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"Ich weiß, was du bist. Du bist nicht willkommen auf Cheetah Manor, doch meiner Tochter zuliebe werde ich dich dort dulden.“
Nach dem Tod ihrer besten Freundin will die Indianerin Izusa für deren Tochter sorgen. Doch das gestaltet sich schwierig, denn Eric Morgan, der leibliche Vater des Kindes, beansprucht das Sorgerecht.
Kathlyn aufzugeben, ist für Izusa unmöglich, und so lässt sie sich auf einen ungewöhnlichen Deal ein. Sie zieht nach Cheetah Manor, was ein paar Unwegsamkeiten mit sich bringt, weil Chowilawu-Indianer die magisch geschützte Plantage eigentlich nicht betreten können.
Mit der Zeit muss Izusa feststellen, dass der unnahbare Webereibesitzer sie nicht so kalt lässt, wie es gut für sie wäre, und dass er auch beruflich die Antwort auf all ihre Träume wäre. Eine gemeinsame Zukunft kann es für sie unmöglich geben, außer sie entscheidet sich für ihn und gegen ihre Familie.
Jedes Buch ist in sich abgeschlossen.
Die abgeschlossene Reihe im Überblick
Cheetah Manor - Das Erbe (Band 1)
Cheetah Manor - Das Geheimnis des Panthers (Band 2)
Cheetah Manor - Der Schwur der Indianerin (Band 3)
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Impressum
Klappentext
Cheetah Manor
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitle 50
Kapitel 51
Epilog
Cheetah Manor
Über die Autorin
Weitere Bücher
Die Chroniken von Usha
Kruento
E-Book
1. Auflage 1. März 2019
230-346-01
Melissa David
c/o Papyrus Autoren-Club
Pettenkoferstr. 16-18
10247 Berlin
Blog: www.mel-david.de
E-Mail: [email protected]
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Lektorat, Korrektorat: Lektorat Bücherseele, Natalie Röllig
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Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form bedürfen der Einwilligung der Autorin.
Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
„Ich weiß, was du bist. Du bist nicht willkommen auf Cheetah Manor, doch meiner Tochter zuliebe werde ich dich dort dulden.“
Nach dem Tod ihrer besten Freundin will die Indianerin Izusa für deren Tochter sorgen. Doch das gestaltet sich schwierig, denn Eric Morgan, der leibliche Vater des Kindes, beansprucht das Sorgerecht.
Kathlyn aufzugeben, ist für Izusa unmöglich, und so lässt sie sich auf einen ungewöhnlichen Deal ein. Sie zieht nach Cheetah Manor, was ein paar Unwegsamkeiten mit sich bringt, weil Chowilawu-Indianer die magisch geschützte Plantage eigentlich nicht betreten können.
Mit der Zeit muss Izusa feststellen, dass der unnahbare Webereibesitzer sie nicht so kalt lässt, wie es gut für sie wäre, und dass er auch beruflich die Antwort auf all ihre Träume wäre. Eine gemeinsame Zukunft kann es für sie unmöglich geben, außer sie entscheidet sich für ihn und gegen ihre Familie.
Der Abschluss der packenden Gestaltwandlergeschichte vor der Kulisse einer Südstaatenplantage.
Der Schwur der Indianerin
Band 3
von
Melissa David
„Ich bin was?“ Völlig entgeistert starrte Eric Morgan seinen Anwalt, Freund und Schwager an. „Das ist nicht möglich!“, stammelte er.
Langsam blickte Ethan Washington von dem Schriftstück auf und legte es zurück auf Erics Schreibtisch. „Wenn es nach diesem Brief geht, bist du seit fünf Jahren Vater einer Tochter.“
Eric war fassungslos. Wie war das möglich? Wie konnte er ein Kind haben, ohne davon zu wissen? Es musste ein Irrtum vorliegen, anders konnte er sich diese Ungeheuerlichkeit nicht erklären.
„Das ist einfach nicht möglich“, wiederholte er tonlos und griff nach dem Schriftstück. Er musste sich vergewissern, dass wirklich er gemeint war. Dass sein Name auf dem Dokument stand. Er las seinen Namen, und es bestand kein Zweifel, dass der Brief an ihn adressiert war. Nachdenklich starrte er auf einen weiteren Namen.
Amber Perry.
Sollte er diese Person kennen? Er hatte gehofft, dass es bei ihm Klick machen würde. Sosehr er sich auch den Kopf zermarterte, ihm sagte der Name nichts.
Wie war Amber Perry also auf die Idee gekommen, ihn auf der Geburtsurkunde ihrer Tochter als Vater auszuweisen? Er musste ihr zugutehalten, dass sie bisher nie mit Forderungen auf ihn zugekommen war, aber das machte die Sache auch nicht besser. Es war unmöglich. Er konnte keine Tochter haben, und deshalb konnte er dieses Schreiben nicht so einfach hinnehmen.
Dass Amber Perry bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, bedauerte er zutiefst, aber dass er jetzt für ihre Tochter sorgen sollte, dieses Kind, von dem er nicht einmal wusste, ob es sein Fleisch und Blut war, widerstrebte ihm.
„Wer ist diese Frau?“, fragte Ethan.
Hilflos zuckte Eric mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen? Ich kenne sie nicht.“
„Nun …“ Der Anwalt grinste ihn spitzbübisch an. „… wenn du eine Tochter hast, musst du dieser Frau zumindest körperlich sehr nahe gekommen sein.“
Eric würde sicher nicht mit dem Freund sein Liebesleben diskutieren. Das ging ihn nichts an. Er hatte eine ungestüme Zeit hinter sich. Während seines Studiums hatte er in New Orleans gelebt und war regelmäßig mit seinen Freunden um die Häuser gezogen. Natürlich hatte er die ein oder andere Frau abgeschleppt, aber es war nie etwas Ernstes gewesen. Keine hatte er länger als eine Woche gedatet. Keine war ihm so wichtig gewesen, dass er in Erwägung gezogen hätte, sie in die Nähe von Cheetah Manor zu lassen. Keiner hatte er sein Geheimnis anvertraut.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass …“ Er ließ den Satz unvollendet. Es auszusprechen, machte es real, und dazu war er noch nicht bereit.
„Zuerst werden wir einen Vaterschaftstest veranlassen“, schlug Ethan vor und war wieder in seinem Element als Anwalt.
Eric hoffte inständig, dass sich dadurch der Irrtum schnell aufklärte. Denn er war noch immer fest davon überzeugt, dass er kein Kind haben konnte. Das hätte er gewusst, er hätte es spüren müssen.
„Du bist immer noch der Meinung, dass dir jemand ein Kind anhängen möchte?“, vergewisserte sich Ethan noch einmal.
„Natürlich“, entgegnete Eric entrüstet. Auch wenn es etwas abwegig klang, war er sicher, dass ihn jemand finanziell ausnehmen wollte. Ein Kind war dazu ein perfekter Plan. Die Plantage war riesig, ihr Wert unbezahlbar. Die Weberei lief gut. Dafür hatte er in den vergangenen drei Jahren hart gearbeitet. Es ging ihnen so gut wie nie. Mit ihren Baumwollstoffen, die ganz ohne Chemie auskamen, hatten sie eine große Lücke im Markt gefunden. Inzwischen war die Baumwolldynastie Morgan nicht nur in der Gegend, sondern weit über die Grenzen Louisianas hinaus bekannt. Geld war also durchaus bei ihm zu holen, nur würde er das nicht kampflos herausrücken.
„Was ist …“ Ethan stockte, ehe er den Satz beendete. „Was ist, wenn sie doch deine Tochter ist?“
Wie vom Donner gerührt saß Eric da. Die Frage überrannte ihn dermaßen, dass er zuerst keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ein Kind auf Cheetah Manor wäre wundervoll. Die ganze Familie freute sich auf den Familienzuwachs, doch nicht in seinem Haus. Er sollte in vier Monaten Onkel werden, und das war etwas völlig anderes, als selbst Vater zu sein.
„Du weißt, wann die ersten Anzeichen auftreten und was das im Leben eines Kindes anrichten kann.“
Wütend funkelte er Ethan an. Ja, Eric hatte es selbst durchgemacht, wusste sehr gut, was das bedeutete. Dennoch würde er nicht einem wildfremden Kind gestatten, sein Leben auf den Kopf zu stellen. Und wenn dieses Kind doch von ihm war? Der leise Zweifel war gesät, und sosehr er auch versuchte, ihn abzuschütteln, es wollte ihm einfach nicht gelingen.
„Glaubst du, ich könnte eine Tochter haben?“, fragte er mit belegter Stimme.
„Ich habe keine Ahnung“, gestand Ethan. „Aber ausschließen würde ich es nicht. Überlege dir, wie du damit umgehst, wenn Kathlyn tatsächlich dein Kind ist.“
Bei der Erwähnung ihres Namens regte sich der Gepard in ihm, stellte die Nackenhaare auf. Es wurde immer realer, greifbarer. „Wenn Kathlyn wirklich von mir ist, werde ich mich selbstverständlich zur Vaterschaft bekennen.“ Aber so weit würde es nicht kommen.
„Das reicht nicht. Früher oder später wird sie sich verwandeln, und dann braucht sie eine Umgebung, wo sie sicher ist und wo ihr jemand erklärt, was mit ihr geschieht.“
„Du meinst, ich soll sie nach Cheetah Manor holen?“ Allein die Vorstellung erschreckte ihn. Er hatte doch keine Ahnung von Kindern. Woher sollte er wissen, was ein fünfjähriges Mädchen überhaupt brauchte? Außerdem musste er arbeiten. Er müsste also jemanden aus dem Dorf anstellen, der sich um das Kind kümmerte. Welche Mutter war so unvernünftig und brachte ihr Kind in so eine ausweglose Position? Wie konnte Amber Perry es wagen, bei einem Autounfall zu sterben?
„Kannst du mir alles über diese Frau zukommen lassen?“ Er musste wissen, wer diese Person war. Vielleicht war sie nur eine Hochstaplerin, die ihren Tod vorgetäuscht hatte. Aber so richtig machte das alles keinen Sinn. Ethan kannte die besten Privatdetektive, und wenn es etwas über Amber Perry gab, würden sie es herausfinden.
„Natürlich, kein Problem.“ Ethan notierte den Namen in seinem Handy. „Ich schicke dir in den nächsten Tagen alles zu.“
„Danke“, murmelte Eric. „Wie lange wird der Vaterschaftstest dauern?“
Ethan winkte ab. „Das geht relativ flott. Ein paar Tage, bis wir die Genehmigung vom Gericht haben. Mit ein paar Scheinchen noch mal ein paar Tage, bis das Ergebnis da ist.“
„Perfekt.“ Sobald er etwas mehr über Amber Perry wusste, würden sich die nächsten Schritte ergeben.
„Kann ich dir noch anderweitig behilflich sein?“, erkundigte sich Ethan.
Eric verneinte. Die Zusammenarbeit zwischen ihm und Ethan war eng. Ethan vertrat Cheetah Manor in allen juristischen Belangen. Seit Ethan mit Rayna, seiner Schwester, verheiratet und ein Teil von Cheetah Manor geworden war, hatte sich ihre Freundschaft vertieft. Auch wenn Ethan schon immer irgendwie zur Familie gehört hatte, war er jetzt ein nicht wegzudenkender Teil davon.
„Hast du etwas von den Europäern gehört?“, fragte der Anwalt in diesem Moment.
Eric schüttelte bedauernd den Kopf. Die Frist lief morgen ab. Er hatte viel Zeit in die Beziehung nach Europa investiert, hatte hart mit dem bekannten Modekonzern verhandelt und hoffte inständig, dass sie das Angebot annehmen würden. Es wäre ein herber Verlust, wenn sie sich für die Konkurrenz entschieden. Ihm war klar, dass er nicht das günstigste Angebot gemacht hatte, aber bei ihnen wurden nur gute Produkte geliefert. Das Preis-Leistungs-Verhältnis war mehr als fair. Blieb nur die Frage, ob der Kunde auf Qualität setzte oder sich mit minderwertigen Stoffen der Chowilawu-Indianer zufriedengab.
„Gut, dann mache ich mich wieder auf den Weg.“
„Grüß Rayna von mir“, bat er abwesend. „Und …“ Der Gedanke kam ihm, als Ethan schon fast zur Tür hinaus war. „… behalte es bitte vorerst für dich. Ich will die Pferde nicht unnötig scheu machen.“
„Ich rede mit niemandem über meine Mandanten, auch nicht mit Rayna.“ Etwas eingeschnappt über die Unterstellung schloss Ethan seine Aktentasche.
Eric wusste, dass sein Schwager absolut verschwiegen war und seinen Job als Anwalt äußerst ernst nahm.
„Solltest du tatsächlich ein Kind haben, ist es deine Sache, wann du es deiner Familie sagst.“
Dazu würde es hoffentlich nie kommen. Dankbar nickte er. Auf Ethan war Verlass – wie immer.
Er wartete, bis sein Schwager gegangen war, und griff noch einmal nach dem Brief vom Gericht, der ihn so aus der Bahn geworfen hatte. Vater. Er. Kopfschüttelnd saß er da. Er konnte es einfach nicht glauben. Doch wenn dieses Kind seines war, würde er Himmel und Hölle in Bewegung setzen und für es da sein. Das stand außer Frage.
Nie hätte er es für möglich gehalten, noch vor Darren Vater zu werden. Darren, sein großer Bruder, der bei allem der Erste war, der immer die Nase vorn hatte. So war es schon immer gewesen. Eric hatte immer alles daran gesetzt, seinem großartigen Bruder nachzueifern und war in der Regel kläglich daran gescheitert. Besser wurde es erst, als er beschloss, nicht mit Darren die Plantage zu betreiben, sondern die Weberei zu leiten.
Darrens Kind würde in vier Monaten auf die Welt kommen. Sarah und er hatten warten wollen, bis sie ihre Anerkennung als Ärztin bekam. Danach hatte es allerdings noch ein halbes Jahr gedauert, bis sich endlich Nachwuchs ankündigte. Er freute sich ungemein für die beiden. Es war ein absolutes Wunschkind. Sarah war inzwischen nicht nur Ärztin, sondern hatte eine eigene Praxis in Cheetahville eröffnet, die sie auch nach der Geburt fortführen wollte. Es gab ja noch seine Mutter. Moira Morgan freute sich unheimlich auf ihr erstes Enkelkind und sprang gerne als Babysitter ein.
Eric erhob sich und trat ans Fenster. Sein Büro lag im ersten Stock. Unter ihm befand sich die Produktionshalle, und so drangen die vertrauten Geräusche der Maschinen zu ihm herauf. Nachdenklich blickte er über die Baumwollfelder. Die letzte Ernte war überaus reich ausgefallen, was ihnen nach den Problemen vom Vorjahr ausgesprochen gut getan hatte. Die jetzigen Pflanzen sahen gesund und kräftig aus und kündigten ein noch vielversprechenderes Jahr an.
Während Darren schon der neuen Ernte entgegenfieberte, musste er sich um die Produkte des letzten Jahres kümmern.
In Gedanken an seine Arbeit konnte er gut die privaten Probleme zur Seite schieben. Er fuhr sich durch das dichte braune Haar und schloss für einen Moment die Augen. Dem Gepard hätte es gefallen, jetzt durch das Unterholz zu streifen, doch Eric hatte Wichtigeres zu tun. Entschlossen drehte er sich um und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück.
Müde schloss Izusa die Tür hinter sich. Sie legte die Handtasche und die Schlüssel auf die Ablage und zog ihren Mantel aus. Sie kam sich so unsagbar dumm vor. Tränen brannten in ihren Augen, als sie aus den Schuhen schlüpfte und barfuß die Küche betrat. Im Kühlschrank fand sie eine Flasche mit gekühltem Wasser. Den ganzen Tag war sie unterwegs gewesen, hatte keine Zeit gehabt zu trinken. Ihre Kehle brannte, so trocken war sie. Großzügig goss sie sich ein und leerte das Glas mit einem Zug. Nachdem sie das Trinkglas noch einmal zur Hälfte gefüllt hatte, ließ sie sich auf den Küchenstuhl sinken und erlaubte sich für einen winzigen Moment, die Augen zu schließen. Sie war müde, so unendlich erschöpft, und hatte das Gefühl, keine Kraft mehr zum Weitermachen zu haben. Wie war es nur möglich, dass ihr Leben so aus den Fugen geriet?
Sie musste an Amber denken und konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ihre beste Freundin war fort. Nie wieder würden sie zusammen am Küchentisch sitzen und über ihren Tag reden. Nie wieder würden sie zusammen lachen, sich über die Erfolge des anderen freuen. Nie wieder würde Amber zurückkommen. Sie vermisste ihre Freundin so unglaublich, dass es einfach nur wehtat. Eine erste Träne fiel auf den Holztisch, weitere folgten. Als wäre die Trauer nicht schon genug, kam auch noch die Schuld dazu, die Izusa erdrückte. Alle hatten gesagt, sie könne nichts für den Unfall, schließlich war nicht sie es gewesen, die auf der Gegenfahrbahn frontal in den kleinen Honda gekracht war. Sie konnte auch nichts dafür, dass der Fahrer betrunken gewesen war. Aber sie hatte ihrer Freundin das Auto geliehen. Nur wegen ihr war Amber unterwegs gewesen. Sie hatte keine Chance gehabt auszuweichen. Izusa wusste, dass sie keine Schuld traf. Dennoch fühlte sie sich für den Tod ihrer Freundin verantwortlich.
Izusa wischte mit den Händen die Tränen fort. Sie vermisste Amber so sehr. Sie hatten alles geteilt, waren die besten Freundinnen gewesen. Damals, als sie schwanger wurde und vorübergehend nicht mehr kellnern konnte, war Izusa zu ihr gezogen. Dabei hatten sie gemerkt, dass es zwischen ihnen perfekt harmonierte. Sie hatte Amber mit dem Kind geholfen, als dieses auf die Welt kam. Das hatte sich in den letzten fünf Jahren auch nicht geändert, und so liebte sie Kathlyn wie eine eigene Tochter. Als nach dem Studium ihr Schritt in die Selbstständigkeit anstand, war Amber es gewesen, die an Izusa geglaubt hatte, die ihr Mut gemacht hatte und sie zur Bank begleitet hatte, um den Kredit zu beantragen. Ganz im Gegenteil zu ihrer Familie. Schnell verdrängte sie die unschönen Gedanken und gab sich stattdessen lieber den schönen Erinnerungen hin. Das Geld hatte sie in ein Arbeitszimmer investiert, in eine hochwertige Nähmaschine, einen großen Arbeitstisch, Schnittmusterfolie, eine Schneiderbüste mit Standfuß und natürlich eine Grundausstattung an Stoffen und Garn. Es gab zwei Möglichkeiten, ihren Traum zu verwirklichen. Sie fand einen Stofflieferanten, der sie unterstützte, oder sie schaffte es aus eigener Kraft, indem sie außergewöhnliche Kreationen entwarf. Da sie familiär bedingt die indianische Weberei nicht übergehen konnte, konzentrierte sie sich verstärkt auf die zweite Möglichkeit.
In den letzten Wochen und Monaten hatte sie beinahe ununterbrochen an ihrem Schreibtisch gesessen und eine erste Kollektion entworfen. Jedes Mal, wenn sie zu zweifeln begann, hatte Amber ihr Mut gemacht. Nur durch die Unterstützung hatte sie es geschafft, die Kollektion fertigzustellen. Der Traum, eines Tages mit den führenden Boutiquen in New Orleans zusammenzuarbeiten, war ein großes Stück näher gerückt. Doch dann hatte sie das Glück verlassen. Von jeder Boutique, bei der sie mit ihrem Anliegen vorgesprochen hatte, bekam sie eine Absage. Inzwischen hatte sie aufgehört zu zählen. Es war einfach nur frustrierend. Die Zurückweisung heute hatte sie nun völlig deprimiert. Es war die letzte vielversprechende Boutique gewesen. Nicht einmal auf Kommission hatte man ihre Kleider nehmen wollen. Die Qualität der Stoffe sei nicht gut genug. Die Weberei der Chowilawu-Indianer stellte ganz vernünftige Stoffe her. Ja, okay, die Muster waren manchmal etwas altbacken und erinnerten an die Vorjahresware der Konkurrenz. Aber da sie zeitlose Kleider nähte, hatte sie gedacht, es sei egal.
Izusa zog ein Taschentuch aus der Hosentasche hervor und putzte sich geräuschvoll die Nase. Sie musste stark sein. Für Kathlyn. Es würde schon weitergehen, sie musste nur an ihren Traum glauben. Wenn jedoch nicht bald erste Einnahmen kamen, würde ihr Traum zerplatzen wie eine Seifenblase.
Ihr war klar, dass sie die Boutiquen nicht dafür verantwortlich machen konnte. Diese brauchten ein Werbegesicht, und dafür war Izusa zu unbedeutend. Ein Kontakt in die High Society hätte ihr weitergeholfen, jemand, der ihre Kleider trug. Dadurch hätte sie sich einen Namen aufbauen können. Doch als Chowilawu-Indianerin – und dabei war es unerheblich, ob sie im Reservat lebte oder nicht – gestaltete es sich ungemein schwierig, Zugang zur weißen Gesellschaft zu bekommen.
Izusas Blick fiel auf die Uhr, und sie erschrak. Es war schon ziemlich spät, und wenn sie Kathlyn rechtzeitig vom Bus abholen wollte, musste sie sich beeilen. Hätte sie noch ein Auto gehabt, wäre sie damit zur Haltestelle gefahren, wie es die meisten Mütter taten, die ihre Kinder täglich dort abholten. Doch da sie nicht wusste, wie schnell sie regelmäßige Einnahmen haben würde, und nun allein für die Miete aufkommen musste, hatte sie es für klüger gehalten, das Geld von der Versicherung zur Seite zu legen, anstatt in ein neues Auto zu investieren. Teile davon hatte sie inzwischen auch schon gebraucht.
Hastig schlüpfte sie in die Slippers. Es war warm, und da sie nicht mehr geschäftlich unterwegs war, verzichtete sie auf den Mantel.
Die Straßen in der Gegend waren in den Nachmittagsstunden voll. Izusa hatte kein gutes Gefühl, Kathlyn allein durch die Gegend laufen zu lassen. Wenn ihr auch noch etwas geschah … nicht auszudenken. Vor allem nicht jetzt, da Izusa nur vorübergehend für das Kind sorgen durfte, bis das Gericht alle Formalitäten geprüft hatte. Die endgültige Entscheidung stand noch aus. Izusa war jedoch guter Dinge, dass sie das Sorgerecht für Kathlyn bekommen würde. Amber hatte keine Familie. Ihr Vater war ein Säufer gewesen, der die Familie früh verlassen hatte. Die Mutter war schon vor etlichen Jahren an Krebs gestorben. Geschwister oder weitere Angehörige gab es keine. Wer sollte sich also um Kathlyn kümmern?
Dass sie es tun würde, stand außer Frage. Sie hatte es Amber auf dem Sterbebett versprochen, als sie ins Krankenhaus gekommen war und die Ärzte sie für die riskante OP vorbereitet hatten. Aber auch ohne dieses Versprechen hätte sie sich für Kathlyn verantwortlich gefühlt.
Die Haltestelle war bereits in Sichtweite, als der Bus hielt und viele Kinder ausstiegen. Bei einigen standen die Mütter bereit, andere – gerade die älteren Kinder – liefen allein nach Hause. Der Bus fuhr an und fädelte sich in den Straßenverkehr ein. Sie winkte Kathlyn zu, die sich suchend umsah. Ein leichtes Lächeln huschte über das Gesicht der Fünfjährigen, als sie Izusa entdeckte. Kathlyn war ein ernstes Kind geworden, das viel zu wenig lächelte. Es tat ihr im Herzen weh, und sie wünschte sich, dem Mädchen das Lachen zurückgeben zu können.
„Na, wie war dein Tag?“, fragte sie möglichst unbeschwert und umarmte die Kleine zur Begrüßung.
„Ganz in Ordnung“, murmelte Kathlyn abweisend, ließ es aber zu, dass Izusa ihr den Rucksack abnahm. Mit dem dunkelgrauen Rock, der weißen Bluse, der farblich abgestimmten rot-ockerfarbenen Krawatte und der roten Strickjacke sah sie einfach zuckersüß aus. Aus den zu beiden Seiten geflochtenen Zöpfen hatten sich bereits einige blonde Strähnen gelöst. Izusa unterdrückte den Drang, ihr die losen Haare hinter das Ohr zu streichen.
„Gehen wir nach Hause“, sagte sie gut gelaunt und streckte Kathlyn die Hand entgegen.
Wortlos schob sich die kleine Hand des Mädchens in ihre, als sie den Nachhauseweg antraten.
Eric war bewusst einige Meter entfernt stehen geblieben, hatte sich hinter einem kleinen Mäuerchen versteckt. Von dort aus konnte er die Haltestelle gut sehen. Er wartete auf den Schulbus, der jeden Moment kommen sollte. In seiner Hand hielt er ein Foto. Ethan hatte es ihm besorgt. Darauf abgebildet war ein blondes Mädchen. Kathlyn. Das Kind, das seine Tochter sein sollte. Ethan hatte gute Arbeit geleistet und eine Mappe mit allen wichtigen Informationen zusammengestellt. Amber Perry hatte als Kellnerin im Break’s gearbeitet. Als er den Namen des Clubs gelesen hatte, fiel es ihm wieder ein. Er erinnerte sich an die blonde Kellnerin. Es musste Ewigkeiten her sein. Etwas mehr als sechs Jahre, um genau zu sein. Er war in dieser Nacht mit seinen Freunden feiern gewesen. Sie waren durch etliche Nachtclubs und Bars gezogen und schließlich im Break’s gelandet. Er hatte schon einiges getrunken und schamlos mit der hübschen Kellnerin geflirtet. Auf dem Parkplatz hatte er sich gerade ein Taxi rufen wollen, als die junge Frau von ein paar üblen Typen angequatscht wurden. Als sie handgreiflich wurden und die hübsche Kellnerin mit sich ziehen wollten, hatte er das nicht ignorieren können, und so war er dazwischengegangen und hatte ihr angeboten, sie nach Hause zu begleiten.
Eine Nacht. Eine einzige verdammte Nacht. Wie war es möglich, dass diese wenigen unbedachten Stunden ihm nun dermaßen um die Ohren flogen? Mit solchen weitreichenden Folgen hatte er absolut nicht gerechnet.
Der Schulbus fuhr die Haltestelle an. Gespannt reckte er den Kopf, hielt nach dem Kind Ausschau. Immer wieder blickte er auf das Foto, verglich die Mädchen, die aus dem Bus stiegen, mit dem Bild. Da war sie. Sein Herz setzte für eine Sekunde aus, ehe es mit unvermittelter Geschwindigkeit weiterschlug. Das war Kathlyn Perry. Auf die Entfernung versuchte er Einzelheiten zu erkennen, suchte nach Details, die belegten, dass sie seine Tochter war. Natürlich stand er dafür viel zu weit weg. Der Bus fuhr weiter, und die Schüler strömten auseinander. Die meisten wurden abgeholt, die Älteren gingen allein nach Hause. Nur Kathlyn stand da und blickte sich suchend um. Aus den Unterlagen wusste er, dass Perry mit einer Freundin zusammengelebt hatte. Bei ihr war Kathlyn nun vorübergehend untergebracht. Doch wo war diese Frau? Hielt sie es nicht einmal für nötig, das Kind von der Haltestelle abzuholen? Er schlug die Akte auf, suchte darin etwas über die Mitbewohnerin. Eine gewisse Ms. Jones. Eric ärgerte sich darüber, dass Ethan nicht mehr über diese Frau in Erfahrung gebracht hatte, vermutlich war sie ihm zu unbedeutend erschienen. Er wollte wissen, wer diese Frau war, die für das Kind sorgte. Ohne es benennen zu können, hatte er dieser Mitbewohnerin gegenüber ein verdammt schlechtes Gefühl.
Die anderen Kinder waren längst zu ihren Eltern gegangen, nur Kathlyn stand noch immer an der Haltestelle. Er kniff die Augen zusammen und hatte bereits zwei Schritte auf sie zu gemacht. Eigentlich wollte er sie heute noch nicht ansprechen, sich nicht zu erkennen geben. Ethan hatte ihm eingeschärft, auf Abstand zu bleiben. Zuerst musste er mit absoluter Sicherheit wissen, dass Kathlyn seine Tochter war. Aber er konnte sie nicht allein nach Hause gehen lassen. Während er noch mit sich kämpfte, Angst hatte, dass es zu früh war, um Kathlyn anzusprechen, wünschte er sich – jetzt, da er sie sah und wusste, was für ein bezauberndes Kind sie war –, sie nach Cheetah Manor bringen zu können. Er musste unbedingt das Verfahren beschleunigen. Kathlyn gehörte nach Cheetah Manor, und je eher sie bei ihm war, umso besser. Zum ersten Mal wünschte er sich tatsächlich, dass dies alles kein Irrtum war, dass Kathlyn wirklich zu ihm gehörte. Es wurde ihm ganz warm ums Herz, und gleichzeitig wurde es auch unendlich schwer. Fühlte so ein Vater? Er wusste es nicht, aber er wusste, dass ein Kind wie sie in der Geborgenheit der Familie aufwachsen musste.
Eine große Frau, schlank mit rabenschwarzen Haaren und gebräunter Haut, wie es für die Ureinwohner des Landes typisch war, trat auf das Mädchen zu. Er blieb stehen. Verdammt. Das war eine Indianerin, die mit seiner Tochter sprach. Unwillkürlich nahm der Gepard eine Angriffshaltung ein, würde nicht zulassen, dass Kathlyn in Gefahr geriet. Doch Eric hielt das Tier zurück. Mit einer Indianerin hatte er absolut nicht gerechnet. Was machte sie bei Kathlyn? Hatten die Chowilawus von seiner Tochter Wind bekommen? Setzten sie alles daran, seiner Familie zu schaden? Es war gut, dass er stehen geblieben war und das Geschehen aus sicherer Entfernung betrachtete. Kathlyn schien die Frau zu kennen, ließ sich von ihr umarmen und sogar die Tasche abnehmen. Völlig fassungslos starrte er den beiden hinterher, die gemütlich die Straße entlanggingen.
Wer war diese Frau? Arbeitete sie für Kathlyns Familie? War Amber so vermögend gewesen, dass sie sich Personal leisten konnte? Vielleicht eine Babysitterin? Nein, er war sich ziemlich sicher, dass die Kellnerin gerade so über die Runden gekommen war.
Der Gepard lag noch immer in Lauerstellung. Indianer bedeuteten für ihn Gefahr. Die Beziehung seiner Familie zu den Chowilawus war schwierig. Er kannte die Geschichte von Daniel Morgan, seinem Vorfahren. Sein Vater hatte sie ihm oft erzählt. In einer heißen Sommernacht im Jahr 1900 brannte Morgan Manor bis auf die Grundmauern nieder. In dieser Nacht ging sein Ururgroßvater einen Pakt mit dem Land ein. Er bat um Schutz. Der Preis war hoch. Ein Geschenk und ein Fluch zugleich. Im Gegenzug versprach Daniel Morgan dem Land seinen Sohn und alle zukünftigen Kinder. Mit der Macht, die Energie von Cheetah Manor zu leiten, sie zugunsten der Familie zu nutzen, kamen auch die Cheetahs und wurden unwiderruflich ein Teil ihres Lebens.
Die Chowilawus kehrten in die Gegend zurück, bekamen von der Regierung auf der anderen Seite des Lake Maurepas ein Reservat zugeteilt. Doch das war ihnen nicht genug. Sie forderten ihr Land zurück. Sie wollten die Macht der Cheetahs für sich beanspruchen, doch Cheetah Manor schützte nicht nur die Tiere, sondern auch die Menschen, die auf ihm lebten. Auch wenn die Geschichte lange zurücklag, hatte sich an der Tatsache, dass die Chowilawu-Indianer das Land zurückwollten, nichts geändert.
Langsam folgte er Kahtlyn und der Frau. Die beiden bogen gerade in eine Straße ein. Wenn er sich richtig orientierte, war es zu Ambers Wohnung nicht mehr weit. Widerstand regte sich in ihm. War es nicht unverantwortlich, seine Tochter in der Obhut einer Chowilawu zu lassen? Aber war Kathlyn tatsächlich seine Tochter? Und wusste die Indianerin, dass er Kathlyns Vater war? Er musste dringend mehr über sie herausfinden. Deshalb zog er sein Mobiltelefon aus der Tasche und wählte Ethans Nummer. Es klingelte gerade ein Mal, da wurde auch schon abgehoben.
„Hallo Eric. Was gibt es?“
„Du musst für mich ein paar Dinge regeln.“
„Kein Problem, leg los.“
Eric atmete tief durch. „Zuerst musst du den Vaterschaftstest beschleunigen. Es ist egal, wie viel es kostet, ich muss bis morgen wissen, ob sie meine Tochter ist.“
„Aha“, war alles, was Ethan dazu sagte. „Und weiter?“
„Wie schnell wird sich das Gericht entscheiden?“
„Nun.“ Ethan zögerte. Papier raschelte, als blätterte er in Unterlagen. „Ich kenne den Richter. Konservativ und unbestechlich.“
„Ich will ihn nicht bestechen, er soll nur schnell entscheiden. Wenn Kathlyn mein Kind ist, wird sie mir zugesprochen.“
„Warum hast du es denn plötzlich so eilig?“, wollte Ethan verwundert wissen.
„Sie ist bei einer Indianerin.“
Ethan zog scharf die Luft ein. Er wusste, was das bedeutete. „Eine Chowilawu?“
„Vermutlich“, brummte Eric.
Er registrierte, wie die Frau mit Kathlyn in einem Hauseingang verschwand, und blieb stehen. Er wollte einige Zeit verstreichen lassen, ehe er wie zufällig am Eingang vorbeilaufen und einen Blick auf das Klingelschild werfen würde.
„Hast du die Mitbewohnerin durchleuchtet?“
„Nein. Sie kam mir nicht verdächtig vor.“
„Kannst du herausfinden, wer diese Frau ist?“
„Natürlich, das ist kein Problem. Du hast die Unterlagen bis heute Abend in deinem E-Mail-Postfach.“
„Danke dir“, murmelte Eric und wollte sich gerade verabschieden.
„Und …“
Er horchte auf.
„Bitte halte dich wie besprochen zurück. Du darfst nicht mit dem Kind reden. Haben wir uns verstanden?“
„Ja“, knurrte Eric unzufrieden und legte auf. Verstimmt steckte er das Handy ein. Was fiel Ethan ein, ihn zu belehren? Er seufzte. Natürlich hatte sein Anwalt recht. Alles in ihm drängte danach, sich Kathlyn zu erkennen zu geben, und auch das Tier war kaum noch unter Kontrolle zu halten. Es fiel ihm äußerst schwer, sich zu beherrschen. Selbstverständlich konnte er nicht einfach auf Kathlyn zustürmen und sie mitnehmen, auch wenn er das am liebsten getan hätte. Leider musste sich auch Eric Morgan der Staatsgewalt Louisianas beugen. Er musste auf ein rechtskräftiges Urteil warten.
Nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, schlenderte er an dem Haus vorbei. Vor dem Gebäude, in dem Kathlyn wohnte, wurde er langsamer und blieb schließlich stehen. Sein Blick suchte die Klingelschilder ab, bis Eric fand, wonach er suchte. Perry und Jones standen auf einem Klingelschild. Kein Wunder, dass Ethan bei dem Namen nicht hellhörig geworden war. Jones ließ nicht unbedingt auf indianische Abstammung schließen. Er war sich jedoch sicher, dass die Frau die Mitbewohnerin sein musste.
Um sich zu beruhigen, atmete er tief durch und ging dann weiter. Im Moment konnte er für Kathlyn nichts tun. Es kostete ihn unendlich viel Kraft, sich nicht einfach umzudrehen, zu dem Haus zurückzurennen und Sturm zu klingeln.
Er brauchte eine große Runde um den Häuserblock, um sich so weit abzureagieren, dass er zu seinem Auto zurückkehren und zurück nach Cheetah Manor fahren konnte. Der Gepard verlangte nach Auslauf. Der Mann wollte nur noch vergessen, und das war in Gestalt des Tieres am besten möglich.
Eric fand die Ungewissheit zermürbend. Es fiel ihm schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Die Anspannung saß in jedem Muskel, und seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Wie sollte er sich so auf Rechnungen und Kassenausgänge konzentrieren?
Ethan hatte angerufen. Der Brief mit dem Ergebnis des Vaterschaftstests war bei ihm eingetroffen. Auf die Frage hin, ob er den Umschlag öffnen sollte, hatte Eric ihn gebeten, herzukommen. So ein verdammter Mist. Von New Orleans nach Cheetah Manor fuhr man etwa eine halbe Stunde, wenn es der Großstadtverkehr zuließ. Ethan hatte erklärt, er müsse noch einen dringenden Termin wahrnehmen, der jedoch nicht lange dauern werde. Anschließend mache er sich umgehend auf den Weg nach Cheetah Manor. Das war vor über zwei Stunden gewesen.
Eric starrte auf die Uhr, die über der Tür hing. Dieser verdammte Minutenzeiger bewegte sich einfach nicht. Er wurde noch wahnsinnig. Hatte sich die ganze Welt gegen ihn verschworen? Wollte man ihn bewusst quälen? Die Ungewissheit war schlimmer als alles andere, und er bereute es bereits, Ethan gebeten zu haben, herzukommen. Die erlösende Antwort hätte er am Telefon viel schneller gehabt. Allerdings hätte er dann auch nichts in der Hand gehabt, und er wusste, er brauchte es schwarz auf weiß, um es glauben zu können. Sowohl das eine als auch das andere.
Es klopfte, und er atmete tief durch. Ethan sollte nicht merken, wie nah ihm die Sache ging, wie sehr sie ihn beschäftigte.
Doch es war nur Alina, seine Assistentin, die eintrat, um ihm ein paar Papiere zu bringen. Er sah sie an, als wären ihr Flügel gewachsen, bis er sich besann und sich wieder unter Kontrolle brachte.
„Eric?“, fragte sie irritiert. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Sie war bereits dabei, den Schreibtisch zu umrunden.
Hastig hob er die Hand und gebot ihr Einhalt. „Mir geht es gut!“ Seine Worte duldeten keinen Widerspruch. „Ist Ethan schon da?“
„Nein?“ Unsicher drehte sie sich um und spähte hinter sich, als müsste da jeden Moment Ethan Washington auftauchen. „Wollte er heute kommen? Davon weiß ich nichts.“
Der Anwalt war ein häufiger Gast in den Geschäftsräumen der Weberei. Eric holte sich oft einen rechtlichen Rat bei Ethan ab, und als Anwalt kontrollierte er alle Verträge, die über Erics Tisch gingen.
„Wir haben vorhin telefoniert und einen Termin vereinbart.“
Überrascht zog Alina eine Augenbraue nach oben. Normalerweise liefen solche Termine über ihren Schreibtisch, und er konnte es ihr nicht verübeln, dass sie sich etwas übergangen fühlte.
Alina war eine der wenigen Personen, die ihn richtig gut kannten. Sie legte den Kopf schief und sah ihn nachdenklich an. „Was ist passiert?“
Eric wich ihrem Blick aus. Es fiel ihm nicht leicht, sie anzulügen. „Alles in Ordnung.“
Alina stemmte die Hände in die Hüften. Sie war mit ihren ein Meter sechzig ziemlich klein. Doch was ihr an Größe fehlte, machte sie durch Ausstrahlung wett. „Erzähl mir keine Märchen. Du bist leichenblass.“
„Mir geht es gut“, beharrte er und wechselte das Thema: „Warum bist du hier?“ Dummerweise klang die schroffe Frage eher wie eine Anklage.
Unwillkürlich streckte Alina den Rücken durch. „Ich habe einige offene Posten, die ich mit dir durchgehen wollte, bevor ich sie anweise.“ Sie atmete tief durch. „Aber da ich ungelegen komme, werde ich jetzt Feierabend machen und hoffen, dass du morgen besser drauf bist.“ Sie wirbelte auf dem Absatz herum und verließ sein Büro hocherhobenen Hauptes.
Er wusste, er konnte Alina nicht so gehen lassen. Das würde sie ihm wochenlang übel nehmen, und ihren Unmut konnte er momentan absolut nicht gebrauchen. Also schluckte er seinen Stolz hinunter und rief ihr hinterher: „Warte!“
Sie drehte sich um, verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an. „Ja?“
Er mochte Alina, nur deshalb machte er das jetzt. Sie war jung, engagiert und absolut scharfsinnig. Manchmal bemerkte sie einfach nur zu viel, aber deshalb hatte er die Afroamerikanerin eingestellt.
„Ethan kommt in einer Privatangelegenheit. Es hat mit der Weberei nichts zu tun, sonst hättest du es natürlich mitbekommen.“
Sie stand da, blinzelte.
„Ich wollte dich nicht übergehen.“ Was sollte er noch tun, damit sie begriff?
„Es ist in Ordnung“, verkündete sie schließlich. „Moses wird sich freuen, wenn ich für ihn koche. Wir machen uns bestimmt einen gemütlichen Abend.“
Er nickte erleichtert. Moses war der Verlobte seiner Assistentin, ein junger Mann aus dem Dorf, der auf der Plantage arbeitete.
„Ich wünsche dir einen schönen Abend.“ Es mochte etwas steif klingen, aber zu mehr war er nicht in der Lage.
Er wartete, bis Alina den Raum verlassen hatte, und lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. Für seinen Seelenfrieden wäre es gut, wenn Ethan bald auftauchte.
Es dauerte noch mal eine geschlagene Stunde, bis es an der Tür klopfte und nach seiner Aufforderung Ethan eintrat.
„Ich dachte schon, du kommst überhaupt nicht mehr“, begrüßte er den Anwalt.
„Sorry.“ Ethan grinste schief. „Rayna hat beschlossen, mit nach Cheetah Manor zu fahren, und da ich davon ausgehe, dass du sie bei diesem Gespräch nicht dabeihaben möchtest, habe ich sie zuerst bei deiner Mutter abgesetzt.“
Eric liebte seine kleine Schwester über alles, aber er wollte nicht, dass sie etwas über seine Probleme erfuhr. Er war Ethan dankbar für seine Umsicht.
„Hast du den Brief dabei?“
„Selbstverständlich.“ Er stellte seinen Koffer auf Erics Schreibtisch ab, öffnete ihn und entnahm einen Briefumschlag.
„Soll ich ihn dir in die Hand drücken und verschwinden oder sollen wir ihn gemeinsam öffnen?“
Eric starrte den weißen Umschlag an, als würde er über sein Schicksal entscheiden. In gewisser Weise tat es das auch. Das Ergebnis in diesem Brief würde sein Leben für immer verändern. Er wusste nicht, was er sich wünschte. Seine Gefühlswelt war vollkommen durcheinander. Es war unmöglich, dass er eine Tochter hatte. Er wollte nie ein Kind, nicht so. Irgendwann, wenn er bereit war, sich zu binden, wollte er sich eine Frau suchen und eine Familie gründen. Doch seit er Kathlyn gesehen hatte, wünschte er sich nichts sehnlicher, als tatsächlich ihr Vater zu sein. Er wollte das, was er in den vergangenen fünf Jahren verpasst hatte, wiedergutmachen, wollte sie zu sich holen und ihr alles ermöglichen.
„Du bleibst. Ich mache auf“, krächzte er und streckte die Hand nach dem Umschlag aus.
Ethan überreichte ihm den Brief und nahm ihm gegenüber auf einem der zwei Besucherstühle Platz.
Eric hielt das Kuvert fest, war wie erstarrt. Sein Herz klopfte wild und viel zu schnell. Er musste es einfach wissen. Mit zitternden Fingern riss er den Umschlag auf. Er brauchte ungewöhnlich lange, um ihn zu öffnen, und noch länger, um die Papiere auseinanderzufalten. Dann starrte er auf die Zeilen. Die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen, trübten ein und verfärbten sich. Ein sicheres Zeichen dafür, dass der Gepard die Oberhand gewann. Er reichte den Brief über den Schreibtisch hinweg an Ethan. Mit ruhiger Hand nahm er ihn entgegen, setzte seine Lesebrille auf und studierte in aller Ruhe die Dokumente. Dann blickte er auf und sah Eric direkt an. „Kathlyn Perry ist mit 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit deine Tochter.“
Der Gepard fletschte die Zähne. Er hatte eine Tochter. Kathlyn hatte nicht nur Anspruch auf einen Teil von Cheetah Manor, sie war ein Teil davon. Ihr tierisches Erbe würde sich bald zeigen. Er musste sie zu sich auf die Plantage holen, wollte für sie da sein und sie in Sicherheit wissen.
„Das Zweite ist ein Brief von Richter Eisman. Eine Vorladung. Der Richter wird mit Kathlyn sprechen und dann entscheiden, wem das Kind zugesprochen wird. Außer dir hat auch Izusa Jones die Vormundschaft beantragt.“
„Nie im Leben!“ Er sprang auf, ballte die Hände zu Fäusten. Er würde nicht zulassen, dass sein Kind bei einer Indianerin aufwuchs, noch dazu bei einer Chowilawu. Kathlyns großes Glück war, dass der Indianerstamm nichts von ihrer Existenz wusste. Sobald er sich jedoch zu seiner Tochter bekannte, würde sich dies ändern. Es stand außer Frage, er musste den Kontakt zu dieser Izusa Jones unterbinden.
Mit jedem Atemzug wurde ihm Stück für Stück mehr die Tragweite des Testergebnisses bewusst. Er war Vater, hatte die Verantwortung für ein Kind. Kathlyn war seine Tochter, mit allen Konsequenzen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sich die ersten Anzeichen der Verwandlung bei ihr bemerkbar machten. Um jeden Preis musste er verhindern, dass seine Tochter noch länger bei Izusa Jones wohnte. Dank Ethans gründlicher Arbeit wusste er inzwischen, dass Ms. Jones vor sieben Jahren das Reservat verlassen hatte, um Modedesign an der Universität in New Orleans zu studieren. Sechs Jahre lang hatte sie mit Amber Perry zusammengelebt. Die beiden Frauen mussten sich, kurz nachdem er auf Amber getroffen war, kennengelernt haben.
Er würde Kathlyn nicht teilen. Sie gehörte zu ihm, und er würde alles in seiner Macht Stehende tun, um ihr hier auf Cheetah Manor eine glückliche Kindheit zu bereiten. Es sollte ihr an nichts mangeln. Er würde sie nach Hause holen.
Vor zwei Tagen hatte Izusa die letzte Absage einer Boutique kassiert. Ein empfindlicher Schlag, doch aufgeben war keine Option. Sie musste ihre Miete bezahlen. Auf dem großen Nähtisch hatte sie ihren Laptop aufgebaut. Sie hatte eine Liste mit sämtlichen Modegeschäften im Umkreis von New Orleans angefertigt. Viele hatten ihr bereits am Telefon eine Abfuhr erteilt. Bei einer Handvoll durfte sie ihre Entwürfe vorstellen. Am Ende hatte man immer bedauernd den Kopf geschüttelt und darauf hingewiesen, dass ihre Entwürfe zwar wirklich schön seien, sich aber ohne eine namhafte Persönlichkeit oder ein Unternehmen im Rücken nicht verkaufen ließen. Ein Geschäftsführer hatte sogar die Frechheit besessen, ihr für ein halbes Jahr eine Kleiderstange für einen so horrenden Mietpreis anzubieten, dass sie sich davon ein neues Auto hätte leisten können. Wenn Izusa ein namhaftes Aushängeschild hätte, einen Star oder ein Sternchen von New Orleans, das ihre Kollektion trug, wäre das letzte Modegeschäft durchaus bereit gewesen, mit ihr zusammenzuarbeiten. Aber so konnten sie ihr leider nichts anbieten.
Es war zum Haareraufen. Ihre einzige Hoffnung, als Designerin in der Gegend Fuß zu fassen, bestand darin, jemanden zu finden, der ihre Mode trug. Den ganzen Vormittag hatte sie damit zugebracht, Persönlichkeiten der Stadt zu kontaktieren und ihre Kleider anzubieten. Sie hätte nicht gedacht, dass es so schwierig war, Kleidung zu verschenken. Die Managerin einer aufstrebenden Schauspielerin hatte ihr erklärt, dass dazu ein Vertrag nötig sei. Ihr Schützling wäre gerne dazu bereit, als Izusas Werbegesicht zu fungieren, verlangte pro Auftritt in der Öffentlichkeit jedoch einen fünfstelligen Betrag. Das konnte sich Izusa natürlich nicht leisten, und so lehnte sie bedauernd ab. Sie hatte zwar noch ein wenig Geld auf der Seite, doch mehr als ein Kleid würde die Schauspielerin nicht tragen können und ein einmaliger Auftritt würde ihr nicht helfen.
Eine Unternehmergattin, mit der sie telefonierte, lehnte ebenfalls ab. Sie habe zwei bekannte Designer, mit denen sie schon seit Jahren zufrieden sei. Für neue Experimente sei sie zu alt. Ihr gut gemeinter Rat bestand darin, sich an eine Stoffmanufaktur zu wenden.
Frustriert legte Izusa den Stift beiseite. Webereien gab es in Louisiana einige, die zwei größten und bekanntesten in New Orleans waren einerseits Cheetah Manor und andererseits die chowilawische Weberei, die von einem guten Freund ihres Vaters, Masou Maska, geführt wurde. Die chowilawische Weberei arbeitete mit drei großen Modelabels zusammen, die in erster Linie Stangenmode produzierten. Das war nicht Izusas Welt. Sie wollte keine Stangenmode entwerfen, die dann in Massenproduktion ging. Sie wollte kreativ sein, noch selbst Hand anlegen und individuelle Einzelstücke kreieren.
Cheetah Manor hatte sich auf hochwertige Ware und exklusive Designer spezialisiert. Ihr Aushängeschild war Reynolds, ein angesagter Modezeichner, der seit Jahren gemeinsam mit Cheetah Manor die Modetrends in New Orleans vorgab. Für Cheetah Manor zu arbeiten, bedeutete in der Branche einen Ritterschlag, dennoch kam für sie eine Bewerbung dort nicht infrage. Die chowilawische Weberei und die Familie Morgan waren erbitterte Feinde, und das ging weit über einfaches Konkurrenzdenken hinaus.
Masou hatte ihr einmal in seiner Weberei einen Job angeboten. Sie sollte Stoffdesignerin werden. Empört hatte sie abgelehnt. Sie hatte nicht jahrelang studiert, um dann am Schreibtisch zu enden und für andere Designs zu entwerfen. Sie wollte Kleider zeichnen, sich kreativ austoben und anschließend das Produkt selbst herstellen.
Mit den Maskas hatte sie die ein oder andere unschöne Erfahrung gemacht. Peshewa, Masous Frau, hatte einmal ein Kleid von ihr haben wollen. Keines der gewohnten Stangenkleider, sondern ein exklusives nur für sie geschneidertes Stück. Der Stoff, den sich Peshewa ausgesucht hatte, war von der Qualität so miserabel, dass sich daraus kein vernünftiges Kleid nähen ließ. Es hatte sich völlig verzogen. Die Stoffe waren für Industrieware kein Problem, aber für handgeschneiderte Damenbekleidung musste man sehr sorgfältig wählen. Die Hälfte der chowilawischen Stoffe schieden dabei aus. Peshewa war sauer gewesen, hatte das Kleid nicht haben wollen und Izusa Böswilligkeit unterstellt. Seitdem ging sie der Frau aus dem Weg.
Einmal hatte sich Izusa in ein Stoffgeschäft in New Orleans geschlichen und dort festgestellt, dass Masou, der ihr die Stoffe angeblich zu einem Freundschaftspreis verkaufte, sie ordentlich über den Tisch zog. Anstatt wie ausgemacht ihr die Ware günstiger zu überlassen, hatte sie den Endpreis bezahlt und Masou nicht nur seinen gewohnten Anteil, sondern auch den des Zwischenhändlers eingestrichen. Außer den chowilawischen Stoffen gab es unzählige andere Ballen. In einen wundervollen rosaroten Blumenstoff hatte sie sich augenblicklich verliebt und sofort gewusst, was sie daraus nähen wollte. Der Stoff fühlte sich auf der Haut wunderbar seidig an. Dann hatte sie leider den horrenden Meterpreis gesehen. Den hätte sie unter Umständen sogar noch bezahlt, wenn das gute Stück nicht von Cheetah Manor gestammt hätte. Unmöglich konnte sie die Produkte der Konkurrenz nehmen. Schweren Herzens war sie wieder gegangen.
Vonseiten der chowilawischen Weberei konnte sie keine Hilfe erwarten. Sie musste einen anderen Weg finden.
Während sie so dasaß und über ihre Situation sinnierte, klingelte es an der Tür. Hastig klappte sie den Laptop zu und schickte sich an, zur Eingangstür zu gehen. Wer mochte das sein? Sie erwartete eigentlich keine Post. Aber wer konnte sonst etwas von ihr wollen? Bevor sie öffnete, warf sie einen schnellen Blick durch den Spion. Eine ältere Frau mit blonden, streng zurückgesteckten Haaren und einem blauen Kostüm stand dort. Verwirrt über den unangekündigten Besuch strich sie ihren Rock glatt und öffnete die Wohnungstür.
„Mrs. Brown?“ Sie konnte ihre Überraschung nicht verbergen. Die Mitarbeiterin der Kinder- und Jugendfürsorge war bereits einige Male bei ihr gewesen. Sie war diejenige, die nach Ambers Tod dafür gesorgt hatte, dass Kathlyn bei ihr bleiben konnte. Hatte das Gericht inzwischen entschieden? Nachdenklich runzelte sie die Stirn. Sie hatte gedacht, dass sie über diesen Termin informiert werden würde. Neugierig blickte sie die ältere Dame an, versuchte den Anlass ihres Besuches zu ergründen.
„Ms. Jones.“ Die Fürsorgemitarbeiterin schob die Brille nach oben. „Haben Sie einen Moment Zeit für mich?“
„Kathlyn ist noch in der Schule“, entschuldigte sie sich verwundert, trat aber zur Seite, damit ihr Gast hereinkommen konnte.
„Deswegen bin ich auch jetzt gekommen“, erklärte sie bestimmt.
Izusa schloss hinter der unverhofften Besucherin die Tür und ging voran in die Küche. Glücklicherweise hatte sie bereits den Abwasch erledigt. Die Wohnung hatte sie erst gestern aufgeräumt und gesaugt.
„Möchten Sie etwas trinken?“, bot sie Mrs. Brown eine Erfrischung an, die diese jedoch ablehnte. Stattdessen setzte sie sich an den Küchentisch und wartete. Hölzern ließ sich Izusa ihr gegenüber nieder.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“ Sie versuchte zuversichtlich zu lächeln, dennoch spürte sie deutlich die Anspannung. Was mochte Mrs. Brown nur wollen?
„Es tut mir so wahnsinnig leid“, begann Mrs. Brown und schob sich ein weiteres Mal das Brillengestell nach oben. „Ich wünschte, ich könnte Ihnen bessere Nachrichten bringen. Aber mir war es wichtig, persönlich vorbeizukommen.“
Izusa spürte, wie sie blass wurde. Zum Glück saß sie. „Was meinen Sie …“, stammelte sie tonlos.
„Erinnern Sie sich an die Haare, um die ich Sie gebeten habe?“
„Natürlich. Für einen Gentest, der standartmäßig durchgeführt wird.“ Sie hatte sich damals etwas gewundert, war aber den Wunsch der Fürsorgemitarbeiterin nachgekommen.
„Kathlyns Vater hat sich gemeldet.“
Izusa fühlte sich völlig vor den Kopf gestoßen. Kathlyns Vater? Es gab nie einen Mann, weder in Ambers noch in Kathlyns Leben.
„Das ist nicht möglich. Kathlyn hat keinen Vater.“
„Ich fürchte, Sie irren sich.“
Vollkommen fassungslos schüttelte Izusa den Kopf. Amber hatte nie über Kathlyns Vater gesprochen, ihn kein einziges Mal erwähnt. Sie war davon ausgegangen, dass ihre Freundin keinen Kontakt mehr zu ihm hatte. In den letzten fünf Jahren hatte er sich nie blicken lassen. Warum kam er ausgerechnet jetzt auf die Idee, die Vaterrolle einzufordern?