Chicago Devils - Die Einzige für mich - Brenda Rothert - E-Book
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Chicago Devils - Die Einzige für mich E-Book

Brenda Rothert

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Beschreibung

Eine Liebe, die nicht sein darf ...

Anton Petrov, der verschlossene (und unheimlich attraktive) Captain der Chicago Devils ist bekannt dafür ... für nichts bekannt zu sein. Strikte Diät, immer genug Schlaf und vor allem Enthaltsamkeit sind die Geheimnisse seines Erfolgs. Sagt man zumindest. Dem Eishockey-Star ist es völlig egal, ob die ganze Welt denkt, dass er sich freiwillig entschieden hat, wie ein Mönch zu leben - solang niemand die Wahrheit erfährt! Denn es gibt eine Frau, der Antons Herz gehört. Eine Frau, die er niemals haben kann. Denn Mia ist die Frau seines Teamkollegen ...

"Von Brenda Rotherts Büchern kriege ich nicht genug!" KELLYS BOOK BLOG

Band 1 der Sports-Romance-Reihe "Chicago Devils" von Bestseller-Autorin Brenda Rothert



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Inhalt

TitelZu diesem Buch1234567891011121314151617181920212223242526EpilogNachbemerkungDanksagungDie AutorinDie Romane von Brenda Rothert bei LYXLeseprobeImpressum

BRENDA ROTHERT

Chicago Devils

Die Einzige für mich

Roman

Ins Deutsche übertragen von Michaela Link

Zu diesem Buch

Anton Petrov, der verschlossene (und unheimlich attraktive) Captain der Chicago Devils ist bekannt dafür … für nichts bekannt zu sein. Strikte Diät, immer genug Schlaf und vor allem Enthaltsamkeit sind die Geheimnisse seines Erfolgs. Sagt man zumindest. Dem Eishockey-Star ist es völlig egal, ob die ganze Welt denkt, dass er sich freiwillig entschieden hat, wie ein Mönch zu leben – solang niemand die Wahrheit erfährt! Denn es gibt eine Frau, der Antons Herz gehört. Eine Frau, die er niemals haben kann. Denn Mia ist die Frau seines Teamkollegen …

1

Mia

»Was kannsu hier empfehlen, Schätzchen? Auser dir natürlich.« Ein betrunkener Gast stiert mir zu seiner gelallten Frage lüstern auf die Brüste.

»Das Wasser ist köstlich«, antworte ich.

Er gackert und hängt sich über den Tresen. »Gib mir noch ’n Mich Ultra.«

»Noch ein Weichei-Bier, kommt sofort.« Ich grinse ihn an.

Er runzelt die Stirn. »Was hast du gesagt?«

»Ich habe gesagt, kommt sofort.«

»Mia, ich brauche den Mojito!«, brüllt Lana, eine der Kellnerinnen im Lucky Seven, der Bar, in der ich an einem hektischen Freitagabend ganz allein hinterm Tresen stehe.

Ich ignoriere sie und hole das Mich Ultra. Ich bediene meine Gäste immer zuerst, weil sie mir Trinkgeld geben, nicht der Kellnerin. Außerdem ist Lana ein Miststück, und es dauert ewig, Mojitos zu machen.

Nachdem ich zwei weitere Bestellungen erledigt habe, mixe ich den Mojito. Ich zerdrücke gerade die Pfefferminze, als jemand einem Dutzend Frauen die Tür aufhält, von denen eine Welle lauten Gelächters in die ohnehin schon laute Bar schwappt, dazu ein Schwall kalter Novemberluft.

Es ist eine Junggesellinnen-Party, und die Braut ist mit einer Krone aus Schleifen und einer pinkfarbenen Boa ausstaffiert. Ich lächele unwillkürlich, als ich den Ausdruck absoluter Freude auf ihrem Gesicht sehe. Er erinnert mich daran, wie ich mich vor meiner eigenen Hochzeit vor acht Jahren gefühlt habe. Bloß ahnte ich damals nicht, was für einen riesigen Fehler ich zu begehen im Begriff stand.

Aus der Junggesellinnen-Truppe kommt eine Frau mit munterem Gesicht an den Tresen und bittet um zehn Gläschen Fireball. Als sie in ihre Handtasche greift, bremse ich sie.

»Bei Junggesellinnen-Partys geht die erste Runde aufs Haus«, sage ich.

»Ist das Ihr Ernst?«

»Jepp.«

»Oh mein Gott, das ist so nett!«

Ich lächele nur, weil ich ihr den wahren Grund nicht nennen kann, warum Janice, die Besitzerin der Bar, Junggesellinnen-Partys immer die erste Runde spendiert. Janice war die siebte Ehefrau von Mike McGill, einem ätzenden Dreckskerl, dem eine Sportbar namens The Penalty Box im Süden von Chicago gehörte. Ich habe ihn nie kennengelernt, aber soweit ich gehört habe, hat er Janice regelmäßig verprügelt. Als er einen Herzinfarkt bekam und tot umfiel, hat Janice all seine heiß geliebten Sporttrophäen verbrannt und die Bar in Lucky Seven umgetauft. Janice findet, das Mindeste, was sie tun kann, wenn eine Frau im Begriff steht, sich an einen Mann zu ketten, ist, ihr einen Drink zu spendieren. Ich kann nicht behaupten, dass ich anderer Meinung wäre.

»Hey, kann mich mal jemand bedienen?«, brüllt eine Frau am Ende des Tresens. Ich schaue auf und gehe dann in die andere Richtung zu einem anderen Gast, denn die Zicke kann mich mal. Janice hat mir an meinem ersten Abend vor acht Monaten hier erklärt, ich solle resolut sein. Weicheier hinter dem Tresen kosteten sie Geld, hat sie gesagt. Und das funktioniert auch für mich. Nichts dreht mir so sehr den Magen um, wie jemanden auf mir herumtrampeln zu lassen. Mein Mann hat das so ausgiebig getan, dass ich das Gefühl hatte, im Dreck zu liegen.

Sobald zwei Gäste ihre Plätze am Tresen verlassen, schnappt sich ein hochgewachsener Mann im Anzug die Rückenlehne von einem der Barhocker und zieht ihn hervor. Eine hübsche Brünette lässt sich auf den Sitz gleiten, und er hängt ihren Mantel über die Rückenlehne, bevor er selbst Platz nimmt.

»Was darf ich Ihnen bringen?«, frage ich die beiden.

»Was hättest du gern, Babe?«, erkundigt er sich, sein Blick warm.

Sie denkt darüber nach, was sie bestellen will, und ich betrachte die zwei während der wenigen Sekunden des Schweigens. Er ist gutaussehend – glatt rasiert, mit kurzem, blondem Haar und Fältchen um die Augenwinkel. Sie sitzt dicht bei ihm, ihr dunkles Haar über eine Schulter geworfen.

»Ich hätte gern eine Margarita, bitte«, sagt sie. »On the rocks.«

»Für mich ein Guinness«, sagt der Mann.

Ich nicke, und während ich die Bestellung erledige, beugt sie sich vor, um ihn auf die Wange zu küssen. Sie wirken so glücklich. Er muss sehr fürsorglich sein. Ich schätze, sie sind noch nicht lange zusammen.

Ich arbeite heute von sechs Uhr abends bis zwei Uhr morgens. Um Punkt zehn Uhr kommt Janice aus ihrem Büro im hinteren Teil der Bar zu mir hinter den Tresen.

»Mach eine Pause«, sagt sie, während sie sich die Ärmel ihrer Bluse aufkrempelt.

»Bist du dir sicher? Ich hab total viel zu tun.«

»Ich hab’s im Griff.«

»Verdammt, Mädchen«, erklingt eine Männerstimme von der anderen Seite des Tresens. »Du bist wie ein frischer Oreo-Keks, wie? Mit doppelter Füllung.« Er beäugt meine Brüste und grinst.

Als jemand mit Eltern verschiedener ethnischer Abstammung habe ich schon alle möglichen Ausdrücke gehört, die meinen Hautton beschreiben sollten, obwohl der Mann in diesem Fall eher eine Bemerkung über meine Brüste macht als über meine Hautfarbe – eine Mischung aus schwarz und weiß.

Ich bin jedoch verdammt stolz auf mein Erbe, und gerade als ich ihm sagen will, dass er sich verpissen solle, kommt meine Chefin mir zuvor.

»Was zum Teufel stimmt nicht mit dir?«, fragt Janice mit schmalen Augen. »Verpiss dich aus meiner Bar!«

Er prallt zurück, schockiert über ihre Reaktion. »Hey, ich hab nicht gemeint …«

»Dann hättest du dein Hinterwäldlermaul nicht aufreißen sollen! Du hast zehn Sekunden, um deinen Arsch zu bewegen, bevor ich die Schrotflinte raushole.«

Ihm klappt der Unterkiefer herunter, und er verschwindet. Janice schüttelt den Kopf.

»Arschloch«, murmelt sie.

Ich bin klug genug, mich nicht bei ihr zu bedanken. Das habe ich in der Vergangenheit getan, und sie hat mich jedes Mal mit einer scharfen Bemerkung zum Schweigen gebracht.

»Bist du dir sicher, dass ich Pause machen soll?«, frage ich stattdessen.

»Du hast bereits deine erste Minute damit verschwendet, hier herumzustehen.« Sie funkelt mich an und nimmt dann eine Bestellung von einer der Kellnerinnen entgegen.

Ich gehe ins Lager, wo die Angestellten ihre Pausen machen. Die holzvertäfelten Wände sind gesäumt mit Kisten voller Alkohol, aber man hat Platz für einen kleinen Tisch und drei Stühle geschaffen. Janice’ verstorbener Mann hat keine Pausen erlaubt, und das war eine der ersten Regeln, die sie geändert hat, als sie die Bar übernahm.

Mein grüner Rucksack hängt an einem Haken an der Wand, darüber mein abgetragener wollener Wintermantel. Ich angele in dem Rucksack, bis ich mein Lehrbuch für Makroökonomie und das wiederverschließbare Plastikbeutelchen mit einem Erdnussbutter-Sandwich darin finde.

Ich habe fünfzehn Minuten Zeit, um etwas darüber zu erfahren, wie sich Zinsraten auf die Wirtschaft auswirken. Es ist nicht einmal ansatzweise interessant, aber ich habe morgen eine Prüfung. Ich bin neunundzwanzig, doch es sind Nächte wie diese, in denen ich mich wieder wie neunzehn fühle: zum Lernen in meinem Zimmer im Studentenwohnheim verschanzt, während die anderen Party machen.

Wenn ich zurückgehen könnte, würde ich alles ganz anders machen. Aber wie meine Grandma immer sagte, das Leben hat nur einen Gang – D für Drive, also bewege ich mich vorwärts, in die einzige Richtung, in die ich mich bewegen kann.

2

Anton

Mein Bruder ist ein verdammtes Arschloch. Ich weiß das, seit ich vor dreißig Jahren laufen gelernt habe. Meine Mom erzählt gern die Geschichte, wie ich meine ersten zaghaften Schritte in unserer winzigen Wohnung in Sankt Petersburg gemacht habe, mit konzentriert geschürzten Lippen. Das heißt, bis Alexei, mein Zwillingsbruder, wie ein geölter Blitz hinter mir her gekrabbelt ist, mich lachend umgeworfen hat und ich auf dem Hintern gelandet bin.

»Wie schmeckt das Wasser?« Er grinst mich über den Tisch gemein an. Wir sitzen in unserem Chicagoer Lieblings-Steakhaus, und sein erstes Glas Heineken ist schon fast leer.

»Wasser ist Wasser«, antworte ich achselzuckend. »Wie geht’s deiner Leber?«

»Meine Leber ist ein verdammter Champion. Sie ist kampfbereit. Wenn es Hungerspiele für Lebern gäbe, würde meine definitiv gewinnen.«

»Glaubst du?«

Er zieht die Brauen hoch. »Man lebt nur einmal, Alter.«

Unser Kellner beendet das Gespräch, als er mit unserem Abendessen kommt. Obwohl ich bereits einen Salat verschlungen habe, knurrt mir der Magen, als der Teller mit einer doppelten Portion gegrilltem Huhn und gedämpftem Gemüse vor mich hingestellt wird.

Alexei sieht genauso ausgehungert aus, als er sein fast ein Pfund schweres Filetsteak und die riesige gebackene Kartoffel mit einem Haufen Butter und Sour Cream darauf beäugt.

»Noch ein Heineken, Sir?«, fragt der Kellner ihn.

»Ja bitte.«

»Ich bringe auch noch mehr Brot.« Der Kellner greift nach dem Korb, den Alexei geleert hat, jedes Stück dick mit Butter bestrichen, während ich meinen Salat verzehrt habe. »Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?«

»Ich denke, wir haben alles, was wir brauchen, danke«, sage ich.

Einige Minuten lang essen wir schweigend, bis mein Bruder seine Gabel beiseitelegt und mir einen strengen Blick zuwirft.

»Dir ist schon klar, dass ich das Spiel heute Abend in der Tasche hatte, ja? Wenn Lenz vor dem Netz kein verfluchtes Nickerchen gehalten hätte, hätten wir gewonnen. Locker.«

»Jetzt geht das wieder los.« Ich verdrehe die Augen.

»Fang nicht mit diesem Mist an, Anton. Du weißt, dass ich recht habe.«

»Ich weiß, dass du verloren hast.«

»Lenz hat dich praktisch bis in unser Netz hineineskortiert, Mann.«

»Vier zu zwei«, rufe ich ihm den Endstand ins Gedächtnis. »Ein klarer Sieg, würde ich sagen.«

»Wir werden bis Montag einen neuen Torwart haben, unter Garantie.«

»Wir haben euch plattgemacht, Lex. Den großmäuligen Comets ist das Maul gestopft worden.«

Er funkelt mich an, während er sich einen riesigen Bissen Steak in den Mund schiebt und langsam kaut. Das ist sein alter Trick, um sich eine Retourkutsche ausdenken zu können, wenn ihm spontan nichts einfällt.

Mein Bruder und ich haben seit unserer Einwanderung aus Russland in die USA mit fünf Jahren in derselben Mannschaft gespielt, bis wir beide unseren Abschluss am Boston College in der Tasche hatten, wo wir als Eishockeyspieler Sportstipendien hatten. Mein Vollzeitjob im College bestand – zusätzlich zum Eishockeyspielen und dem Lernen für den Unterricht – darin, meinen feierwütigen Bruder vor Schwierigkeiten zu bewahren, damit er nicht sein Stipendium verlor.

Nach dem College nahmen wir am NHL-Auswahlverfahren teil und wurden von verschiedenen Mannschaften unter Vertrag genommen. In einer NHL-Mannschaft ist nur Platz für einen der Petrov-Brüder, denn obwohl unsere Persönlichkeiten so unterschiedlich sind wie Tag und Nacht, sind wir auf dem Eis praktisch gleich. Wir sind beide Mittelstürmer, die hart kämpfen und nie aufgeben. Beide Mannschaftskapitäne, die nichts Geringeres als einhundert Prozent akzeptieren. Und wir sind beide außerdem höllisch stur.

Alexei hat anfangs für Minneapolis gespielt, aber jetzt ist er bei den Austin Comets, und ich bin bei den Chicago Devils. Niemand setzt mir mehr zu als mein Bruder, aber es liebt mich auch niemand so sehr wie er. Ich weiß mit Sicherheit, dass er für mich durchs Feuer gehen würde, und ich würde dasselbe für ihn tun. Ein Abendessen in Robertson’s Steakhouse ist bei uns nach jedem Spiel in Chicago, bei dem wir gegeneinander antreten, Tradition. Ganz gleich, wie sauer oder niedergeschlagen der Verlierer sich fühlt.

»Du könntest etwas schneller werden, wenn du deine Ernährung umstellen und aufhören würdest, so viel zu trinken«, sage ich.

Alexei lacht spöttisch. »Wer von uns führt in der Liga die Torschützenliste? Das bist nicht du, Arschloch.«

Mein Bruder ist mit einem angeborenen Talent für Eishockey zur Welt gekommen. Als unsere Eltern uns im Alter von fünf Jahren nach Detroit zu Martin Carr geschickt haben, einem hochkarätigen Jugendtrainer für Eishockey, hat Alexei sich sofort für den Sport begeistert. Er hat innerhalb von einer Woche auf Schlittschuhen Kreise um mich gedreht. Der Schläger schien eine natürliche Verlängerung seines Arms zu sein und genau das zu tun, was er wollte, genau dann, wenn er es wollte.

Das Training war an sechs Tagen die Woche Pflicht, von Montag bis Samstag. Und jeden Sonntagmorgen habe ich zusätzlich trainiert, während mein Bruder ausgeschlafen und sich Zeichentrickfilme angesehen hat. Ich musste mir den Arsch aufreißen, um die einzelnen Techniken zu meistern, und trainierte härter und lernte meine Frustration darüber zu beherrschen, dass ich hinter Alexei zurückblieb.

In der Highschool wendete sich das Blatt, als mein Einsatz im Kraftraum mir half, schneller zu werden als mein Bruder. Um die Position als Center in unserer Mannschaft bekämpften wir uns wie nie zuvor, und er beschwerte sich ständig bei mir, dass er tatsächlich ausnahmsweise einmal hart trainieren müsse. Die Position ging während der ganzen vier Jahre immer zwischen uns hin und her, und unser Trainer war begeistert, dass er uns nie auffordern musste, uns den Arsch aufzureißen.

Harte Arbeit liegt uns im Blut. Es ist der Russe in uns. Unsere Kindheit in Sankt Petersburg war nicht leicht, aber sie hat uns beide abgehärtet.

»Warum sich mit weniger begnügen als dem Besten in dir?«, frage ich Alexei.

Es ist ein vertrauter Refrain. Ich konnte meine Frustration über die nachlässige Haltung meines Bruders nie verbergen. Er trinkt, als hätte er ein hohles Bein, und isst jeden Tag wie ein zum Tode Verurteilter.

»Halt die Klappe, Anton«, sagt er. »Du hast gewonnen. Genieße es und hör auf, auf mir rumzuhacken wie eine Glucke. Und noch einmal«, fügt er hinzu und deutet auf seine Brust, »Nummer eins der Torschützenliste.«

Ich zeige auf mich selbst. »Nummer eins nach Einkommen.«

Mein Zwillingsbruder zeigt auf mich. »Größtes Arschloch.«

»Und größter Schwanz.« Ich schaue auf meinen Schritt und grinse. »Buchstäblich.«

Er schnaubt. »Ja, aber nutzt er dir viel, Pater Anton?«

Ich schüttele den Kopf über die Verwendung meines Spitznamens, den mir meine Mannschaftskameraden gegeben haben. Keine Ahnung, warum die alle so auf mein Sexleben fixiert sind. Oder auf dessen Abwesenheit.

»Ich befinde mich in einer Trockenphase«, gebe ich zu.

»Freiwillig. Du kannst Frauen haben, wann immer du willst.«

»Warum spielt es dann eine Rolle, ob ich es will oder nicht?«

Alexei zuckt die Achseln, hebt sein leeres Glas und gibt dem Kellner ein Zeichen, ihm noch ein Bier zu bringen. »Warum sollte ein Mann nicht flachgelegt werden wollen? Hast du Probleme, ihn hochzukriegen?«

»Himmel, nein.« Ich funkele ihn an.

»Nun, was dann?«

»Lass es.«

Ich schaue von links nach rechts und bin angespannt, weil man unser Gespräch belauschen könnte. Ich bekomme jede Menge Mist von meinen Mannschaftskameraden zu hören, weil ich so lange mit keiner Frau mehr zusammen war; ich kann es ganz bestimmt nicht gebrauchen, dass sonst irgendjemand davon erfährt.

Alexei wirkt amüsiert, als er leise fortfährt: »Dies ist der privateste Tisch im Lokal, Annie.«

»Nenn mich nicht so, Mistkerl. Du kriegst gleich was auf die Fresse.«

Er hebt beschwichtigend die Hände und gibt nach. »Na schön. Tut mir leid. Und hör mal, es ist nicht der Sex, über den ich mir Gedanken mache. Es ist das Warum. Knox hat mir erzählt, du wärst seit über einem Jahr mit niemandem mehr zusammen gewesen. Was ist los mit dir?«

Ich nehme mir vor, dem Flügelspieler zu sagen, er solle sich verpissen. »Knox sollte sein großes Maul halten.«

»Bist du denn mit jemandem zusammen?« Alexeis Erheiterung scheint zu wachsen. »Hör mal, ich weiß, ich rede eine Menge Müll über Bindung, aber, Mann, du bist wie geschaffen dafür. Wenn du in einer Beziehung bist, dann brauchst du das nicht vor mir geheim zu halten.«

»Gott, du bist so ein Narziss. Nicht alles dreht sich um dich.«

»Nun, dann …? Dieses Gespräch fühlt sich langsam an, als würde ich eine Frau fragen, wohin sie zum Abendessen gehen will. Wirst du mir einfach die verdammte Frage beantworten?«

»Vielleicht will ich es nicht.«

Mein Bruder lacht verärgert. »Das läuft nicht mit mir, Blödmann. Wir erzählen einander alles. Ich habe dir sogar von dem Ausschlag auf meinem besten Stück erzählt, nachdem ich tauchen war.«

»Ja, und ich bin ja so froh, dass du das getan hast.« Ich verdrehe die Augen.

»Spuck’s einfach aus, Arschloch.«

Ich bekomme eine kurze Atempause, als der Kellner Alexei ein frisches Bier bringt und mir Wasser nachschenkt. Aber sobald er geht, ist Alexeis erwartungsvolle Miene wieder da.

»Pass auf, ich will nicht, dass du es Knox erzählst oder …«

Er wird ernst. »Ich würde es niemals irgendjemandem erzählen. Das weißt du.«

Ich nicke. Das weiß ich tatsächlich. Und obwohl mein Bruder und ich per Telefon und SMS eng in Kontakt stehen, ist dieses Abendessen für uns eine seltene Gelegenheit, uns von Angesicht zu Angesicht über Dinge auszutauschen, die wichtig sind. Das Personal im Robertson’s reserviert uns immer diesen hinteren Ecktisch, wo niemand wegen Autogrammen zu uns kommt oder unsere Gespräche belauscht.

»Es gibt da jemanden, für den ich mich interessiere«, gestehe ich.

Alexeis Miene hellt sich auf. »Gut. Wo liegt dann das Problem? Es ist nicht so, als wärst du schüchtern.«

»Es ist kompliziert.« Ich nehme mir Zeit, einen Bissen Huhn zu essen, und überlege, wie ich ihn zufriedenstellen kann, ohne tatsächlich zu viel preiszugeben.

»Komm mir nicht mit diesem Bullshit. Spuck’s aus. Was ist kompliziert daran? Ist sie minderjährig? Im Gefängnis? Eigentlich ein Mann?«

»Himmel, Alexei. Sie ist verheiratet, okay? Würdest du jetzt bitte damit aufhören?«

Sein entspanntes Benehmen verschwindet, sein Lächeln erstirbt und er runzelt die Stirn. Er wirft mir einen schwer enttäuschten Blick zu. »Du triffst dich mit einer verheirateten Frau?«

»Nein. Das würde ich nicht tun. Denkst du, ich würde das tun?« Ich mustere ihn finster.

Er zuckt die Achseln. »Nun, nach dem, was du gesagt hast …«

Ich stütze die Ellbogen auf den Tisch. »Hör mal. Sie ist tabu. Aber das ändert nichts an meinen Gefühlen für sie. Ich habe weiß Gott alles versucht, was mir eingefallen ist, um darüber hinwegzukommen. Aber es spielt keine Rolle, weil sie gar nicht weiß, was ich empfinde. Niemand außer mir weiß es – und jetzt dir.«

»Also machst du einfach …?«

»Ich … konzentriere mich einfach auf andere Dinge.«

Alexei sieht so bestürzt aus, dass ich es komisch fände, wenn ich nicht gerade so angespannt wäre.

»Okay«, sagt er schließlich und räuspert sich. »Da kann ich helfen. Du musst dich von dieser Frau lösen, indem du mit anderen vögelst.«

Ich schüttele den Kopf und stütze ihn dann auf meine Hände. »Ich brauche deine Hilfe nicht.«

»Lass mich einfach ausreden. Ich habe vor einigen Jahren auch Gefühle für eine Frau entwickelt, und auf diese Art bin ich sie losgeworden.«

Ich sehe ihn finster an. »Weil Gefühle etwas so Schlechtes sind?«

»Wir sind erst einunddreißig, Mann. Bevor ich vierzig bin, ziehe ich es nicht mal in Erwägung, mich häuslich niederzulassen.«

»Du bist wie so ein überalterter Party-Student. Ich bin schon seit einer ganzen Weile aus dem Alter hirnlosen Vögelns heraus.«

Tatsächlich seit zwei Jahren und sieben Monaten, aber das erzähle ich ihm nicht. Seit der Sekunde, als ich Mia Marceau erblickt habe, ist für mich nichts mehr so wie früher. Während der ersten Monate habe ich mir allein wegen der Schuldgefühle alle Mühe gegeben, eine andere Frau zu finden, in die ich mich verlieben konnte.

Ich hatte Dates. Ich hatte ein Fotoshooting für Sports Illustrated, nach dem Frauen mir bei Spielen ihre Slips aufs Eis warfen, mit meinem Namen und ihren Telefonnummern darauf. Ich habe nach Spielen Frauen in Bars abgeschleppt. Verdammt, ich habe mich sogar für wohltätige Zwecke für einen Abend versteigern lassen.

Nichts. Allein ein Blick auf Mia erregte mich mehr als alles andere, was ich mit anderen Frauen tat. Also hörte ich mit den Dates auf, denn es funktionierte nicht, und es war auch nicht fair den Frauen gegenüber, mit denen ich ausging.

»Komm, lass uns was trinken gehen, Opa«, sagt Alexei und gibt dem Kellner ein Zeichen, dass er zahlen will. »Natürlich nachdem der besser verdienende Bruder unsere Rechnung beglichen hat.«

Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen, als ich meine Brieftasche hervorhole. »Wirst du mir in der Bar mein Wasser spendieren, du Verschwender?«

»Ich würde dir spendieren, was immer du willst, wenn du den Stock mal aus deinem Arsch ziehen und einen richtigen Drink bestellen würdest.«

Wenn ich trinken und trotzdem spielen könnte wie Alexei, würde ich es tun. Aber wenn ich mir einen Ausrutscher bei meiner Lebensweise erlaube, werde ich langsamer. Träger. Das kann ich mir nicht leisten. Je älter ich werde, desto härter muss ich arbeiten, um mein Leistungsniveau zu halten.

Und obwohl ich ein verdammt gutes Leben habe, ist das Eishockeyspielen so ziemlich alles, was ich habe.

3

Mia

In der Bar geht es lauter und wilder zu, als ich nach meiner Pause wiederkomme. Janice nickt mir zu, als ich hinter den Tresen trete, und fährt sich mit ihrem Ärmel über die Stirn, um den Schweißfilm wegzuwischen.

Es ist körperlich anstrengend, hier die ganze Nacht auf den Beinen zu sein. Doch ich kann mich nicht beklagen. In der Bar ist wahnsinnig viel los, vor allem am Wochenende, aber ich habe schon schlimmere Jobs für viel weniger Geld gemacht.

Ich bin ein Southside-Mädchen. Als Kind habe ich Zeitungen ausgetragen, Gartenarbeit gemacht und für meine Nachbarn als Babysitter gejobbt. Mit dreizehn geriet ich ganz aus dem Häuschen, als mir eine Nachbarin für die Hilfe bei der Betreuung ihrer Grandma sechs Mäuse die Stunde anbot.Es klang viel besser, mir Gameshows mit einer alten Dame anzusehen und mit ihr Karten zu spielen, als den ganzen Tag hinter Kleinkindern herzurennen. Aber ich fand bald heraus, dass mich mehr erwartete – ich musste ihr auf die Toilette und beim Duschen helfen. Ich musste ihr die Füße massieren und ihr Leber mit Zwiebeln braten.

Die Bezahlung wurde besser, als ich sechzehn wurde. Damals fing ich an, als Kellnerin zu arbeiten und mein Trinkgeld in das Kaffeekannen-Sparkonto meiner Großeltern zu stopfen, wenn sie gerade nicht hinschauten. Ich nahm mit meinem Grandpa zusammen auch Gelegenheitsjobs für etwas extra Cash an. Wir schippten Schnee, sammelten Altmetall und reparierten Autos. Wir hatten nicht viel, aber jetzt weiß ich, dass ich alles hatte, was wirklich zählt.

»Zwei Cosmos, einen White Russian und eine Flasche Bud Light«, ruft mir eine Kellnerin namens Cara zu. Ich sehe ihr in die Augen, um sie wissen zu lassen, dass ich verstanden habe.

»Was habt ihr vom Fass?«, fragt mich ein Mann an der Theke. Ich rattere die Liste herunter, nehme seine Bestellung entgegen und flitze zu meiner Cocktailstation, bevor mich noch jemand aufhalten kann.

Ich liebe es, so viel zu tun zu haben. Wenn die Bestellungen hereinfliegen und ich nur mit Mühe hinterherkommen kann, vergeht die Nacht schnell, ich bekomme großartige Trinkgelder und fühle mich wie ein anderer Mensch. Ich bin nicht Mia Marceau, mittellose neunundzwanzigjährige Studentin im Abschlussjahr mit einem entfremdeten Ehemann. Ich bin einfach Mia, die Barkeeperin, die Getränkebestellungen abarbeitet, lächelt, Wechselgeld rausgibt und den Tresen abwischt.

Wenn der Verstand so beschäftigt ist, kann man nicht an seine Probleme denken. An meinen freien Abenden wünsche ich mir manchmal die Ablenkung, die ich hier habe.

»Hey, hast du einen festen Freund?«, ruft mir ein Gast zu, rülpst und grinst.

»Jepp.«

»Aber er ist jetzt nicht hier, oder?« Er wackelt mit den Augenbrauen.

»Nein, er sitzt im Gefängnis«, lüge ich, ohne mit der Wimper zu zucken.

»Echt jetzt?«

»Echt jetzt. Er hat einen Mann totgeschlagen, weil der mich angebaggert hat.«

Ich drehe mich wieder zum Zapfhahn um und zapfe zwei Bier. Der Mann ist verschwunden, als ich mich wieder umdrehe. Dieser Spruch funktioniert immer.

Ich kann nicht umhin, wieder zu der Junggesellinnen-Party herüberzuschauen. Das Lachen der Frauen macht mich im Herzen glücklich, aber es bewirkt auch, dass ich die Freundinnen vermisse, die ich verloren habe. Nachdem ich mit dem Mann, den ich später heiratete, in einer Beziehung war, verlor ich langsam alle Freundinnen, die ich hatte, aus den Augen. Schließlich gab es in meinem Leben niemanden mehr als ihn. Was für eine verdammte Närrin ich doch war.

Einige Frauen aus der Junggesellinnen-Gruppe stehen auf und gehen zu zwei Männern an einem Tisch in der Nähe. Als ich dort hinschaue, hämmert mein Herz so heftig, dass mir schwindelig wird.

Verdammt. Das sind Anton und Alexei Petrov, beide in dunklen Anzügen ohne Krawatten. Ich glaube nicht, dass Alexei mich erkennen würde, aber Anton tut es vielleicht. Ich erstarre für einige Sekunden und kämpfe gegen den Drang, hinter dem Tresen abzutauchen, damit sie mich nicht sehen. Die Frauen lachen, und eine von ihnen versucht, sich auf Antons Schoß zu schieben, während die andere Alexei bittet, eine ihrer Brüste zu signieren.

Ich werde Janice anflehen müssen, für mich einzuspringen, bis sie gehen. Obwohl ich wusste, dass das irgendwann passieren würde, drehe ich gerade durch. Die Dinge laufen endlich gut für mich – wenn Anton mich sieht, ruiniert das wahrscheinlich alles.

In diesem Moment dreht er sich in meine Richtung und stutzt, bevor sich Schock auf seinem Gesicht abmalt. Scheiiiiiße.

Ich schlucke und versuche, mich zusammenzureißen.

»Mia, ein gezapftes Guinness und eine Margarita on the rocks«, ruft Lana.

Ich drehe mich in ihre Richtung, und mein Herz hämmert immer noch heftig.

»Wartest du auf eine schriftliche Einladung?«, blafft sie. »Bring mir meine Drinks!«

Ich hebe die Hand und bitte stumm um einen Funken Barmherzigkeit. Dann atme ich tief durch und gehe ihre Drinks holen. Als ich an den Tresen zurückkomme, steht Anton dort.

»Mia?« Mit seinem Ton fleht er mich an, mich zu erklären.

»Hey«, antworte ich mit einem schwachen Lächeln.

»Was machst du hier?«

»Bitte, erzähl Adam nicht, dass du mich hier gesehen hast. Oder dass du mich überhaupt gesehen hast.«

Er fährt sich mit einer Hand durch sein zotteliges, dunkelblondes Haar. »Aber … du arbeitest hier?«

Ich verstehe seine Verwirrung. Die meisten Frauen von NHL-Spielern arbeiten nicht samstagabends als Barkeeperin. Aber die meisten Frauen von NHL-Spielern leben auch nicht getrennt von ihren Männern und beten allabendlich darum, einen Weg zu finden, sich von ihnen scheiden zu lassen.

»Bitte, sag nichts«, flehe ich.

»Das werde ich nicht«, versichert er mir. »Aber weiß Adam davon?«

Scheiße, ja, er weiß es, denke ich. Und er weidet sich daran, dass ich mir jeden Dollar einzeln verdienen muss.

»Hey, kann hier mal jemand kommen?«, ruft ein Gast vom Ende des Tresens. Ein weiterer beäugt mich, als wollte er eine Bestellung aufgeben.

»Ich muss …« Ich deute auf die Gäste.

»Wann kann ich mit dir reden?«, fragt Anton mich.

Ich schüttele den Kopf. »Bitte … vergiss einfach, dass du mich gesehen hast, okay?«

Ohne ihm Zeit für eine Antwort zu geben, wende ich mich ab und gehe ans andere Ende des Tresens. Meine Hände zittern, als ich nach einer Flasche Stoli greife, um einen Drink zu mixen. Meine Welt ist jetzt fast vollkommen friedlich, und wenn Anton Adam erzählt, dass er mich hier gesehen hat, wird sie es nicht mehr sein.

Ich kenne Adams Mannschaftskapitän nicht gut. Die Chicago Devils haben Anton Petrov vor ungefähr drei Jahren eingekauft und ihn zu ihrem Star-Mittelstürmer und bestbezahlten Spieler gemacht. Ich habe ihn früher bei Mannschaftspartys und Benefizveranstaltungen gesehen. Die Frauen anderer Spieler haben mir erzählt, er nehme seine Ernährung, seinen Schlaf und das Training sehr ernst.

Marla Lansing, die Frau eines der Spieler, meinte, sie habe versucht, Anton mit ihrer Schwester zu verkuppeln, die damals Miss California war, dass Anton aber kein Interesse gehabt habe. Anscheinend ist er früher mit Frauen ausgegangen, tut das aber schon seit einer Weile nicht mehr. Vielleicht ist ihm klargeworden, dass er schwul ist, ich habe keine Ahnung.

Es interessiert mich eigentlich auch nicht. Er muss nur vergessen, dass er mich heute Nacht hier gesehen hat.

»Ich habe gehört, wir hätten hier heute zwei NHL-Spieler gehabt«, sagt Janice zu mir, als sie am Ende der Schicht die Einnahmen in einer der Kassen zählt.

Wir haben geschlossen, aber ich schaue mich trotzdem um, um sicherzugehen, dass kein anderer Angestellter in der Nähe ist, bevor ich antworte.

»Anton und Alexei Petrov«, sage ich ihr. »Zweieiige Zwillinge. Anton ist der Kapitän der Chicago Devils, und Alexei spielt für die Comets.«

»Ach ja? Ich glaube nicht, dass wir seit Mikes Tod irgendwelche NHL-Spieler hier hatten.«

»Hoffentlich war es nur eine Ausnahme«, murmele ich leise.

Janice schweigt, aber sie muss wissen, was ich meine. Als sie mich eingestellt hat, musste ich ihr sagen, wer ich bin, denn ich musste meinen richtigen Namen und meine Sozialversicherungsnummer angeben, um bezahlt zu werden. Aber für alle anderen Angestellten hier bin ich Mia Brown – mein Mädchenname.

»Geh nach Hause, Kleine«, sagt Janice. »Ich regele den Rest.«

Ich lasse vor Müdigkeit die Schultern hängen. »Okay, danke.«

Ich knöpfe meinen Mantel zu und ziehe mir meine Pudelmütze über die Ohren, bevor ich die Bar verlasse. Der Heimweg in der Dunkelheit ist immer kalt.

Ein paar vereinzelte Schneeflocken schweben um mich herum zu Boden, als ich den vertrauten Marsch vorbei an geschlossenen Geschäften und Firmen antrete und gelegentlich einen Obdachlosen unter einer Decke hocken sehe.

Es geht doch nichts über Chicago. Die hellen Lichter und der Geruch der Stadt trösten mich. Da meine Grandma jetzt tot ist und mein Grandpa krank, habe ich das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, nicht mehr als mein Zuhause. Die Stadt selbst fühlt sich für mich wie ein alter, geliebter Mensch an.

Es ist nach drei Uhr morgens, als ich die beiden Treppen zu der Wohnung hinaufgehe, die ich mir mit einer alleinerziehenden Mom und ihrem kleinen Sohn teile. Ich schließe den Türriegel auf und seufze leise, als ich die Tür hinter mir zuziehe.

Ich bin zu Hause. Nun, so in etwa. Anita suchte vor neun Monaten nach einer Mitbewohnerin, zu einer Zeit, als ich total pleite war und verzweifelt eine Bleibe brauchte. Sie kämpft sich durch ihr Jura-Studium und hat finanzielle Probleme, daher ist das Zimmer, das ich von ihr miete, tatsächlich das ihres Sohnes Dre. Jetzt schläft Dre mit in ihrem Zimmer.

Als ich meinen Rucksack auf den Tisch werfe und in die dunkle Küche gehe, um mir etwas Wasser zu holen, sehe ich einen Zettel am Kühlschrank, die Worte in fetten, schwarzen Großbuchstaben geschrieben:

LEBENSMITTEL SIND NICHT IN DEINER MIETE EINGESCHLOSSEN!!! FASS MEINEN KÄSE NICHT AN! KAUF DIR DEINEN EIGENEN KÄSE!

Ich verdrehe die Augen über die Notiz, nehme mir ein Glas aus dem Abtropfständer, fülle es zur Hälfte mit Leitungswasser, trinke es und spüle das Glas dann aus, bevor ich es wieder in das Abtropfgestell stelle.

Ich habe Anitas blöden Käse gar nicht angefasst. Ich esse nicht hier. Letzte Woche hat sie mich bezichtigt, ihre Zahnpasta gestohlen zu haben, was ich ebenfalls nicht getan habe. Ihr Kind versteckt allen möglichen Kram, und wir wissen es beide.

Aber wenn ich die Tür zu meinem Schlafzimmer hinter mir schließe, habe ich zumindest ein Fleckchen, das nur mir gehört. Es mag nur sieben Quadratmeter groß sein, und die Heizung klappert so, dass ich davon aufwache, aber es gehört mir.

Adam war noch nie hier. Ich hoffe, er weiß nicht einmal, wo ich wohne.

Ich bin zu müde, um mir die Zähne zu putzen und das Gesicht zu waschen. Stattdessen krieche ich voll bekleidet ins Bett und schlafe binnen Minuten tief und fest.

4

Anton

Nichts lässt sich mit dem Adrenalin-High an Spieltagen vergleichen, aber ich habe auch eine Schwäche fürs Training. Wenn es auf der Eisbahn still ist und man nur das Zischen der Schlittschuhkufen auf dem Eis und die Stöcke gegen die Ränder schlagen hört, ist das für mich wie verdammtes Zen.

Dann ist da der gelegentliche Ausbruch von uns allen, wenn jemand gut spielt, so wie jetzt gerade, als Victor den Puck wie eine Pistolenkugel übers Eis geschossen hat.

Vic und Luca sind meine Flügelspieler, und ich hoffe inständig, dass sie beide gesund bleiben, denn wir arbeiten zusammen wie eine gut geölte Maschine.

In unserer Pause schnappt sich jeder eine Wasserflasche und wir setzen uns.

»Wie läuft’s denn so, Mann?«, frage ich Luca.

»Okay.«

»Geht’s den Kindern gut?«

»Es ist noch keiner im Jugendknast.« Ein Lächeln umspielt seine Mundwinkel.

Das vergangene Jahr war für Luca ein Crashkurs darin, Vater zu sein. Sein Bruder ist vor ein paar Jahren im Einsatz in Afghanistan gestorben, daher hatte Luca seine Schwägerin und die drei Kinder seines Bruders in seinem Haus aufgenommen, um zu helfen. Nicht lange danach wurde bei seiner Schwägerin ein aggressiver Bauchspeicheldrüsenkrebs festgestellt, und sie starb binnen eines Jahres. Luca bekam das Sorgerecht und zieht jetzt die Kinder groß.

»Hey, Mann, das ist immerhin etwas«, antworte ich ihm.

»Wie kommt es, dass du uns nie bittest, mal zu babysitten?« Vic stößt Luca mit dem Ellbogen an, als er das fragt. »Wir sind echt großartige Babysitter.«

Ich nicke. »Ich könnte ihnen beibringen, wie man aus Sprühdosen Fackeln macht.«

»Wir werden mit Messern jonglieren und mit ihnen Bier brauen«, fügt Vic hinzu. »Uns vielleicht ein paar Pornos anschauen.«

Luca kann nicht anders, als darüber zu lachen. »Ich komme klar, danke.«

»Im Ernst«, rufe ich ihm mindestens zum zwölften Mal ins Gedächtnis, »gib uns Bescheid, wenn du irgendetwas brauchst.«

Ein kollektives Brüllen ertönt, als Adam und Knox um den Puck kämpfen und beide alles geben, was sie haben. Der Anblick von Adam erinnert mich an meine Begegnung mit Mia in der vergangenen Nacht – nicht dass ich seither länger als eine Minute am Stück aufgehört hätte, daran zu denken.

»Was ist mit Adam los?«, frage ich Luca und Vic.

»Was meinst du?« Luca wendet sich mir zu.

Ich zucke die Achseln und improvisiere. »Er scheint einfach neben der Spur zu sein.«

»Er hat gestern Nacht zwei Stripperinnen gevögelt«, berichtet Vic. »Ist wahrscheinlich müde.«

Eine Welle des Ekels schlägt über mir zusammen. Ich habe immer gewusst, dass Adam Mia nicht verdient hat. Er betrügt sie, als wäre es nichts. Aber ich wusste nie, ob sie davon weiß. Jetzt habe ich zum ersten Mal die Hoffnung, dass sie ihn vielleicht endlich verlassen hat. Und das bedeutet …

Ich ersticke den Gedanken sofort im Keim. Es ist eine unverzeihliche Verletzung des Bro Codes, sich nach der Frau oder der Exfrau seines Kumpels zu verzehren. Noch schlimmer ist es, wenn es sich um einen Mannschaftskameraden handelt. Ich bin der Kapitän der Chicago Devils, und mein Verhalten muss über jeden Vorwurf erhaben bleiben. Wenn jemals herauskäme, dass ich etwas für Mia empfinde, ganz gleich, ob ich den Gefühlen Taten folgen lasse oder nicht, würde das unsere Mannschaft auf eine hässliche Art spalten.

Unsere Mannschaft ist eine Familie. Die meiste Zeit sehen wir einander häufiger, als die verheirateten Männer mit Kindern ihre tatsächlichen Familien zu sehen bekommen.

Meine Eltern werden Russland niemals verlassen, obwohl Alexei und ich die Mittel haben, ihnen hier ein besseres Leben zu bieten. Wir besuchen sie dort, aber sie haben Angst, ihre Komfortzone zu verlassen und hier Urlaub zu machen. Sie leben seit vierzig Jahren das gleiche Leben und werden genau das weiter tun.

Arbeit ist mir von Geburt an eingeimpft worden. Und obwohl die amerikanische Familie, die meinen Bruder und mich aufgenommen hat, uns als Teil der Familie betrachtet, sind sie doch keine Blutsverwandten. Hart zu arbeiten ist meine Methode, meine Eltern und die Opfer zu ehren, die sie gebracht haben, um mich hierherzubekommen.

Mein Bruder ist mein einziger Blutsverwandter, den ich öfter als einmal im Jahr sehe, daher ist meine Mannschaftsfamilie mir umso wichtiger.

Ich trete gerade nach dem Training aus der Dusche, als Adam auf mich zukommt. Ein idiotisches, selbstgefälliges Grinsen im Gesicht.

»Segne mich, Vater, denn ich habe gesündigt«, witzelt er. »Einen Segen für mich und einen für all das Frischfleisch, das du verpasst.«

»Verpiss dich«, knurre ich.

»Welche Laus ist dir denn über die Leber gekrochen?«, fragt er.

»Du bist ein Idiot.«

Er kommt auf mich zu. »Pass auf deinen verdammten Ton auf.«

Knox tritt zwischen uns. »Auseinander, Jungs.«

»Geh nach Hause zu deiner Frau«, sage ich zu Adam.