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Ein Vampir, der bereits alles verloren hat, ein Neuanfang mit Hindernissen und eine Aufgabe, die unlösbar scheint.
Ducin ist die Flucht aus der Alten Welt gelungen. Noch während er vom Schleuser in Empfang genommen wird, trifft er auf alte Bekannte, die ihm nicht alle freundlich gesonnen sind. Im Bostoner Clan hingegen findet er Verbündete, doch es gibt auch Gründe, warum er dort nicht bleiben kann – und schon bald muss er sich für einen Weg entscheiden. Allerdings kommt ihm dabei ausgerechnet eine unscheinbare und schüchterne Vampirin in die Quere, die er vor dem Blutrausch rettet. Ohne es zu ahnen, sind sie füreinander bestimmt und während sie beide mit ihrem Schicksal hadern, zieht Ducin einen Schlussstrich, der auch Cares Zukunft maßgeblich beeinflusst. Im Angesicht eines übermächtigen Feindes steht nicht nur Ducins Leben auf dem Spiel, sondern auch Cares.
Jedes Buch ist in sich abgeschlossen.
Die Reihe im Überblick
Kruento - Heimatlos (Novelle)
Kruento - Der Anführer (Band 1)
Kruento - Der Diplomat (Band 2)
Kruento - Der Aufräumer (Band 3)
Kruento - Der Krieger (Band 4)
Kruento - Der Schleuser (Band 5)
Kruento - Der Informant (Band 6)
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Klappentext
Impressum
Kruento
Vorwort
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Über die Autorin
Weitere Bücher
Kruento
Kruento-Reihe
Die Chroniken von Usha
Cheetah Manor
Glossar
Ein Vampir, der bereits alles verloren hat, ein Neuanfang mit Hindernissen und eine Aufgabe, die unlösbar scheint
Ducin ist die Flucht aus der Alten Welt gelungen. Noch während er vom Schleuser in Empfang genommen wird, trifft er auf alte Bekannte, die ihm nicht alle freundlich gesonnen sind. Im Bostoner Clan hingegen findet er Verbündete, doch es gibt auch Gründe, warum er dort nicht bleiben kann – und schon bald muss er sich für einen Weg entscheiden.
Allerdings kommt ihm dabei ausgerechnet eine unscheinbare und schüchterne Vampirin in die Quere, die er vor dem Blutrausch rettet. Ohne es zu ahnen, sind sie füreinander bestimmt und während sie beide mit ihrem Schicksal hadern, zieht Ducin einen Schlussstrich, der auch Cares Zukunft maßgeblich beeinflusst.
Im Angesicht eines übermächtigen Feindes steht nicht nur Ducins Leben auf dem Spiel, sondern auch Cares.
E-Book
1. Auflage September 2021
206-346-01
Melissa David
Mühlweg 48 a
90518 Altdorf
Blog: www.mel-david.de
E-Mail: [email protected]
Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss
www.juliane-schneeweiss.de
Bildmaterial: © Depositphotos.com
Lektorat:
Jeanette Lagall
Korrektorat:
Jana Oltersdorff
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form bedürfen der Einwilligung der Autorin.
Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Der Informant
Band 6
von
Melissa David
Lieber Leser,
dieses Buch enthält ein Glossar, das sich im Anschluss der Geschichte befindet. In diesem Glossar werden unbekannte Begriffe erklärt. Wenn du das Glossar vorab lesen möchtest, bitte hier klicken.
Um auch die Vampirbegriffe, die im Buch verwendet werden, zu verstehen habe ich unbekannte Wörter beim ersten Auftauchen direkt zur Erklärung verlinkt. Du musst also nur draufklicken. In der Regel kommst du mit „zurück“ wieder zur aktuellen Textstelle.
Ich hoffe, dir ist das Glossar eine Hilfe, um die Welt der Kruento besser zu verstehen. Solltest du technische Probleme haben, kannst du dich gerne unter [email protected] an mich wenden.
Du möchtest noch tiefer in die Welt von Kruento eintauchen? Auf meinem Blog findest du spannende Artikel mit Hintergrundinformationen über die Kruento.
Nun wünsche ich dir viel Spaß beim Lesen. Mache dich bereit, und tauche ein in die Welt der Kruento.
Deine Melissa David
Mit einem Ruck setzte das Flugzeug auf der Landebahn auf. Ducin wurde an die Wand gedrückt. Er stemmte die Füße gegen die Kisten, um den Halt nicht zu verlieren. Gleichzeitig stützte er sich mit den Händen an der Decke der kleinen Frachtmaschine ab.
Die Bremsen quietschten. Das Flugzeug wurde merklich langsamer, bis es letztendlich zum Stehen kam. Parallel dazu wurde das Dröhnen der Motoren leiser und verstummte schließlich. Es war gespenstisch still. Lediglich das Prasseln des Regens war zu hören.
Erleichtert atmete Ducin auf. New York. Er hatte es geschafft! Er war Haldor entkommen. Erschöpft ließ er den Kopf gegen die metallene Wand der Boeing sinken und schloss die Augen. Nervenaufreibende Stunden lagen hinter ihm. Ansatzweise hatte er eine Ahnung davon bekommen, was all die unzähligen Kruento durchlitten hatten, die er im Lauf der Jahre auf die Reise in die Neue Welt geschickt hatte. Jetzt war auch er ein Flüchtling, hatte seine Heimat zurücklassen müssen und alles verloren. Er war ebenso entwurzelt wie die anderen seiner Art, die am Newark Flughafen ankamen und nicht mehr dabeihatten als die Kleidung, die sie am Körper trugen.
Doch etwas unterschied ihn von den anderen. Er hatte gewusst, dass der Tag kommen würde, an dem er Norwegen verlassen musste, und so hatte er vorgesorgt. Ducin Norew zählte zu den mächtigsten Kruento der Sjüten und war sowohl in der Alten als auch in der Neuen Welt angesehen. Er besaß Verbindungen rund um den Globus, hatte ausreichend Geld in Sicherheit gebracht und musste sich nur entscheiden, wo er sich ein neues Leben aufbauen wollte.
Aber dafür blieb später noch Zeit. Zuerst einmal brauchte er eine heiße Dusche und eine Mütze voll Schlaf.
Außerhalb des Flugzeugs waren Geräusche zu hören. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Ladeluke geöffnet werden würde. Erleichtert über seine Ankunft in der Neuen Welt schloss er die Augen, war sich gleichzeitig aber auch bewusst, dass das Schwerste noch vor ihm lag.
Im Frachtraum der doch sehr kleinen Maschine war es ziemlich eng. Ein halber Quadratmeter zwischen den Kisten war Ducin geblieben. Es war nicht vorgesehen, dass mit der Frachtmaschine zusätzlich noch ein blinder Passagier mitflog, sonst wären nicht so viele Kisten an Bord gewesen.
Ducin war in den letzten Wochen vorsichtiger geworden und hatte die Zahl der Flüchtlinge drastisch reduziert. Der Vetusta war ihm auf den Fersen gewesen, und schon das letzte Mal war er nur haarscharf der Entdeckung entkommen. Diesmal war ihm nichts anderes übriggeblieben, als selbst die Flucht anzutreten.
Mit einem metallischen Rattern öffnete sich die Ladeluke. Das kalte gleißende Licht der Scheinwerfer blendete ihn. Schützend legte Ducin eine Hand über die Augen, bis sich seine Pupillen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Schließlich nahm er vage Umrisse wahr und erkannte zwei Männer, die begannen, die Spanngurte der Kisten zu lösen. Menschen. Unwissende Frachtarbeiter. Nicht mehr lange, und sie würden ihn finden.
Noch bevor Ducin einen Entschluss fassen konnte, hörte er ein Fahrzeug, das schnell näherkam. Nicht weit entfernt von seiner Position verstummte das Motorengeräusch. War das sein Begrüßungskomitee, das ihn in der Neuen Welt im Empfang nahm?
Doch nichts geschah.
Die Zeit drängte. Ducin massierte sich die pochende Schläfe. Er musste sich konzentrieren, musste in die Köpfe der Männer schlüpfen. Gerade als er den Geist des einen Mannes streifte, spürte er die Präsenz eines anderen Kruento. Instinktiv zog er sich zurück, ebenso wie die beiden Männer, die alles stehen und liegen ließen und das Weite suchten.
Der Kruento näherte sich, und kurz darauf wurde eine der schweren Kisten von schokoladenbraunen Händen zur Seite geschoben. Erleichtert stieß Ducin die Luft aus. Er kannte nur einen einzigen dunkelhäutigen Vampir, und das war Thor, der Schleuser des Bostoner Clans.
„Aussteigen!“, verkündete Thor mit seiner tiefen Stimme, die Ducin unzählige Male über das Telefon gehört hatte.
Dann schob sich der Schleuser in sein Sichtfeld. Er trug Tarnkleidung der amerikanischen Armee. Unter der Schirmmütze sahen ihn zwei dunkle Augen an, die ihn abschätzig musterten, bis es um seine Mundwinkel zuckte und diese sich zu einem Lächeln verzogen. „Willkommen in der Neuen Welt.“
Ducin erwiderte das Lächeln und erhob sich ungelenk. Seine Bewegungen waren vom langen Sitzen noch etwas steif. Ungeschickt stolperte er an einer der Kisten vorbei und musste sich an einem Sicherungsgurt festhalten, sonst wäre er ziemlich spektakulär auf die Rollbahn gerutscht.
„Wir müssen los. Die Männer kommen gleich zurück“, erklärte ihm sein Fluchthelfer und schob die Militärschirmmütze ein Stück nach hinten in den Nacken. Seine Augen funkelten und ließen die Kräfte des Kruento erahnen, die er in seinem Inneren gebändigt hielt.
Das war also Thor. Ducin hatte nicht gedacht, dass der Schleuser so groß war. Tatsächlich überragte der Kruento ihn um wenige Zentimeter, was allerdings auch an seiner Schirmmütze liegen konnte.
„Verschwinden wir!“
Ducin nickte. Es gab nicht viele Kruento, denen er sein Leben anvertraute. Thor, der Schleuser, gehörte definitiv dazu.
Sie traten hinaus in den Regen. Die Fahrbahn glänzte im Licht der Strahler, die zum Ausladen auf das Flugzeug gerichtet waren. Auf einmal nahm Ducin in der Nähe eine andere machtvolle Präsenz wahr, die rasch näherkam. „Ich gehe nicht davon aus, dass das ein Bostoner Begrüßungskomitee ist“, mutmaßte er.
„New Yorker.“ Thor warf einen bedauernden Blick auf das bereitstehende Militärfahrzeug. „Zu Fuß werden wir schneller sein. Halte dich hinter mir.“
Die Situation missfiel Ducin. Er war es gewohnt, zu jeder Zeit die Oberhand zu haben und den Überblick über alles zu behalten. Doch hier war alles anders. Stück für Stück entglitt ihm die Kontrolle. Er befand sich in der Defensive, konnte lediglich reagieren. Außerdem war er unbewaffnet. Eine Tatsache, die ihm eindeutig Unbehagen bescherte.
Thor rannte los, und Ducin folgte ihm quer über das Rollfeld, wobei der Schleuser gekonnt im Schatten der Flugzeuge blieb. Sollten die New Yorker Kruento sie jedoch erreichen, würde ihnen die Deckung nicht viel helfen.
„Hast du eine Waffe für mich?“, fragte er den Schleuser. Er brauchte etwas, um sich zu verteidigen, dann würde er sich besser fühlen.
Thor drehte sich zu ihm um und warf ihm einen Dolch zu. Geschickt fing Ducin ihn auf. Nicht unbedingt das, was er sich vorgestellt hatte, aber besser als nichts. Zeitgleich sah er, wie der Schleuser sein Schwert unter dem Mantel hervorzog.
„Testa!“, fluchte Thor in diesem Moment und wechselte abrupt die Richtung.
Ducin hatte Mühe, dem Richtungswechsel zu folgen. Er bremste scharf ab und verlor dabei wertvolle Sekunden. Sekunden, in denen ihre Angreifer gefährlich näher rückten. Ducin hatte keine Zeit, sich umzudrehen, spürte aber die deutliche Übermacht der Gegner. Es waren viele - zu viele. Er war ein geübter Kämpfer und wusste, dass der Schleuser ebenfalls gut mit Waffen umgehen konnte, aber gegen so viele Kruento konnten auch sie nichts ausrichten.
„Achtung!“, rief Ducin und wich einem Wurfstern aus, der durch die Luft zischte und ihn dadurch am Weiterlaufen hinderte.
Thor sprang ebenfalls zur Seite, rollte sich über den Rücken ab und landete wieder auf den Füßen. Gleich darauf ragte Thor neben ihm auf.
Suchend sahen sich die beiden Männer um, konnten aber trotz ihrer geschärften Sicht niemanden ausmachen. Ducin wollte sich gerade einen Schritt vorwärtsbewegen, als ein weiterer Wurfstern direkt vor seinen Füßen landete. Der Angriff sollte ihn nicht verletzen, ihm aber deutlich machen, dass eine Flucht unmöglich war. Sie waren umzingelt, eingekesselt zwischen den feindlichen Kruento und dem Rumpf eines Kleinflugzeugs.
In diesem Moment traten die New Yorker Vampire aus ihrer Deckung. Zwei kamen von vorne, drei von hinten, und von den Seiten stießen jeweils zwei weitere Kruento dazu. Neun gegen zwei. Ein aussichtsloser Kampf. Das war offenbar auch Thor klar, der sich schützend vor Ducin aufbaute. Als ob dies etwas nützen würde.
Eine scharfe Zurechtweisung lag Ducin bereits auf der Zunge, doch er sparte sich die Luft. Thor tat nur seinen Job, und dazu gehörte, die Flüchtlinge zu beschützen. Ducin mochte zwar keine schutzbedürftige Vampirin oder ein junger Ephebe sein, aber er schätzte den Schleuser in den wenigen Augenblicken, in denen er ihn kennenlernen durfte, bereits sehr und würde ihn nicht kränken. Außerdem würde dies nichts an ihrer aussichtslosen Lage ändern. Seine Flucht würde hier enden. Für einen Moment fragte Ducin sich, welches Schicksal grausamer gewesen wäre: seinem Vetusta in die Hände zu fallen oder den New Yorker Vampiren? Egal, was er und Thor versuchten, wenn es die New Yorker darauf anlegten, würden sie den Flugplatz nicht lebend verlassen.
„Waffen weg!“, keifte einer der näher rückenden Kruento und trat ins Licht. Die unförmig gebogene Nase musste mehrfach gebrochen worden und dann schief ausgeheilt sein. Bei einem Vampir, dessen Art vor Makellosigkeit nur so strotzte, ein ungewöhnliches Bild.
Ducin kniff die Augen zusammen und nahm Blickkontakt mit Thor auf. Sie hatten keine geistige Verbindung, brauchten sie in diesem Moment auch nicht. Beide wussten, dass ihre Lage ausweglos war.
„Waffen weg!“, schrie der Kruento erneut und hob warnend die rechte Hand. Die kleinen Wurfgeschosse blitzten auf und reflektierten das helle Scheinwerferlicht.
Ducin senkte den Arm mit dem Dolch, und die Waffe landete auf der Erde. Auch Thor befolgte die Anweisung und sein Schwert fiel klirrend zu Boden.
„Weiter!“, forderte der Kruento.
Der Schleuser ließ einen Schlagstock und ein Messer folgen. In seinen Augen las Ducin Bedauern und eine stumme Entschuldigung.
Er schüttelte den Kopf. Es gab nichts, wofür sich der Bostoner Vampir entschuldigen musste. Wenn einer die Schuld trug, dann er selbst, weil er unangekündigt hier aufgetaucht war und Thor keine Zeit gelassen hatte, ausreichend Vorkehrungen zu treffen.
„Na, wen haben wir denn da?“, spöttelte einer der New Yorker und trat mit gezücktem Schwert aus dem Schatten. „Den Schleuser und einen Flüchtling.“ Er fuhr sich über seinen rostbraunen Vollbart.
Die stechend grünen Augen des Mannes ließen Ducin innehalten. In seinem Kopf arbeitete es. Er war sich sicher, den Kruento zu kennen. Dann fiel es ihm ein.
„Jarle?“, fragte Ducin verwundert und schob sich an dem Schleuser vorbei, der immer noch schützend vor ihm stand. Er trat ins Licht, damit der Vampir ihn sehen konnte.
Die Augen des Kruento weiteten sich, als er Ducin erkannte. Überrascht schnappte er nach Luft.
„Soya?“, murmelte er sichtlich verunsichert und ließ sein Schwert sinken.
„Ein Soya?“, höhnte ein anderer, der sich weiterhin feige im Schatten verborgen hielt. „Das wird Radim aber freuen.“
Jarle fuhr zu seinem Kumpan herum. „Das ist Soya Ducin“, rief er, als würde das alles erklären.
„Kenne ich nicht“, kam die Antwort aus der Dunkelheit.
Einige Männer traten ins Licht. Unglaube stand in ihren Gesichtern. Ducin erkannte Johannes Meiler, einen raubeinigen Deutschen, der einer der ersten gewesen war, die über ihn ausgereist waren. Was hatte ihn nach New York verschlagen? Was hatte dazu geführt, dass er sich in den Dienst von Radim Koroljow begeben hatte?
Ein hochgewachsener Blonder, der eilig sein Schwert fortsteckte, trat auf Ducin zu und verbeugte sich hastig. „Zu deinen Diensten, Soya.“ Die Ergebenheit, die in seinen Worten mitschwang, war Ducin nicht fremd. „Soya Ducin, es ist mir eine Ehre, dich in New York begrüßen zu dürfen. Nehmt die Waffen runter“, wies der blonde Vampir mit dem Dreitagebart die anderen an. Er schien das Kommando zu haben, denn einige senkten sofort die Waffen. Nur wenige ignorierten die Aufforderung.
„Dezi!“, schnaubte der Blonde.
Vor sich hinschimpfend und mit grimmiger Miene trat der angesprochene Kruento aus dem Schatten. „Ich halte das für keine gute Idee, Quirin.“
Natürlich. Es fiel Ducin wie Schuppen von den Augen. Quirin Larsen. Verdammt, war er erwachsen geworden! Vor einigen Jahren hatte er den jungen Epheben auf Wunsch seines Vaters aus dem Land geschleust und ihn so Haldors Zugriff entzogen. Heute erinnerte kaum noch etwas an den jungen schlaksigen Kerl, der mit seinen Kräften kaum umgehen konnte. Jetzt stand Ducin einem Kruento gegenüber, der nicht nur sein Schwert, sondern auch seine Männer fest im Griff hatte. Sein Vater wäre stolz auf ihn.
„Steck deine Waffe endlich weg, oder ich komme und stecke sie dir sonst wohin“, drohte Quirin, und endlich hörte Dezi auf ihn. „Das ist Soya Ducin. Einer der ranghöchsten Soyas der Sjüten und der anständigste Kruento, den ich kenne.“
Ducin fühlte sich geehrt, doch er musste die Situation klarstellen. „Wohl eher ein clanloser Vampir“, spottete er mit einer gewissen Selbstironie. „Ich bin aufgeflogen.“
„Testa!“ Quirin fing sich erstaunlich schnell. „Wie kann ich dir helfen?“
Ducin schüttelte den Kopf. Er benötigte keine Hilfe. Er wollte lediglich unbehelligt mit Thor den Flugplatz verlassen.
„Lasst sie gehen!“, entschied Quirin.
Der andere Kruento schnaubte. „Aber Radim hat gesagt …“, wagte einer der Männer zu widersprechen.
Quirin knurrte vernehmlich, was den anderen verstummen ließ. „Niemand rührt ihn an! Er hat mir das Leben gerettet, und zumindest das bin ich ihm schuldig.“
Anerkennend nickte Ducin dem jüngeren Vampir zu. Seine Achtung vor dem jungen Kruento stieg. „Ich danke dir.“
Spontan streckte er Quirin die Hand entgegen. Dieser zögerte kurz, schlug dann jedoch ein.
„Es ist mir eine Ehre, Soya.“
Ducin sah davon ab, ihn darauf hinzuweisen, dass er den Titel eines Soyas nun nicht mehr trug.
„Das wird Radim überhaupt nicht gefallen“, blaffte der Kruento, den sie Dezi genannt hatten, aus dem Hintergrund. Er hob erneut sein Schwert.
Blitzschnell war Quirin bei ihm, nahm ihm die Waffe mit einer geschmeidigen Bewegung ab, trat von hinten an ihn heran und hielt ihm das Schwert an die Kehle. „Stellst du meine Befehle in Frage?“, knurrte er.
„Nein!“, keuchte der Unterlegene ängstlich.
Ducin verzog abfällig den Mund. Er verachtete solche Kruento wie diesen und so richtete er seine Aufmerksamkeit wieder Quirin zu, dem Epheben, dem er das Leben gerettet hatte. Nicht nur ihm, sondern anderen Kruento ebenfalls. Viele waren ihm etwas schuldig, und er würde in den kommenden Wochen einige Gefallen einfordern müssen.
„Wie lange wirst du in New York bleiben?“, fragte Quirin. Dabei zog er mit einer fast schon beiläufigen Bewegung das Schwert fort und stieß Dezi zu Boden.
Ducin wusste, dass er sich weit aus dem Fenster lehnte, aber er musste in dieser Situation die Oberhand gewinnen. Als ob es selbstverständlich wäre, ging er zu Thors Schwert, hob es auf und reichte es dem Schleuser. Eine Tat, die im krassen Widerspruch zu seiner Position als Neuankömmling in der Neuen Welt stand. Thor sah ihn für einen Moment irritiert an, dann steckte er die Waffe fort. Noch einmal bückte Ducin sich und hob die restlichen Waffen auf. Thor verstaute das Messer und den Schlagstock, den Dolch nahm er nicht. So befestigte Ducin ihn an seinem Gürtel.
„Wir werden New York noch heute verlassen“, verkündete er und ging auf Quirin zu.
„Ich wünsche dir eine gute Reise.“ Beinahe ehrfürchtig sah der Kruento ihn an.
„Ich danke dir, mein Freund“, sagte Ducin und nickte ihm zu. „Es war schön, dich zu treffen und zu sehen, was aus dir geworden ist.“ Er wollte sich schon abwenden, dann hielt er noch einmal inne und sah Quirin fest in die Augen. „Helgor wäre sehr stolz auf dich.“
Die Augen des Vampirs weiteten sich. „Wie geht es meinem Vater?“
Ducin senkte den Blick. Der Kruento war nicht mehr am Leben, er war einem sinnlosen Machtkampf Haldors zum Opfer gefallen. „Es tut mir leid“, sagte er nur und verschwieg die genauen Umstände.
Betreten senkte Quirin den Kopf. „Danke“, murmelte er.
Ducin nickte Quirin noch einmal abschließend zu. Er wusste nicht, warum der junge Vampir sich ausgerechnet dem New Yorker Clan angeschlossen hatte, aber er bedauerte es zutiefst, nicht mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Die Machtverhältnisse und politischen Ränkespiele in der Neuen Welt waren ihm zu fremd, um sich eine endgültige Meinung zu bilden.
„Gehen wir!“, wandte Ducin sich an Thor.
Dieser nickte und wies in die Richtung des Jeeps. Ohne sich noch einmal umzudrehen, gingen sie auf das Fahrzeug zu, stiegen ein und brausten davon.
Unbehelligt verließen sie das Flughafengelände.
* * *
Das fiftyfive war voll. Nicht nur die ersten zwei Ebenen, auch in der den Kruento vorbehaltenen dritten Ebene war heute ungewöhnlich viel los. Es mochte daran liegen, dass der Ekklesia-Rat sich an diesem Abend getroffen und viele Soyas ihre Gefährtinnen mitgebracht hatten. An solchen Tagen verirrten sich rein zufällig etliche Kruento aus allen möglichen Schichten ins fiftyfive. Einige Vampire waren neugierig und gierten danach, den neuesten Klatsch und Tratsch aufzuschnappen. Andere versuchten, sich in Szene zu setzen und bei den Soyas einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Care war weder an dem einen noch an dem anderen gelegen und wäre auch ins fiftyfive gekommen, wenn kein Rat getagt hätte. Da sie Dan Rastus angehörte, genoss sie das Privileg, im Hauptquartier des Clans zu wohnen, wobei sie sich immer noch nicht sicher war, ob das wirklich ein Vorteil war. Nach Möglichkeit ging sie nicht nur den Soyas, sondern auch den Kriegern, die dort regelmäßig trainierten, aus dem Weg.
Der ganze Aufriss, der an diesem Abend im Club betrieben wurde, nervte sie. Ihr Stammplatz war belegt und so hatte sie sich zu Etina und Rastus an einen Tisch setzen müssen. Das Paar berührte sich ständig und tauschte innige Blicke aus. Nervös strich Care sich die langen dunkelbraunen Haare über die Schulter, die ihr inzwischen bis zur Hüfte reichten. Zwar war es erst kurz nach Mitternacht, aber Care hielt es keine Sekunde länger in der Nähe der beiden aus.
„Ihr entschuldigt mich“, sagte sie und erhob sich.
Unter Rastus’ besorgtem Blick wurde ihr unwohl, und sie fragte sich, wie viel er als ihr Rinoka von ihrem Gemütszustand spüren konnte.
„Ich bin hungrig.“
Es war nicht wirklich so, dass sie Hunger verspürte, aber sie brauchte Abstand.
So sehr sie Etina und Rastus auch mochte, führten sie ihr doch ständig vor Augen, dass sie das fünfte Rad am Wagen war. Die beiden waren miteinander so glücklich, und Care gönnte ihnen diese unglaublich seltene Seelenverbindung von Herzen. Zwar war sie ein Teil der Familie, aber von einer so intensiven Verbindung blieb sie natürlich ausgeschlossen, und das schmerzte. Care sehnte sich nach einem Partner, zu dem sie gehörte, wie Etina zu Rastus. Dennoch fürchtete sie sich vor der Offenheit, die dies voraussetzte. Ein solch bedingungsloses Vertrauen würde sie nie einer anderen Person entgegenbringen können, dazu hatte sie ihre Zeit bei Rosko, ihrem Rinoka vor Rastus, zu sehr geprägt. Aus diesem Grund würde sie wohl damit leben müssen, nie einen Gefährten zu finden. Sie ertrug zu viel Nähe nicht. Trotzdem nagte es an Care, immer vor Augen geführt zu bekommen, was sie nicht haben konnte. Es war nicht so, dass sie undankbar erscheinen wollte. Im Gegenteil, sie war voller Dankbarkeit, dass Rastus sie aufgenommen und vor Rosko, dem letzten Verwandten, den sie besaß, gerettet hatte. Aber gleichzeitig war sie auch froh darüber, dass seine Verpflichtungen im Clan ihn so sehr beanspruchten, dass sie nur selten in seinen Fokus rückte. Auch wenn Rastus kein Mitglied des Ekklesia-Rats war, war er in viele ihrer Angelegenheit verwickelt und betreute zusammen mit Soya Arek die Ausbildung der Krieger. Als Rastus Care unter seinen Schutz gestellt hatte, war er in ihren Geist eingedrungen. Allein die Erinnerung, wie sich seine Anwesenheit in ihrer Seele angefühlt hatte, verursachte ihr noch heute Übelkeit und erinnerte sie daran, was Rosko ihr dort angetan hatte. Es war gut, dass Rastus seitdem die Barriere, die sie um ihren inneren Kern errichtet hatte, in dem sie all die schrecklichen Erinnerungen verbarg, nie wieder übertreten hatte.
Wieder legte Rastus so ganz nebenbei seine Hand auf Etinas, die ihn kurz anlächelte. Jetzt war es mehr als genug. Keine Sekunde länger konnte Care die verliebte Turtelei ertragen, und so verließ sie mit schnellen Schritten die dritte Ebene über die schmale Treppe und nickte dem hochgewachsenen Kruento zu, der am Fuße der Treppe stand und darauf achtete, dass niemand Unbefugtes den Bereich betrat.
In der zweiten Ebene feierten die Reichen und Schönen von Boston. Ein angesagter DJ legte gerade auf. Es roch nach Alkohol und den Ausdünstungen der Menschen, aber zumindest erstickte sie nicht an der Liebe, die zwischen Rastus und Etina Funken sprühte und ihr den Atem nahm.
Care kannte den Weg und steuerte zielsicher durch die zweite Ebene. Hier war es unmöglich, einen freien Sitzplatz zu ergattern. Die Sitzecken waren über Monate im Voraus ausgebucht. Natürlich könnte sie einen der reichen Männer beeinflussen, der ihr, ohne mit der Wimper zu zucken, einen Platz anbieten würde, doch das wollte sie nicht. Sie brauchte Abstand.
Ihr Ziel war die unscheinbare Tür direkt neben der Bar, auf der Privat - Zutritt verboten stand. Niemand hielt sie auf. Die Menschen, die hinter der Bar arbeiteten, waren zu beschäftigt, den Kellnerinnen zuzuarbeiten und Getränke zu zapfen, und die Security, die alles im Blick hatte, sah keine Notwendigkeit, sie aufzuhalten.
Die Tür schlug hinter Care zu und verschluckte den Lärm, so dass die dröhnenden Bässe nur noch gedämpft an ihr Ohr drangen. Sie nahm die Treppe nach unten. Genau ein Stockwerk tiefer befand sich eine identische Tür, die in die erste Ebene führte, zu den normalen Clubbesuchern. Hier herrschte Selbstbedienung an der Bar, während Bottlecatcher durch den Raum flitzten und die leeren Gläser und Flaschen einsammelten.
Als Care die Tür aufstieß, wurde sie von der Musik eines miserablen DJs empfangen, der seine Platten unangenehm quietschen ließ. Ihr schlug der abstoßende Gestank von Sex, billigem Alkohol und anderen Drogen, gemischt mit künstlichen Duftstoffen und Menschenschweiß, entgegen. Mit der engen Röhrenjeans und der schulterfreien dunkelgrünen Bluse aus Seide passte Care nicht zu den übrigen weiblichen Besuchern dieser Ebene, die in knappen Tops und kurzen Miniröcken zeigten, was sie besaßen. Glücklicherweise nahm dennoch niemand Notiz von ihr, und genau das war der Grund, warum sie diese Ebene aufgesucht hatte. Care suchte die Umgebung ab und fand schnell eine leere Sitzecke. Im Vorbeigehen griff sie sich einen Cocktail vom Tresen und ignorierte den Protest einer jungen Frau. Unbeirrt bahnte Care sich ihren Weg durch die tanzende Menge bis zu der freien Nische. Die Ausstattung hier war lange nicht so edel wie in den oberen Stockwerken. Etwas Klebriges streifte ihr Bein, als sie sich auf das abgewetzte Polster setzte. Es war besser, nicht darüber nachzudenken, worum es sich dabei handelte. Im besten Fall war es nur ein Cocktailfleck, im schlimmsten Fall die Körperflüssigkeit eines Menschen.
Care stellte den Cocktail vor sich ab und lehnte sich zurück. Die wummernden Bässe, der Lärm und die zappelnden Menschen verschwammen zu einer undeutlichen Masse. Ihre Augen schlossen sich, und sie atmete gleichmäßig ein und aus.
Inmitten von unzähligen Menschen war sie vollkommen allein. So war es schon immer gewesen. Seit sie denken konnte, gehörte sie dem Bostoner Clan an, doch nie hatte sie richtig dazugehört. Care war immer eine Außenseiterin gewesen. Mit den anderen Mädchen in ihrem Alter hatte sie nie wirklich etwas anfangen können und so lebte sie ziemlich zurückgezogen, hatte lediglich Kontakt zu ihrer Familie. Die Erinnerungen an ihren Vater waren nur noch verschwommen, zu weit lagen sie in der Vergangenheit. Care war noch ein Mensch gewesen, als er verstarb. Sharo, ihr Bruder, hatte sie verwandelt. Ab diesem Zeitpunkt waren die Erinnerungen glasklar – auch die unangenehmen und schmerzhaften. Für vampirische Maßstäbe hatten Care ein einfaches und beschauliches Leben geführt. Pflichtbewusst ging Sharo seiner Aufgabe in der Leibgarde des Dominus nach, und Care kümmerte sich um den Haushalt und um ihre Mutter. Nach dem schicksalhaften Tag, an dem sich nicht nur Cares Leben, sondern auch das des gesamten Clans gewandelt hatte, war nichts mehr wie zuvor. Ihre Mutter verfiel in Depressionen, als herauskam, dass Sharo für den Tod des Dominus und vieler weiterer unschuldiger Kruento verantwortlich war. Ihr Cousin Rosko wurde ihr Rinoka, und damit hatte sich vieles im Haus verändert.
Hastig verdrängte sie die unschönen Gedanken und griff nach dem Cocktailglas, ohne einen Schluck zu nehmen.
„Hey!“, brüllte sie ein junger Kerl über den Tisch hinweg gegen den Lärm an.
Cares Körper erstarrte, und sie hasste sich dafür. Ihr gelang es einfach nicht, sich gegen männliche Zeitgenossen zur Wehr zu setzen. Ein ums andere Mal hatte Rosko sie gezwungen, sich Männern unterzuordnen, und das war inzwischen so tief verankert, dass sie sich selbst vor Menschenmännern fürchtete. Dabei wäre sie einem Menschen kräftemäßig haushoch überlegen. Stattdessen saß sie einfach nur da und starrte ihn verängstigt an, obwohl sich alles in ihr sträubte, den Kerl näher heranzulassen.
Nach menschlichen Maßstäben mochte er ganz ansehnlich sein, doch im Vergleich zu einem Vampir konnte er nicht mithalten. Den blauen Augen fehlte jedes Feuer, sein Oberkörper war zwar trainiert, sah aber in dem engen T-Shirt viel zu bemüht aus. Als er die Lippen zu einem breiten Grinsen verzog, entblößte er leicht gelbliche Zähne. Dazu besaß er keine Ausstrahlung.
„Ist bei dir noch frei?“, fragte der Kerl mit den stumpfen Augen.
Eigentlich hätte sie nur den Kopf schütteln oder ihm erklären müssen, dass er sie in Ruhe lassen sollte. Selbstverständlich hätte sie auch in seinen Geist schlüpfen und ihn dazu bringen können zu gehen. Doch sie dummes Huhn saß nur da, starrte ihn mit großen Augen an und war nicht in der Lage, auch nur ein Wort herauszubringen.
„Es wird Zeit, dass du verschwindest“, hörte sie eine vertraute Stimme.
Eine feine Gänsehaut zog ihren Nacken hinauf. Plötzlich legte sich eine Hand auf die Schulter des Kerls, der sich überrascht umdrehte. Hinter ihm tauchte Rosko auf. Er war ein ganzes Stück kleiner als der Mensch. Seine etwas zu langen braunen Haare hingen ihm halb vor dem Gesicht, doch die stechend blauen Augen und die machtvolle Präsenz, die den Kruento umgab, ließen den Mann zurückweichen. Mit weit aufgerissenen Augen murmelte er eine unverständliche Entschuldigung und hastete davon.
„Care!“, seufzte Rosko und rutschte mit einem Lächeln zu ihr auf die Bank.
Sie wusste, dass sie vom Regen in die Traufe gelangt war und der Mensch vermutlich die bessere Alternative gewesen wäre. Rosko hatte sie noch nie etwas entgegensetzen können, und er war das letzte Lebewesen auf dieser Erde, in dessen Nähe sie sein wollte.
Eine ganze Zeit lang saß ihr Cousin einfach nur da und blickte sie an. Care wusste nicht, wohin sie sehen sollte, und schlug die Lider nieder.
„Du siehst gut aus“, sagte er schließlich.
„Hm …“, war alles, was über ihre Lippen kam.
„Oh, Care.“ Er rutschte näher, strich ihr liebevoll eine Strähne hinter das Ohr.
Sie wagte nicht aufzublicken. Nur zu deutlich war ihr ihre Unterlegenheit bewusst. Sie konnte sich gegen ihn nicht wehren.
„Ich vermisse dich“, sagte er.
Sie schloss die Augen, wollte das nicht hören.
„Es ist ganz schön einsam ohne dich in diesem großen Haus geworden.“
Ohne etwas dagegen tun zu können, empfand sie Mitleid für ihn und schämte sich für ihr Versagen. Sie hatte ihn allein gelassen. Er hatte niemanden mehr, der sich um ihn kümmerte, den Haushalt führte und ... Hastig verdrängte sie die Gedanken an die weniger schönen Aufgaben, die sie für ihn erledigt hatte.
Wieder nahm er sich Körperprivilegien heraus, indem er seine Hand auf ihren Rücken legte. Es war unangenehm, und eigentlich hatte er dazu kein Recht. Sie gehörte nicht mehr zu ihm, es gab keinen Grund, dass er sie berührte. Dennoch tat er es, und sie genoss diese einfache Geste, die ihr zeigte, dass sie nicht allein war. Inmitten der Menschenmasse war es ausgerechnet Rosko, der ihr das Gefühl vermittelte dazuzugehören.
„Es tut mir alles sehr leid, wirklich, Care.“ Er schob das Cocktailglas ein wenig zur Seite und legte seine Hand über ihre. „Ich habe einige Fehler gemacht, und es tut mir sehr leid.“
Sie schluckte und merkte, wie ihre Abneigung Rosko gegenüber zu schwinden begann.
„Care, ich möchte lediglich, dass wir uns wieder annähern. Ich habe mich geändert, wirklich“, beteuerte er.
Es fiel ihr schwer, standhaft zu bleiben, auch wenn sie ahnte, dass es nicht klug war.
„Und du bist doch meine Familie. Wir sind die Einzigen, die von den Locubs übriggeblieben sind. Wenn wir nicht zusammenhalten, wer dann?“
Darauf hatte Care keine Antwort. Etwas in ihr drängte sie, Rosko zu verzeihen und neu mit ihm anzufangen. Das, was er ihr angetan hatte, war grausam gewesen, doch sie hatte es überlebt. Er war ihr einziger Blutsverwandter, der noch am Leben war. Wenn Rosko sich wirklich geändert hatte, konnte sie ihn dann abweisen?
„Liebes“, er lächelte sie gewinnend an. „Du musst dich nicht sofort entscheiden. Versprich mir einfach nachzudenken. Ich will nichts, was du nicht auch willst. Ich will lediglich Kontakt zu dir halten.“
Seine Hand löste sich von ihrer. Doch anstatt fortzurücken, kam er näher und küsste sie leicht auf die Wange. Erst dann erhob er sich, lächelte sie noch einmal an und verschwand in der Menge.
Care saß einfach nur da, spürte den Speichel an ihrer Wange, wusste, dass es weit mehr gewesen war als ein banaler Kuss. Damit hatte er sie markiert und ihr gezeigt, wie es war, wenn sie unter seinem Schutz stand. Er hatte sie nicht allein gelassen, in der Einsamkeit, sondern er war zu ihr gekommen. Konnte sie ihm vertrauen? Konnte sie ihm glauben, dass er sie nicht noch einmal in die Hölle schickte? War sie bereit dazu, ihm zu verzeihen? Etwas in ihr sehnte sich danach. Es war keine körperliche Anziehung, doch ihre Seele schrie nach ihm, dem einzigen Blutsverwandten, der ihr geblieben war.
Für gewöhnlich brachte der Schleuser die Flüchtlinge in einer sicheren Wohnung in New York unter, bis klar war, wie es mit ihnen weitergehen sollte. Doch Ducin war kein normaler Flüchtling, und so fuhren sie, nachdem sie den Jeep gegen einen dunklen SUV getauscht hatten, Richtung Boston. Es war Mittag, als sie die ersten Ausläufer der Stadt erreichten. Ducin und Thor waren beide zu alt, als dass ihnen die hoch am Himmel stehende Sonne Schaden zufügen konnte, und das vereinfachte die Situation, auch wenn Ducin die Dunkelheit bevorzugte. Das helle Licht konnte ihm nichts anhaben, doch da er keine Sonnenbrille dabeihatte, stach es unangenehm in den Augen. Er würde sich zügig eine Brille kaufen müssen. Ebenso benötigte er Kleidung. Aber bevor er sich darum kümmerte, brauchte er eine Dusche, ein Bett und Nahrung – am besten in dieser Reihenfolge.
Sie hatten die Fahrt über geschwiegen. Ducin fühlte sich in Thors Gesellschaft wohl. Er freute sich, dass er den Schleuser endlich persönlich kennenlernen konnte, und war nicht enttäuscht worden. Thor war einer der feinsten Vampire, denen er je begegnet war. Er warf einen Seitenblick auf den dunkelhäutigen Vampir, dessen Aufmerksamkeit auf die Straße gerichtet war. Thor wirkte ruhig, vollkommen mit sich im Reinen. Ducin hatte diese Ausstrahlung bisher nur an wenigen Kruento wahrgenommen. Um genau zu sein, nur an jenen, die ihre Seelengefährtin gefunden hatten, und das schien offenbar nur in Boston möglich zu sein. Er freute sich für jeden Einzelnen von ihnen, der dieses unglaublich wertvolle Geschenk erhalten hatte. Tief in sich drin mochte er diese Kruento beneiden, eine Seelengefährtin oder gar nur eine Gefährtin passten derzeit nicht in sein Leben.
An seinem Fenster zogen die Häuser der Großstadt vorbei. Der Verkehr wurde dichter, weswegen sie langsamer vorwärtskamen. Ducin hatte keine Ahnung, wohin der Schleuser ihn bringen würde. Gab es in Boston eine Gästeunterkunft? Würde Thor ihn in ein Hotel fahren oder gar zu sich mit nach Hause nehmen? Hoffentlich nicht Letzteres. Dort würde er sich nicht wohl fühlen. Das Paar war frisch verbunden und brauchte die Zeit für sich. Außerdem hatte er gehört, dass sie die Verantwortung für ein Blutkind übernommen hatten. Da würde er nur stören. Zwar freute er sich darauf, Delina, Thors Seelengefährtin, wiederzusehen, der er erst vor kurzer Zeit zur Flucht verholfen hatte, bevor sie die Gefährtin des brutalen Vetusta Haldor werden konnte, doch dazu musste er nicht bei ihnen wohnen.
Sie erreichten eine der besseren Wohngegenden in Boston. Die Häuser waren pompös, die Grundstücke wurden immer weitläufiger.
Thor drückte die Schnellwahltaste seines Telefons.
„Stets zu Diensten, Schleuser“, hörte er eine vergnügte männliche Stimme, die Ducin bekannt vorkam, die er jedoch nicht sofort einordnen konnte.
„Wir erreichen in zwei Minuten das Tor, Computernerd“, entgegnete Thor trocken.
Ducins Mundwinkel zuckten. Am anderen Ende der Leitung war Virus. Er mochte den unkomplizierten jungen Vampir gern, der meist am Telefon war, wenn er in der Zentrale anrief. Dahin würde also ihre Fahrt gehen. Thor brachte ihn weder in ein Hotel oder eine Gästeunterkunft noch zu sich nach Hause. Ihr Ziel war das Herz des Bostoner Clans, die geheime Unterkunft von Darius, dem Anführer.
Das Vertrauen, das die Bostoner ihm damit entgegenbrachten, ehrte ihn.
Endlich erreichten sie ein offenstehendes Eisentor, und Thor bog in das Grundstück ein. Sie fuhren eine lange Einfahrt entlang, und Ducin bewunderte den weitläufigen, gepflegten Garten. Ein großes, weiß gestrichenes Haus im viktorianischen Stil kam in Sicht. Den Mittelpunkt bildete ein Turm, an den sich in jede Himmelsrichtung ein längliches Gebäude anschloss. Eine ausladende Veranda verband die Flügel zur rechten und zur linken Seite, in der Mitte befand sich die Eingangstür. Zu Ducins Überraschung fuhr Thor jedoch an dem Gebäude vorbei. Gerade als er den Schleuser danach fragen wollte, sah er die Einfahrt zu einer Tiefgarage. Thor brauste die Abfahrt hinab, und es wurde angenehm dunkel um sie herum. Die Garage war äußerst geräumig, wie Ducin verblüfft feststellte. Ein Auto reihte sich an das nächste: SUVs und andere Geländewagen in unterschiedlicher Ausstattung, einige Transporter, sogar zwei Sportwagen und ein dunkelgrüner Dodge Charger, der aus den Sechzigern stammen musste.
Thor parkte auf einem der wenigen freien Parkplätze und deutete auf einen unscheinbaren Aufzug, der inmitten der Fahrzeuge vollkommen deplatziert wirkte. „Damit kommen wir in die unterirdische Festung.“
Ducin zog eine Augenbraue hoch. „Festung?“
„Du wirst schon sehen“, prophezeite Thor und stieg aus.
Ducin verließ ebenfalls das Auto, warf noch einen prüfenden Blick zurück und folgte dem Schleuser dann zu dem wartenden Aufzug.
Sie fuhren etliche Stockwerke in die Tiefe, bevor sich die Türen öffneten und einen steril wirkenden Flur preisgaben. Ducin spürte die mächtige Bostoner Präsenz mit jedem Schritt. Hier befand sich mehr als nur ein ernstzunehmender Gegner, und er war hier lediglich geduldet, vollkommen auf die Gnade seines Gastgebers angewiesen. Unwillkürlich tastete er nach dem Dolch an seinem Gürtel. Das hier waren nicht die Feinde, rief er sich ins Gedächtnis. Es waren Verbündete, Freunde. Doch so sehr er auch dagegen ankämpfte, Ducin wurde das beklemmende Gefühl nicht los, sich auf feindlichem Territorium zu befinden.
Thor dirigierte ihn zielsicher durch das Ganglabyrinth. Der Geruch des Clans wurde immer intensiver, was dazu führte, dass das Raubtier in ihm auf der Hut war. Es traute dem Frieden nicht. Wenn Thor ihn in eine Falle locken wollte und sie ihn hinterrücks angriffen, hätte er hier unten keine Chance. Ducin schüttelte den Gedanken ab und fokussierte sich auf den Rücken des Schleusers.
„Da wären wir“, verkündete Thor und blieb vor einer der zwei Türen stehen. Sie befanden sich in einer Sackgasse.
Wieder wurde Ducin die Anwesenheit von anderen mächtigen Vampiren allzu deutlich bewusst. Jetzt konnte er sie nicht nur spüren, sondern sogar riechen. Sie mussten sich ganz in seiner Nähe aufhalten. Sein Körper blieb angespannt, als Thor die linke Tür öffnete und zur Seite trat, um ihm den Vortritt zu lassen.
Bereit für einen Kampf, tastete er verstohlen nach dem Dolch an seinem Gürtel und hoffte, dass er ihn nicht brauchen würde. Er rang sich ein verkrampftes Lächeln ab, dann trat er ein.
Ducin erkannte den runden Tisch von den Videokonferenzen und wusste, dass er sich im Besprechungsraum der Ekklesia befand. Nie hätte er sich träumen lassen, diesen Raum einmal selbst zu betreten. Doch das Schicksal hatte es anders vorgesehen.
Es war eine ganze Reihe an Vampiren anwesend. Darius erhob sich und kam mit ausladenden Schritten auf ihn zu. Ducin hatte dem Anführer des Bostoner Clans noch nie von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden, obwohl er regelmäßig mit ihm Videotelefonate geführt hatte. Dafür war er der Samera des Anführers, Sam, begegnet, die er zusammen mit ihrer Schwester Arnika und Jendrael in seinem Zuhause beherbergt hatte. Damals waren die Schwestern ihrem genetischen Erbe auf der Spur und entpuppten sich als Enkelkinder des Fränkischen Blutfürsten. Dieser war allerdings alles andere als begeistert von ihrer Existenz gewesen und hatte ihnen nach dem Leben getrachtet.
„Willkommen in Boston.“ Darius baute sich vor ihm auf und streckte ihm zur Begrüßung die Hand entgegen.
Zögernd schlug Ducin ein, er war sich immer noch nicht ganz sicher, ob er dem Bostoner Anführer trauen konnte. Sie waren Verbündete, doch die Situation hatte sich geändert, da er jetzt nicht mehr der Soya war, der die Kruento außer Landes brachte. Er war jetzt selbst ein Flüchtling. Dementsprechend hätte Ducin mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass Darius ihn in eine freundschaftliche Umarmung zog und ihm auf die Schulter klopfte, denn das gehörte sich für clanfremde Kruento nicht.
„Es ist schön, dich zu sehen“, sagte Darius, nachdem er ihn wieder losgelassen hatte, und in seiner Stimme schwang nichts als ehrliche Freude mit.
Ducins Anspannung legte sich. Dennoch konnte er nicht alle Reserviertheit abschütteln. „Danke.“ Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. „Es ist Mittag, ich hätte nicht erwartet, dass ihr alle da seid.“
Gleichzeitig schämte er sich für das Misstrauen, das er empfand. Es mochte daran liegen, dass es ihm längst zur Gewohnheit geworden war, denn anders hätte er bei den Sjüten nicht so lange in seiner Doppelrolle überlebt. Nach außen hin war er stets der loyale Soya, der seinem Vetusta treu ergeben war, während er hinter seinem Rücken die Flüchtlinge aus dem Land schaffte. Aber das schien nun Ewigkeiten her zu sein.
„Dein Eintreffen konnten wir uns doch unmöglich entgehen lassen.“ Jendrael schob sich an Darius vorbei und umarmte Ducin kameradschaftlich.
Von der Seite klopfte ihm Rastus auf die Schulter. „Schön, dass wir uns endlich bei dir revanchieren können für all das, was du für uns getan hast.“
Ducin nickte dem Vampir zu, der beim Abholen von Sam, Arnika und Jendrael in feindliche Hände gefallen war und einige Zeit in fränkischer Gefangenschaft verbracht hatte, ehe ihm die Flucht gelungen war und Ducin ihm bei der Ausreise helfen konnte.
„Wie geht es Etina?“, erkundigte Ducin sich.
„Ich soll dich von ihr grüßen, und sie freut sich, dich bald zu sehen.“
Dankend nickte Ducin. Wieder rief er sich in Erinnerung, dass er von Freunden umgeben war, von Kruento, denen er vertrauen konnte – denen er jetzt vertrauen musste.
Auch die blonden Brüder Arek und André, die Rastus bei der Rettungsaktion begleitet hatten, waren hier, um ihn zu begrüßen. Sie standen am Rand des Besprechungsraumes, und Ducin nickte ihnen zu. Dann bemerkte er die dunkelhaarige Vampirin, die einzige anwesende Frau. Sie saß am Tisch, erhob sich von ihrem Platz und kam auf ihn zu. Im Gegensatz zu vielen anderen Vampirinnen, die auch heute noch Kleider bevorzugten, trug sie eine verwaschene Jeans, T-Shirt, Lederjacke und Sneakers. Wäre da nicht ihre unnatürliche Ausstrahlung gewesen, hätte man sie leicht für einen durchschnittlichen Menschen halten können. Die Männer ließen sie durch.
Ducin rechnete damit, dass sie in sicherer Entfernung von ihm stehen bleiben würde, doch stattdessen trat sie zu ihm und umarmte ihn, wie die Männer es zuvor getan hatten. Steif und ungelenk erwiderte er die Geste und ließ dabei Darius nicht aus den Augen.
Sam mochte ein Kind der Gegenwart sein und noch häufig in die Verhaltensweisen der Menschen zurückfallen. Darius dagegen hatte bereits ein Jahrhundert auf dem Buckel und besaß zudem die ausgeprägten Triebe eines männlichen Vampirs, dessen oberste Pflicht es war, seine Samera zu schützen. Zu Ducins grenzenlosem Erstaunen stand der Anführer einfach nur da und sah seelenruhig zu, wie Sam und er Körperprivilegien teilten. Dieses Verhalten war absolut untypisch für einen Kruento, noch dazu für einen so dominanten wie Darius. Er konnte nur mutmaßen, dass es an der besonderen Verbindung – dem Seelenband – lag.
Lächelnd löste Sam sich von ihm und trat neben Darius, der ihr entspannt einen Arm um die Schulter legte. Seine Lippen strichen kurz über ihre Stirn. Es war eher eine beiläufige Geste. Ducin konnte das Zucken seines Mundwinkels nicht verhindern. Der Vampir hatte den fremdartigen Geruch an seiner Samera bemerkt und dafür gesorgt, dass sie wieder nach ihm roch.
„Du bist sicher müde“, richtete Sam das Wort an ihn. „Dennoch würden wir uns freuen, wenn wir noch kurz reden könnten. Dann werde ich dich zu deiner Unterkunft bringen.“
Ducin war in der Tat erschöpft, doch er kam der Aufforderung der Vampirin nach und zog sich den erstbesten Stuhl heran.
Thor setzte sich direkt neben ihn, als fühle er sich noch immer für den Flüchtling – für ihn – verantwortlich. Die anderen verteilten sich im Raum.
Darius räusperte sich. „Nachdem Thor die Nachricht bekommen und sich nach New York aufgemacht hat, haben wir das Schlimmste befürchtet. Ich bin erleichtert, dich in bester gesundheitlicher Verfassung zu sehen. Dennoch müssen wir dringend reden.“
Ducin nickte. Er vernahm die stumme Aufforderung, von den näheren Umständen seiner Flucht zu erzählen, wollte dies aber zu diesem Zeitpunkt nicht tun. Er war müde und hungrig. Auch wenn man ihm die Erschöpfung äußerlich nicht ansah, forderten die vergangenen Stunden ihren Tribut.
„Das würde momentan den Rahmen sprengen“, wich er geschickt aus und hoffte, bald eine Matratze unter sich zu spüren.
„Die New Yorker sind uns auf die Pelle gerückt“, erklärte Thor, kreuzte die Arme vor der Brust und lehnte sich gefährlich weit auf seinem Stuhl zurück. „Ehrlich gesagt, würden wir hier nicht sitzen, wenn jemand anderes als Ducin bei mir gewesen wäre.“
Kurz breitete sich Schweigen aus. Darius runzelte die Stirn.
„Testa“, schimpfte Arek. „Wie haben sie es schon wieder geschafft zu erahnen, wann ein Flugzeug mit Flüchtlingen ankommt?“
Darius stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte das Kinn auf die Fingerspitzen. „Es lässt sich nur mit einem Maulwurf erklären.“
Jendrael hob beschwichtigend die Hände. „Darüber haben wir ausführlich gesprochen. Wir haben alle Involvierten überprüft, und jeder war absolut vertrauenswürdig.“
Darius und Jendrael lieferten sich ein kurzes Blickduell.
„Beschließen wir dieses Thema“, lenkte Darius schließlich ein. Wieder war Ducin verwundert. In seiner Welt hätte es niemand gewagt, ihrem Anführer zu widersprechen. Noch viel weniger wäre es Haldor in den Sinn gekommen, einzulenken.
Ducin ließ seinen Blick über die anderen Anwesenden schweifen. Die Brüder Arek und André starrten mit finsterem Gesichtsausdruck vor sich hin. Die Ähnlichkeit zwischen ihnen war nicht zu leugnen. Thor und Rastus saßen reglos da. Ducin kannte die Bostoner viel zu wenig, um sich ein abschließendes Urteil bilden zu können, und so zog er es vor zu schweigen. Ob es einen Maulwurf gab oder nicht, war nicht sein Problem.
„Lasst uns nicht länger um den heißen Brei herumreden“, schaltete Sam sich abermals ein. „Ich weiß, euch alten Vampiren machen die durchwachten Tage nicht so viel aus, aber ich wäre euch dankbar, wenn ich noch ein paar Stündchen Schlaf bekommen könnte.“
Darius lächelte seine Samera liebevoll an und nickte ihr zustimmend zu. „Ducin“, nahm er den Faden wieder auf. „Müssen wir uns Sorgen machen, dass der nächste Vetusta hier einmarschiert?“ Darius spielte auf den derzeitigen fränkischen Vetusta Sebum an, der in die Neue Welt gereist war, um seine Samera zurückzuholen.
Ducin dachte kurz nach und schüttelte dann bedächtig den Kopf. „Ich bin aufgeflogen, das ist alles. Das letzte Mal konnte ich es gerade so abwenden, aber dieses Mal ist die Falle zugeschnappt. Glücklicherweise konnte ich noch fliehen, aber die Luftbrücke von Norwegen in die Neue Welt ist ein für alle Mal geschlossen.“
„Wir müssen dringend neue Wege finden. New York ist auf Dauer unbrauchbar. Wir verlieren durch Radim zu viele Flüchtlinge. Norwegen gibt es nun auch nicht mehr“, brummte Thor unzufrieden, ohne seinen Blick von der Tischkante zu nehmen.
„Mein Weggang wird Haldor nicht so zusetzen, dass er sich in die Neue Welt aufmachen wird“, fuhr Ducin fort. „Aber eine neue Luftbrücke halte ich für überaus sinnvoll.“ Er spielte mit dem Gedanken, in den Norden zu gehen, vielleicht nach Kanada, um dort einen neuen Flüchtlingsknotenpunkt ins Leben zu rufen. Allerdings hatte er keine Kontakte zu den anderen Flüchtlingshelfern. Nachdenklich sah er Darius an und überlegte, ob der Anführer bereit war, die Verteilung der ankommenden Flüchtlinge abzugeben, schließlich besaß der Bostoner Clan das Vorrecht zu entscheiden, wer bleiben konnte und wer wohin gehen durfte.
„New York ist perfekt“, seufzte Jendrael, und Ducin war sich sicher, dass der Diplomat aus dem Stegreif mehrere Gründe dafür aufzählen könnte, wenn er gefragt wurde.
„Damit hätten wir die wichtigste Frage geklärt.“ Sam erhob sich. „Wir müssen nicht befürchten, dass ein weiterer Blutfürst hier auftaucht, also können wir alles andere auf die nächste oder übernächste Nacht verschieben.“
Herausfordernd blickte sie in die Runde. Es war Darius, der schließlich zustimmte.
„Ich werde dir dein Quartier zeigen!“, erklärte Sam an Ducin gewandt.
Dankbar nickte er und erhob sich, um Sam zu folgen.
„Ich freue mich über deine Gastfreundschaft“, bedankte er sich bei Darius, der in Gedanken bereits meilenweit fort schien.
* * *
Care besuchte auch an diesem Abend das fiftyfive. Unter der Woche war es im Club deutlich leerer als am Wochenende. Jetzt, kurz nach Öffnung des Clubs, war noch ziemlich wenig los. Die Separees, die die Kruento nutzen konnten, um ungestört zu sein, waren alle unbesetzt. Auch wenn Vampire keine Getränke zu sich nahmen, befand sich in der dritten Ebene eine Bar, um die wenigen Menschen zu versorgen, die nur hinaufgebracht wurden, um als Nahrungsquelle zu dienen. Gegenüber der Bar gab es etliche Tische mit durchaus bequemen, halbhohen Sesseln. Durch eine verspiegelte Glasfläche konnte man hinab auf die zweite Ebene blicken, ohne selbst gesehen zu werden.
Cares Stammplatz lag am Rand, direkt vor der großen Glasscheibe, aber gleichzeitig auch in der Nähe des Ausgangs. Von dort konnte sie in Ruhe die Menschen beobachten und blieb von ihresgleichen in der Regel ungestört. Diesmal nahm sie die tanzenden Menschen unter sich allerdings nur am Rande wahr. In Gedanken war sie bei Rastus und Etina, denen sie noch immer so gut wie möglich aus dem Weg ging.
Etinas Augen leuchteten auf, sobald Rastus den Raum betrat. Obwohl Care ebenfalls ein Band zu Rastus hatte, stand sie für ihn weit unter Etina. Mit jedem Atemzug spürte sie die liebevolle Verbindung der beiden. Care war nur aus Mitleid in dieser Familie aufgenommen worden, sie gehörte nicht wirklich dazu. Außerdem fühlte sie sich in der unterirdischen Festung, ihrem momentanen Zuhause, unwohl. Überall waren die Krieger und andere dominante Kruento unterwegs. Deswegen verließ sie ihre Räumlichkeiten nicht, wenn sie dort war. Doch die Enge ihres Zimmers machte sie langsam verrückt. Care verbrachte nahezu jede freie Minute im fiftyfive, denn einen anderen Rückzugsort hatte sie nicht. Meist zählte sie zu den ersten Besuchern, sobald der Club öffnete, und machte sich erst kurz vor Sonnenaufgang auf den Heimweg. Ihr Leben war nicht sonderlich spektakulär, und in manchen eintönigen Momenten wünschte sie sich ihr früheres Leben zurück. Nicht das, was sie bei Rosko geführt hatte, sondern das davor, als ihr Bruder der angesehenen Leibgarde des Dominus beigetreten und damit das Ansehen der Familie erheblich gestiegen war. Dabei blendete sie seinen Verrat und die Folgen gekonnt aus.
Care fragte sich, ob es auffallen würde, wenn sie nicht zurückkehrte. Wie viele Tage würden verstreichen, ehe Rastus ihre Abwesenheit auffiel? In den letzten Wochen hatte sie ihn kaum zu Gesicht bekommen. Wichtige Clanangelegenheiten und das Haus am Stadtrand, das ihr Rinoka erworben hatte und in das er einziehen wollte, wenn die Renovierungsarbeiten abgeschlossen waren, hatten ihn in Beschlag genommen. Der Gedanke, auf noch engerem Raum mit Rastus und Etina zu leben, fraß sie auf. Obwohl sie den beiden so viel verdankte, machte es Care krank, wenn sie die Liebe der beiden sah. Sie schluckte die Tränen hinunter, denn sie wollte nicht undankbar sein und hasste sich selbst für die Gefühle, die sie empfand, nur weil diese ihr vermittelten, dass sie lediglich ein Gast war. Dabei wollte Care nur einen Ort haben, an dem sie ihre Ruhe hatte. Keine dominanten Vampire, keine Gefahr für ihre Seele und niemand, der ihr vor Augen führte, wie minderwertig und zerstört sie innerlich doch war. Was das betraf, besaß das Hauptquartier eindeutig einige Vorzüge. Es gab immer Ablenkung, und so waren alle beschäftigt, und niemand kümmerte sich um Care, was ihr im Grunde ganz recht war. Die letzte Ablenkung hatte dieser Sjüte mit sich gebracht, um den sich seit seiner Ankunft vor zwei Tagen alles drehte. Bisher war es ihr gelungen, diesem aus dem Weg zu gehen und wenn es nach ihr ging, konnte das gerne so bleiben. Wenn Care durch die Gänge zu ihrem Zimmer ging, spürte sie die Präsenz des Gastes, und das reichte ihr. Der fremde Kruento war mächtig, vergleichbar mit Darius.
Darius’ Wandlung von einem unbarmherzigen Krieger zum umsichtigen Anführer hatte sie damals mit Staunen verfolgt. Grund für diese Veränderung war Sam, die Alla des Anführers. Der Sjüte dagegen war eine andere Hausnummer. Er war vollkommen ungebunden und hatte nichts zu verlieren. Es gab weder einen Clan noch etwas anderes, auf das er Rücksicht nehmen musste, und das machte nicht nur ihr Angst. Vor kurzem hatte sie ein Gespräch hinter vorgehaltener Hand zwischen Virus und einem Ekklesia-Krieger mitbekommen, die befürchteten, dass der Sjüte sich gegen ihren Clan wenden würde, indem er die geklärten Machtverhältnisse der Ekklesia in Frage stellte. Darius‘ Vormachtstellung als Anführer war derzeit unangefochten. Wenn sich daran jedoch etwas ändern sollte, würde das große Auswirkungen auf sie alle haben. Care hasste Veränderungen, denn wenn sie eines gelernt hatte, dass Änderungen bisher immer eine Verschlechterung der Lebensumstände mit sich gebracht hatte.
„Es ist eine Tragödie, dass du hier so allein herumsitzt.“ Rosko nahm ungefragt neben ihr Platz.
So sehr Care auch dagegen ankämpfte, das Gefühl der Ohnmacht breitete sich in ihr aus, und sie war nicht in der Lage, Rosko zu sagen, dass er sie allein lassen sollte. Stattdessen tat sie das einzige, zu dem sie in der Lage war: Sie ignorierte ihn und konzentrierte sich auf das Geschehen in der zweiten Ebene. Die Person hinter der Theke war neu. Konzentriert kniff Care die Augen zusammen und betrachtete die dunkelblonde Frau, bis ihr aufging, dass sie eine der Kellnerinnen war, die ihr Arbeitsfeld erweitert hatte.
„Wie geht es dir, liebste Cousine?“
Rosko begriff einfach nicht, dass er unerwünscht war. Seufzend drehte Care den Kopf, bis sie ihn anblicken konnte, und brachte es wieder nicht übers Herz, ihn fortzuschicken. „Was willst du, Rosko?“
Er kam immer nur, wenn er etwas wollte. Sie durfte sich nicht der Illusion hingeben, dass Rosko sich geändert hatte, auch wenn er in ihrem letzten Gespräch äußerst nett zu ihr gewesen war. Vielleicht hatte er sich aber doch geändert, und sie tat ihm Unrecht.
„Care.“ Er lachte und machte es sich auf dem Stuhl bequem, indem er die Beine lässig übereinanderschlug. „Mir ist nicht entgangen, dass du tagein und tagaus hier allein herumsitzt, und ich frage mich, ob du mit deinem Rinoka wirklich die richtige Wahl getroffen hast.“
Care schluckte. Roskos Worte trafen bei ihr einen empfindlichen Nerv.
„Ich bin deine Familie“, rief er ihr ins Gedächtnis. „Blut ist so viel dicker als Wasser. Ich habe Fehler gemacht, das lässt sich nicht leugnen, aber ich habe es immer gut mit dir gemeint. Nie hätte ich dich so vernachlässigt, wie es dein jetziger Rinoka tut. Sein Duft umgibt dich nur spärlich, und nicht nur ich frage mich, ob du in Kürze Freiwild sein wirst.“ Er warf einen vielsagenden Blick auf eine Gruppe von Epheben, die ein paar Tische weiter saßen und sich gegenseitig aufstachelten.
„Die Beziehung zu meinem Rinoka ist in bester Ordnung“, log Care und wusste gleichzeitig, dass Rosko ihr das nicht abnahm.
„Dich an der ausgestreckten Hand verhungern zu lassen, ist grausam. Du weißt, dass ich das nie getan habe.“
Dafür hatte er andere Dinge getan. Care schluckte und versuchte den Knoten hinunterzuschlucken, der sich in ihrem Hals bildete. Standhaft blickte sie fort, wagte nicht, Rosko anzusehen, und heftete stattdessen ihren Blick auf die neue Barkeeperin, die unter ihr herumwirbelte. Sie konnte ihrem Cousin schlecht erklären, dass es nicht unbedingt Rastus‘ Schuld war, dass sie so wenig nach ihm roch, weil sie es war, die ihm aus dem Weg ging. Gleichzeitig konnte sie genauso wenig begründen, warum sie sich so kindisch eifersüchtig Rastus und Etina gegenüber verhielt, vor allem, da sie die Nähe eines männlichen Vampirs ohnehin nicht ertrug. Gerade an letzterem war Rosko schuld.
„Ich sorge mich ernsthaft um dich“, beteuerte Rosko.
Cocktail um Cocktail stellte die Barkeeperin auf den Tresen, damit die knapp bekleideten Kellnerinnen sie abholen und durch die Menge balancieren konnten. Roskos forschenden Blick nicht länger ertragend, sah Care ihn nun doch an und wusste im gleichen Moment, dass sie einen Fehler begangen hatte.
„Du bist meine Familie, Care. Du bist mir wichtig.“
Sie glaubte ihm. Sie glaubte ihm jedes verdammte Wort, auch wenn alles in ihr dagegen aufbegehrte.
„Ich würde dich nie vernachlässigen und wenn du der Ansicht bist, dass du einen Fehler gemacht hast und nach Hause kommen möchtest, werde ich dich nicht abweisen.“
Sie kämpfte dagegen an, konnte jedoch nicht einmal den Blickkontakt unterbrechen. Roskos Fähigkeit, andere zu beeinflussen, war außergewöhnlich gut ausgeprägt und sie für seine Manipulationen schon immer anfällig gewesen. Ein Teil von ihr wollte zu Rosko zurückkehren, ein anderer – und das war zum Glück der größere Teil – rief ihr in Erinnerung, wie erniedrigend ihr Leben bei ihm gewesen war. Bei Rastus mochte sie nicht an erster Stelle stehen, aber er hatte ihr nie willentlich körperlich oder seelisch Gewalt angetan oder sie absichtlich erniedrigt.
„Ich bin für dich da.“ Rosko streckte eine Hand aus und legte sie auf Cares Arm. Kälte breitete sich von der Stelle aus, an der er sie berührte.
„Das Haus Locub hat furchtbar an Ansehen verloren. Es ist eine Schande für unsere Familie. Ich tue mein Möglichstes, um daran etwas zu ändern, aber ich brauche deine Hilfe.“
Noch immer bohrte sich sein Blick in sie, hielt einen Teil ihrer Seele gefangen. „Hilf mir, Care!“
Care blinzelte. Zum ersten Mal, aber dies genügte, um den Bann zu brechen. Sie schüttelte Roskos Hand ab. „Ich glaube nicht, dass ich diese Unterhaltung weiterführen möchte“, erklärte sie souveräner, als sie sich fühlte, und wünschte sich, dass Rosko aufstehen und gehen würde. Diese Hoffnung war jedoch vergebens. Er war noch nicht bereit aufzugeben und würde erst dann gehen, wenn er bekam, was er wollte. Diese Hartnäckigkeit hatte schon immer zu seinen Stärken gehört.
„Du bist schuld daran, dass unsere Familie so in den Schmutz gezogen wurde. Du hast den Verrat deines Bruders nicht verhindern können, ebenso wenig wie den Verfall deiner eigenen Mutter. In meiner grenzenlosen Großzügigkeit habe ich euch aufgenommen, und was ist der Dank dafür?“ Er machte eine theatralische Pause. „Da komme ich einmal auf dich zu und bitte dich um Hilfe, und du trittst mich mit Füßen.“
Seine Worte und die darin enthaltene Ungerechtigkeit schnürten Care die Kehle zu. Sie kämpfte gegen die Tränen an. Alles, was ihr möglich war, hatte sie getan, um ihrer Mutter in der Zeit der Trauer beizustehen! Es hatte so sehr geschmerzt zuzusehen, wie diese sich selbst aufgegeben hatte und immer mehr verfiel. Es war nicht fair, dass Rosko sie dafür verantwortlich machte, aber Care fühlte sich trotzdem schuldig. Wenn sie sensibler gewesen wäre, wenn sie rechtzeitig mitbekommen hätte, was mit ihrer Mutter los war, hätte sie vielleicht Schlimmeres vereiteln können. Doch so war es zu spät gewesen.
„Care.“
Seine Worte drangen wie aus weiter Ferne an ihr Ohr.
„Was soll ich tun?“ Die Frage kam über ihre Lippen, bevor sie es verhindern konnte.
Es zuckte um Roskos Mundwinkel. „Am Wochenende ist hier geschlossene Gesellschaft.“
Care runzelte die Stirn und blickte Rosko überrascht an. Davon hatte sie bisher nichts gehört. Für den Bruchteil einer Sekunde keimte Panik in ihr auf. Geschlossene Gesellschaft bedeutete womöglich, sie konnte zu dieser Zeit nicht ins fiftyfive. Wo sollte sie die Nacht verbringen? Ihr Blick streifte die zweite Ebene, und ihr graute bei der Vorstellung, etliche Stunden dort unten ausharren zu müssen. Als Abwechslung mochte das ab und an ganz nett sein, aber eine ganze Nacht war definitiv zu viel.
„Du musst mich auf die Gästeliste setzen!“
Care blinzelte. Ihr Verstand brauchte etwas, bis sie begriff, was Rosko von ihr wollte.
„Warum glaubst du, dass ich dich auf die Gästeliste setzen lassen kann? Wer sagt, dass ich eingeladen bin?“
Spöttisch verzog Rosko den Mund. „Selbstverständlich stehst du auf der Gästeliste. Hast du vergessen, wer dein Rinoka ist? Außerdem hat mir ein Vögelchen gezwitschert, dass viele ungebundene Vampirinnen kommen werden.“
Care hatte immer noch keine Ahnung, warum diese geschlossene Gesellschaft abgehalten wurde.
„Der Rat gibt eine Willkommensfeier für den Soya aus der Alten Welt. Selbstverständlich wird der Bruder unseres Anführers mit seiner Familie anwesend sein.“ Den leichten Spott in Roskos Stimme ignorierte Care. „Es wird gemunkelt, Ekklesia bietet dem Soya einen gleichberechtigten Posten in ihren Reihen an.“
Care runzelte die Stirn. Es gab bereits sieben Soyas und zusätzlich Darius als Anführer. Ein weiteres Ratsmitglied erschien ihr überflüssig. Warum sollte der Rat diesen Schritt gehen? Dafür gab es nur eine logische Erklärung. Sie hatten Angst davor, dass der Sjüte sich gegen Darius stellte. Die Anwesenheit vieler ungebundener Vampirinnen verhärtete diese Vermutung. Warum sonst sollte der Rat alles daransetzen, dass der Sjüte in Boston eine Gefährtin fand?
„Als neuer Soya braucht er ein Gefolge. Männer, die ihm loyal zur Seite stehen.“
Care dämmerte, was Rosko beabsichtigte, und empfand Abscheu für ihn. Sich einem anderen Vampir so anzubiedern, nur weil er auf eine bessere Position schielte, war widerlich!
„Es ist nur ein einfacher, banaler Gefallen“, bat er mit schmeichelnder Stimme. „Für unsere Familie.“
Die Party war Care egal, ebenso der sjütische Soya. Sie würde kommen, wenn sich ihr die Gelegenheit bot, aber nur, weil sie dann den Abend im fiftyfive verbringen konnte.
„Der gute Ruf der Locubs steht auf dem Spiel.“ Geräuschvoll erhob Rosko sich, blieb noch einen Moment stehen und beugte sich über den Tisch zu ihr. „Ich bin sehr gespannt, wie du dich entscheiden wirst. Du brichst dir keinen Zacken aus der Krone, wenn du mich auf die Gästeliste setzt. Aber wenn du es nicht tust …“ Er ließ den Satz unvollendet, richtete sich auf und spazierte davon.
Cares Nackenhärchen stellten sich auf, und sie fröstelte. Gleichzeitig schämte sie sich, dass Rosko es noch immer schaffte, sie in Angst zu versetzen. Sie hasste sich für ihre Schwäche.
* * *