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"„Du kannst sie nicht wie einen Vogel in einen goldenen Käfig stecken. Sie ist ein Raubtier, sie muss frei sein und die Chance haben, sich auszuprobieren.“
Rayna, die Jüngste der Morgan-Geschwister, ist froh, den heimtückischen Angriff auf Cheetah Manor überlebt zu haben. Dennoch gelingt es ihr nicht ganz, in den Alltag zurückzufinden. Als sie dann auch noch erfährt, dass ihr ältester Bruder sie heimlich überwacht, flieht sie vor ihm. Um zu verhindern, dass ihre Familie sie zurückholt, schließt sie sich Ethan Washington, Anwalt und bester Freund ihres großen Bruders, heimlich an und folgt ihm ins Ausland. Dabei ahnt sie nicht, dass auch Ethan seine Geheimnisse hat und er gerade dabei ist, den Mörder ihres jüngsten Bruders zu jagen.
Die Fortsetzung der packenden Gestaltwandlergeschichte voller Magie und Geheimnisse.
Jedes Buch ist in sich abgeschlossen.
Die abgeschlossene Reihe im Überblick
Cheetah Manor - Das Erbe (Band 1)
Cheetah Manor - Das Geheimnis des Panthers (Band 2)
Cheetah Manor - Der Schwur der Indianerin (Band 3)
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Impressum
Klappentext
Cheetah Manor
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Über die Autorin
Weitere Bücher
Cheetah Manor
Cheetah Manor
Die Chroniken von Usha
Kruento
E-Book
1. Auflage November 2017
220-346-01
Melissa David
c/o Papyrus Autoren-Club
Pettenkoferstr. 16-18
10247 Berlin
Blog: www.mel-david.de
E-Mail: [email protected]
Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss
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Lektorat, Korrektorat: Lektorat Bücherseele, Natalie Röllig
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Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form bedürfen der Einwilligung der Autorin.
Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
„Du kannst sie nicht wie einen Vogel in einen goldenen Käfig stecken. Sie ist ein Raubtier, sie muss frei sein und die Chance haben, sich auszuprobieren.“
Rayna, die Jüngste der Morgan-Geschwister, ist froh, den heimtückischen Angriff auf Cheetah Manor überlebt zu haben. Dennoch gelingt es ihr nicht ganz, in den Alltag zurückzufinden. Als sie dann auch noch erfährt, dass ihr ältester Bruder sie heimlich überwacht, flieht sie vor ihm. Um zu verhindern, dass ihre Familie sie zurückholt, schließt sie sich Ethan Washington, Anwalt und bester Freund ihres großen Bruders, heimlich an und folgt ihm ins Ausland. Dabei ahnt sie nicht, dass auch Ethan seine Geheimnisse hat und er gerade dabei ist, den Mörder ihres jüngsten Bruders zu jagen.
Die Fortsetzung der packenden Gestaltwandlergeschichte voller Magie und Geheimnisse.
Das Geheimnis des Panthers
Band 2
von
Melissa David
„Du hast was?“ Völlig entgeistert starrte Ethan Washington seinen Mandanten, Vertrauten und besten Freund an. Er musste sich beherrschen, ruhig zu bleiben.
Darren winkte lässig ab. „Reg dich nicht auf. Ich habe alles unter Kontrolle.“
„Und was sagt Rayna dazu, dass du diesen Typen engagiert hast, damit er mit ihr ausgeht?“
„Sie wird es nie erfahren.“
Ethan verdrehte die Augen. Seiner Meinung nach war Rayna in einem Alter, in dem man ihr die Freunde nicht mehr aussuchen musste.
„Wenn sie sich mit Jungs treffen will, dann mit solchen, die ich kontrollieren kann und die nicht auf dumme Gedanken kommen.“
Ethan schüttelte den Kopf. „Sie ist deine Schwester und sie ist volljährig.“
„Meine Aufgabe ist es, auf sie aufzupassen.“
„Und das hältst du für den richtigen Weg?“
„Ja. Und du bist der Letzte, mit dem ich darüber diskutieren möchte. Als mein Anwalt stehst du unter Schweigepflicht“, beendete Darren das Gespräch.
Ethan überlegte einen Moment, ob er widersprechen sollte, entschied sich jedoch, keine Konfrontation mit Darren einzugehen. Das war eine Familienangelegenheit und – so nahe er der Familie auch stand – er war kein Teil von ihr.
„Können wir jetzt über die Dinge sprechen, wegen denen du gekommen bist?“, wollte Darren ungeduldig wissen.
Ethan richtete sich in seinem Sessel auf. Jetzt ging es ums Geschäft. Ein Thema, bei dem er ruhig und sachlich bleiben konnte. „Selbstverständlich.“
Darren lehnte sich in seinem Stuhl zurück, legte die Arme auf die Lehnen und sah ihn aufmerksam an. „Was hast du herausgefunden?“
„Es ist leichter, einem Floh das Tanzen beizubringen, als mehr über diesen Ring herauszufinden.“
Darrens Miene verdüsterte sich.
„Ich werde heute Abend eine Party besuchen, bei der ich Lenore Winnett treffe. Wenn sich jemand mit Schmuck auskennt, dann sie.“
„Hoffen wir, dass du erfolgreich sein wirst.“
Ethan erhob sich, schloss einen Knopf seines Sakkos und griff nach seiner Aktentasche. „Unabhängig davon werde ich nach Deutschland reisen.“ Für ihn war es wichtig, den Ort in Augenschein zu nehmen und die Unterlagen der Behörden einzusehen. Von hier aus waren ihm die Hände gebunden, aber in Deutschland könnte er etwas ausrichten.
„Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“
„Ich bin alt genug, um auf mich aufzupassen, Darren“, wies er seinen Freund zurecht.
„Ich möchte nur, dass du vorsichtig bist.“
„Das bin ich immer.“ Er nickte Darren zum Abschied zu und verließ das Arbeitszimmer.
Rayna blickte auf ihr mit Armreifen behangenes Handgelenk. Sie hatte die Hände auf den abgenutzten Bistrotisch gelegt, die Finger verkrampft ineinander verschränkt. Ihr gegenüber saß Dave auf einer Bank, deren hässliches rotes Kunstleder an mehreren Stellen aufgerissen war. Der Diner war in die Jahre gekommen. Warum hatte sie sich eigentlich so herausgeputzt? Für dieses blöde Restaurant hätten es auch ein einfaches T-Shirt und eine Bluejeans getan. Stattdessen saß sie hier in ihrer engen schwarzen Jeans und dem Neckholdertop mit den Glitzerpailletten, das sie sich von ihrer besten Freundin Alice geliehen hatte. Sie war definitiv viel zu overdressed.
„Wie kommst du mit deiner Hausarbeit voran?“, fragte Dave und zog geräuschvoll an seinem Strohhalm.
„Ganz gut“, wich ihm Rayna gelangweilt aus. Sie wollte nicht über die Hausarbeit sprechen. Seit zwei Stunden drehten sich ihre Gespräche um Professoren, Mitstudenten und andere Uni-Themen. Es war Samstagabend, und sie wollte Spaß haben, feiern.
Dave war bereits im letzten Semester und stand kurz vor seinem Abschluss. Im Gegensatz zu ihr als Neuling war er auf die richtig coolen Partys eingeladen. Das wusste sie von Erzählungen und Fotos, die in den sozialen Netzwerken verbreitet wurden. Dave war eigentlich kein Kind von Traurigkeit, denn zumindest auf den Bildern – die ihn so ganz nebenbei mit diversen Mädchen zeigten – konnte er Spaß haben. Deswegen verstand es Rayna überhaupt nicht, warum er sie hierhergebracht hatte.
Die ehemals roten Vorhänge des Diners waren verblichen, die Sitzgelegenheiten an etlichen Stellen aufgerissen und nur notdürftig geflickt. Die einzige Kellnerin in diesem Laden stand gerade in ihr Handy vertieft hinter der Theke und kümmerte sich nicht um die Gäste. Zeit dazu hatte sie, denn schließlich war hier kaum etwas los. Außer ihnen saß am Nebentisch noch ein älteres Ehepaar. Am Tresen hockte ein weiterer Mann, der ein Bier trank und das Footballspiel im Fernsehen verfolgte.
Frustriert griff Rayna nach ihrer Coke, ignorierte das Klimpern ihrer Armreife und nahm einen großen Schluck.
„Ich finde es so schön, dass wir uns endlich in Ruhe unterhalten können“, beteuerte Dave und schenkte ihr ein warmes Lächeln.
Ruhe. Ja, Ruhe hatten sie hier definitiv. Nach ihrem Geschmack eindeutig zu viel. Rayna wollte nicht unhöflich sein, und so zwang sie sich dazu, ihn unverbindlich anzulächeln. Sie mochte Dave, sie mochte ihn wirklich. Er betreute in seinem letzten Semester die Neueinsteiger im Bereich Betriebswirtschaft und machte das ziemlich gut. Er war nett, durch den Leichtathletik-Sport äußerst durchtrainiert, freundlich, zuvorkommend und hatte etwas im Kopf. Er würde sein Betriebswirtschaftsstudium beenden und dann in das Papierverarbeitungsunternehmen seiner Familie einsteigen. Sein Leben schien ebenso vorgeplant zu sein wie ihres. Doch im Gegensatz zu ihr sah es bei ihm nicht so aus, als störte er sich daran.
„Hast du mitbekommen, wie weit ich beim letzten Wettkampf gesprungen bin?“
Rayna schüttelte den Kopf und hörte kaum zu, als Dave von seinem Triumph berichtete.
Sie dachte an die unbeschwerte Zeit am Anfang ihres Studiums zurück. Damals hatte sie Dave super gefunden. Mit großen Augen hatte sie zu ihm aufgesehen, ihm zugehört, wie er von der Universität, den Eigenheiten der Professoren und dem Alltag auf dem Campus berichtet hatte. Er führte sie durch die Bibliothek und stellte ihr die Männer vom Sicherheitsdienst vor. Nicht nur sie, auch die anderen Erststudentinnen himmelten ihn an. Dave blieb nett, aber distanziert. Dann sprach er sie immer öfter an. Zuerst unverbindlich, dann häufiger, bis er sie letzte Woche um ein Date bat. Rayna war im siebten Himmel gewesen – zumindest bis sie den Diner betreten hatten. Noch immer kam sie sich vor wie im falschen Film. Wo war der Dave von den Bildern hin, der ein Mädchen im Arm hielt und ihr mit einem Cocktail zuprostete? Lag es an ihr? Empfand er sie als zu langweilig, zu jung? Mit ihren knapp zwanzig Jahren konnte sie ihm nicht zu alt sein. Sie wusste aber, sie hatte sich im letzten halben Jahr verändert. Natürlich war sie erwachsener geworden, aber seit sie nur knapp dem Tod von der Schippe gesprungen war, sah sie vieles anders. Damals entzog ihr ein auf Cheetah Manor vergrabenes Amulett die Lebensenergie, und wenn Darren sie nicht nach Hause geholt hätte, wäre sie tatsächlich gestorben. Seitdem fühlte sich das Leben nicht mehr so unbeschwert an. Sie dachte über viele Dinge nach, war in sich gekehrter und ruhiger geworden. Immer wieder ertappte sie sich dabei, dass sie sich ernsthaft fragte, worin der Sinn des Lebens bestand. Nie zuvor hatte sie ihren vorgezeichneten Lebensweg infrage gestellt. Wie auch zuvor ihre Brüder, Darren und Eric, studierte sie an der Loyola University Betriebswirtschaftslehre. Was sie mit diesem Wissen einmal anfangen wollte, wusste sie nicht. Darren leitete die Baumwollplantage, während sich Eric um die Weberei kümmerte. Was blieb da noch für sie übrig?
„Ich bin mal eben auf der Toilette.“ Eilig erhob sich Dave und verschwand.
Perplex sah ihm Rayna nach. War sie so eine schlechte Gesprächspartnerin? Sie lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte in die Dunkelheit hinaus. Vor dem Gebäude war es ruhig. Ein Auto verließ gerade im gemächlichen Tempo den Parkplatz. Rayna ließ ihren Blick durch den Diner gleiten. Das ältere Ehepaar war verschwunden. Die gelangweilte Kellnerin sammelte gerade das benutzte Geschirr am Nebentisch ein und trug es fort.
Daves Handy auf dem Tisch vibrierte. Das Display schaltete sich ein, und die neue Kurznachricht wurde sichtbar. Rayna wollte nicht spionieren. Daves Handy ging sie überhaupt nichts an. Aber ihr Blick glitt unwillkürlich über das beleuchtete Display. Im ersten Moment ergaben die Worte keinen Sinn.
Bring sie auf andere Gedanken und sei nett zu ihr. Aber denk daran, deine Finger bei dir zu behalten. Darren.
Sekundenlang saß Rayna einfach nur da, starrte das Handy an, dessen Bildschirm längst wieder schwarz war. Eine gähnende Leere breitete sich in ihr aus, betäubte alle anderen Gefühle. Vermutlich war das gut so, denn wenn sie vor Wut geschäumt hätte, wüsste sie nicht, ob sie die Gepardin zurückdrängen könnte. Eine Frage schwebte über allem, eine Frage, auf die sie einfach keine Antwort fand. Wie konnte Darren ihr so etwas antun?
Mit welchem Recht hatte er mit Dave Kontakt aufgenommen? Mit welchem Recht mischte sich ihr Bruder in ihr Leben ein? Darren war schon immer ein Kontrollfreak gewesen, deswegen war sie so froh, jetzt in New Orleans zu leben. Als sich andeutete, dass er häufiger vorbeischauen würde, hatte sie ihm kurzerhand Campusverbot erteilt, woran er sich zu ihrer Überraschung auch gehalten hatte.
Dave kam zurück. Er setzte sich ihr gegenüber und sah sie nachdenklich an: „Alles okay bei dir?“
„Nein“, sagte Rayna ruhig und stand auf. War er mit ihr nur ausgegangen, weil Darren es so wollte?
„Kann ich dir helfen?“, bereitwillig sprang Dave auf und beeilte sich, den Tisch zu umrunden.
Rayna hielt ihn mit einer Handbewegung zurück. „Du setzt dich hin und bleibst hier.“ Ihre Worte waren schärfer als beabsichtigt, aber zumindest zeigten sie Wirkung. Dave ließ sich brav auf seinen Stuhl nieder und blickte sie mit großen Augen an.
„Was habe ich getan?“, fragte er kleinlaut.
„Ich werde jetzt gehen, und ich möchte, dass du mich nie, nie wieder ansprichst. Haben wir uns verstanden?“
Dave schien absolut nicht zu kapieren, was hier los war. Aber das war Rayna egal. Spätestens wenn er seine Handynachricht las, konnte er eins und eins zusammenzählen.
Hoch erhobenen Hauptes verließ Rayna den Diner. Bis zum Campus war es knapp ein Kilometer. Trotz des schwülen Abends begann sie zu frösteln und verschränkte die Arme vor der Brust. Glücklicherweise hatte sie flache Schuhe angezogen, sonst wäre der Fußmarsch äußerst schmerzhaft geworden.
Die lähmende Fassungslosigkeit verwandelte sich in Wut. Rayna ballte die Hände zu Fäusten. Ihre Fingernägel gruben sich tief in ihre Handballen. Der Schmerz half, die Kontrolle über das Tier zu behalten, das dicht unter ihrer Haut saß. Es wollte in die Freiheit entlassen werden. Wie gerne hätte sie sich jetzt in einen Gepard verwandelt, wäre durch die Sümpfe von Cheetah Manor gestreift, um ihren Frust abzubauen. Sie wollte die Krallen ausfahren, an einer der alten Eichen wetzen oder so schnell sie ihre Beine trugen, durch das Unterholz rennen, bis ihre Lungen brannten. Stattdessen war sie in New Orleans in ihrem menschlichen Körper gefangen. Sich hier zu verwandeln, wäre viel zu gefährlich. Ein tierisch klingendes Knurren konnte sie allerdings nicht unterdrücken.
Zum Glück war die Gegend menschenleer.
Die Wut auf Darren wuchs. Wie konnte er so etwas tun? Er mochte ihr Bruder sein und sie beschützen wollen, aber es stand ihm nicht zu, sich so in ihr Leben einzumischen und ihre Freunde auszusuchen. Das Schlimmste an allem war, dass Dave auch noch mitgespielt hatte. Mit ihm war sie definitiv fertig. Sollte er sich doch weiter mit seinen Party-Tussis amüsieren. Bei ihr brauchte er nicht mehr aufzutauchen.
Tränen brannten in ihren Augen. Sie wollte nicht weinen, nicht hier auf der Straße. So biss sie die Zähne zusammen und marschierte weiter.
Die Tränen überkamen sie, als sie mit zittrigen Fingern die Eingangstür aufschloss. Glücklicherweise kam ihr keiner ihrer Kommilitonen entgegen. Es war schließlich Wochenende. Die meisten Studenten waren entweder nach Hause zu ihren Familien gefahren oder bereits auf ihren abendlichen Streifzügen. Alle schienen Spaß zu haben, alle außer ihr.
War Alice noch da? Ihre Mitbewohnerin wollte auf eine Party gehen. Schluchzend stieß Rayna die Tür zu ihrem Zimmer auf.
„Ich bin gleich fertig“, hörte sie die vergnügte Stimme ihrer Freundin.
Die Badezimmertür ging auf, und sie stand Alice gegenüber. Ihre dunklen Locken hatte sie bereits fein säuberlich nach oben gesteckt, und das grüne Minikleid, das sie letzte Woche gekauft hatte, saß wie angegossen. Fröhlich strahlte sie, als sie jedoch Rayna erblickte, wurde ihr Gesichtsausdruck ernst.
„Was machst du hier?“, stieß sie verblüfft hervor, kam langsam auf sie zu und schloss sie in die Arme. „Was ist passiert?“
Rayna barg den Kopf an der Schulter ihrer besten Freundin und schluchzte laut.
Beruhigend strich ihr Alice über den Rücken. „Sch… sch…“, murmelte sie ihr ins Ohr.
Rayna weinte. Es tat gut, sich nicht mehr zurückhalten zu müssen. Mit Alice konnte sie fast alles teilen. Was auch immer sie für Probleme hatte, stets hörte ihre beste Freundin ihr geduldig zu. Oder manchmal, wie auch jetzt, benötigte sie keine Worte, um ihr Trost zu spenden. Es dauerte einige Zeit, bis Rayna ruhiger wurde.
„So, und jetzt erzählst du mir, was passiert ist“, forderte Alice sie auf. Bestimmt schob sie Rayna zu ihrem Bett. Sie setzten sich nebeneinander mit dem Rücken zur Wand.
„Also, was ist passiert? Hat dich Dave versetzt?“
Rayna schüttelte den Kopf und griff dankbar nach dem Papiertaschentuch, das Alice ihr reichte. Geräuschvoll putzte sie sich die Nase, zerknüllte das Taschentuch in der Hand und wischte sich mit dem Handrücken über die tränennassen Wangen.
„Darren hat Dave damit beauftragt, mit mir auszugehen“, brach es aus Rayna hervor.
„Oh!“, machte Alice ein wenig überrascht.
Rayna schniefte. „Der Abend war eine einzige Katastrophe. Zuerst der Diner und dann auch noch Darren, der sich überall einmischt.“
Alice legte den Kopf leicht schief, wie sie es immer tat, wenn sie aufmerksam zuhörte. „Diner?“
„Dave hat mich in einen Diner gebracht.“
„Nun ja, aber zumindest kann man sich da in Ruhe unterhalten“, warf Alice ein.
Rayna zog fragend eine Augenbraue nach oben. „Auf welcher Seite stehst du eigentlich?“
„Auf deiner natürlich.“ Beleidigt verzog Alice den Mund.
„Ich habe mich auf eine Party gefreut“, erklärte Rayna. Alice, die mit ihr die Klamotten ausgesucht und ihr sogar das Neckholdertop geliehen hatte, sollte das eigentlich wissen.
Die Wut hatte sich inzwischen in Enttäuschung verwandelt. Sie fühlte sich von Darren und Dave verraten. Es schmerzte einfach nur unheimlich.
Alice zögerte einen Moment, dann legte sie einen Arm um Rayna und zog sie näher an sich. „Männer sind alles Arschlöcher, egal ob sie Brüder sind oder nicht.“
Trotz der Tränen, die sich erneut in ihre Augen stahlen, musste Rayna lachen. Es tat gut, eine Freundin wie Alice zu haben, mit der sie reden konnte. Rayna fühlte sich schon ein kleines bisschen besser.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihre Zweisamkeit.
„Moment“, rief Alice laut und fügte flüsternd hinzu, während sie aus dem Bett kletterte: „Ich sage Marc schnell ab.“
Rayna griff nach dem Arm ihrer Freundin und hielt sie auf. „Nein!“ Entschieden schüttelte sie den Kopf. Sie wollte nicht, dass Alice wegen ihr die Party sausen ließ. Sie freute sich schon seit zwei Wochen darauf, mit Marc, einem der Quarterbacks, ein Date zu haben. „Ich möchte, dass du gehst.“
Alice zögerte. „Bist du sicher?“
„Verschwinde endlich!“ Weinen und sich bemitleiden konnte sie auch allein. Somit musste sie zumindest kein schlechtes Gewissen haben, dass Alice wegen ihr ein Date verpasste.
Alice drückte Rayna noch einmal fest an sich, dann stand sie auf, schlüpfte in ihre Ballerinas, griff ihr Täschchen und winkte Rayna noch einmal zu. „Ich danke dir. Machs gut. Und wenn was ist, ruf an.“
Damit war Alice weg. Sie öffnete die Tür nur einen Spaltbreit und huschte hindurch. Rayna war Alice dankbar, dass Marc sie nicht in diesem Zustand sah. Auch wenn sie allen Grund dazu hatte, hier völlig verheult herumzusitzen, wäre es ihr mehr als nur peinlich gewesen.
Vor der Tür war Gekicher zu hören, dann Schritte, die sich entfernten.
Rayna legte den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. Sie war müde. Eine ganze Weile saß sie einfach nur da, genoss die Stille. Sie fühlte sich leer und ausgebrannt und war zum Weinen einfach zu erschöpft.
Die Titelmelodie vom letzten Bond-Film schrillte durch den Raum. Überrascht hob Rayna den Kopf. Das war Alice’ Handy. Hatte sie es vergessen? Suchend sah sie sich um. Ihre Freundin musste es in der Eile liegen gelassen haben. Schnell rutschte Rayna vom Bett und folgte der nervtötenden Melodie bis ins Bad. Auf dem Waschbecken lag das Telefon, dort, wo Alice es vermutlich abgelegt hatte. Big Brother stand auf dem Display. Wer bitte war Big Brother? Rayna kannte Alice, seit sie mit dem Studium angefangen hatte. Sie hatten keine Geheimnisse voreinander, was in dem kleinen Zimmer auch kaum möglich war. Bis auf die Sache mit dem Cheetah wusste Alice alles von ihr, und Rayna war bisher davon ausgegangen, auch alles über ihre Freundin zu wissen. Aber Big Brother sagte ihr absolut nichts, denn Alice hatte keinen Bruder. Nur eine ältere Schwester, die aber nicht hier lebte.
Entschlossen griff Rayna nach dem Telefon und nahm das Gespräch an. „Ja?“, meldete sie sich.
„Dave ist aufgeflogen. Der Idiot hat es vermasselt. Ist Rayna schon bei dir angekommen? Sie wird am Boden zerstört sein und eine gute Freundin brauchen.“ Es folgte eine kurze Pause. „Alice?“
Raynas Augen weiteten sich entsetzt. Die Stimme kannte sie. Sehr gut sogar. Darren! Hastig legte sie auf und warf das Telefon zurück auf den Waschtisch. Sprachlos starrte sie das Gerät an, als könnte es etwas dafür, dass Darren am anderen Ende gewesen war. Sie stand sekundenlang einfach nur da. Ganz langsam rieselte die Erkenntnis durch, dass nicht nur Dave, sondern auch ihre beste Freundin Alice sie betrogen hatte. Hinter ihrem Rücken hatte ihre Zimmernachbarin gemeinsame Sache mit ihrem Bruder gemacht. Wie lange ging das schon so? Wie lange kontrollierte Darren ihr Leben? Erst seit dem Vorfall mit dem Amulett oder bereits davor? Rayna wusste nicht, ob sie darauf wirklich eine Antwort haben wollte.
Ihre rechte Hand überzog sich mit Fell, und ihre Fingernägel verwandelten sich in Krallen. Rayna gelang es gerade noch so, die Verwandlung zu unterdrücken. Sie musste etwas tun. So konnte es nicht weitergehen.
Rayna traf eine Entscheidung.
Es war genug. Sie war nicht bereit, sich länger kontrollieren zu lassen, wollte ausbrechen, frei sein. Es war an der Zeit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Schwungvoll machte sie auf dem Absatz kehrt, stürmte zurück in ihr Zimmer und riss den Kleiderschrank auf. Sie wollte Spaß haben, den Ärger mit Darren, Dave und Alice hinter sich lassen.
Das schwarze Spaghettikleid, das sie aus einer Laune heraus gekauft hatte, fiel ihr in die Hände. Es war so knapp geschnitten, dass es gerade so über den Po reichte. Ihre langen schlanken Beine kamen damit ebenso gut zur Geltung wie ihre Brüste. Dave hatte in ihrem Leben nichts mehr zu suchen, Alice war feiern und Darren zu weit weg, um sie aufzuhalten. Niemand würde ihr in die Quere kommen, wenn sie diese Nacht zu ihrer Nacht machte.
Sie zog die Jeans aus und zerrte das Top herunter. Die Unterwäsche folgte. Einen BH konnte sie unter diesem Kleid ohnehin nicht tragen, und ohne Höschen fühlte sie sich noch verruchter. Sie war wild entschlossen, endlich etwas zu erleben. Es war längst überfällig. Sie musste beginnen zu leben.
Das Kleid schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihren Körper. Eilig erneuerte sie das verschmierte Make-up und trug eine Spur mehr auf, als sie es für gewöhnlich tat. Dann schlüpfte sie in ihre High Heels. Rayna warf noch einen prüfenden Blick in den Spiegel. Die Frau, die ihr entgegenblickte, kam ihr seltsam fremd vor. Eine Unbekannte. Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu, zog aus ihrem Portemonnaie einen Geldschein heraus. Für das Taxi in die Innenstadt reichte es, und viel mehr würde sie heute Nacht nicht brauchen, beschloss Rayna. Dort, wo sie hinging, verkehrten Männer. Männer mit Geld, die Frauen wie sie einluden. Sie wollte sich beweisen, dass sich die Männerwelt auch ohne das Zutun ihres Bruders für sie interessierte. Adieu Langeweile. Adieu Uni-Partys. Heute Nacht eroberte sie New Orleans. Sie wollte Spaß haben, und sie würde die Leute, mit denen sie verkehrte, selbst aussuchen. Endlich begann sie, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Da es vor dem Club immer so voll war, hatte Rayna den Taxifahrer gebeten, sie etwas früher aussteigen zu lassen. So musste sie zwei Straßen laufen, nur um dann zu erkennen, dass die Schlange vor dem Nachtclub noch länger war als erwartet. Doch das Taxi war bereits weitergefahren. Rayna stellte sich an und wartete. Immer mehr Menschen standen hinter ihr. Am Eingang schien es kaum voranzugehen.
„So etwas Blödes“, regte sich ein dünnes Mädchen lautstark auf, das ein paar Meter hinter ihr stand. „Ist der Club wegen Überfüllung geschlossen?“
Ihre Begleiter versuchten sie zu beruhigen. Schließlich marschierte die Gruppe davon.
Rayna sah sich unsicher um. Immer wieder verließen entnervte Wartende die Schlange. Rayna rutschte zwar weiter nach vorne, war aber noch immer weit vom Eingang entfernt.
Langsam stiegen Zweifel in ihr auf. Wie dumm war sie eigentlich? Das Geld, das von der Taxifahrt übrig geblieben war, reichte gerade noch für den Eintritt in den Club, jedoch nicht mehr für die Rückfahrt mit dem Taxi. Weder Busse noch Straßenbahnen fuhren um diese Uhrzeit. Rayna hatte absolut keine Lust, durch das nächtliche New Orleans zu laufen. Also verharrte sie weiter in der Schlange und hoffte darauf, dass es endlich weiterging. Gelangweilt blickte sie sich um. Die meisten waren zu zweit oder in größeren Gruppen hier und unterhielten sich. Rayna verschränkte schützend die Arme vor der Brust und trat von einem auf den anderen Fuß. Sie fühlte sich unwohl hier, so ganz allein. Niemand, den sie kannte, niemand, mit dem sie sich unterhalten konnte, um wenigstens die Zeit zu vertreiben.
„Hi“, sprach sie plötzlich jemand von hinten an.
Rayna drehte sich erschrocken um. Hinter ihr stand eine Frau, ein wenig älter als sie selbst. Lange dunkle Haare fielen ihr über die Schultern. Sie überragte Rayna um einen ganzen Kopf. Die dicken dunkelrot geschminkten Lippen zogen Raynas ganze Aufmerksamkeit auf sich.
„Sorry. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich bin Beatrice.“ Der dunkelrote Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Bist du allein hier?“
Raynas Blick huschte nach rechts und links. Niemand schien sie zu beobachten. Langsam nickte sie.
„Echt schade, dass der Club schon voll ist. Aber die Nacht ist noch jung. Hast du Lust, mit ein paar Mädchen auf eine richtig coole Party zu gehen?“
Vorsichtig blickte sich Rayna um. Wer war die Frau? Was wollte sie von ihr?
„Nicht so ein lahmer Schuppen wie hier. Eine anständige Party mit erwachsenen Männern, die richtig Kohle haben.“
Rayna zögerte. Aber schließlich war sie hergekommen, um Spaß zu haben, zu feiern, zu trinken und um Männer kennenzulernen. Richtige Männer, keine Milchgesichter. Je länger sie über das Angebot nachdachte, umso verlockender erschien es ihr. Aber konnte sie der Frau trauen?
„Was kostet der Spaß?“, erkundigte sich Rayna, konnte ihr Interesse nicht ganz verbergen.
Beatrice lächelte. „Hast du schon etwas von der Starlight-Agentur gehört?“
Rayna nickte. Alice hatte ihr davon erzählt. Dort konnte man hübsche Mädchen für Partys oder Empfänge buchen. Rayna hatte nur nicht gedacht, dass die Agentur die Mädchen vor den Clubs einsammelte.
Beatrice reichte ihr eine Visitenkarte. „Ich bringe dich kostenlos auf eine Party. Die Getränke dort sind teuer, aber wenn du den Männern ein paar Freiheiten zugestehst, werden sie gerne bereit sein, dich einzuladen.“
Freiheiten? War es nicht genau das, was sie wollte? Fremden Männern ein paar Freiheiten zugestehen? Endlich etwas wagen? Nun, sie war nicht die Geübteste darin, aber es sollte doch nicht so schwer sein, angetrunkene Männer um den Finger zu wickeln. Sicher fand sie dort einen netten Kerl, mit dem sie sich amüsieren konnte.
Rayna ließ den Blick abwechselnd zwischen Beatrice und dem Club hin und her schweifen. Die Chancen, dass sich die Türen öffneten und die Türsteher sie einließen, standen gleich null. Der nächste Club war mindestens eine halbe Meile entfernt. Beatrice sah vertrauenserweckend aus, die Visitenkarte wirkte echt und von der Starlight-Agentur hatte sie nur Gutes gehört.
„Na, was ist? Die Mädels dort drüben kommen auch mit.“ Beatrice deutete mit einem Kopfnicken zur Seite. Dort standen drei junge Frauen etwas abseits und unterhielten sich aufgeregt.
Jetzt musste sich Rayna entscheiden. War sie bereit, ein Risiko einzugehen?
Sie lächelte Beatrice an. „Danke für die Einladung. Ich freue mich auf die Party.“
Die erwiderte das Lächeln. „Wunderbar. Dann los!“
Rayna trat aus der Schlange und folgte Beatrice, die sie zu den anderen führte.
„Ist es weit?“, fragte sie skeptisch und befürchtete, dass sie einen längeren Fußmarsch in den High Heels nicht überstehen würde.
Beatrice drehte sich im Laufen zu ihr um. „Nicht wirklich, aber wir werden abgeholt.“
Rayna blieb keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn sie erreichten die anderen Mädchen.
„Meine Damen“, verkündete Beatrice strahlend. „Darf ich euch miteinander bekannt machen.“ Sie deutete auf das Mädchen neben sich.
„Thordis?“
Verneinend schüttelte die Blonde mit den kinnlangen Haaren den Kopf. „Tamara.“
„Tamara“, wiederholte Beatrice und lächelte die Blonde entschuldigend an. „Carolin“, fuhr sie fort und deutete auf eine hübsche Afroamerikanerin. „Mia.“ Die langbeinige Brünette nickte.
„Und wie heißt du?“
„Rayna.“
„Wunderbar, dann kennen wir uns jetzt.“ Beatrice klatschte in die Hände. „Lasst uns fahren!“
Rayna wollte sich gerade nach einem Taxi umsehen, zumindest hatte sie damit gerechnet, dass sie so von hier fortkommen würden, als eine schwarze Stretchlimousine neben ihnen hielt. Beatrice öffnete die Tür und winkte die Mädchen zu sich. Mit großen Augen drängten sie näher. Carolin machte den Anfang, dann folgten Mia, Tamara und schließlich Rayna. Beatrice war die Letzte und zog die Tür hinter sich zu.
Rayna und die anderen staunten nicht schlecht. Sie saßen auf einer langgezogenen Lederbank, die mehr einer gemütlichen Couch glich. Ihnen gegenüber befand sich eine Minibar.
„Bevor es richtig losgeht, benötige ich noch eine Unterschrift von euch.“ Sie reichte jeder von ihnen ein paar Papiere. Das Licht in der Limousine ließ zu wünschen übrig. Das Logo der Agentur war gut lesbar, aber bei dem klein geschriebenen Text verschwammen die Buchstaben vor Raynas Augen.
„Bitte tragt euren Namen ein und unterschreibt. Es geht nur darum, dass die Agentur für nichts, was ihr auf der Party tut, verantwortlich gemacht werden kann.“
Carolin griff als Erste nach dem Kugelschreiber, trug ihren Namen ein, setzte ihre Unterschrift darunter und reichte die Papiere strahlend an Beatrice zurück. Mia und Tamara folgten Carolins Beispiel. Rayna versuchte zwar ein paar Zeilen zu lesen, gab aber schließlich auf. Nach ihrem Ermessen ging es wirklich nur um eine Absicherung der Agentur. Sie füllte das Formular aus und gab es zurück.
Die Mädchen plauderten entspannt und Rayna ließ sich davon anstecken.
Beatrice räumte die Papiere fort und öffnete die Minibar, um eine Flasche Champagner und Gläser zum Anstoßen zu holen.
Die Vorfreude auf die Party wuchs.
„Auf einen wunderbaren Abend.“
Sie prosteten sich zu, und Rayna nahm einen großen Schluck. Alles fühlte sich wie in einem Traum an. Zu schön, um wahr zu sein. Es war die beste Entscheidung des Abends, mit Beatrice mitzugehen. Rayna fühlte sich rundum wohl. Der Champagner schmeckte gut, war nicht zu herb und prickelte angenehm in der Kehle.
„Wo geht es denn hin?“, fragte Tamara neugierig.
„Auf eine Yacht“, erklärte Beatrice geheimnisvoll.
„Eine Yacht?“, quietschte Carolin vergnügt und hielt sich an Mia fest. Die beiden sahen sich an und brachen in lautes Gekicher aus.
Die Stimmung war ausgelassen. Nur zwei Gläser Champagner lang dauerte die Fahrt.
Dann hielt die Limousine an. Beatrice öffnete die Tür und kletterte als Erste ins Freie. Rayna folgte ihr. Eine kühle Brise schlug ihr entgegen und ließ sie einen Moment frösteln. Sie musste sich am Wagen festhalten, denn die Umgebung schwankte ein wenig. Vor sich sah Rayna das Meer. Nicht weit von ihnen lagen die ersten kleineren Boote, weiter hinten die Yachten.
In Raynas Bauch kribbelte es vor Vorfreude. Carolin hakte sich wie selbstverständlich bei ihr ein. Rayna war es ganz recht. Ihr war ein wenig schummrig. Die zwei Gläser Champagner in so kurzer Zeit waren wohl etwas viel gewesen. Dazu noch die High Heels. Da war es besser, sich an einer Freundin festhalten zu können.
„Auf, auf, meine Damen. Dort müssen wir hin“, spornte Beatrice die Mädchen an und scheuchte sie den Pier entlang.
Lachend und kichernd folgten sie Beatrice. Je weiter sie liefen, umso größer wurden die Schiffe.
„Dort ist die Aurelia“, erklärte Beatrice und deutete auf eine gigantisch hohe Yacht.
„Wow“, staunte Tamara. „Wie geil ist das denn?“
Rayna konnte Tamaras Begeisterung nur teilen. Sie war noch nie auf einem so großen Schiff gewesen. Als sie näher kamen, sah Rayna zwei schwarze Kerle, breit wie Schränke, auf der Gangway stehen. Beatrice hielt noch einmal an und drehte sich zu den Mädchen um. „Nur damit das klar ist. Ich bringe euch hinein. Dann seid ihr auf euch allein gestellt. Ihr seid alle alt genug und braucht keinen Babysitter mehr, oder?“
Rayna lachte mit den anderen zusammen. Wenn es nach ihr ging, konnte die Party beginnen. Sie hatte Lust zu feiern, zu tanzen und das ganze Chaos in ihrem Leben zu vergessen.
Beatrice betrat die Gangway und hielt direkt auf die zwei Kerle zu.
„Ich habe die Mädchen dabei“, erklärte sie und fuhr einem der Männer spielerisch über die Brust. Dieser ergriff ihren Arm so schnell, dass Rayna seinen Bewegungen nicht ganz folgen konnte.
„Pass auf, du Biest“, knurrte er Beatrice an, die ihre dunklen Haare in den Nacken warf und laut lachte.
Der Türsteher ließ Beatrice’ Hand los. Sie winkte die Mädchen hinter sich her. Rayna beeilte sich, an den Männern vorbeizugehen, die sie kommentarlos passieren ließen.
„Noch ein kleiner Tipp. Die älteren Herren sind die Spendabelsten“, sagte Beatrice, als sie das Deck betraten.
Dezente Musik aus dem Inneren war zu hören. Hier oben standen die Gäste – alle in eleganten Abendroben – an Stehtischen zusammen. Weiter hinten gab es auch ein paar Bistrosessel.
Keiner schien von ihnen Notiz zu nehmen. Die Gäste unterhielten sich angeregt. Nur ein hagerer Mann, Ende fünfzig, mit schütterem, bereits ergrautem Haar kam auf sie zu. Er trug einen teuer aussehenden schwarzen Anzug und strahlte über das ganze Gesicht, als er zu ihnen trat.
„Darf ich euch unseren Gastgeber, Isaak, vorstellen.“
„Willkommen an Bord der Aurelia“, begrüßte er die Mädchen. „Ich suche für heute Abend noch eine Begleitung an meiner Seite. Möchte mir jemand Gesellschaft leisten? Gerne zeige ich euch das Schiff und auch meine privaten Räumlichkeiten unter Deck.“
Rayna schluckte und blickte betreten zu Boden. So viel Alkohol konnte sie überhaupt nicht trinken, dass sie diesen alten Kerl attraktiv fände. Der Typ war nicht nur viel zu alt, sondern sah halb verhungert aus mit den eingefallenen Wangen.
„Ich würde mich sehr freuen“, erklärte Carolin schüchtern und trat vor.
Isaak strahlte sie an, reichte ihr eine Hand und zog sie an sich. Carolin ließ es zu, dass er sie auf beide Wangen küsste und dann besitzergreifend seinen Arm um ihre Mitte schlang.
„Reizendes Mädchen. Wie ist dein Name?“
„Carolin.“
„Komm mit, wir besorgen dir erst mal etwas zu trinken.“ Isaak ging mit der jungen Frau fort.
„In der Kajüte ist mehr los als hier oben“, erklärte Beatrice und deutete auf eine Tür, die gerade von innen aufgeschoben wurde, als ein älteres Paar an Deck kam. „Na los!“
Mia, Tamara und Rayna sahen sich an, dann folgten sie Beatrice.
Ethan hätte beinahe alles dafür gegeben, den Abend auf der Couch zu verbringen. Die Kopfschmerzen hatten nicht nachgelassen, und auch die Schmerztabletten halfen nicht viel. Nur weil die Party wichtig war, um Lenore zu treffen, bevor er nach Deutschland reiste, ging er hin.
Er wusste, dass ihm der weiße Anzug hervorragend stand. Seine Haut wirkte dadurch noch dunkler, beinahe schwarz und verlieh ihm etwas Geheimnisvolles. Er würde auffallen heute Abend, und genau das war es, was er wollte.
Kurz vor Mitternacht parkte er seinen Lamborghini in der Nähe des Yachthafens. Seinen neuen Pick-up hatte er bewusst in der Garage gelassen. Hier ging es um Sehen und Gesehenwerden, und dieses Spiel beherrschte er ausgezeichnet, wenn es darauf ankam.
Die letzten Meter musste er zu Fuß zurücklegen.
In gemächlichem Tempo ging er den Anlegesteg entlang. Ganz hinten lag die Party-Yacht Aurelia. Er kannte den Weg. Zwei breit gebaute Männer, die ihm finster entgegenstarrten, versperrten die Gangway. Ethan griff in seine Innentasche und zog die Einladung heraus, die ihm eine ehemalige Kundin, die er bei ihrer Scheidung unterstützte, hatte zukommen lassen. Er wäre auch über den Yachtinhaber Isaak Newman an eine Einladung gekommen, aber die Beziehung zu diesem Mann ließ er äußerst ungern spielen. Newman war bekannt für seine ausufernden Partys, die Nähe zum Rotlichtmilieu und die eine oder andere Aktivität, die sich nicht mit dem Gesetz vereinbaren ließ. In der Vergangenheit hatte es der Geschäftsmann immer wieder geschafft, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und mit einer weißen Weste zu glänzen. Ethan mochte solche Leute nicht, und Newman war ihm nicht geheuer. Um solche Menschen machte er lieber einen großen Bogen. Hin und wieder ließ sich ein Zusammentreffen auch in einer Stadt wie New Orleans nicht vermeiden.
Der Türsteher gab Ethan die Einladung zurück und trat zur Seite, sodass er die Gangway betreten konnte. Ethan holte noch einmal tief Luft, dann verließ er das Festland.
Auf dem Deck war verhältnismäßig wenig los. Einige wenige Grüppchen standen zusammen und unterhielten sich angeregt. Hin und wieder hörte man Gelächter. Die Stimmung war gut. Ethan hielt nach Lenore Winnett Ausschau, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Er beschloss, an die Bar zu schlendern, und bestellte einen Whiskey. Auf einer Party ohne ein Getränk in der Hand zu sein, war wie Football spielen ohne Ball. Während er darauf wartete, sah er sich verstohlen um. Isaak Newman stand mit einer jungen Afroamerikanerin im Arm bei einer Gruppe Männern. Angewidert verzog er das Gesicht. Das Mädchen mochte gerade so volljährig sein.
Der Barkeeper stellte ihm den Whiskey hin und verlangte dafür einen horrenden Preis. Eigentlich war es eine Unverschämtheit, was er hier für einen mittelmäßigen Whiskey hinblättern musste. Grimmig zog er seine Geldbörse und machte sich eine Gedankennotiz, dass er die Auslagen Darren auf die Rechnung setzte.
Mit dem Glas in der Hand steuerte er auf die Tür zu, die unter Deck führte. Beiläufig nahm er einen Schluck. Die brennende Flüssigkeit rann seine Kehle hinab und breitete sich warm in seinem Körper aus. Ethan schüttelte sich. Das Gesöff schmeckte furchtbar und trug völlig zu Unrecht den Namen Whiskey. Aber da er das Glas ohnehin nicht austrinken wollte – schließlich musste er noch fahren – war ihm das egal.
Die Tür schwang auf, als er gerade nach der Klinke fassen wollte. Eilig trat er zurück, um einer Blondine den Weg frei zu machen, die am Arm eines älteren Herrn hing. Sie kicherte viel zu laut, sodass sich etliche Gäste zu ihnen umdrehten. Ihr glatzköpfiger Begleiter nickte Ethan grinsend zu und führte die schwankende Frau an ihm vorbei. Nachdenklich sah Ethan ihnen hinterher. Das Mädchen war hübsch. Warum hatte sie so etwas nötig? Was veranlasste sie, auf so eine Party zu gehen und sich von einem Mann abschleppen zu lassen, der locker ihr Vater sein könnte? Die Frau war erwachsen, und es gab kein Gesetz, das sie vor ihrer eigenen Blödheit schützte.
Ethan besann sich auf seine Mission und trat unter Deck. Es war stickig und die Musik nach seinem Geschmack etwas zu laut. An Stehtischen standen Menschen zusammen und unterhielten sich. Die kleineren Sitzgruppen daneben waren ebenfalls gut besetzt. Ethan erkannte einige Gesichter. Geschäftsmänner mit und ohne ihre Ehefrauen und die Dame, wegen der er hergekommen war. Lenore Winnett war eine Rarität auf ihrem Gebiet. Sie handelte mit Schmuck, gehörte zu den reichsten Frauen New Orleans und konnte jedem Mann das Wasser reichen. Die bereits ergrauten Haare waren zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur zurechtgemacht. Ihr hochgewachsener schlanker Körper steckte in einer seidenen Abendrobe in dunklem Grün. An jeder anderen Frau hätte dieses Kleid völlig deplatziert gewirkt, nicht jedoch an Lenore. Würdevoll stand sie neben ihrem Begleiter, einem südländischen Kerl, der nicht viel älter aussah als die Blondine, der er eben begegnet war.
Lenore befand sich gerade im Gespräch mit einer Unternehmergattin, die Ethan nur vom Sehen kannte.
„Guten Abend, die Damen“, grüßte er höflich und trat zu den Frauen. Lenores Begleitung hielt sich so dezent im Hintergrund, dass er den Mann nicht ansprach.
„Ethan.“ Ein Lächeln huschte über Lenores Gesicht. Begeistert drehte sie sich zu ihrer Gesprächspartnerin um. „Ich muss dir unbedingt Ethan Washington vorstellen. Ethan, Luisa Portman. Ihr Mann ist in der Lebensmittelindustrie tätig.“
Ethan verbeugte sich leicht vor der rundlichen Frau und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ Im Prinzip interessierte ihn die Frau absolut nicht, aber es konnte nicht schaden, Kontakte zu knüpfen. Wer wusste schon, wofür die eines Tages gut waren?
„In welcher Branche sind Sie tätig?“, erkundigte sich Mrs. Portman.
„Ich bin Anwalt.“
„Oh!“ Die Augenbrauen der Dame zuckten, als sie Ethan ein weiteres Mal musterte.
„Ein äußerst gut bezahlter Anwalt“, fügte Lenore schmunzelnd hinzu. „Die Kunden stehen bei ihm Schlange.“
„Nun, ich kann mich nicht beklagen“, wich Ethan geschickt aus. „Allerdings bringen viele Kunden auch viel Arbeit mit sich. Ich bin heute Abend geschäftlich hier.“ Er legte eine kleine Kunstpause ein, ehe er fortfuhr. „Ich brauche deine Hilfe für einen sehr wichtigen Mandanten.“
Lenore schlug gekünstelt die Lider nieder. Doch Ethan hatte das Blitzen in ihren Augen wahrgenommen. Ihre Neugier war geweckt.
„Du entschuldigst mich doch sicher einen Moment“, wandte sie sich an ihre Freundin. „Guido, leiste doch Luisa etwas Gesellschaft, während ich mich mit Ethan unterhalte.“
Lenore hakte sich bei ihm ein, und sie gingen ein paar Schritte. „Jetzt hast du mich aber ziemlich neugierig gemacht, mein Lieber.“
Ethan lächelte in sich hinein. Genau das war seine Absicht gewesen. Vorsichtig sah er sich um. Es waren eindeutig zu viele Menschen hier.
„Begleite mich doch an Deck. Dort finden wir sicher ein Plätzchen, wo wir uns ungestört unterhalten können.“
Lenore ließ sich anstandslos fortführen.
„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich vermuten, du möchtest ein Schäferstündchen mit mir abhalten“, scherzte sie.
„Aber Lenore …“ Ethan klang gespielt entrüstet. „… ich bin inzwischen über dreißig und damit für dich einfach zu alt.“
Lenore lachte. In ihren grünen Augen blitzte der Schalk vergnügt auf. „Auch ich werde nicht jünger.“
„Ach was“, schmeichelte ihr Ethan. „Du stehst in der Blüte des Lebens.“
„Charmeur!“ Spielerisch schlug ihn Lenore mit ihrem Ledertäschchen. „Für dich würde ich tatsächlich eine Ausnahme machen.“ Ihr Augenaufschlag war hollywoodreif.
„Ich bin gerührt“, entgegnete Ethan und seufzte tief.
Damit war das Thema erledigt. Auf Lenore wartete ein jugendlicher Begleiter, und Ethan hatte seinen Standpunkt, dass er an einem Techtelmechtel mit ihr nicht interessiert war, klargemacht.
Sie erreichten das Deck. Ethan führte Lenore an den Gästen vorbei und hielt erst an, als sie eine abgeschiedene Ecke erreichten. Die Musik war beinahe verstummt, und weit und breit war keiner der anderen Gäste zu sehen. An der Reling blieben sie schließlich stehen. Ethan stützte sich am Geländer ab und sah hinaus aufs tiefschwarze Wasser. In der Ferne konnte man die Lichter des Frachthafens erahnen.
„Du machst es aber wirklich spannend“, sagte Lenore. Sie brannte regelrecht darauf.
„Wie gesagt, es geht um einen geschätzten Mandanten. Ich vertraue auf deine Diskretion.“
Ethan sah aus dem Augenwinkel, wie Lenore eifrig nickte. Sie war nicht so erfolgreich, weil sie gerne plauderte. In erster Linie war Lenore Geschäftsfrau, und auf ihre Verschwiegenheit konnte man sich verlassen. Nur deshalb war Ethan bereit, ihr ein Foto zu geben. Er griff in die Innentasche seines Jacketts, wo er einen Abzug des Handyfotos aufbewahrte, und reichte es Lenore.
„Ich möchte wissen, wem dieser Ring gehört“, bat Ethan.
Lenore zog aus ihrer Handtasche eine Brille, setzte sie auf und betrachtete das Foto genauer. „Nun, das Schmuckstück ist mir nicht bekannt.“ Der unverbindliche Plauderton war einem ernsten geschäftsmäßigen Ton gewichen.
„Kannst du trotzdem herausfinden, wem er gehört?“
„Aber sicher. Er scheint sehr alt zu sein. Staaten oder Europa?“
Ethan zuckte mit den Schultern. Woher sollte er das wissen? Theoretisch war beides möglich. „Das Foto ist in Deutschland aufgenommen, was aber nicht unbedingt etwas zu bedeuten hat.“
Lenore nickte nachdenklich. „Ich habe ein paar Kontakte nach Europa, die ich für dich gerne spielen lassen kann. Darf ich das Foto behalten?“
„Selbstverständlich.“ Er hatte damit gerechnet. Auch wenn es ihn nicht glücklich machte, das Foto aus der Hand zu geben, stimmte er zu. „Ich weiß doch, dass es bei dir in sicheren Händen ist.“
Lenore lächelte, nahm die Brille ab und verstaute sie zusammen mit dem Bild in ihrer Handtasche.
„Ich werde sehen, was ich für dich tun kann. Wirst du mir etwas über deinen Auftraggeber verraten?“
Er schüttelte den Kopf. Es war besser, wenn sie nichts wusste. Das Bild, das er ihr mitgegeben hatte, war ohnehin schon ein Zugeständnis.
„Schade“, seufzte Lenore.
Er rechnete es ihr hoch an, dass sie nicht weiterbohrte.
„Bring mich zurück, mein Lieber!“, forderte sie ihn auf und hakte sich bei ihm ein.
Ethan tat ihr den Gefallen und führte sie zurück unter Deck.
Als sie erneut den stickigen Raum betraten, musste Ethan gegen einen Anflug von Übelkeit kämpfen. Er lieferte Lenore bei ihrem Begleiter ab und überlegte, ob er sich noch einen Schluck des Pseudo-Whiskeys gönnen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Wenn man sich lang genug in dieser stickigen Kajüte aufhielt, nahm man den beißenden Geruch nach Schweiß, Alkohol und verbrauchter Luft nicht mehr so intensiv wahr. Er tauschte mit Mrs. Portman und Lenore noch ein paar Belanglosigkeiten aus, dann verabschiedete er sich.
Er war fertig. Die restliche Nacht konnte er in seinem bequemen Bett verbringen. Leider allein, aber daran hatte er sich gewöhnt. Er umrundete weiträumig eine Gruppe, die größtenteils aus Politikern und wichtigen Geschäftsmännern bestand, auf deren Gespräche er heute Abend keine Lust hatte. Sein Blick fiel auf drei junge Frauen, die in der Nähe der Bar standen und lachten. Eine hochgewachsene dunkle Schönheit mit aufgespritzten Lippen und zwei blonde Mädchen, die eindeutig in sein Beuteschema passten. Die Vorstellung, eine der beiden für ein paar Stunden Spaß mit nach Hause zu nehmen, war äußerst verlockend. Er betrachtete die Frauen genauer. Eine hatte kinnlange Haare und trug zu einem ultrakurzen Minirock lediglich ein bauchfreies Top. Sie hatte ein hübsches Profil, aber die Hakennase war für seinen Geschmack zu groß. Die zweite – er sah sie leider nur von hinten – trug die Haare offen. Sie schien endlos lange Beine zu haben, die in schwarzen High Heels steckten. Die Beine gefielen ihm überaus gut. Sie war nicht besonders groß, aber durchaus sportlich. Das enge Spaghettiträgerkleid schmiegte sich an sie wie eine zweite Haut. Er überlegte gerade, ob er das Mädchen, auf einen Drink einladen sollte, als ihm ein anderer Mann zuvorkam.
Michael Fraser gehört eine Fitnessclub-Kette in der Stadt. Der Fitnessclub-Besitzer war ein Kraftsportler, wie er im Buche stand. Ethan beschloss, die Frau wäre die Mühe nicht wert, und besah sich noch einmal das Hakennasen-Mädchen. Aber die gefiel ihm nicht halb so gut wie die andere, die Fraser ausgesucht hatte. Er ärgerte sich ein wenig, dass er zu spät war, als sich die langbeinige Blondine umdrehte.
Ethan hielt mitten in der Bewegung inne.
„Nein!“, stammelte er fassungslos.
Unmöglich! Er musste sich getäuscht haben. Das konnte einfach nicht wahr sein.