Eine entschlossene Lady (Das Smaragd-Collier 4) - Melissa David - E-Book

Eine entschlossene Lady (Das Smaragd-Collier 4) E-Book

Melissa David

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Beschreibung

Die Verschwörung um das geheimnisvolle Smaragd-Collier reicht bis in die höchsten Kreise. Daher ist Richard Hawksburry, Duke of Handsbrock, nun fest entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Bei seinen Ermittlungen stößt er jedoch auf unvorhergesehene Hindernisse. Wer ist die Frau, die genau der Person aus seinen dunklen Fantasien entspricht? Und warum durchsucht sie auf dem Ball das Zimmer des Gastgebers? Lady Abigail Preston ist nach London gekommen, um den Mord an ihrem Bruder aufzuklären. Als sie das Arbeitszimmer eines Verdächtigen durchsucht, erwischt sie der Duke of Handsbrock, der ihr eine Zusammenarbeit anbietet. Aber kann sie ihm auch wirklich vertrauen? Denn je näher sie der Wahrheit kommen, desto mehr drängt ein verhängnisvolles Geheimnis aus Richards Vergangenheit ans Licht, das sogar ihm, einem Duke, das gesellschaftliche Genick brechen könnte. Aber auch einer der Verschwörer hat ein Auge auf Abigail geworfen, und schon bald befindet sie sich im Fadenkreuz der Verbrecher. Wird es Richard gelingen, ihr Leben zu schützen, die Verschwörung rechtzeitig aufzudecken und auch noch seinen Ruf zu retten? Der vierte und finale Teil der unterhaltsamen Regency-Romance-Reihe im schillernden London des frühen 19. Jahrhunderts.

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Klappentext
Impressum
Das Smaragd-Collier
Der Umschwung steht kurz bevor.
Vorwort
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Wie es weiter geht
Über die Autorin
Die Chroniken von Usha
Cheetah Manor
Kruento
High Society Love

 

Klappentext

 

 

Die Verschwörung um das geheimnisvolle Smaragd-Collier reicht bis in die höchsten Kreise. Daher ist Richard Hawksburry, Duke of Handsbrock, nun fest entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Bei seinen Ermittlungen stößt er jedoch auf unvorhergesehene Hindernisse. Wer ist die Frau, die genau der Person aus seinen dunklen Fantasien entspricht? Und warum durchsucht sie auf dem Ball das Zimmer des Gastgebers?

Lady Abigail Preston ist nach London gekommen, um den Mord an ihrem Bruder aufzuklären. Als sie das Arbeitszimmer eines Verdächtigen durchsucht, erwischt sie der Duke of Handsbrock, der ihr eine Zusammenarbeit anbietet. Aber kann sie ihm auch wirklich vertrauen?

Denn je näher sie der Wahrheit kommen, desto mehr drängt ein verhängnisvolles Geheimnis aus Richards Vergangenheit ans Licht, das sogar ihm, einem Duke, das gesellschaftliche Genick brechen könnte.

Aber auch einer der Verschwörer hat ein Auge auf Abigail geworfen, und schon bald befindet sie sich im Fadenkreuz der Verbrecher. Wird es Richard gelingen, ihr Leben zu schützen, die Verschwörung rechtzeitig aufzudecken und auch noch seinen Ruf zu retten?

 

Der vierte und finale Teil der unterhaltsamen Regency-Romance-Reihe im schillernden London des frühen 19. Jahrhunderts.

Impressum

 

E-Book

1. Auflage Dezember 2023

600-665-04

Melissa David

Mühlweg 48 A

90518 Altdorf

Blog: www.mel-david.de

E-Mail: [email protected]

 

 

Umschlaggestaltung: Michael Sopolidis

www.michaelsopolidis.com

www.facebook.com/michaelsopolidisofficial

www.instagram.com/michaelsopolidis

www.bit.ly/michaelsopolidis-youtube

 

Lektorat: Jeanette Lagall

www.lektorat-lagall.de

 

Korrektorat: Jana Oltersdorff

 

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form bedürfen der Einwilligung der Autorin.

Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Das Smaragd-Collier

 

Eine entschlossene Lady

 

Band 4

 

von

Melissa David

 

 

 

Der Umschwung steht kurz bevor.

Es werden sich die Auserwählten erheben, um zu herrschen,

und alle Ungläubigen werden fallen.

Auserwählt.

Privilegiert.

Zur Macht berufen.

Vorwort

 

 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 

ich bedanke mich herzlich für das Interesse an meiner Regency-Romance Reihe „Das Smaragd-Collier“.

 

Dies ist nun schon der vierte und finale Teil der Smaragd-Collier-Reihe und ich empfehle dringend mit Band 1 „Eine hoffnungslose Lady (Das Smaragd-Collier 1)“ zu beginnen. Auch dieser Band ist eine lockere, leichte Lektüre fürs Herz mit Charakteren, mit denen man mitfiebern kann.

Beim Schreiben der Smaragd-Collier-Reihe war es mein Hauptziel, das glänzende und manchmal überromantisierte Bild einer Londoner High Society darzustellen, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat.

 

Ein gutes Buch zu lesen ist eine Erfahrung, die man nicht missen möchte. Doch was wäre, wenn das Lesen eines Buches noch mehr bieten könnte als nur Unterhaltung und Entspannung.

 

 

Entdecke den begleitenden Leseplan von „Eine entschlossene Lady“ und tauche noch tiefer in die fesselnde Geschichte ein. Mit exklusiven Beiträgen, beeindruckenden Bildern und spannenden Videos erhältst du einen einzigartigen Einblick in die Hintergrundstory, die Charaktere und die umfangreichen Recherchen hinter dem Buch.

 

Die meisten im Roman genannten Personen sind frei erfunden. Einige Personen haben vom Namen nach parallelen zu verstorbenen Personen, entspringen ihrer Handlungen und ihrer Meinung nach aber aus meiner Feder. Politische Gegebenheiten und Entdeckungen sind so ausgewählt, dass sie sich in das Gesamtkonzept gut einfügen, haben aber nicht den Anspruch in dieser zeitlichen Abfolge passiert zu sein.

Alle, die sich nun auf die Geschichte einlassen, wünsche ich zauberhafte Lesemomente.

 

 

Es gibt auch einige Blogartikel zum Thema Regency, wenn du tiefer in die Welt und die Zeitepoche eintauchen möchtest. Eine Übersicht über die Themen findest du hier.

 

Nun wünsche ich dir viel Spaß mit Abigail und Richard.

 

Melissa David

 

Kapitel 1

 

Richard Hawksburry, der 8. Duke of Handsbrock, betrat das Letling’s durch den Hintereingang. Der zuvorkommende Lakai, der ihn dort empfing, eilte herbei, um ihm die nasse Garderobe anzunehmen.

Natürlich regnete es, schließlich befand er sich in London.

„Euer Gnaden, ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Morgen?“

„Hm …“, brummte Richard einsilbig. Er hatte nicht das Bedürfnis, sich zu unterhalten.

„Ich werde jemanden holen, der Sie hinaufbegleitet“, bot der Lakai an.

Der Duke winkte ab. „Nicht nötig, ich finde den Weg allein.“

Er ging an dem livrierten, leicht verdutzt wirkenden Mann vorbei, den spärlich beleuchteten Flur entlang und gelangte zu einer Treppe, die er hinaufstieg. Für gewöhnlich nutzte das Personal dieses Treppenhaus, dementsprechend funktional war dieser Ort eingerichtet. Ganz im Gegensatz zu den offiziellen Clubräumlichkeiten, auf die er im ersten Stock traf.

Der Gang, der vor ihm lag, war gut ausgeleuchtet und mit einem weichen, edel wirkenden dunkelblauen Teppich ausgelegt. Auch die Gemälde an den Wänden zeugten von Geschmack, obwohl sie kein Vermögen gekostet hatten. Zu beiden Seiten befanden sich Türen, die in die privaten Salons führten. Würde er den Flur bis zum Ende entlanggehen, stieße er auf das Haupttreppenhaus. Dahinter, im gegenüberliegenden Flügel, waren die Gesellschaftsräume untergebracht. Ein Großteil der Londoner Gentlemen – und jene, die sich dazuzählten – hielten sich dort auf. Doch Richard war nicht hier, um sich mit ihnen zu treffen, und noch weniger, um gesehen zu werden. Deswegen war seine Wahl bewusst auf den unscheinbaren Hintereingang gefallen.

Unvermittelt wurde eine Tür aufgerissen, und ein junger Mann trat aus einem der Salons heraus. Er lachte über etwas, das ein anderer sagte. Als sein Blick jedoch auf den Duke fiel, verstummte er augenblicklich. Direkt hinter ihm kam ein korpulenter Herr aus demselben Raum. Richard kannte ihn flüchtig.

„Euer Gnaden“, grüßte Barry Bowroat ihn höflich.

Der untersetzte Mann war der Sohn eines Barons und Richard bei einer belanglosen Gesellschaft vorgestellt worden. Daher nickte er bloß und signalisierte den Herren damit, dass ihm nicht an einem Gespräch gelegen war. Sie tuschelten leise miteinander und machten sich in entgegengesetzter Richtung davon. Für einen Moment starrte Richard ihnen hinterher, dann setzte er seinen Weg fort und erreichte kurz darauf das zweite Obergeschoss.

Auch dieser Teil des Clubs war gut ausgeleuchtet und hatte darüber hinaus den Vorteil, dass nur wenige Gentlemen Zutritt zu diesen Räumlichkeiten besaßen. Dementsprechend menschenleer war es hier. Genauso, wie Richard es bevorzugte.

In diesem Bereich des Hauses waren nur eine Handvoll private Salons untergebracht. Diese waren großzügiger geschnitten und bestanden aus mehreren Räumen, die miteinander verbunden waren.

Am Ende des Flurs befanden sich die Gemeinschaftsräume, die deutlich weniger frequentiert waren als die Räumlichkeiten ein Stockwerk tiefer. Das hatte damit zu tun, dass die Salons nur an Dukes vermietet wurden und nur Titelträger diesen Bereich den Clubs betreten durften, während den Zweitgeborenen oder solchen, die nur ehrenhalber einen Titel trugen, kein Zutritt gewehrt wurde.

Mit ausladenden Schritten ging Richard den Flur entlang. Der dicke Teppich verschluckte sämtliche Geräusche.

Er selbst konnte auf einen tadellosen Stammbaum zurückblicken, der die meisten Gentlemen neidisch gemacht hätte. Die Herzogswürde war seiner Familie von Königin Anne, der letzten Monarchin aus dem Hause Stuart, höchstpersönlich verliehen worden, weil sein Urahne seinerzeit einen Anschlag auf ihr Leben verhindert hatte.

Richard dachte nicht gern an seine Vorfahren. Sein erster Stammvater mochte ein Held gewesen sein, sein Vater dagegen war ein Nichtsnutz und sein Großvater ein Tyrann, dessen Weltanschauung abscheulich gewesen war. Dann hatte er sich geschworen, nichts mit diesen Männern gemein zu haben, und verbot sich jeden weiteren Gedanken an die Vergangenheit.

Schließlich erreichte Richard seinen privaten Salon und trat ein. Wie angewiesen, war der Raum nach seinen Wünschen hergerichtet worden. Die Fenster waren aufgezogen, und Tageslicht erhellte das Zimmer. Aufgrund des regnerischen Wetters reichte das als Lichtquelle jedoch kaum aus. Im Kamin prasselte ein Feuer und spendete eine angenehme Wärme.

Neugierig, ob wirklich allen seinen Wünschen entsprochen worden war, öffnete er die Tür zu seiner Linken, hinter der sich ein Schlafzimmer befand. Wie angewiesen war es dort dunkel und kalt.

Zufrieden, dass seine Anweisungen befolgt wurden, schloss er die Tür wieder hinter sich. Sein Blick fiel auf die zwei Sessel, die vor den Kamin standen. Für einen Moment überlegte er, sich auf einem von ihnen niederzulassen und sich ein Glas Scotch oder Brandy zu gönnen. Von dort aus konnte er das Kaminfeuer und die imposanten Landschaftsaquarelle von Girtin betrachten. Allerdings erschien es ihm nicht der passende Ort für die Unterredung, die er gleich führen würde, und so wandte er sich dem großen Holztisch zu, der die rechte Seite des Raumes einnahm.

Acht Stühle, vier auf jeder Seite, luden zum Verweilen ein. Bisher hatte Richard noch nie so viele Menschen in seinen Salon eingeladen, dass der Tisch voll gewesen wäre, und in naher Zukunft plante er dies auch nicht. Er wusste, dass einige Gentlemen ihre Räumlichkeiten auch für private Vergnügungen nutzten und nicht selten die eine oder andere Kurtisane einschleusten. Bei einigen dieser geselligen Zusammenkünfte war er in jungen Jahren selbst gewesen, als er mit aller Macht versucht hatte, gegen seinen Großvater zu rebellieren. Damals hatte er gehofft, mit seinem ausschweifenden Lebensstil ein Zeichen setzen zu können und genau so zu sein wie die anderen jungen Gentlemen. Rückblickend war es eine sehr einsame Zeit gewesen, und mit keinem seiner damaligen Freunde pflegte er heute noch Kontakt.

Hastig, bevor ihn die Erinnerungen überfluteten, wandte er sich ab und betrachtete die zwei entzündeten Kerzenleuchter auf der Mitte des Tisches. Eine Lichtquelle hätte ausgereicht, schoss es ihm durch den Kopf. Aber vielleicht war es noch dunkler gewesen, als die Bediensteten den Raum hergerichtet hatten.

Richard setzte sich an den Tisch, den Kamin im Rücken, die Tür im Blick.

Ein Mittagessen hatte er abgelehnt. Jetzt bereute er die Entscheidung, denn er verspürte ein klein wenig Hunger. Ein Grund mehr, heute nicht so lange im Club zu verweilen und nach der Unterredung zügig den Heimweg anzutreten. Seine Köchin kochte einen ganz hervorragenden Lunch, weswegen er die heimische Kost jedem auswärtigen Essen vorzog.

Um seinen leeren Magen ein wenig zu füllen, erhob er sich, trat an den Beistelltisch, auf dem die Flaschen mit hochprozentigem Inhalt standen, und griff nach der erstbesten Karaffe. Vorsichtig roch er dran. Es war Brandy. Der Branntwein im Club mochte nicht so gut wie sein Hausbrandy sein, aber er war trinkbar, und so genehmigte er sich ein Glas. In diesem Moment klopft es an der Tür.

„Herein!“ Wie von selbst wanderte sein Blick zu der Standuhr im Eck, und er stellte zufrieden fest, dass sein Gast mehr als pünktlich war.

Die Tür öffnete sich, und Henry Bastcher, der Marquess of Downhill, betrat den Raum.

„Euer Gnaden“, begrüßte ihn der dunkelhaarige Mann, der ein klein wenig jünger war als er selbst.

Trotz seines Alters verfügte dieser über weitaus mehr politische Beziehungen als jeder andere Gentleman, mit dem er näher bekannt war. Downhill hatte bis vor Kurzem als rechte Hand des Premierministers Liverpool die Geschicke des Königreichs aktiv mitgestaltet. Mit dem Tod seines Vaters war er als Marquess ins Oberhaus gewechselt, wo er nun seine eigenen politischen Ziele verfolgte, und Richard rechnete fest damit, dass der ambitionierte Mann eines Tages Premierminister werden würde. Das würde allerdings noch etwas dauern, und davor mussten sie ohnehin erst die Hintermänner der Smaragd-Collier-Verschwörung finden, sonst würde es kein Königreich mehr geben.

„Downhill.“ Mit einer einladenden Geste wies er auf die freien Stühle, die sich ihm gegenüber befanden. „Bitte setzen Sie sich zu mir!“ Auch wenn Richard mit Spannung erwartete, was der Marquess zu berichten hatte, würde er deshalb nicht seine Gastgeberpflichten vernachlässigen. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“ Überraschenderweise hatte er in Downhill einen Verbündeten gefunden, den er sehr zu schätzen wusste.

„Dasselbe wie Sie, bitte.“ Downhill schob den erstbesten Stuhl zurück, um sich zu setzen.

Richard goss ein zweites Glas Brandy ein und brachte anschließend die zwei Gläser an den Tisch. Eins stellte er vor sich hin, das andere reichte er seinem Gast hinüber. „Lassen Sie uns anstoßen.“

„Worauf wollen wir anstoßen?“, fragte Downhill und griff grinsend nach dem Brandy.

Richard hob sein Glas. „Auf eine gute Zusammenarbeit.“

Zustimmend nickte Downhill und hob sein Glas. „Auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit, Commander“, wiederholte er und fügte hinzu. „Auf dass wir die Hintermänner erwischen.“

Richard prostete seinem Gegenüber zu und nahm einen großen Schluck. Der Brandy hinterließ ein angenehmes Brennen, während er das Glas auf dem Tisch abstellte.

„Wir haben uns nun schon einige Male getroffen“, sagte Downhill nachdenklich und schwenkte den Brandy Snifter zwischen zwei Fingern hin und her. „Noch immer weiß ich nicht, warum Sie Commander genannt werden.“

Richard grinste sein Gegenüber an. „Ich habe gedient“, erklärte er schlicht. „Commander war mein Dienstgrad. Ashwood, damals noch Stone, als zweiter Sohn eines Marquess ohne Aussicht auf einen Titel, und auch Scatterloud haben unter mir ihren Dienst abgeleistet. Der Name blieb hängen.“

„Soweit ich weiß, haben Sie keine Geschwister. Es ist ungewöhnlich, dass Sie als Titelanwärter in den Krieg gezogen sind.“

Abfällig zuckte Richard mit den Schultern. Er wollte nicht darüber sprechen, auch nicht mit Downhill. „Es war meine Art der Rebellion.“ Damit war das Thema für ihn beendet.

Der Marquess verstand den versteckten Hinweis. „Sollen wir dann zum wesentlichen Teil kommen?“

Das war es, was Richard an seinem Gegenüber so schätzte. Downhill war geradlinig und verschwendete keine Zeit. Mit anderen Männern hätte er noch eine halbe Stunde über die politische Lage des Landes, Kultur oder den Verfall der Gesellschaft diskutieren müssen, bevor er das eigentliche Thema anschneiden konnte.

„Das würde mir sehr entgegenkommen.“ Zur Bestätigung knurrte sein Magen vernehmlich.

„Das Frühstück hier ist hervorragend“, wies Downhill ihn augenzwinkernd auf die Möglichkeit hin.

„Ein Frühstück habe ich bereits vor Stunden eingenommen“, brummte Richard. „Ich freue mich auf einen hervorragenden Lunch meiner Köchin.“

Das entlockte Downhill ein kleines Lächeln. „Ein weiterer Grund, sich zu beeilen.“

„Ich bin gespannt, welche Neuigkeiten du für mich hast“, sagte Richard und blickte abwartend den Marquess an.

Downhill lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Der ehrenwerte Richter McLoyd hat einem Treffen zugestimmt. Ich habe damit argumentiert, dass ich – auch wenn ich nicht mehr für Liverpool arbeite – ein persönliches Interesse daran habe, den Fall zu Ende zu bringen.“ Ein zufriedenes Lächeln umspielte seinen Mund.

„Das sind gute Neuigkeiten“, stimmte Richard zu, auch wenn dies bedeutete, dass er das Treffen selbst nicht wahrnehmen konnte. Zwangsläufig würde er die Befragung von Reynolds Downhill überlassen müssen. Selbstverständlich traute er dies seinem Gegenüber zu, doch er hätte es gern selbst übernommen.

Downhills Grinsen wurde breiter. „Jetzt, da Reynolds verurteilt ist und am Galgen baumeln wird, gibt es für ihn keinen Grund mehr, seine Auftraggeber zu schützen. Er hat nichts mehr zu verlieren.“

Sie waren ganz nah dran, das spürte Richard. Es war dieses Kribbeln in den Fingerspitzen, das ihn unruhig werden ließ. Gleichzeitig verspürte er auch eine gewisse Vorfreude. Mit einer Aussage von Reynolds würden sie die Hintermänner der Verschwörung entlarven. Zuletzt hatte sich das Smaragd-Collier in Reynolds’ Besitz befunden, ehe er die Steine aus der Fassung entfernen ließ und die Smaragde als verschwunden galten. Auch bei der Durchsuchung von Reynolds Räumen, die während Scatterlouds Boxkampf stattgefunden hatte, waren sie nicht gefunden worden. Dafür fanden sie andere belastende Beweise, die letztendlich zu Reynolds’ Verurteilung geführt hatten.

„Wann werden Sie ihm einen Besuch abstatten können?“, erkundigte er sich.

„In drei Tagen“, informierte Downhill ihn. „Und ich werde Pinzer mitnehmen.“

Zustimmend nickte Richard. „Das halte ich für eine ausgezeichnete Idee.“ Der Sonderinspektor war bei der Verhaftung Reynolds’ dabei gewesen, und niemand kannte den Fall so gut wie er. Es wäre auch nicht verdächtig, wenn Downhill in Begleitung des Sonderinspektors kam.

„Ich habe auch noch ein weiteres interessantes Detail erfahren.“

Auffordernd hob Richard seine Augenbraue und sah den Marquess an.

„McLoyd war so freundlich, mir mitzuteilen, dass weitere Gentlemen um einen Besuch bei Reynolds gebeten haben.“

Nachdenklich griff Richard sich ans Kinn. Das war tatsächlich eine interessante Entwicklung.

„Drei Namen, die uns bereits bekannt sind: Smartburn, Speakshed und Toothright.“

„Zusammen?“ In Richards Kopf arbeitete es, und er suchte nach einer Verbindung zwischen den Männern.

Downhill schüttelte den Kopf. „Nein, nicht zusammen. Jeder hat unabhängig von den anderen um einen Besuch gebeten.“

Richard verzog verstimmt den Mund. „Vermutlich sind sie vor uns an der Reihe.“

Zustimmend nickte der Marquess. „Smartburn hat bereits morgen einen Termin, Speakshed in zwei Tagen und Toothright einen Tag vor uns.“

Richard griff nach seinem Glas und schwenkte die bernsteinfarbene Flüssigkeit hin und her. „Das ist wirklich eine interessante Entwicklung. Keiner der Namen war auf seiner Gehaltsliste“, stellte er fest. Welchen Grund gab es, dass die Gentlemen, alles ranghohe Adelige, noch vor Reynolds’ Tod mit ihm sprechen wollten?

„Vielleicht ist Reynolds gesprächig, und wir finden heraus, in welcher Beziehung er zu diesen Gentlemen steht“, überlegte Downhill. „Ich bin sehr gespannt, Reynolds wieder zu sehen. Er soll sich in den letzten Wochen sehr verändert haben.“

Als der Marquess noch für den Premierminister gearbeitet hatte, war er regelmäßig im Auftrag der Regierung bei Reynolds gewesen und hatte auch die Gerichtsverhandlung verfolgt.

„Verändert? Inwiefern?“, erkundigte Richard sich stirnrunzelnd.

„Er muss mit seinem Leben abgeschlossen haben.“

„Wenn Reynolds dadurch redet und die Drahtzieher hinter allem verrät, dann bin ich der Letzte, der etwas dagegen einzuwenden hätte“, sprach Richard seine Gedanken offen aus.

„Nun, in ein paar Tagen wissen wir mehr.“ Downhill leerte sein Glas mit einem großen Schluck zur Hälfte. „Gestern habe ich Smartburn meine Unterstützung bezüglich eines Anliegens, das er im Oberhaus einbringen möchte, zugesagt“, wechselte er abrupt das Thema.

„Wie hat er reagiert?“, hakte Richard gespannt nach.

Aus politischen Ränkespielen hielt er sich für gewöhnlich raus. Nicht, weil es ihn nicht interessierte, sondern vielmehr, weil es ihn anstrengte und er darin keinen Sinn sah. Noch immer verstand er nicht, warum erwartet wurde, außerhalb des Parlaments für seine Anliegen zu werben.

„Überraschenderweise hat er sehr vorsichtig und zurückhaltend reagiert“, räumte Downhill ein. „Ich werde ihm in Kürze etwas liefern müssen, sonst ist unsere Zusammenarbeit sehr schnell wieder beendet.“

Richard verstand den Wink. Es war die Bitte, darüber nachzudenken, welche Informationen sie der Gegenseite offenbaren konnten.

„Ich werde mir Gedanken machen“, versprach er.

„Und es gibt noch eine interessante Wendung“, fuhr Downhill fort. „Der Earl of Lastborough ist wieder in der Stadt.“

Richard zog fragend die Augenbrauen nach oben. „Charles Preston?“

Der Marquess nickte. „Genau der. Mir ist zu Ohren gekommen, dass er seine Schwester mitgebracht hat und gedenkt, sie noch in diesem Jahr in die Saison einzuführen.“

Das war ein seltsames Unterfangen. Die Saison war inzwischen weit fortgeschritten und die meisten heiratswilligen Gentlemen bereits vergeben. Einige, wie der ihm gegenübersitzende Downhill oder sein alter Freund Ashwood, hatten schon geheiratet, viele andere waren verlobt. Etliche angesehene Familien hatten die Saison bereits als beendet erklärt und waren zurück aufs Land gefahren, um ihr Glück im nächsten Jahr erneut zu versuchen. Viele Lords hielten sich lediglich wegen einer wichtigen Sitzung über die Reform des Steuergesetzes noch in der Stadt auf und würden danach ebenfalls auf ihre Landsitze fahren. Die Sommerpause des Parlaments und damit das Ende der Saison standen kurz bevor. Eine Debütantin jetzt noch einzuführen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Richard fragte sich, wie verzweifelt Lastborough sein musste, wenn er dieses Risiko einging.

„Die Mitgift soll wirklich großzügig sein“, schien Downhill seine Gedanken zu erraten. „Ich habe gehört, sie soll fünftausend betragen.“

Richard hatte die finanziellen Verhältnisse der Familie Lastborough nach dem Tod von Edward Preston überprüfen lassen. Nachdem der Earl in Besitz des Smaragd-Colliers gekommen war, wurde er kurz darauf tot aufgefunden. Danach hatte sein Bruder eine Menge Schulden begleichen müssen. Viel Geld war daher nicht übrig. Aber das Land der Lastboroughs war gut und fruchtbar, und wenn der jetzige Earl geschickt wirtschaftete, wären sie in ein paar Jahren finanziell wieder vernünftig aufgestellt. Woher er allerdings fünftausend hernehmen wollte, war Richard schleierhaft.

„Für einen verheirateten Mann wissen Sie über solche Dinge überaus gut Bescheid.“

„Eben weil ich ein verheirateter Mann bin, weiß ich über solche Dinge Bescheid.“ Der Marquess grinste breit.

Richard hielt eine ganze Menge von Lady Downhill, wie die einstige Miss Sophie Mansfield sich nun nannte.

„Lady Abigail Lastborough wird heute Abend auf dem Ball der Toothrights erscheinen“, fuhr Downhill fort.

In der Tat war seine Neugier geweckt, in welchen Kreisen sie verkehren würde und welche Art von Persönlichkeit sie besaß. Da er ohnehin plante, den Ball zu besuchen, um herauszufinden, ob der Marquess mit Reynolds gemeinsame Sache machte, konnte er so einen unverfänglichen Blick auf die kleine Lady werfen.

„Gibt es noch weitere Informationen?“, erkundigte er sich ein wenig gereizt und konnte sich die plötzliche Stimmungsschwankung selbst nicht erklären.

Downhill nahm ihm seine ruppige Art nicht übel. „Nein, mehr Neuigkeiten habe ich aktuell nicht.“ Er griff nach seinem Glas und trank es aus. „Ich gehe davon aus, wir werden uns heute Abend auf dem Ball bei den Toothrights sehen.“ Der Marquess erhob sich.

Richard blieb sitzen. Seine Position als Duke ermöglichte es ihm, gewisse gesellschaftliche Anstandsregeln zu ignorieren.

„Wirklich einen sehr gemütlichen Salon haben Sie hier, Euer Gnaden.“ In Downhills Stimme schwang eindeutig Bewunderung mit.

„Ich werde Sie bald wieder einladen“, versprach Richard und amüsierte sich über die von seinem Gegenüber offen zur Schau gestellte Bewunderung. Die letzten Male hatten sie sich ein Stockwerk tiefer in Downhills Räumlichkeiten getroffen, die längst nicht so komfortabel waren wie seine. Allerdings waren bei diesen Treffen auch Pinzer und Scatterloud dabei gewesen, und diese hatten keinen Zutritt zu dieser Ebene.

„Wir sehen uns heute Abend, Downhill“, entließ er den Marquess.

Dieser verabschiedete sich und verließ den Raum, während Richard allein zurückblieb. Obwohl er hungrig war, nahm er sich die Zeit und trank in Ruhe seinen Brandy aus. Dabei dachte er über das soeben geführte Gespräch nach. Downhill als Verbündeten zu haben, war wirklich ein Glücksgriff. Über ihn hatte er Informationen bekommen, die sie sonst nie in Erfahrung gebracht hätten. Doch manche Quellen lagen außerhalb der Reichweite des politisch bewanderten Marquess. In diesem Falle war es an Richard, die benötigten Fakten zu beschaffen.

Seine Finger zogen die goldene Taschenuhr aus seiner Westentasche. Er klappte sie auf und stellte fest, dass es an der Zeit war aufzubrechen. Jetzt freute er sich wirklich über ein köstliches Mahl seiner Köchin. Am Nachmittag hatte er noch eine Verabredung im Park. Es war nur ein erstes Kennenlernen, doch zukünftig erhoffte er sich etliche Informationen über diese Bekanntschaft.

Am Abend würde er dann noch den Ball aufsuchen, um das Arbeitszimmer des Gastgebers nach Beweisen zu durchsuchen. Ein durchaus abwechslungsreicher Tag. Entschlossen erhob Richard sich, um den Club auf demselben Weg zu verlassen, wie er gekommen war.

Kapitel 2

 

Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen, ihren Bruder Charles, das Familienoberhaupt, davon zu überzeugen, sie noch in diesem Jahr in die Londoner Saison einsteigen zu lassen. Jetzt stand Lady Abigail Preston im Londoner Stadthaus der Familie im Arbeitszimmer ihres Bruders und starrte ihn wütend an.

Charles hatte eigentlich geplant, die nächsten Jahre im Ausland zu verbringen. Edwards überraschendes Ableben hatte seine Pläne zunichtegemacht. Anstatt die Welt zu bereisen, ordnete er jetzt die Hinterlassenschaften der Familie und nahm seine Verantwortung als Earl of Lastborough sehr ernst. Er hatte das hellbraune Haar ihres Vaters geerbt und war ebenso gewissenhaft wie er. Allerdings mangelte es ihm an einer gewissen Lockerheit.

„Das ist ein ganz furchtbares Vorhaben“, ließ Charles sie wissen und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.

Er war nicht Edward, auch wenn er jetzt hinter dem massiven Eichenschreibtisch im Arbeitszimmer saß und das Familienoberhaupt mimte. Charles war einen halben Kopf kleiner als ihr verstorbener Bruder, sein schütteres Haar ließ ihn älter wirken, als er tatsächlich war. In den letzten Wochen war er noch schmäler und die Furchen in seinem Gesicht tiefer geworden. Hinter dem mächtigen Schreibtisch wirkte er vollkommen fehl am Platz.

Abigail vermisste Edward so sehr, aber sie konnte Charles keinen Vorwurf für sein Verhalten machen. Natürlich verstand sie, dass er sich um sie sorgte. Dennoch würde sie keinen Zoll nachgeben. Sie hatten schon darüber gesprochen, und Abigail hatte ihren Standpunkt vehement verteidigt.

„Das hast du mir bereits mehr als einmal gesagt.“ Ihre geballten Fäuste versteckte sie schnell zwischen ihren Rockfalten. Von einer Lady wurde Zurückhaltung erwartet. „Ich werde mich nicht davon abbringen lassen. Du kannst mich unterstützen oder du lässt es bleiben.“

Charles seufzte, lehnte sich auf seinem Schreibtischstuhl zurück und sah hilfesuchend zu Thomas Preston, seinem jüngeren Bruder, hinüber. „Vielleicht kannst du unserer Schwester Vernunft beibringen.“

Dass Thomas der Ausgang der Auseinandersetzung reichlich egal war, sah Abigail an seinem gelangweilten Blick. Der jüngste ihrer drei Brüder hatte sich in einem Sessel vor dem Kamin niedergelassen, das eine Bein auf dem Boden, das andere über die Armlehne geworfen, und nippte genüsslich an einem Brandy, den er sich aus Charles’ Sortiment genommen hatte.

„Wenn Abby auf den Ball heute gehen möchte, dann lass sie doch. Ich verstehe, dass sie sich nach etwas Spaß und Abwechslung sehnt. Und wo könnte man besser Zerstreuung finden als in London?“

Charles räusperte sich entsetzt. „Thomas!“, wies er seinen Bruder zurecht. Seine Hand nestelte dabei am Krawattentuch, wie er es immer tat, wenn er nervös war. „Wir reden hier von unserer Schwester.“

Wenig beeindruckt zuckte Thomas mit den Schultern. Unterschiedlicher hätten ihre Brüder wahrlich nicht sein können.

Thomas lachte häufig, grinste noch öfter und verbreitete gute Laune, wo auch immer er auftauchte. Äußerlich ähnelte Abigail eher Thomas. Sie hatten beide das rötliche Haar ihrer Mutter geerbt, wobei Abigails Haarfarbe eher Feuer glich, während das ihres Bruders in einen warmen Braunton überging.

„Sieh sie dir an.“ Thomas wies mit dem Glas in seiner Hand auf seine Schwester. „Sie ist erwachsen und alt genug, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.“

Charles verdrehte die Augen. „Ich hätte mir von dir etwas mehr Rückendeckung gewünscht. Du bist unreif wie eh und je“, warf er ihm vor.

Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Abigail. „Ich wünschte, du würdest es nicht tun. Aber wenn du heute Abend auf den Ball gehst, werde ich selbstverständlich an deiner Seite sein.“ Die Resignation war ihm anzusehen.

Eigentlich hätte Abigail nun jubilieren müssen, doch sie verspürte nur Enttäuschung. Es fühlte sich ganz und gar nicht wie ein Sieg an, die Meinungsverschiedenheit mit ihrem Bruder gewonnen zu haben. Er hätte ein Machtwort sprechen oder sie in ihre Schranken weisen können, doch nichts dergleichen war geschehen. Abigail bekam ihren Willen und würde an diesem Abend auf den Ball bei Lord und Lady Toothright in die Gesellschaft eingeführt werden. Dabei hätte sie sich mehr Verständnis oder Unterstützung von ihrem Bruder gewünscht, statt nur seinen Widerwillen zu überwinden.

Bestimmt reckte sie das Kinn. „Dann werde ich jetzt nach oben gehen und mich für den Ball zurechtmachen.“ Damit raffte sie ihre Röcke und wandte sich zum Gehen. Als sie die Tür erreichte, fiel ihr noch etwas ein, das sie innehalten ließ, und sie drehte sich zu Thomas um. „Wirst du auch mitkommen?“

Er grinste sie an und nahm in Ruhe einen weiteren Schluck seines Brandys. „Warum legst du Wert darauf, dass ich dich begleite?“

Weil er ansonsten in den Club gehen und am Spieltisch Unsummen von Geld, das er nicht hatte, verspielen würde. Am Ende müsste Charles wieder seine Schulden begleichen, was zu erneuter Spannung zwischen ihren Brüdern führen würde.

Doch das war nur ein Teil der Wahrheit. Der eigentliche Grund war ein ganz anderer. Thomas kannte jene Männer, wegen denen sie nach London gekommen war, und nur er konnte sie ihnen vorstellen. Charles würde sie unter allen Umständen von diesen Menschen fernhalten, weil sie nicht das waren, was er als geeignete Partie für seine Schwester ansah. Damit hatte er sicher recht, aber Abigail war nicht nach London gekommen, um zu heiraten.

„Weil du ein ausgezeichneter Tänzer bist und ich inständig hoffe, dass du mich mindestens zwei Mal aufs Parkett führen wirst.“ Gewinnend lächelte sie ihn an.

Thomas richtete sich in seinem Sessel ein wenig auf, soweit das in seiner halb liegenden Position möglich war. „Für dich, Abby, würde ich alles tun. Selbstverständlich werde ich dich heute Abend begleiten.“

„Danke.“

Charles gab ein schnaubendes Geräusch von sich, doch als Abigail ihn fragend anblickte, schüttelte er nur den Kopf.

Sie wusste, dass das Verhältnis ihrer Brüder schon immer angespannt und seit Edwards Tod noch fragiler geworden war. Aber sie brauchte an diesem Abend beide an ihrer Seite. Es war der erste Abend, ihre Einführung in die Londoner Gesellschaft, und für ihr erstes Erscheinen würde es keine zweite Chance geben. Alles musste perfekt laufen.

„Dann bis später“, verabschiedete sie sich und zog die Tür hinter sich zu.

Die Treppe hatte sie noch nicht erreicht, als die Stimmen ihrer Brüder im Arbeitszimmer lauter wurden. Natürlich stritten sie. Über sie.

Gequält schloss Abigail die Augen, wünschte sich, dass es eine andere Möglichkeit gab. Wenn sie auf dem Land geblieben wäre, hätte sie diesen Konflikt vielleicht vermeiden können. Doch sie war nicht mehr das kleine Mädchen. Mit Edwards Tod hatte sie erwachsen werden müssen. Sie hatte sich der Realität gestellt und eine Entscheidung getroffen. Als unverheiratete Frau waren ihre Mittel beschränkt, und sie war gewillt, jede Möglichkeit auszuschöpfen, die sich ihr bot.

Auch sie hatte sich ihr Debüt anders vorgestellt. Seit Abigail ein kleines Mädchen war, hatte sie davon geträumt, dass ihre Mutter, Lady Lastbourough, sie bei Hofe vorstellen und in die Gesellschaft einführen würde. Dafür würde sie eine extravagante Garderobe besitzen, die die Blicke der Männer auf sie zog. Umringt von ehrbaren Gentlemen, die ihr alle zu Füßen lagen, hätte sie sich den richtigen Ehemann aussuchen können.

Doch nun war alles anders gekommen. Ihre Mutter war im vergangenen Jahr an einer Lungenentzündung gestorben. Deswegen hatte sie ihr geplantes Debüt verschieben müssen. Eigentlich hätte sie in diesem Jahr in die Londoner Gesellschaft eingeführt werden sollen. Doch dann war sie erkrankt. Als sie ein paar Wochen später nach London reisen wollte, hatte Edward sie gebeten, diese Saison noch zu pausieren, da er selbst eine Frau kennengelernt hatte, die er heiraten wollte. Abigail hatte er zugesagt, dass sie in der darauffolgenden Saison debütieren durfte und seine Frau sie in die Gesellschaft einführen würde. Es war Abigail zwar schwergefallen, aber Edward zuliebe hatte sie zurückgesteckt.

Sie schluckte mehrmals, um die Verkrampfung im Hals zu lockern.

Und nun war Edward tot!

Mit einem dicken Kloß im Hals erreichte sie ihr Zimmer, schloss etwas heftiger als beabsichtigt die Tür und lehnte sich von innen gegen das Holz. Tränen stiegen in ihr auf, doch sie gab dem Drang zu weinen nicht nach. Sie war stark und sie würde sich nicht unterkriegen lassen.

Von einem auf den anderen Tag hatte sich Abigails Leben geändert. Sie hatte erwachsen werden müssen. Der plötzliche Tod ihres Bruders hatte ihr gezeigt, dass sie sich nicht auf einen Mann verlassen konnte. Sie musste ihr Leben selbst in die Hand nehmen, und das würde sie tun.

Doch bevor sie ihre eigenen Träume von einem kleinen Modesalon verwirklichen konnte, würde sie debütieren. Der Zugang zur Gesellschaft würde ihr ermöglichen, heimlich Nachforschungen über Edwards Tod anzustellen, und wenn sie den Mörder ihres Bruders überführt hatte, konnte sie ihre Zukunftspläne in Angriff nehmen.

Zielstrebig war Abigail schon immer gewesen, und Versagen kam für sie nicht in Frage. Entschlossen wandte sie sich ihrem Kleiderschrank zu. Die meisten Kleidungsstücke waren von ihrer Mutter. Abigail war geschickt mit der Nadel und hatte die Kleider für sich umgenäht und der aktuellen Mode angepasst. Es entspannte sie, am Abend vor dem Kamin zu sitzen und zu nähen. Auch wenn ihr immer gesagt wurde, dass das keine Beschäftigung für eine Lady wäre, liebte sie diese Arbeiten. Was die Gesellschaft über sie dachte, war ihr ohnehin einerlei.

Mit einem Lächeln auf den Lippen zog sie ein blassgelbes Kleid mit weiten Puffärmeln aus dem Schrank. Es war ihr Lieblingskleid und perfekt für ihren ersten Auftritt in der feinen Gesellschaft.

Als es an der Tür klopfte, zuckte Abigail erschrocken zusammen, weil sie so vertieft war. Grace trat ein.

„Wie schön, dass du da bist.“ Abigail freute sich, das Hausmädchen mit indischer Abstammung zu sehen.

„Darf ich Ihnen die Haare machen, Lady Abigail?“, fragte Grace fast ein wenig schüchtern.

Aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe machten viele der Angestellten einen Bogen um das Mädchen. Doch Abigail hatte schnell herausgefunden, wie überaus geschickt Grace dabei war, ihr beim Ankleiden zu helfen und sie zu frisieren. Mit Charles' Einverständnis durfte Grace neben dem Säubern der Kamine nun auch Abigail als Zofe dienen.

„Hilf mir erst, das Kleid anzuziehen“, bat Abigail, und sofort machte sich das Mädchen ans Werk, um ihre Herrin für die Einführung in die Gesellschaft herzurichten.

Kapitel 3

 

Die Regenwolken hatten sich verzogen, und die Sonne war hervorgekommen. Richard hätte nicht gedacht, dass es an diesem Nachmittag noch so warm werden würde, und hatte deswegen seinen Kutscher angewiesen, in der Nähe zu warten, um den restlichen Weg zum Treffpunkt zu Fuß zurückzulegen.

Die dichten Baumkronen spendeten einen angenehmen Schatten, als der Duke of Handsbrock ganz gegen seine Gewohnheiten, pünktlich um fünf Uhr einen hoch frequentierten Kiesweg im Hyde Park entlangschritt. Obwohl es in der hohen Gesellschaft nichts Ungewöhnliches war, sich in der Öffentlichkeit mit Kurtisanen zu treffen, hatte Richard bisher nie das Bedürfnis eines öffentlichen Zurschaustellens verspürt.

Seine erste Verabredung mit Madam Louanne würde auf ihr Drängen hin nun in genau solch einer öffentlichen Situation stattfinden, ganz wie es für Männer von seinem Stand üblich war. Er war weder besonders angetan noch sonderlich beunruhigt und hatte daher zugestimmt. Aber er brauchte von ihr Informationen, und der einfachste Weg war, ihr Vertrauen zu gewinnen und einer ihrer Kunden zu werden. Richard war ein Mann von Stand und Ansehen in der Gesellschaft, und daher war es nicht ungewöhnlich, dass er mit der stadtbekannten Edelkurtisane Madam Louanne verkehrte.

Richard hatte keine Ahnung, wie lang das Treffen dauern würde. Auch, was ihn genau erwartete, wusste er nicht. Madam Louanne wollte ihn kennenlernen und dann entscheiden, ob sie ihn als Kunde annahm.

Die Kurtisane war dafür bekannt, dass sie gern die Führung übernahm, und dementsprechend würde er sich anpassen. Für ihn galt es daher, in eine eher unterwürfige Rolle zu schlüpfen, und er hoffte inständig, dass ihm das gelang.

„Euer Gnaden“, grüßten zwei Frauen, die an ihm vorbeigingen.

Er kannte sie nicht, oder vielmehr erinnerte er sich nicht an ihre Namen. Sicher war er ihnen vorgestellt worden, sonst hätten sie ihn nicht gegrüßt. Unverbindlich nickte er ihnen zu und ging weiter. Das schöne Wetter hatte viele Besucher in den Park gelockt, und er fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee war, Madam Louanne ausgerechnet hier zu treffen. Ihr Zusammensein würde auf jeden Fall für ordentlich Gesprächsstoff im ton sorgen.

Überall auf den breiten Rasenflächen und unter den Schatten spendenden Bäumen saßen Menschen beisammen und genossen die Vergnüglichkeiten des Parks. Kindermädchen waren mit den Kindern ebenso unterwegs wie feine Damen und edle Gentlemen. In erster Linie ging es darum zu sehen und gesehen zu werden.

Schon von weitem sah er eine Frau von außerordentlicher Schönheit, die direkt auf ihn zu kam. Sie trug ein opulentes Kleid, das ihre anmutige Silhouette betonte, und sie bewegte sich mit einer Grazie, die sowohl elegant als auch selbstbewusst war. Besonders auffällig war der Hut, der über und über mit Blumen geschmückt war. Die Blicke - sowohl von Männern als auch Frauen – folgten ihr neidvoll. Hinter vorgehaltener Hand wurde über sie getuschelt.

Madam Louanne.

Die Damenwelt beneidete sie ob ihrer Schönheit, und gleichzeitig wurde sie für das, was sie tat, verabscheut. Nie würde sich eine Lady herablassen, auch nur ein Wort mit ihr zu wechseln.

Die Gentlemen dagegen rissen sich um ihre Gunst, und nur einem finanzkräftigen, erlauchten Kreis war es vergönnt, sich mit ihr am Arm in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Nun, zu dieser erhabenen Gruppe gehörte auch er.

Richard war gespannt, Madam Louanne kennenzulernen, die er bisher zwar schon an vielen Orten gesehen, aber noch nie mit ihr gesprochen hatte.

Es war auch für ihn das erste Mal, dass er sich in der Öffentlichkeit mit einer Kurtisane zeigte.

„Euer Gnaden.“ Sie lächelte ihn höflich an und streckte ihm auffordernd die Hand entgegen. Welche Unverschämtheit sie doch besaß! Eine Lady hätte vor ihm geknickst, doch dieses Frauenzimmer erwartete tatsächlich, dass er sie in aller Form begrüßte. Würde er mit diesem Treffen nicht ein höheres Ziel verfolgen, hätte er Madam Louanne geschnitten und wäre einfach an ihr vorbeigelaufen. Doch er brauchte sie und die Informationen, die sie besaß. Daher biss er fest die Zähne zusammen, um ihr nicht in aller Deutlichkeit zu sagen, wo ihr gesellschaftlicher Platz war.

„Ich freue mich sehr darüber, Sie kennenzulernen“, säuselte sie und schlug dabei gekonnt die Augen nieder, nur um unter ihren langen unechten Wimpern schmachtend zu ihm aufzublicken.

Madam Louannes uneingeladenes Verhalten und ihre unpassende Zurschaustellung ihrer Vorzüge ließen ihn kalt. Er trat näher an sie heran, und ein ganzer Schwall von betörendem Rosenwasser hüllte ihn ein.

„Ganz meinerseits, Madam Louanne.“

Noch immer streckte sie ihm ihre Hand wartend hin. Gesellschaftlich stand Richard weit über ihr und unter normalen Umständen hätte er sich nicht herabgelassen, ihre Hand zu nehmen. Doch für den Augenblick musste er dieses Spiel mitspielen. Mit widerwilliger Höflichkeit ergriff er ihre behandschuhten Finger und küsste ihren Handrücken.

„Gehen Sie mit mir spazieren!“, verlangte Madam Louanne herrisch und hängte sich wie selbstverständlich bei ihm ein. Damit wurde sie ihrem Ruf, stets den Ton anzugeben, durchaus gerecht.

Richard widerstand dem Drang, die aufdringliche Person von sich zu schieben. Es war schwer genug gewesen, ein Treffen mit Madam Louanne zu arrangieren, und wenn er dem glauben durfte, was man über sie sagte, war sie äußerst wählerisch. Für etliche Männer der Gesellschaft kam es einem Ritterschlag gleich, mit ihr gesehen zu werden, denn das hieß, dass man es sich leisten konnte.

Für das Geld, das sie für den Nachmittag verlangte, hätte sich Richard einen maßgeschneiderten Anzug von einem der führenden Schneider von Savile Row kaufen können. Blieb zu hoffen, dass sich seine Investition auszahlen würde. Denn nur, weil er das nötige Kleingeld besaß, hieß das noch lange nicht, dass er es in Unvernunft ausgab.

Während sie durch den sonnenbeschienenen Park flanierten, bewies Madam Louanne, dass sie eine kultivierte Gesprächspartnerin sein konnte. Ihre Fragen waren interessiert und zeugten von Intelligenz, ihre Ausdrucksweise war in keiner Weise zu beanstanden. Von einer Dame, die nicht vom Stand war, hatte er etwas anderes erwartet, aber so war er angenehm überrascht.

„Ich war gestern im Theater“, plauderte Madam Louanne. „Eine wirklich wunderbare Inszenierung des Shakespeare Stücks.“

Richard konnte sich für Theater im Allgemeinen und Shakespeare im Speziellen nicht sonderlich begeistern.

„Ich bevorzuge die Oper“, erklärte er daher und erzählte von seinem letzten Besuch und der überaus gelungenen Vorstellung.

„Ich liebe die Oper auch.“ Ihre Augen leuchteten auf, als sie über eine besonders talentierte Sängerin sprach. „Ich weiß, dass Sie im Royal Opera House eine Loge besitzen, von der aus man ganz wunderbar auf die Bühne sehen kann.“

Das entsprach der Tatsache, doch wenn Madam Louanne nun damit rechnete, dass er sie einlud, lag sie falsch, und so entstand eine kleine Pause.

„Dort ist eine Bank“, machte die Kurtisane ihn aufmerksam und deutete nach rechts.

Die unterschwellige Art, wie sie ihm Dinge mitteilte, gefiel ihm nicht, doch wenn er an seine Informationen kommen wollte, musste er in seiner Rolle bleiben. Deswegen änderte er die Richtung und steuerte folgsam die Bank an. Sie befand sich im Schatten, daher gab es üblere Orte, an denen sie sich aufhalten konnten. Anmutig ließ Madam Louanne sich nieder und klappte ihren Sonnenschirm zusammen, den sie neben sich legte.

„Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir!“, forderte sie Richard auf. Er wollte ihrer Aufforderung, wenn auch widerwillig, gerade Folge leisten, als sie zu allem Überfluss auch noch gönnerhaft auf den freien Platz neben sich klopfte.

Alles in Richard versteifte sich. Er hasste es, herumkommandiert zu werden, auch wenn es sich nur um Kleinigkeiten handelte!

Doch er war aus einem bestimmten Grund hier, also würde er ihrer Bitte nachkommen. Allerdings ließ er sich ganz bewusst auf ihrer anderen Seite nieder.

Ihr kurzes Zögern verschaffte ihm zumindest eine kleine Genugtuung.

Sie wandte sich ihm zu. „Also kommen wir zum Geschäftlichen.“

Gekonnt überspielte die Kurtisane ihre Irritation. Mit ihrem Finger strich sie vom Knie aufwärts sein Bein entlang.

Ihre Berührungen mochten einen Jüngling aus dem Konzept bringen, lösten in ihm jedoch keine Reaktion aus. Ihre tonangebende Art stieß ihn ab, und er hätte gute Lust, ihr zu zeigen, wer von ihnen beiden das Sagen hatte.

„Ich kann das für Sie sein, was immer Sie möchten.“ Mit einem Mal wurde ihr Blick härter, ihre ganze Haltung veränderte sich. „Bei unseren Treffen werden ich Sie beim Vornamen nennen“, informierte sie ihn von oben herab.

Das war also die dominante Madam Louanne, von der er schon so einiges gehört hatte. Leider brachte diese Art ihn eher zur Raserei, als ihn sexuell zu erregen. Er unterdrückte alle aufbrausenden Emotionen und ballte unmerklich die Fäuste. Aber immerhin gelang es ihm, zu schweigen.

„Das macht Ihnen doch nichts aus, Richard?“, fragte sie scheinheilig nach.

„Hmm“, brummte er unverbindlich.

Zufrieden nahm sie ihre Hand von seinem Oberschenkel. „Welche Haarfarbe bevorzugen Sie? Ich kann für Sie die Frau sein, die Sie begehren.“

Er sah ihr in das hübsche Gesicht. Unter dem Hut waren ihre blonden Locken zu sehen, die höchstwahrscheinlich nicht echt waren. Es reizte ihn, ihr die Perücke vom Kopf zu ziehen, nur um zu erfahren, welche natürliche Haarfarbe sie besaß. Vermutlich war sie, wie die meisten Huren, kurzgeschoren und im Schambereich glattrasiert.

„Braun? Blond?“, erkundigte sie sich.

Richard war kurz davor, sie anzuschnauzen, er würde das präferieren, was die meisten Kunden mochten. In Wirklichkeit bevorzugte er Rothaarige. Um genau zu sein, eine spezielle Frau mit feuerroten Haaren, die ihn in seinen Träumen besuchte. Doch Madam Louanne würde dieser Schönheit nie das Wasser reichen können, deswegen brauchte sie es gar nicht erst zu versuchen.

„Entscheiden Sie!“, antwortete er knapp.

Ihre Zungenspitze fuhr über die dunkelroten Lippen. „Welch weise Wahl.“ Ihr Lächeln wurde noch breiter, erreichte aber auch weiterhin ihre Augen nicht. Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob sie sich, nahm ihren Schirm und klappte ihn auf. Hatte er die Probe bestanden? Würde sie ihn nun in ihre Kundenkartei aufnehmen? Schließlich wollte er sie in ihrem Haus aufsuchen, wo er ihre Sachen durchsuchen konnte.

„Wo befindet sich Ihre Kutsche?“, erkundigte sie sich.

Richard deutete in die Richtung, in der sein Kutscher geparkt hatte.

„Bringen Sie mich dorthin!“, forderte sie ihn auf und wartete, bis er sich erhob und ihr seinen Arm reichte.

Es war der optimale Zeitpunkt, um seine Fragen zu stellen. Er musste sie nur galant verpacken. Daher begann er mit unverbindlichem Geplauder: „Ich frage mich gerade, wie viele der Gentlemen, die wir hier im Park sehen, bereits Zeit mit Ihnen verbracht haben.“

Geheimnisvoll lächelte Madam Louanne. „Das, mein Lieber, werde ich Ihnen nicht verraten.“ Dann hielt sie inne, und etwas blitzte in ihren Augen auf. „Es sei denn, Sie schauen gern zu. Würde es Ihnen gefallen, dabei zu sein, wenn ein anderer Gentleman mich nimmt?“

Richard hatte schon etlichen Männern beim Sexualakt zugesehen, doch er konnte nicht behaupten, dass ihn das sonderlich erregte. Die Rolle als Beobachter lag ihm nicht. Dafür war er zu gern selbst beteiligt.

„Ich fürchte, da muss ich passen“, entgegnete er.

„Natürlich.“ Versöhnlich tätschelte sie seinen Unterarm.

Die Zeit lief ihm davon. Die Kutsche war bereits in Sichtweite. „Ich habe gehört, dass Sie eine große Leidenschaft für extravaganten Schmuck hegen.“

Madam Louanne blickte ihn von der Seite her an. „Nun, vielen Männern gefällt es, wenn ich ihre Geschenke trage. Wenn Sie mir Juwelen kaufen möchten, werde ich sie selbstverständlich anlegen.“ Etwa Gieriges lag in ihrem Blick.

Natürlich würde sie sich über Geschmeide freuen, würde es doch über die Jahre nicht an Wert verlieren und war damit für sie eine sinnvolle Geldanlage für die Zukunft.

„Was steht Ihnen besonders gut?“, überlegte er laut, blieb stehen und wandte sich ihr zu. „Vielleicht Smaragde. Haben Sie bereits eine Smaragdkette?“

Den Augenaufschlag kannte er schon, und wieder verspürte er nichts dabei. „Exquisiten Schmuck kann man nie genug haben, und alles, was ich von Ihnen bekommen würde, wäre ohnehin ein Unikat.“

Dieses Biest. Innerlich kam er jedoch nicht umhin, ihre Scharfsinnigkeit zumindest ein klein wenig zu bewundern.

Sie erreichten seine Kutsche, und Richard wusste immer noch nicht, ob Madam Louanne ihn in sein Haus einladen würde.

„Würden Sie mich nach Hause fahren, Richard?“ Sie lächelte ihn lasziv an. „Ich würde mich dafür auch erkenntlich zeigen.“

Für einen Moment wog er seine Optionen ab. Ein Schäferstündchen mit Madam Louanne reizte ihn überhaupt nicht, doch die Mission hatte Vorrang.

„Sicher.“ Sein Lächeln war so kalt wie Eis, als er den Verschlag öffnete, die Treppe ausklappte und die Kurtisane einsteigen ließ.

Ohne sich umzusehen, wusste er, dass er beobachtet wurde. In Kürze würde es die Runde machen, dass er mit Madam Louanne in Hyde Park spazieren gewesen war und sie anschließend nach Hause gefahren hatte. Damit reihte er sich in eine lange Liste von bekannten Namen ein. Aber das war ihm einerlei. Er war ein Duke und niemandem Rechenschaft schuldig.

Madam Louanne nannte ihre Adresse, und Richard gab sie an den Kutscher weiter.

„Lassen Sie sich Zeit, Kutscher!“, wies sie seinen Bediensteten an, was ihm ein weiteres Mal missfiel. „Wir haben hier hinten noch einiges zu besprechen.“

Abschätzend betrachtete er Madam Louanne, die ihm gegenübersaß. An einer Unterhaltung über ihre Kunden war er tatsächlich sehr interessiert, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass die Kurtisane mit ihm reden wollte.

Madam Louanne lehnte sich vor und zog die Vorhänge zu. Mit einem Mal war es ziemlich schummerig in der Kutsche.

„Wenn wir zukünftig zusammen sind, werde ich Ihnen sagen, was Sie zu tun haben, Richard“, erklärte Madam Louanne, als würde es um Belanglosigkeiten gehen. „Wir beginnen damit, dass ich erwarte, dass Sie mir Rosen mitbringen. Rote Rosen. Ich liebe rote Rosen.“

Richard focht einen innerlichen Kampf aus. Es gelang ihm jedoch, still zu bleiben.

„Ich sage Ihnen, wo Sie mich anfassen dürfen, wo Sie sich selbst berühren dürfen. Und wagen Sie ja nicht zu kommen und ohne meine Erlaubnis Ihren Samen zu verspritzen.“

Diese vulgären Worte aus dem Mund einer Frau gefielen ihm durchaus, ihrer dominanten Art konnte er jedoch nichts abgewinnen. Wenn er einer Frau beiwohnte, hatte er die Zügel in der Hand. Dazu erregte es ihn zu sehr, die Situation unter Kontrolle zu haben. Diese abzugeben, reizte ihn überhaupt nicht.

Daher sperrte sich alles in ihm gegen ihre Worte, doch er bemühte sich nach Kräften, ihr Spiel mitzuspielen. „Sicher.“

„Zukünftig heißt es Sicher, Madam“, korrigierte sie ihn und lächelte siegessicher. „Aber heute haben Sie noch Schonfrist. Ich werde Sie nicht bestrafen.“

Bestrafen! Ihn!

Er kaschierte sein verächtliches Schnauben mit einem Hustenanfall. Von Madam Louanne würde er sich ganz sicher nicht bestrafen lassen! Ebenso wenig wie von irgendeiner anderen Frau. Er war bereit, weit zu gehen, aber gewiss nicht so weit.

„Heute werde ich Ihnen einen kleinen Vorgeschmack geben.“ Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, legte sie ihre Hand auf seinen Schritt.

Das Problem war nur, dass er nicht im Mindesten erregt war.

„Oh!“, stellte Madam Louanne verblüfft fest. Dabei war sie professionell genug, ihre Verwunderung sofort wieder zu verbergen. „Ich verspreche Ihnen, Richard, Sie sind in meinen Händen allerbestens aufgehoben. Ich werde dafür sorgen, dass Ihr kleiner Freund nicht nur hart wird, sondern auch spritzt.“

Es empörte ihn, dass die Madam annahm, er hätte ein Problem mit seiner Libido. Sie funktionierte ausgezeichnet, und er hatte hart daran gearbeitet, sich so unter Kontrolle zu halten. Daher presste er fest die Lippen zusammen, um nicht aus seiner Rolle zu fallen.

Mit einem Augenaufschlag, der wohl sein Herz hätte höher schlagen lassen sollen, ließ sich die Kurtisane zu Boden gleiten und machte es sich zwischen seinen Beinen gemütlich. Ihre Hand bearbeitete seinen Schritt mit gekonnten Bewegungen. Als sie den Hosenlatz aufknöpfte und sein Glied herausholte, war es zumindest halb steif.

„Das Problem der meisten Männer ist, dass man ihnen sagen muss, was sie tun dürfen. Ich erlaube Ihnen, jetzt steif zu werden, Richard. Sie dürfen sich sogar zurücklehnen und genießen!“, befahl sie ihm mit strenger Stimme.

Richard zögerte einen Moment, besann sich wieder seiner Rolle und kam ihrer Aufforderung nach. Dann sollte sie doch einmal zeigen, was sie konnte! Er entspannte sich, so gut es ging, und lehnte den Kopf nach hinten. Madam Louanne kniete sich zwischen seine Beine, beugte sich vor und nahm sein Geschlecht in den Mund. Eine Welle des Widerwillens erfasste ihn, und er kämpfte gegen den Drang an, die Führung zu übernehmen. Seine Hände krallen sich in das Sitzpolster. Damit hielt er sich davon ab, aktiv zu werden. Mit aller Anstrengung blieb er in seiner passiven Rolle, was ihm von Sekunde zu Sekunde schwerer fiel.

Er bestimmte.

Immer.

Madam Louanne würde sich noch so abmühen können, er fand diese Situation alles andere als erregend. Unzufrieden schloss er die Augen und beschwor Bilder seines nächtlichen Traumes herauf. Er versuchte, sich auf die rothaarige Schönheit zu konzentrieren, die zurückhaltend und scheu war und sich ihm vorbehaltlos hingab. Ja, das war es, was er wollte. Was ihn erregte.

Die Vorstellung, wie sie demütig vor ihm kauerte, ihre unschuldigen Lippen sich um seinen Schaft legten und gierig daran saugten, ließen ihn endlich vollends hart werden.

Seine Finger verkrampfen sich unangenehm in den Sitzpolstern. Der Schmerz hielt ihn davon ab, seine Hände um ihren Kopf zu legen und die Kontrolle über ihre Position zu erlangen. Doch dann würde er nur feststellen, dass Madam Louanne vor ihm kniete, und ihr mit Blumen und Federn geschmückter Hut wäre im Weg.

Ein Stöhnen entrang sich Richards Kehle. Mit aller Macht stellte er sich die Frau mit dem feuerroten Haar vor, wie sie ihm hingebungsvoll Lust bereitete.

Er spürte, wie sein Glied immer härter wurde. Madam Louanne verstand ihre Arbeit, wie er freimütig anerkennen musste. Abwechselnd hart und sanft saugte sie an ihm, während ihre geschickten Finger ihn massierten. Das Zusammenspiel von Lippen, Zunge und Fingerspitzen war wahrlich perfekt.

Richard kämpfte gegen das Verlangen an nachzugeben und der Madam zu zeigen, wer wirklich die Kontrolle hatte. Doch er riss sich mit aller Macht zusammen. Nicht mehr lang, dann hätte er es geschafft. Seine Muskeln spannten sich bereits an. Ein tiefes Grollen entrang sich seiner Brust.

„Sie dürfen jetzt kommen, Richard. Ich erlaube es Ihnen!“ Ihre Stimme ruinierte beinahe alles.

Plötzlich spürte er etwas Raues an seinem Glied und als er die Augen öffnete, sah er, wie Madam Louanne ein Taschentuch um ihn wickelte.

Alles in ihm begehrte auf. So würde er sicher nicht kommen. Dann konnte er sich auch allein in seinem Schlafzimmer Erleichterung verschaffen.

Er veränderte seine Position minimal, zog mit einem kräftigen Ruck das weiße Spitzentuch fort, umfing sein Geschlecht und kam mit zwei schnellen Bewegungen zum Höhepunkt. Sein Saft spritzte ihr mitten ins Gesicht. Ein Keuchen entrang sich seiner Kehle, und er ließ sich erschöpft von der Anstrengung gegen die Rückwand sinken.

„Euer Gnaden!“, schimpfte Madam Louanne entsetzt und fiel damit aus der Rolle der dominanten Verführerin.

Der Anblick, der sich ihm bot, war wesentlich mehr nach seinem Geschmack.

---ENDE DER LESEPROBE---