellung ab. Dies soll nur illustrieren, wie Biografen und Journalisten sich in ihre Arbeit einbringen.

Sollten die vergangenen Jahre mich als Autorin verändert haben, so trifft das in noch höherem Maße auf den Gegenstand meiner Betrachtungen zu. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen, diese Ausgabe mit den jüngsten Ereignissen in der Geschichte der Royals einzuleiten, anstatt die Kaskade von Umwälzungen, Skandalen und Kummer an das Ende des Buches zu verbannen. Es ist so unendlich viel passiert – nicht nur ihm, auch um ihn herum und seinetwegen. Es gibt so unendlich viel zu sagen.

Teil 1

Kapitel 1

Raus mit dem Neuen, rein mit dem Alten

Im November 2021 hielt Charles eine Rede auf dem National Heroes Square in Bridgetown, Barbados, aber das nicht etwa als nächstes Staatsoberhaupt des Landes, sondern als Relikt seiner Vergangenheit. Jüngst noch Teil des britischen Commonwealth, hatte die ehemalige Kronkolonie seine Thronbesteigung erst gar nicht abgewartet, um sich der Monarchie zu entledigen. Charles sprach von »dem entsetzlichen Gräuel der Sklaverei, das unsere Geschichte für immer befleckt«,1 verzichtete aber auf die formelle Entschuldigung, die ganz oben steht auf dem Zehn-Punkte-Plan, der von den karibischen Regierungschefs um einer »ausgleichenden Gerechtigkeit für die Opfer von Völkermord, Sklaverei, Sklavenhandel und rassischer Apartheid« willen gemeinsam verabschiedet worden war.2 Entschuldigungen lassen sich als Eingeständnis rechtsverbindlicher Haftbarkeit auslegen, und an jeder der folgenden Forderungen auf ihrer Liste klebt ein Preisschild in Form von Investitionsprogrammen und Schuldenerlass.

Charles war nach Barbados gereist, um den Verlust des Landes für die Krone zum Beginn einer wunderbaren Freundschaft umzumünzen. Berater der Krone werteten die Mission als Erfolg und schmiedeten sofort Pläne für eine achttägige Rundreise anlässlich des Platin-Jubiläums durch drei der noch verbleibenden karibischen Realms – Belize, Jamaika und die Bahamas. Gedacht war die Reise für das Paar mit dem größten Marketingwert aller Royals: William und Kate, der Herzog und die Herzogin von Cambridge. Der Zweite in der Thronfolge und seine glamouröse Gattin gelten als verlässlicher Publikumsmagnet, und sie würden der sinkenden Beliebtheit der Familie sicherlich wieder Auftrieb geben.

Auf den Prüfstand kamen diese Annahmen bereits vor Antritt der ersten Etappe ihrer Reise, als es zum Streit über etwas kam, was William bei einem Besuch im ukrainischen Kulturzentrum in London gesagt oder nicht gesagt hatte. Dreizehn Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, war das Ganze als royaler Routineauftritt gedacht gewesen. Der überwiegende Teil der ersten Medienberichte entsprach dann auch dem gewünschten Muster: »Beide Cambridges trugen eine kleine blau-gelbe Anstecknadel in den Farben der Ukraine mit einem weißen Herz«, berichtete Town & Country seinen Lesern. »Und Kate signalisierte mit einem blauen Kaschmirpullover von Alexander McQueen ihre Solidarität mit dem Land.«3

In der ersten Meldung der Press Association jedoch hörte sich das ganz anders an: Ihr zufolge hatte William es als »sehr befremdlich« bezeichnet, Krieg »in Europa zu sehen«, im Gegensatz zu Afrika und Asien.4 Später brachte die Agentur eine Richtigstellung, in der der Vergleich mit anderen Kontinenten fehlte. Außerdem hieß es nun, William hätte nicht allgemein, sondern von seiner Generation gesprochen und gemeint, wie befremdlich es für sie sei, dass in Europa ein Krieg stattfinde.5 Was jedoch wenig dazu beitrug, seine Kritiker zu beschwichtigen, die ihn über die Geschichte der europäischen Konflikte zu seinen Lebzeiten belehrten, vom Balkan über Nordirland bis hin zur russischen Annexion der Krim 2014.

Seine Worte hätten vermutlich so oder so für Schlagzeilen gesorgt. Das spontane Mitgefühl von Medien und Politikern für weiße Ukrainer vom ersten Augenblick der Invasion an hatte ihre vergleichsweise geringe Anteilnahme für schwarze Menschen und People of Color, die aus der Ukraine oder anderen Krisengebieten flüchteten, nur zu deutlich werden lassen. »Es handelt sich hier nicht um ein Entwicklungsland in der Dritten Welt. Wir sprechen hier von Europa«, so der aufschlussreiche Kommentar eines Korrespondenten. Ein anderer überlegte laut, dass Kiew »bei allem Respekt nicht der Irak oder Afghanistan ist, wo seit Jahrzehnten Konflikte wüten. Das hier ist eine relativ zivilisierte, relativ europäische – ich muss bei meiner Wortwahl vorsichtig sein – Stadt, in der man so etwas einfach nicht erwarten oder hoffen würde, dass so etwas hier nicht passiert.«6 Man könnte Williams Bemerkung also auch als Variation dieses Themas sehen – vor allem angesichts der jüngsten Probleme seiner Familie.

Man hatte die Hochzeit seines jüngeren Bruders mit Meghan Markle 2018 als bedeutsamen Augenblick für die Monarchie gepriesen. Die Untertanen sollten sich in ihren Galionsfiguren idealisiert wiederfinden, selig und in all ihrer Pracht. Für viele bot die strahlende mixed-race Braut, die Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, dazu die erste echte Gelegenheit. Sie ging als Bürgerliche in die Trauung und erschien dann auf den Stufen der St. George’s Chapel in Windsor als Ihre Königliche Hoheit, die Herzogin von Sussex. Kaum zwei Jahre später zeigte die Implosion dieses Traums eine härtere, von strukturellem Rassismus und Ausgrenzung geprägte Realität, unselig und bar jeder Pracht.

Es existieren ebenso zahlreiche wie widersprüchliche Berichte über die Ereignisse, die die Sussexes aus den Reihen der aktiven Mitglieder der Königsfamilie in eine andere Art von Existenz in Kalifornien katapultierten. Ich werde darauf später in diesem Kapitel eingehen. Zuerst jedoch ist es wichtig, eine neue Realität zur Kenntnis zu nehmen, die man in dem Tohuwabohu von Behauptungen und Gegenbehauptungen gern übersieht. Egal, welcher Seite man Glauben schenkt – ob man, analog zum Hashtagkrieg in den sozialen Medien dem #TeamCambridge oder dem #SussexSquad oder keinem von beiden angehört –, der Schaden, den die königliche Familie durch den Bruch genommen hat, ist derselbe, und er ist so weitreichend wie ernst.

Es ist beileibe nicht das erste Mal, dass die Windsors die Öffentlichkeit gespalten haben. So verteidigt etwa noch heute ein wackerer Kader von Fans Diana gegen ihren auf Abwege geratenen Ehemann. Es gibt da jedoch einen großen Unterschied: Die Cambridges undSussexes sind zu Stellvertretern in den sogenannten Kulturkriegen, den Scharmützeln zwischen Wertesystemen, geworden, in denen William und Kate für Status quo, Tradition, die bestehende Gesellschaftsordnung stehen und Harry und Meghan für progressive Ideale – so unwahrscheinlich dies auch erscheinen mag für einen Prinzen und eine hoch dotierte Schauspielerin. Bis vor Kurzem noch konnten die Cambridges, auch wenn ihnen die Sympathien jüngerer und diverserer Bevölkerungsgruppen nicht in den Schoß fielen wie dem Herzog und der Herzogin von Sussex, durchaus realistisch darauf hoffen, zu ihren Bannerträgern zu werden. »Woke« würden sie sicherlich niemals wirken – ein Begriff, der ursprünglich den Übergang zu einem politischen Bewusstsein an sich bezeichnete, in jüngerer Zeit jedoch von Konservativen als Schimpfwort übernommen wurde –, aber zumindest schienen sie im Hier-und-Heute zu stehen. Nun haftet ihnen jedoch in den Augen vieler ihrer potenziellen künftigen Untertanen, die auf der anderen Seite des Grabens stehen, ein irreparabler Makel an.

So einiges, das sie auf ihrer Karibikreise im Gepäck hatten, war alt, stammte aus vergangenen Jahrhunderten oder war, wie der Windrush-Skandal, eine offene Wunde aus jüngerer Zeit. 1948 hatte die HMT Empire Windrush im englischen Tilbury festgemacht, an Bord mehr als tausend Passagiere, größtenteils aus dem karibischen Commonwealth, die nach damaliger Übereinkunft ein Recht darauf hatten, im Vereinigten Königreich zu leben und zu arbeiten, und die sich angesichts des Arbeitskräftemangels der Nachkriegszeit sogar dazu ermutigt sahen. Das britische Innenministerium jedoch ließ die Einreisedokumente dieser Migranten vernichten – dasselbe Ministerium übrigens, das auf Grundlage eines 2012 von der Regierung Ihrer Majestät verabschiedeten Gesetzes zur Schaffung eines »ablehnenden Umfelds« für Migranten ohne Papiere bei Androhung der Abschiebung einen Nachweis über den Zeitpunkt ihrer Ankunft verlangte. Fünf Jahre später tauchten erste Berichte über die Auswirkungen dieser unmenschlichen Politik auf: So verwehrte man den Überlebenden der Windrush und nachfolgender Einwanderungswellen sowie deren Nachkommen den Zugang zu lebensnotwendigen Dienstleistungen, kündigte ihnen die Stellung, warf sie aus ihrer Wohnung. Mehr als 160 Personen wurden offiziellen Angaben zufolge in Länder »zurückgeschickt«, die ihnen praktisch fremd waren. Die Zahl der Anträge auf Entschädigung beträgt mehr als das Siebenfache.7

Die Cambridges sind nicht verantwortlich für die Politik der Regierung und würden, wie es Charles geschah, unter Beschuss geraten, sollten sie sich für Anliegen einsetzen, die als parteipolitisch zu betrachten wären. In wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht sind sie jedoch Nutznießer des Empire, von Ungleichheit, Sklaverei und Ausbeutung. Die Verbindungen der königlichen Familie zum Sklavenhandel gehen zurück auf Elisabeth I. Die Stuarts setzten diese Tradition fort, unterstützten diese Praxis und profitierten von der Royal African Company, die bis zu 187 000 Afrikaner zur Zwangsarbeit in die englischen Kolonien brachte.8 Auch nicht einer der an der Planung der Reise von William und Kate Beteiligten schien die Verbindungen zwischen diesem Erbe, der Windrush und anderen Narrativen der Ungerechtigkeit zu verstehen – von einer Polizei, die schwarze Leben auslöschte, die sie eigentlich schützen sollte, von einer Frau of Color, die sich von eben der Institution fertiggemacht und dann ignoriert sah, in deren Dienst die Cambridges unterwegs waren.

Wo auch immer sie ihre Karibikreise hinführte, William und Kate zogen die Massen an – Demonstranten wie Fans. In Belize wurde gleich die erste Veranstaltung abgesagt, um einer Demonstration zu entgehen; in Jamaika endete ein Bad in der Menge mit unseligen Bildern, als sich aufgekratzte Kinder gegen einen hohen Drahtzaun drängten, um die Royals auf der anderen Seite aus der Nähe zu sehen. Die Szene wirke wie »eine Parodie auf den weißen Retter«, kommentierte Jonny Dymond von der BBC9 den Auftritt des Paares: William, laut Times, ein »prächtiger« Anblick »in der Uniform eines Eroberers aus dem 19. Jahrhundert«,10 beide im Fond eines Land Rovers, der sechzig Jahre zuvor der Königin und Prinz Philip gedient hatte – das Ganze eine »sperrige Erinnerung an eine ehrerbietigere Zeit«.11

Nicht dass diese Reise für mehr Ehrerbietung gesorgt hätte: Der jamaikanische Premier bekräftigte gegenüber den Royals die Absicht seines Landes, eine Republik zu werden. In Belize wartete man wenigstens, bis das Paar wieder abgereist war, bevor man die Bildung eines Ausschusses für den »Entkolonialisierungsprozess« bekannt gab.12 Gruppierungen aus Jamaika und Belize gaben gemeinsam mit Organisationen auf den Bahamas eine Erklärung heraus, in der man die Reise verurteilte und sich der »Beseitigung aller Spuren unserer postkolonialen Vergangenheit« zu widmen versprach.13 Eine Karibikreise der Wessexes – Williams Onkel Prinz Edward und seine Frau Sophie – zwei Monate später erwies sich als ähnlich problematisch und zeitigte eine Mischung aus kollektivem Achselzucken und Protest. Auf Anraten des dortigen Generalgouverneurs sagten sie einen geplanten Aufenthalt in Grenada ab,14 während der Premier von St. Vincent und den Grenadinen einen medizinischen Notfall vorschob, um das Land noch vor ihrem Besuch zu verlassen.15 Der Premier von Antigua bat sie um Unterstützung beim Bemühen um Wiedergutmachung.16 Aus dem traditionellen Geschenk an den Premierminister von St. Lucia, eine gerahmte Fotografie ihrer selbst, sprach eine fast schon komische Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Organisatoren an die Reise und den Gegebenheiten.17

So überrascht der königliche Stab von der Heftigkeit der Reaktion gewesen sein mag, die Möglichkeit einer Loslösung der Realms in Übersee war längst einkalkuliert. Von der Erkenntnis, dass der Strudel dieser Gedanken und Sorgen auch die heimischen Realms erfasst haben könnte, ist jedoch nichts zu spüren. Kurz nach dem Winfrey-Interview mit Harry und Meghan sowie Williams Reaktion darauf – »wir sind ganz und gar keine rassistische Familie«18 – wurde im Vereinigten Königreich eine Umfrage durchgeführt, welche ergab, dass ein Fünftel der Befragten die königliche Familie für rassistisch hielt. Bei den befragten People of Color lag der Anteil gar bei 43 Prozent, und zudem sprachen sich 40 Prozent der Briten dafür aus, den Monarchen durch ein gewähltes Staatsoberhaupt zu ersetzen.19 Einige Wochen später zeigte eine zweite Umfrage eine ähnliche, rasch wachsende Unzufriedenheit mit den Royals unter den jungen Menschen auf: 41 Prozent der 18- bis 24-Jährigen unter den Befragten erhofften sich den Wechsel zur Republik, im Vergleich zu nur 26 Prozent zwei Jahre zuvor.20

Shola Mos-Shogbamimu, eine britisch-nigerianische Anwältin, Aktivistin und Autorin von This is Why I Resist, einer Studie über Race und Rassismus im Vereinigten Königreich und den USA, ist der Ansicht, dass man sich weiter in Richtung Republikanismus entwickeln wird, solange die Krone sich nicht zu fundamentalen Änderungen entschließt, die einer in Veränderung begriffenen Welt Rechnung trügen. »Wenn die Rolle der Monarchie im Dienst am Volk besteht, will ich nicht, was sich in der Vergangenheit abgespielt hat«, sagt sie. »Ich will sie entweder zu neuen Bedingungen oder gar nicht.«21

Bevor Meghan auf den Plan trat, gingen Mos-Shogbamimu die Royals »am verlängerten Rücken« vorbei. »Die Institution sagte mir einfach nichts. Die waren einfach nur da.« Was dann folgte, machte aus einer gleichgültigen Beobachterin eine leidenschaftliche Streiterin für das #SussexSquad. Die Massenblätter von Associated Newspapers Ltd. und die Website der Mail bestimmten den Ton.22 Die ersten Berichte über Harrys neue Freundin erschienen im Oktober 2016. Im Monat darauf erschien auf MailOnline ein Hintergrundbericht über Meghan unter dem Titel »(Fast) straight outta Compton« – eine Anspielung auf das berühmte Rap-Album gleichen Namens. Weiter ging der Titel mit: »Von Gangs terrorisiertes Zuhause ihrer Mutter enthüllt«.23 In Wirklichkeit lebte Meghans Mutter Doria Ragland, eine studierte Sozialarbeiterin, in einem komfortablen Haus in einem überwiegend von der Mittelschicht bewohnten Bezirk von Los Angeles. Aber sie war eben zufällig auch schwarz.

Einige Tage darauf spekulierte eine gewisse Rachel Johnson, Schwester eines ehrgeizigen Politikers namens Boris, in ihrer Kolumne für die Mail on Sunday, darüber, dass Meghans »reiche und exotische DNA« auch Kindern zugutekommen würde, falls sie mit Harry welche haben sollte.24 Was, wie Johnson bis heute betont, als Kompliment gemeint war.25

Ein anderer Artikel ließ eine solche Interpretation erst gar nicht zu. Unter dem Titel »Don’t use monarchy as a MeToo soapbox, Meghan« riet die Daily Mail-Kolumnistin und ehemalige Beraterin der Konservativen Amanda Platell Harrys neuer Freundin, die Monarchie nicht als billige Plattform für die MeToo-Bewegung zu missbrauchen. Sie schließt ihre ellenlange Kritik an Meghans erstem gemeinsamen Auftritt mit Harry und den Cambridges (zu hohe Absätze, »Schauspielerinnengehabe«) mit der boshaften Spitze: »Das Letzte, was Großbritannien braucht, ist eine allzu sehr von sich überzeugte, vor Tugend strotzende amerikanische Schauspielerin, die ihre Position in der königlichen Familie zur Verbreitung ihrer selbstgerechten Ansichten nutzt.«26 Und der Auslöser für Platells Zorn? Eine völlig nichtssagende Bemerkung Meghans bei der Veranstaltung: »Es könnte wirklich keinen besseren Zeitpunkt geben, immer und immer wieder darauf hinzuweisen, dass Frauen sich selbstbestimmt fühlen … Ständig hört man: ›Aber du hilfst doch Frauen, ihre Stimme zu finden‹ – wohingegen ich denke, dass Frauen ihre Stimme nicht zu finden brauchen. Sie haben eine.« Man stelle sich Platells Empörung vor, hätte Meghan, wie ich es von Camilla gehört habe, Vergewaltigung, Mord und den Aufbau einer Bewegung erwähnt.

Die Reaktion der britischen Medien auf die Herzogin von Sussex ließen sich von Anfang an mehr oder weniger zwei Kategorien zuordnen: giftig oder pappsüß. Ein ganzes Sub-Genre der Berichterstattung sorgte während Meghans kurzem Gastspiel als Working Royal für eine minutiöse Chronik ihrer mutmaßlichen Verstöße gegen königliches Protokoll, da sie bloße Beine einer »hautfarbenen« Strumpfhose vorzog, deren Ton jedoch »weiß« sein soll und somit für Weiß-Sein steht. So konnte die Journaille über das Thema Race schreiben, ohne es ausdrücklich erwähnen zu müssen, ein Trend, dem eine Schlagzeile der Mail schließlich die Krone aufsetzte: »Das Regelwerk königlichen Stils in Fetzen! Mit ihrem zweiten Auftritt ohne Strumpfhose in einer WOCHE bricht Meghan mit der Tradition (aber WARUM zeigt die Herzogin ausgerechnet mitten im Winter Bein?)«.27

Nachdem die Mail on Sunday 2019 einen ihrer Briefe an ihren entfremdeten Vater, Thomas Markle, veröffentlicht hatte, brach Meghan dann tatsächlich mit der Tradition: In einer Umkehr von Disraelis Mantra beschwerte sie sich und ließ Harry erklären. Sie reichte Klage gegen Associated Newspapers ein, während ihr Ehemann zur Erläuterung ihrer Beweggründe folgendes Statement abgab: »Irgendwann kommt der Punkt, an dem man nicht mehr anders kann, als sich gegen dieses Verhalten zu wehren, weil es Menschen und Leben zerstört. Es handelt sich hier, schlicht gesagt, um Mobbing, das einem Angst macht, einen zum Schweigen bringt. Wir wissen alle, dass so etwas nicht angeht, egal in welcher Form. Wir wollen und können nicht an eine Welt glauben, in der man für so etwas nicht zur Rechenschaft zu ziehen ist … Der Klageweg mag nicht ohne Risiken sein, aber er ist der richtige.«28 Einige Tage später verklagte er dann in eigenem Namen zwei Konkurrenten von Associated Newspapers, Murdochs News Group und Reach PLC – Letzterer unter anderem Herausgeber des Mirror –, auf Schadenersatz: Man hatte, ein historisch beispielloser Fall, seine Sprachnachrichten gehackt.29

Die Presse war nicht weniger überrascht als der Palast. Was beide nicht hätten sein müssen, hatte sich das Paar doch vom ersten Augenblick an geweigert, sich an die Spielregeln zu halten. Nur wenige Tage nach der Schlagzeile »(Fast) straight outta Compton« hatte Harry seinen Stab mit der Abfassung einer schriftlichen Verwarnung beauftragt, die – um ein inzwischen abgedroschenes Wort zu gebrauchen – beispiellos war. Nie zuvor hatte ein Mitglied des Königshauses ein so persönliches Kommuniqué mit einer hinsichtlich der Erwartungen an die anderen Mitglieder der Familie so klaren Analyse abgesegnet. Meghan sei »einer Flut von Schmähungen und Belästigungen« ausgesetzt gewesen, von »rassistischen Untertönen« in der Presseberichterstattung bis hin zum »offenen Sexismus und Rassismus« von Online-Trollen. »Kommentatoren werden jetzt sagen, dies sei nun einmal ›der Preis, den sie zahlen muss‹ und das alles gehöre ›nun mal zum Spiel‹. [Prinz Harry] ist da gänzlich anderer Meinung. Dies ist kein Spiel – es geht hier um ihr und sein Leben.«30

Im Nachhinein sind die Alarmsignale in dieser Erklärung leicht auszumachen, und das nicht nur hinsichtlich der Konventionen der königlichen Pressepolitik. Es war von Anfang an kaum davon auszugehen, dass Harry und Meghan innerhalb der rigiden Palastkultur glücklich sein oder ein System von Prioritäten akzeptieren könnten, welches das Wohl der Monarchie über die Belange ihrer einzelnen Mitglieder stellt. Hilflos hatte Harry dem Leiden seiner, von einer unerbittlichen Presse gar bis in den Tod verfolgten Mutter zusehen müssen. Er hatte mit diesem Teil seiner Vergangenheit ebenso wenig seinen Frieden gemacht wie mit seiner eigenen Berühmtheit, und diese Kräfte bedrohten nun auch Meghan.

Jahrelang war er in den Nachrichten als ungezogener Junge aufgetaucht, hatte mit sechzehn viel getrunken, Cannabis geraucht, wurde von seinem Vater als Warnung und Lektion zur Stippvisite in eine Drogenentzugsklinik geschickt.31 Mit zwanzig entschuldigte sich Harry dafür, auf einer Kostümparty eine Nazi-Uniform getragen zu haben.32 Mit einundzwanzig, während seiner militärischen Grundausbildung, machte er ein Video von sich, in dem er einige seiner Mitkadetten scherzhaft mit rassistischen Bemerkungen titulierte. Als der Clip drei Jahre später in der Presse auftauchte, entschuldigte sich Clarence House in seinem Namen, und Quellen versicherten nachdrücklich, dass er seither »um einiges reifer geworden« sei.33 Journalisten stürzten sich auf Fotos, die ihn mit siebenundzwanzig Jahren in Las Vegas beim Strip-Poker zeigten, und nahmen sie als Beweis dafür, dass er immer noch der »Lausbub«-Prinz war, den sie kannten – und mochten.34 Dieser Spitzname – »larrikin« – erscheint in der ursprünglichen Fassung dieser Biografie; ein Hoffotograf hatte ihn in einem Interview für dieses Buch so genannt, als Harry noch der Liebling der Boulevardpresse gewesen war – und das nicht etwa trotz seines politisch unkorrekten Verhaltens, sondern gerade deswegen.35

Seine militärische Laufbahn, darunter zwei Einsätze in Afghanistan, fügte sich nahtlos in das Bild, das mit tatkräftiger Unterstützung der Presse von ihm entstand. Sein zunehmendes karitatives Engagement verlieh ihrer Berichterstattung einen sentimentalen Touch. Harry war, wie Reporter mit verschleiertem Blick bemerkten, ganz der Sohn seiner Mutter. Womit sie recht hatten, wenn auch nicht ganz so, wie sie annahmen: Genau wie Diana litt auch er.

Eine Spur davon war stets in seiner geradezu greifbaren Sehnsucht nach einem anderen Leben zu spüren. In einem seiner seltenen Fernsehinterviews sinnierte Harry 2014 darüber, dass er, sollte er einmal »normal« werden, sollte er, mit anderen Worten, einmal »kein Royal mehr sein«, dann würde er nach Afrika gehen und als Safariführer arbeiten.36 In jüngerer Zeit begannen er und William, sich erstmals zu Kindheitstraumata zu äußern. In einem Werbefilm für Heads Together, eine Initiative, welche die beiden zusammen mit Kate auf deren Anregung hin aus der Taufe gehoben hatten, um Menschen zu ermutigen, über ihre Probleme zu sprechen und Hilfe zu suchen, sprachen auch die Brüder kurz ihre eigene diesbezügliche Unfähigkeit an. »Wir haben nie wirklich darüber gesprochen, in so jungen Jahren unsere Mutter verloren zu haben«, sagte Harry und schob nach: »Ich dachte immer: ›Was bringt es, immer wieder an der Vergangenheit zu rühren? Es wird sie nicht ändern, es bringt sie uns nicht zurück.‹ Und fängt man erst einmal an, so zu denken, kann einem das wirklich schaden.«37 Während der Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm kam er auf das Thema zurück: Dianas Tod, so sagte er Tom Bradby von ITV, sei »eine schwärende Wunde«. Bradby, der mit Harry und seinem Bruder befreundet ist und dessen Sprachnachrichten-Austausch mit William dreizehn Jahre zuvor die Ermittlungen in Sachen Handy-Hacking losgetreten hatte, interviewte auch Meghan. Wie sie damit zurechtkomme, wollte Bradby wissen. »Danke der Nachfrage«, antwortete sie, »kaum einer hat mich je gefragt, wie es mir geht.« Ob das Leben als Royal sich als Kampf entpuppt hätte? Was Meghan mit einem einzigen Wort beantwortete: »Ja.«38

An die Beichtkultur der amerikanischen Westküste ebenso gewöhnt wie an eine bestens organisierte Boulevardpresse, die das Privatleben Prominenter für den öffentlichen Konsum kuratiert, fehlte Meghan der Sinn für den königlichen Kodex der Omertà. Für ihren Gatten dagegen stellte die öffentliche Äußerung ein Vergehen dar, das sich nach dem Überschreiten dieser Grenze als unwiderstehlich erwies. Nach seinem Ausscheiden aus dem königlichen Leben machte er sich an die bewusste Demontage seines Bilds bei der Boulevardpresse als sorgloser Bonvivant: In Interviews äußerte er sich offen über »Panikattacken«, »schlimmen Angstzustände«, sprach über den Drogen- und Alkoholmissbrauch in seinen Zwanzigern bis hinein in seine frühen Dreißiger. »Ich wollte trinken. Ich wollte Drogen nehmen. Ich wollte etwas ausprobieren, wollte tun, was nötig war, um mich etwas besser zu fühlen, als ich mich fühlte«, vertraute er The Me You Can’t See, einer Dokuserie über seelische Gesundheit, an. »Okay, ich habe zwar nicht von Montag bis Freitag getrunken, trank aber wahrscheinlich dafür am Freitag- oder Samstagabend so viel wie andere die ganze Woche. Und ich merkte, dass ich nicht aus Spaß trank, sondern um etwas zu kaschieren.«39