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Ein Eishockey-Superstar mit einem Herz aus Stein - doch sie erweckt es zum Leben
Knox Devereaux ist kein Mann großer Worte. Seinen Ruf als wortkarger Einzelgänger hat sich der Enforcer der Chicago Devils redlich verdient, was seinem Erfolg bei Frauen aber keinen Abbruch tut. Das ändert sich als er im Urlaub Reese kennenlernt. Gerade erst von ihrem Verlobten am Traualtar stehen gelassen, hat sie beschlossen ihre Hochzeitsreise allein anzutreten - und ihre Hemmungen zu Hause zu lassen. An so etwas wie die große Liebe glaubt sie nicht mehr und dass Knox nur ein Mann für eine Nacht ist, kommt ihr gerade recht. Doch dass die hübsche Reese dabei Knox‘ eiskaltes Herz berühren könnte, ändert plötzlich alles ...
"Abso-freaking-lutely amazing! Dieses Buch ist genau das, was ich gebraucht habe!" ROMANCING THE DISPATCHER
Band 4 der Sports-Romance-Reihe CHICAGO DEVILS von Bestseller-Autorin Brenda Rothert
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Seitenzahl: 289
Titel
Zu diesem Buch
Teil 1
1
2
3
4
5
6
Teil 2
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
Epilog
Die Autorin
Die Romane von Brenda Rothert bei LYX
Leseprobe
Impressum
BRENDA ROTHERT
Chicago Devils
NUR DU IN MEINEM HERZEN
Roman
Ins Deutsche übertragen von Michaela Link
Ein Eishockey-Superstar mit einem Herzen aus Stein – doch sie erweckt es zum Leben
Knox Devereaux ist kein Mann großer Worte. Seinen Ruf als wortkarger Einzelgänger hat sich der Enforcer der Chicago Devils redlich verdient – was seinem Erfolg bei Frauen aber keinen Abbruch tut. Das ändert sich, als er im Urlaub Reese kennenlernt. Gerade erst von ihrem Verlobten am Traualtar stehen gelassen, hat sie beschlossen, ihre Hochzeitsreise allein anzutreten – und ihre Hemmungen zu Hause zu lassen. An so etwas wie die große Liebe glaubt sie nicht mehr und dass Knox nur ein Mann für eine Nacht ist, kommt ihr gerade recht. Doch dass die hübsche Reese dabei Knox’ eiskaltes Herz berührt, ändert plötzlich alles …
Endlich.
Nach fast einem Jahr der Planung fügt sich endlich alles zusammen, als ich in einer rustikal-schicken Kirche außerhalb von Mendocino durch den Mittelgang auf meinen Bräutigam zuschreite. Eric lächelt nervös, und mein Dad schenkt mir einen zärtlichen Blick und reicht ihm meine Hand.
Erics blondes Haar ist ordentlich zurückgekämmt, und wenn ich ihn anschaue, sehe ich noch immer den Zwanzigjährigen vor mir, den ich vor fast neun Jahren in einem Chemiekurs auf dem College kennengelernt habe. Er hat lange gebraucht, bis er den Sprung zu Verlobung und Hochzeit gewagt hat, aber da sind wir nun endlich.
»Meine lieben Freunde«, beginnt der Pastor mit Blick auf die Gäste in den Bankreihen – auf alle zweihundertsechsundachtzig Personen.
Mehr sollten es hoffentlich nicht sein, denn von genau so vielen habe ich Zusagen bekommen. Aber es ist durchaus schon vorgekommen, dass einige von Erics Burschenschaftsbrüdern mehrere Dates zugleich zu einer Hochzeit mitgebracht haben. Feiner Haufen, diese Jungs.
Durch die geöffneten Fenster der Kirche weht eine salzig frische Meeresbrise herein. Das Rauschen der Brandung ist bis hier drin zu hören, leise nur, aber es beruhigt mich. Die Nähe zum Wasser hat mir schon immer gutgetan. Ich bin durch und durch Kalifornierin.
Eric drückt mir die Hände und schenkt mir ein weiteres angespanntes Lächeln. Das überrascht mich, denn eigentlich war in den letzten Wochen ich das Nervenbündel. Eric ist normalerweise bei solchen Dingen derart gleichmütig, dass es mich manchmal sogar ärgert. Für ihn ist nichts eine große Sache. Ich schätze, wir sind in dieser Hinsicht Yin und Yang, denn ich bin eindeutig eine begeisterte Planerin.
Ich hole tief Luft und sehe ihn mit einem ermutigenden Lächeln an, teile ihm stumm mit, dass der Spaß erst richtig beginnt, wenn wir die Zeremonie hinter uns haben. Nur wenige Hundert Schritte entfernt ist ein riesiges Zelt aufgebaut, in dem unser Empfang stattfinden wird, mit einem atemberaubenden Blick auf das Meer und den Sonnenuntergang.
Mrs Eric Darnell. Ich habe geübt, den Namen zu sagen und ihn zu schreiben, aber er fühlt sich noch nicht real an. Irgendein Teil von mir hat immer noch Angst, aber es ist das Richtige. Worauf sollte unsere Beziehung nach neun gemeinsamen Jahren schließlich sonst hinauslaufen?
Als ich ein Schnüffeln höre, drehe ich mich zu einer meiner Brautjungfern um, meiner besten Freundin Mandy, die bereits weint, obwohl die Zeremonie genau genommen noch gar nicht begonnen hat. Ich wusste gar nicht, dass sie so zartbesaitet ist. Sie löst ein Papiertaschentuch, das unten um ihren Blumenstrauß gewickelt ist, und tupft sich damit die Augen.
»Bevor wir mit der Zeremonie beginnen, lassen Sie uns beten«, sagt der Pastor.
»Halt mal eben«, platzt Eric heraus.
Hat er gerade Halt mal eben gesagt, als unsere Trauung beginnen sollte? Mein Herz setzt mehrere Schläge aus, als ich mich umschaue, um herauszufinden, was hier los ist. Gibt es einen medizinischen Notfall? Warum sollte Eric sonst vom Skript abweichen?
Der Pastor und ich starren ihn an, und er schließt die Augen und verzieht das Gesicht.
»Es tut mir leid«, seufzt er, öffnet die Augen und lässt meine Hände los.
Als sie herabfallen, läuft mir ein eisiger Schauer über den Rücken. Er hat losgelassen. Ich habe ihn nur um eine einzige Sache gebeten, als wir heute Morgen miteinander telefoniert haben, ganz im Sinne der Tradition, uns an unserem Hochzeitstag nicht zu sehen. Halte die ganze Zeit meine Hände.
In der Kirche ist es still, und alle warten mit angehaltenem Atem darauf, dass Eric etwas sagt. Mein Herz rast, und meine Hände zittern, als mir klar wird, dass irgendetwas nicht stimmt.
»Reese.« Erics Ton ist zugleich entschuldigend und flehend. »Ich muss dir etwas sagen. Ich will mit einem reinen Gewissen in diese Ehe gehen.«
Ich schlucke die Galle herunter, die mir in der Kehle aufsteigt. Das kann doch nicht wahr sein. So etwas habe ich mir nicht einmal in meinen schlimmsten Träumen von dem, was an meinem Hochzeitstag alles schiefgehen könnte, vorgestellt.
Ich habe mir Sorgen gemacht, dass ich heute eine starke Periode haben könnte. Dass ich auf dem Weg zum Altar stolpern und vor aller Augen platt auf der Nase landen könnte. Oder dass das stressbedingte Essen in der vergangenen Woche mich einholen würde und ich den Reißverschluss meines Kleides nicht zubekäme.
Aber dies? Nie im Leben.
Eric stößt einen bebenden Atemzug aus und sagt: »Bitte, verzeih mir. Ich habe etwas ganz Dummes getan.«
Mandy heult immer heftiger, und tief im Herzen weiß ich bereits, was er beichten wird.
»Ähm …« Der Pastor schaut zwischen Eric und mir hin und her. »Wollen Sie beide kurz nach draußen gehen?«
»Was hast du getan?«, frage ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Das Meeresrauschen und die wohlriechende Brise sind verschwunden, und in mir steigt nur ein schleichendes Grauen auf.
»Jetzt war es also dumm?«, meldet sich Mandy laut. »Acht Monate zusammen, und du behauptest, es war ein Fehler?«
Die Gäste schnappen kollektiv nach Luft.
Als mir die Wahrheit dämmert, bin ich zu benommen, um auch nur zu atmen. Eric. Hat. Mandy. Gevögelt. Nicht nur einmal, sondern dauernd.
Mein Griff um den Brautstrauß lockert sich, und er fällt raschelnd zu Boden.
»Ihr …?« Ich sehe zwischen Eric und Mandy hin und her und blinzele Tränen weg. »Acht Monate lang?«
»Es tut mir so leid.« Erics Stimme bricht. »Es war ein Riesenfehler.«
»Du hast eine meiner Brautjungfern gevögelt«, sage ich unglücklich und frage mich, was er sich wohl gedacht hat, wie die Sache hier ausgehen würde.
»Nicht nur eine«, erklingt eine Frauenstimme in der Nähe.
Ich reiße den Kopf herum zu der Reihe meiner Brautjungfern, um festzustellen, dass es meine Freundin Kelsey war, die gerade gesprochen hat. Sie wirft mir einen zerknirschten Blick zu. In letzter Zeit hatte ich mir über dieses Miststück tatsächlich schon Gedanken gemacht.
»Das war vor zwei Jahren«, kontert Eric zornig. »Und es war nur ein einziges Mal.« Ach, als wäre das in Ordnung? Ich glaube, ich muss mich vielleicht gleich übergeben.
Mein Bruder Drew springt von seinem Platz auf und versetzt Eric einen Schlag, bevor ich auch nur mitbekomme, was passiert. Eric knallt viel lauter zu Boden als mein Brautstrauß.
»Nein!«, ruft Mandy und stürzt sich auf meinen Bruder.
Ich beobachte das Chaos um mich herum und habe dabei das Gefühl, nicht in meinem eigenen Körper zu stecken, aber dann steht mein Dad plötzlich neben mir. Er legt mir einen Arm um die Schultern und führt mich durch den Gang zurück nach draußen, beschirmt mich mit seinem Körper. Ich schmiege mich in seine vertraute Wärme, weil ich nicht will, dass irgendjemand sieht, wie ich innerlich still und leise zusammenbreche.
Es ist ein absoluter Albtraum. Meine Hochzeit hat sich in kaum dreißig Sekunden in eine Folge der Jerry-Springer-Show verwandelt.
Die schicken Jimmy-Choo-Brautschuhe, die ich mir für den heutigen Tag geleistet habe, machen es mir schwer, den Gang entlangzueilen, aber ich versuche es. Und jedes Mal, wenn ich ausrutsche und zur Seite kippe, ist mein Dad da, um mich festzuhalten.
Wir schaffen es zu der Vorhalle mit dem Steinfußboden, und mein Dad drängt mich in den Raum, in dem wir vor fünf Minuten noch gewartet haben.
»Was zum Teufel ist hier los?«, rufe ich und setze mich auf einen Holzstuhl, eins der wenigen Möbelstücke in dem kleinen Raum. »Ich kann gar nicht … ich weiß nicht …«
Die Tür wird erneut geöffnet, und Julie, eine weitere meiner fünf Brautjungfern, schaut herein.
»Gott, Reese, es tut mir so leid. Kann ich irgendwie helfen?«
Ich werfe ihr einen hilflosen Blick zu, und Tränen treten mir in die Augen.
»Bitte, sag mir, dass du nicht auch mit ihm geschlafen hast«, flüstere ich zittrig.
»Oh, Himmel, nein. Das würde ich niemals tun!«
»Ich weiß, es ist nur … ich weiß im Moment nicht, was ich noch glauben oder wem ich vertrauen soll.«
»Julie«, sagt mein Dad, »bitten Sie die Saaldiener, die Türen zur Vorhalle während der nächsten zehn Minuten zu schließen. Niemand verlässt diese Kirche, bis ich Reese von hier weggebracht habe.«
»Okay.«
Sie zieht die Tür hinter sich zu, und mein Dad schaut mich an.
»Bist du bereit zu gehen?«
Ich nicke, stehe auf und wische mir die Tränen unter den Augen weg. »Ich will so weit wie möglich von hier fort.«
Als mein Dad die Tür öffnet, steht Eric da und wirft mir einen jämmerlichen Blick zu. Eines seiner Augen ist purpurn und zugeschwollen, und seine Nase blutet. Ich werde meinem Bruder später dafür danken müssen.
»Reese, würdest du bitte einfach zuhören?«, fleht Eric. Oh mein Gott, will der mich verdammt noch mal auf den Arm nehmen?
Zum Glück würgt mein Dad ihn mit nur einem Blick ab. »Lass sie gefälligst in Ruhe, sonst gibt es ein weiteres blaues Auge, passend zum ersten.«
Mein idiotischer Ex redet weiter, als würde uns an diesem Punkt überhaupt noch interessieren, was er zu sagen hat. »Ich weiß, es klingt schlimm …«
Mein Dad stößt Eric beiseite und führt mich durch die Vorhalle der Kirche. Ich weiß nicht, wo ich jetzt ohne ihn wäre. Wahrscheinlich würde ich immer noch schluchzend am Altar stehen. Da ist Zorn, sicher, aber der ist immer noch unter dem absoluten Schock begraben, unter dem ich stehe.
Ich bin nicht nur von meinem Verlobten betrogen worden, sondern auch von meinen besten Freundinnen. Mandy und ich waren auf dem College Zimmergenossinnen. Sie ist diejenige, die mich ermutigt hat, die Kochschule zu besuchen und meinen Traumberuf zu ergreifen. Als meine Mom vor fünf Jahren an Krebs starb, hat Mandy bei mir gesessen, wenn ich geweint habe, manchmal stundenlang. Während der Beerdigung meiner Mom hat sie meine Hand gehalten.
Ihr Verrat tut in gewisser Weise noch mehr weh als der von Eric.
»Reese, lass mich doch ausreden«, sagt Eric hinter uns. »Ich wollte nie …«
Die dunklen, mit Schnitzereien verzierten Holztüren zum Altarraum werden aufgestoßen und mein Bruder Drew stürmt heraus, seinen mordlustigen Blick auf Eric gerichtet.
»Scheiße, nein!«, ruft Eric und duckt sich weg.
Das ist das Letzte, was ich sehe, bevor mein Dad mich durch das Kirchenportal und die Treppe hinunterführt, dann rennen wir zu seinem SUV. Den Schlüssel in der ausgestreckten Hand schließt er im Laufen den Wagen auf, und als wir dort ankommen, öffnet er die Beifahrertür, hilft mir beim Einsteigen und stopft mir die Schleppe meines Hochzeitskleides auf den Schoß.
Eine Staubwolke fliegt hinter seinem Yukon her, als wir von der Kirche wegfahren, und ich stoße meinen angehaltenen Atem erst aus, als wir auf dem Highway sind.
»Danke, Dad«, sage ich leise.
»Wie geht es dir?« Er sieht mich an, und ich zucke die Achseln. »Ich denke, ich bin noch am Verarbeiten.«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich über Eric überrascht bin, aber Mandy …« Er schüttelt den Kopf. »Ich hatte immer eine sehr hohe Meinung von ihr.«
»Eric hast du nie gemocht.« Ich lächele traurig. »Ich schätze, du hattest recht.«
»Ich wünschte, ich hätte mich geirrt.«
Die Realität meiner Situation trifft mich plötzlich und hart. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen.
»Ich muss wohl den Caterern mitteilen, dass der Empfang ausfällt«, murmele ich. »Und der Band.«
»Du brauchst gar nichts zu tun«, antwortet mein Dad. »Tante Jonie hat eine Nachricht geschickt, dass sie sich darum kümmern wird.«
»Na dann … ja, du hast recht.«
Mein Vater wirft mir einen ernsten Blick zu, seine Stirn zeigt Sorgenfalten. »Reese, versprich mir, dass du dich von Eric nicht dazu überreden lässt, ihm noch eine Chance zu geben.«
»Ist das dein Ernst?«, rufe ich. »Wenn ich könnte, würde ich ihm die Eier abschneiden. Mit diesem verlogenen Stück Scheiße würde ich mich nie wieder einlassen, und wenn er der letzte Mann auf Erden wäre.«
»Gut.«
»Hast du wirklich gedacht, ich würde wieder mit ihm zusammenkommen?«, frage ich erstaunt. »Nach dem, was gerade passiert ist?«
»Nein, ich …« Er zuckt hilflos die Achseln. »Ich wollte nur sichergehen. Deine Mutter war in solchen Dingen besser als ich.«
»Du bist besser darin, als du denkst, Dad.«
Er schenkt mir ein dankbares Lächeln. »Wo willst du jetzt hin? Du kannst mit mir nach Hause kommen, wenn du möchtest, oder ich kann dich zu einem Hotel bringen, wenn du allein sein willst.«
Ich schaue auf der Beifahrerseite aus dem Fenster in den strahlenden Junitag, ganz Sonnenschein und Verheißung. Es fühlt sich nicht wie ein Tag an, an dem einem vor zweihundertsechsundachtzig gut gekleideten Zuschauern auf dem Herzen herumgetrampelt wurde.
»Bring mich einfach zu meiner Wohnung, damit ich mir meine Taschen schnappen kann, bevor er dort auftaucht. Und wenn es okay ist, bleibe ich heute Nacht bei dir.«
»Du kannst bleiben, so lange du willst, das weißt du.«
Ich lehne den Kopf ans Fenster und zerdrücke die zauberhafte Hochsteckfrisur, an der meine Friseurin heute Morgen über eine Stunde lang gearbeitet hat. Die winzige, perlenbesetzte Tiara in meinem Haar bohrt sich mir in den Schädel, also ziehe ich sie heraus und werfe sie auf die Rückbank.
»Nur heute Nacht«, sage ich. »Und wenn du kannst, bringst du mich dann morgen früh zum Flughafen?«
»Wohin willst du fliegen?« Mein Dad sieht mich verblüfft an.
»Nach Hawaii.«
»Du fliegst trotzdem in die Flitterwochen?«
Ich zucke die Achseln. »Warum nicht. Ich habe ungefähr hundert Kuchen und weiß Gott wie viele Kekse dekoriert, um sie zu bezahlen, und die Tickets können nicht storniert werden.«
»Du scheinst diese ganze Sache gut wegzustecken.«
Ich schüttele den Kopf, und meine Kehle schnürt sich zusammen. »Das tue ich nicht. Ich will einfach nur so weit weg von ihm wie möglich. Und von Mandy. Oh, und auch von Kelsey.« Ich lache bitter.
»Dieser Scheißkerl«, sagt mein Dad in dem wütenden Ton, den ich seit Langem nicht mehr von ihm gehört habe. »Der sollte besser hoffen, dass er mir nie wieder unter die Augen kommt.«
»Es sollte wohl einfach nicht sein«, murmele ich unter Tränen. »Nichts von alledem.«
»Reese, dein Happy End wartet noch auf dich. Hör nicht auf, daran zu glauben, nur wegen irgendeines wertlosen Arschlochs, das dich nie verdient hat.«
»Ich werde meinen Weg finden, Dad. Mach dir keine Sorgen um mich.«
Während der restlichen Fahrt zu meiner Wohnung weine ich und mache mir nicht einmal die Mühe, die beiden Tränenbäche wegzuwischen, die mir über die Wangen laufen.
Der Schock weicht langsam einem Gefühl des Zorns. Und einer Traurigkeit, die tiefer sitzt als alles, was ich seit dem Verlust meiner Mom empfunden habe.
Ich fliege nicht nur nach Hawaii, um von Eric wegzukommen, sondern auch weil ich allein sein muss. Ich habe keine beste Freundin mehr, an die ich mich wenden kann. Mein Dad und mein Bruder Drew sind für mich da, was auch geschieht, aber diese vernichtende Niederlage muss ich ganz allein verdauen.
Wird meine Reise nach Hawaii dafür lang genug sein? Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich im Moment noch nicht bereit bin, irgendjemandem gegenüberzutreten, den ich kenne. Ich muss einfach unter einen sprichwörtlichen Stein kriechen und mich in meinem Elend suhlen.
»Wie viele Brüste brauchen wir?«, fragt Anton, der im Geiste Berechnungen anstellt, während Rhett und Vic kichern.
»Ihr müsstet mal flachgelegt werden«, murmele ich.
»Ich bin gestern Nacht flachgelegt worden, vielen herzlichen Dank«, entgegnet Vic mit einem selbstgefälligen Lächeln.
»Hey, ihr Trottel, wie viele Leute wollen Huhn?«, fragt Anton und dreht sich in der Fleischabteilung eines kleinen Lebensmittelladens auf Kauai zu uns um.
»Abby und die Kinder wollen alle Huhn«, antwortet Luca. »Ich glaube, alle anderen wollen Steaks.«
»Pack einfach einen ganzen Haufen davon ein, und wir grillen alles«, schlage ich vor. »Wir werden die Reste schon aufessen.«
Anton nickt und greift nach zwei großen Paketen Hühnerbrust.
»Ich habe die Steaks«, verkündet Jonah, der mit einem halb vollen Einkaufswagen auf uns zukommt.
»Was brauchen wir denn sonst noch?«, fragt Luca.
Ich grunze zur Antwort. »Wir haben Bier und Steaks, mehr brauchen wir nicht.«
»Chips?« Anton wirft uns einen verwirrten Blick zu.
Luca schüttelt den Kopf. »Ihr müsst wirklich mal öfter kochen. Wir essen keine Kartoffelchips zu Steaks.«
Wir sind am Nachmittag zu einem einwöchigen Mannschaftsurlaub hier in Lucas und Abbys Strandhaus angekommen. Anton wollte der große Held sein und hat gesagt, die Männer würden kochen, damit die Frauen den Tag am Strand verbringen könnten. Jetzt stolpern wir vollkommen ahnungslos durch den Laden.
Luca führt uns durch sämtliche Gänge, schnappt sich Dinge und legt sie in den Wagen. Es ist eine Ironie, dass ausgerechnet das eine idiotisch reiche Mitglied unserer Mannschaft der Einzige ist, der kochen kann.
Jeder in unserem Team, mit Ausnahme von ein paar Jungs am unteren Ende unserer Rangliste, scheffelt pro Saison Millionen, aber auch Lucas Ehefrau ist wahnsinnig erfolgreich – sie verdient als Besitzerin eines Unternehmens für Einrichtungsgegenstände mit zahlreichen Filialen mehr als wir alle zusammen.
»Du musst mich heute Nacht vielleicht in mein Zimmer tragen, Chef«, bemerkt Jonah zu mir. »Ich habe seit Weihnachten kein Bier mehr getrunken.«
Die meisten von uns leben während der Saison gesund. Diese Woche haben wir alle vor, uns gehen zu lassen und zu essen und zu trinken, was immer wir mögen, da es noch früh in der Spielpause ist.
»Und wer trägt mich?«, frage ich ihn grinsend.
»Du musst einfach am Strand ohnmächtig werden.«
Ich zucke die Achseln. »Ich habe schon an schlimmeren Orten übernachtet.«
»Was ist mit der Physiotherapeutin? Magst du sie nicht genug, um sie einzuladen und hierher mitzubringen?«
Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu und antworte: »Wir vögeln ab und zu. Aber ich verbringe keine ganze Woche mit ihr, sodass sie am Ende noch denkt, ich wollte eine Beziehung.«
Jonahs Augen weiten sich, und er schüttelt den Kopf. »Mann, du bist wie alt, vierunddreißig? Und irgendwie benimmst du dich immer noch wie ein Collegejunge.«
»Wieso? Weil ich nicht will, dass mir ständig eine Frau im Nacken sitzt?«, blaffe ich und bereue die Worte sofort, denn Jonah hat letztes Jahr seine Frau verloren, Lily. »Tut mir leid, Mann. Das hätte ich nicht sagen sollen.«
»Nein, du hast nichts Falsches gesagt.« Er klopft mir auf die Schulter. »Und wenn das bei dir so ist, dann hast du einfach noch nicht die Richtige gefunden.«
Ich bedenke ihn mit einem schiefen Blick. »Ich habe durchaus die richtige … Person. Nämlich mich. Ich bin ein selbstsüchtiger Mistkerl, und ich habe nicht vor, mich jemals zu ändern.«
»Hey, ganz wie du willst, Mann.«
Wir warten, während Luca bei den Ananas stehen bleibt. Er nimmt eine Frucht in die Hand und schnuppert daran, dann greift er nach der nächsten und tut das Gleiche. Dann nimmt er eine Ananas in jede Hand und scheint sie gegeneinander abzuwiegen. Er legt beide hin und drückt die eine.
»Du musst ihr vorher wenigstens ein Abendessen spendieren, Bro«, witzelt Rhett.
Luca drückt kopfschüttelnd auch die andere Ananas. Dann legt er beide in unseren Wagen.
»Verdammt, können wir endlich gehen?«, frage ich ungeduldig. »Ich will noch zum Strand, bevor die Sonne untergeht.«
»Hör auf zu jammern, du Pussy«, sagt Anton.
Eine Mutter mit zwei kleinen Kindern im Schlepptau geht an uns vorbei. Sie schiebt einen Einkaufswagen vor sich her und wirft Anton einen bösen Blick zu. Er schenkt ihr ein verlegenes Lächeln.
»Entschuldigung«, sagt er.
Ich schüttele amüsiert über sein Unbehagen den Kopf. Anton ist normalerweise der Letzte in unserer Mannschaft, der sich für sein Mundwerk entschuldigen muss.
Wir bezahlen unsere Einkäufe, zwängen uns in die beiden großen SUVs von Luca und Abby und fahren zurück zum Haus. Es ist nicht bloß ein Haus, sondern eher eine Anlage, aber alle nennen es das Strandhaus, da es direkt am Wasser liegt.
Der Ort ist wie eine andere Welt. Alles ist üppig bewachsen und grün, und die Ausblicke auf Vulkane und das Meer sind unglaublich. Jedes Mal, wenn ich hier bin, überlege ich, dass ich hier vielleicht leben möchte, wenn ich in den Ruhestand gehe. Ich könnte jede Nacht mit Hula-Tänzerinnen feiern, bis ich abkratze.
Als wir wieder im Haus sind, ist Abby mit Lucas Neffen Jack in der Küche, der wie ein Sohn für sie beide ist. Sie späht gerade suchend in den gewaltigen Edelstahlkühlschrank von Viking, und ich bekomme einen ungehinderten Blick auf ihr Profil.
Heilige Scheiße. Ihr sanft vorgewölbter Bauch ist in ihrem Bikini unübersehbar, und der leichte Sarong, den sie darüber trägt, klafft gerade weit genug auf, um ihn voll zur Schau zu stellen.
Abby ist schwanger. Ich zeige keinerlei Reaktion, denn nachdem sie vor einigen Jahren ihr einziges leibliches Kind verloren hat, ist sie wahrscheinlich noch nicht bereit, die Neuigkeit mit anderen zu teilen.
»Gemischter Beerensaft, Limonade oder Wasser«, fragt sie. »Was möchtest du, Jack?«
Als sie zu ihm hinüberschaut, wird ihr bewusst, dass ihr Sarong offen steht, und sie zieht ihn schnell zusammen und bindet ihn zu. Sie sieht sich um, und unsere Blicke treffen sich. Ich versuche, so lässig wie möglich zu wirken.
»Limonade«, entscheidet Jack. »In einem Star-Wars-Glas.«
»Ich mach das schon, Babe«, sagt Luca und holt ein Glas aus dem Schrank.
»Kommt irgendjemand mit uns zum Strand?« Abby sieht uns alle der Reihe nach an.
»Wir müssen den Grill in Gang bringen«, erwidert Luca.
Ich werfe ihm einen missmutigen Blick zu und wünschte, wir hätten stattdessen einfach Pizza zum Abendessen bestellt. Die Winter in Chicago sind kein Witz. Nachdem man sich dort zuerst den Arsch abfriert, ertrinkt man im Regen, bis es dann plötzlich extrem heiß wird. In dem städtischen Dschungel wehen keine tropischen Brisen, trotzdem lebe ich gern dort.
Ich bin jetzt seit sieben Jahren bei den Chicago Devils, und ich habe vor, den Rest meiner Karriere bei ihnen zu bleiben. Die Eigentümer sind fair und mischen sich nicht in das Training oder persönliche Dinge ein.
Seit ich in der Mannschaft bin, hat mich das PR-Team nur ein einziges Mal genervt. Ein paar Fotos von mir auf einer Yacht beim Feiern mit einem Haufen Models waren an die Öffentlichkeit gelangt, und es stellte sich heraus, dass eine der Frauen auf meinem Schoß – zu allem Überfluss hatte sie auch noch die Hand in meinem Schritt – mit einem hochkarätigen Geschäftsmann verheiratet war. Dem hatte das nicht besonders gefallen. Dabei kannte ich nicht einmal ihren Namen, woher hätte ich also wissen sollen, ob sie verheiratet war? Sie hatte keinen Ring getragen.
Aber ich hatte es wahrscheinlich verdient, deswegen zur Ordnung gerufen zu werden. Die spielfreien Zeiten habe ich früher damit verbracht, so vielen Röcken wie nur möglich nachzujagen. Doch in den letzten beiden Jahren habe ich mich lieber bedeckt gehalten. Es ist einfach zu viel Arbeit, ständig Frauen auszuführen. Ich habe gern ein paar in der Reserve, die ich anrufen kann, wenn ich eine schnelle Nummer will, solange sie wissen, dass das alles ist, was es jemals geben wird.
»Wisst ihr eigentlich schon, dass Knox Deveraux für The Bachelor in Betracht gezogen wird?« Jonah, der auf der anderen Seite von Lucas gewaltiger Küche steht, schnaubt vor Lachen.
»Nicht mehr.« Ich schüttele den Kopf. »Ich habe meinem Agenten gesagt, er soll sie zum Teufel schicken.«
»Wirklich?« Rhett wirft mir einen verwirrten Blick zu. »Da gibt es immer heiße Bräute.«
Bei diesen Worten sträubt sich alles in mir. »Ja, und sie erwarten sofort einen Ring, wenn man sie zwei Monate kennt. Nein, danke.«
»Och, du würdest einen süßen Ehemann für so eine Vorzeigefrau abgeben«, lacht Anton. »Ich kann mir gut vorstellen, wie du irgendeiner Blondine die Handtasche trägst, während sie auf dem Rodeo Drive shoppen geht.«
Alle scheinen das zum Brüllen komisch zu finden, und es dauert eine Weile, bis das Gelächter abklingt.
»Nie und nimmer«, erkläre ich entschieden. »Und können wir jetzt endlich diese Grillshow über die Bühne bringen, ihr Arschlöcher? Ich möchte ein paar hawaiianische Bräute kennenlernen.«
»Ich dachte, du wolltest an den Strand?«, wirft Luca ein.
»Ich kann beides tun. Ich habe keinen Aufpasser, der mich zwingt, um Punkt neun ins Bett zu gehen.«
Luca zuckt grinsend die Achseln. »Ich gehe mit meiner Frau ins Bett, wann immer sie will.«
Er reicht Rhett und mir ein paar Messer und zwei Schneidebretter und lässt uns die Ananas bearbeiten.
Als wir uns später alle auf der Veranda zum Abendessen an den Tisch setzen, habe ich solchen Hunger, dass ich schweigend esse, bis ich die Hälfte meines Steaks verschlungen habe. Ich sitze neben Lucas Nichte Emerson, die mich die ganze Zeit über angrinst.
»Was ist?«, frage ich sie schließlich.
Ihre Augen weiten sich, funkeln aber immer noch schelmisch. »Darf ich deinen Bart anfassen?«
Ich muss lachen. »Nur zu«, ermuntere ich sie, lege meine Gabel beiseite und beuge mich zu ihr herüber.
Sie streckt zaghaft ihre kleine Hand aus, hält aber inne, bevor sie meinen dunklen, kurzen Bart erreicht.
»Er sieht nicht so aus wie der vom Weihnachtsmann«, flüstert sie.
Als ihre Fingerspitzen meinen Bart streifen, teilen sich ihre Lippen vor Überraschung.
»Er ist so … haarig«, sagt sie.
»Das liegt daran, dass Knox ein halber Wolf ist«, stellt Victor auf der anderen Seite des Tisches fest.
Emersons Augen werden so groß wie Unterteller, und sie zieht die Hand zurück.
»Wenn du heute Nacht ein Heulen hörst«, erklärt Vic ihr mit ernster Miene, »dann ist er das.«
Als Emerson sich fragend zu mir umdreht, zucke ich nur die Achseln.
»Er erschreckt unsere Gegner auf dem Eis, indem er sie anknurrt«, fährt Vic fort. »Ein Typ hat sich mal in die Hose gemacht, als Knox ihn angeknurrt hat.«
Vics Freundin Lindy, die neben ihm sitzt, wirft ihm einen schiefen Blick zu. »Wirklich? Während wir essen?«
Ich kann mir bei der Erinnerung daran ein Lachen nicht verkneifen. Chris McMorrow hat sich vor einigen Jahren bei einem Spiel tatsächlich in die Hose gemacht, als ich mir meine Handschuhe auszog, um ihn auf dem Eis zu vermöbeln. Er warf mir einen so entsetzten Blick zu, dass ich erstarrte.
»Ich glaube, ich bin krank«, sagte er. »Ich habe mir gerade in die Hose gemacht. Können wir uns ein andermal prügeln?«
Wie vom Donner gerührt sagte ich ihm, dass wir das könnten, und rief einen seiner Mannschaftskameraden herbei, damit er ihm vom Eis half. Der arme Kerl fand heraus, dass er eine abscheuliche Darminfektion hatte. Aber von da an war ich als der Mann bekannt, der einen anderen Enforcer dazu gebracht hatte, sich bei dem Gedanken an einen Kampf gegen mich in die Hose zu machen.
Emerson sieht mich jetzt entsetzt an. Das gefällt mir nicht. Ich beuge mich wieder zu ihr herüber.
»Ich bin ein netter Wolf«, versichere ich ihr.
Sie zieht die Brauen zusammen und wirkt immer noch besorgt. »Ich will mir nicht in die Hose machen.«
»Niemals. Das mache ich nur auf dem Eis mit den Schlägertypen der gegnerischen Mannschaft.«
Ein Lächeln umspielt ihre Lippen, als Abby zum Nachtisch Schälchen mit Ananasstücken auf den Tisch stellt.
Ich flüstere Emerson ins Ohr: »Hey, ich habe beim Einkaufen Eiscreme mit Schokoladenstückchen ergattert. Was hältst du davon, wenn wir uns davon etwas holen?«
Sie nickt begeistert, und wir gehen zusammen in die Küche. Die Brandung des nahen Meeres ruft immer noch nach mir.
Als wir mit unserem Eis fertig sind, übernimmt Lucas und Abbys Haushälterin den Abwasch, sodass wir alle an den Strand gehen können. Ich lasse mich von den Kindern im Sand einbuddeln und trinke ein paar Bier, bevor ich dem Verlangen nachgebe, ein wenig Zeit allein zu verbringen.
Die Sonne geht gerade unter, und es ist ein wunderschöner Anblick. Ich spaziere nur mit meiner Badehose bekleidet am Strand entlang, eine Bierflasche in der Hand und Sand zwischen den Zehen.
Obwohl ich meine zweite Familie liebe, bin ich auch gern allein. Es gibt niemanden, mit dem ich ständig zusammen sein will. So bin ich einfach gestrickt.
Ich drehe mich von der Seite auf den Rücken und mache mich in dem Doppelbett, das ich in den letzten drei Nächten ganz für mich allein hatte, so breit wie ich nur kann. Meine Hochzeitssuite im The Point at Poipu Resort ist unglaublich, angefangen bei dem bequemen Bett bis hin zu den spektakulären Meeresblicken.
Und der Champagner für zwei, den man mir jeden Abend mit zwei Kelchen liefert? Nun, ich schnappe mir einfach eins dieser Gläser und die Flasche und genieße den Champagner solo auf meinem Balkon.
Gott, was für eine Närrin ich war. Ich kann nicht aufhören, im Geiste immer wieder meine albtraumhafte Nicht-Hochzeit abzuspulen. Halb wünschte ich mir, ich könnte für immer hierbleiben und müsste mich nie wieder irgendjemandem stellen, der weiß, dass ich drauf und dran war, einen Mann zu heiraten, der mit zwei meiner Brautjungfern geschlafen hat.
Ich stelle mir vor, dass mein Handy nur so explodiert vor lauter Nachrichten, aber ich mache mir deswegen keine Sorgen, weil ich es nicht mitgenommen habe. Meine Eltern wissen für den Notfall, wo ich bin. Ich habe vor, die sechs Tage hier damit zu verbringen, mich zu entspannen, auszuschlafen und neue Kräfte zu tanken.
Aber das Ausschlafen klappt heute nicht. Ich schaue auf die Uhr: sechs Uhr zweiundfünfzig am Morgen. Mit einem tiefen Seufzer gebe ich die Hoffnung, wieder einzuschlafen, endgültig auf und setze mich im Bett auf.
Nach einer schnellen Dusche ziehe ich einen Bikini, Shorts und ein T-Shirt an und beschließe, zu Fuß die Gegend zu erkunden. Eric und ich hatten für die meisten Tage hier irgendwelche Aktivitäten gebucht, aber ich habe sie alle abgesagt. Dies ist meine Reise, nicht unsere.
Auf der Hauptebene des Resorts kaufe ich mir einen Kaffee und liebäugle ernsthaft mit einem Stück Gebäck, entscheide mich aber dagegen. Ich werde später etwas essen. Der Chefkoch hier hat mir gestern Nachmittag großzügig seine Küche gezeigt, als ich ihn darum gebeten habe, und er hat gesagt, ich könne jederzeit vorbeikommen, um zu schauen, was sie zum Frühstück und zum Abendessen servieren.
Ich habe seit den Zeiten vor der Kochschule nicht mehr in einer Küche gearbeitet, die Frühstück zubereitet. Das Les Amis, in dem ich jetzt arbeite, öffnet nicht vor fünf Uhr nachmittags. Als Chef Pâtissière dort bedeutet das für mich fünf lange Abende die Woche, aber ich liebe meine Arbeit.
Um diese Uhrzeit ist der Pfad, von dem der Hotelportier mir beim Einchecken erzählt hat, fast verlassen. Der Weg führt mich zur Rückseite des Resorts und zum Strand hinunter. Das Wasser ist von einem wunderschönen, klaren Blau, die Sonne geht gerade auf, und das Licht spiegelt sich auf den Wellen. Ich kann verstehen, warum Menschen sich in diese Insel verlieben.
Es ist ein schönes Gefühl, keine Termine zu haben, über die ich mir Sorgen machen müsste. Ich habe an meinen ersten paar Tagen hier herausgefunden, dass es mich schon ziemlich auf Trab hält, von morgens bis abends bloß meine Gefühle zu sichten. Es ist mir unmöglich, nicht über das »Was wäre, wenn …« nachzugrübeln. Was wäre, wenn ich schon vor vier Jahren mit Eric Schluss gemacht hätte, als wir eine schwierige Zeit durchmachten und ich es ernsthaft in Erwägung zog? Was wäre, wenn wir zu einer Paarberatung vor der Ehe gegangen wären, wie ich es mir gewünscht hatte? Was, wenn meine Mom noch da wäre, um mit mir über all das zu reden?
Aber ich bin auf mich gestellt. Meine Mom ist tot, und mit meiner ehemals besten Freundin werde ich nie wieder sprechen. Mein Dad ist ein guter Zuhörer und tut sein Bestes, um die Lücke zu füllen, die meine Mom mit ihrem Tod hinterlassen hat, aber es ist einfach nicht dasselbe.
Ich bin ungefähr eine halbe Meile den Strand entlanggegangen, als ich beim Anblick einer Meeresschildkröte, die schwerfällig durch den Sand stapft, innehalte. Die Schildkröte ist zwar langsam, aber vollkommen unbekümmert. Als ich mich hinhocke, um sie zu beobachten, wirft sie mir einen gelangweilten Blick zu, bevor sie ihren Marsch wieder aufnimmt.
Ich beneide das Tier, das auf seinem Weg über den Strand kleine Wirbelmuster im Sand hinterlässt. Es sieht so aus, als würde es eine Karte zeichnen. Statt den Fußstapfen zu folgen, die es bereits hinterlassen hat, erschafft es neue.
Seit ich hier bin, verspüre ich den Drang, das Gleiche zu tun. Jetzt, da es zwischen Eric und mir aus ist, will ich nicht länger in der gemeinsamen Wohnung leben. Ich will nicht mehr jedes Wochenende auf eine Tasse Kaffee und frische Bagels in unser Lieblingscafé gehen. Tatsächlich will ich überhaupt nichts von den Dingen tun, die ich während meines Lebens mit Eric getan habe.
Aber was könnte ich stattdessen tun? Ich habe noch keine Antworten, habe aber gestern auf eine E-Mail mit Stellenangeboten von einem Berufsverband geklickt, in dem ich Mitglied bin.
Beim Geräusch einer brechenden Welle wende ich den Blick von der Meeresschildkröte ab und stehe auf. Aus einem Impuls heraus schlüpfe ich aus meinen Schuhen, ziehe mein T-Shirt aus und lasse meine Shorts in den Sand fallen. Ich lege meine Kleider auf einen Haufen am Strand und wate ins Wasser, das sich auf meiner Haut kühl anfühlt.
Ich habe all meine neuen Badeanzüge, die ich für meine Flitterwochen gekauft hatte, zu Hause gelassen und stattdessen meinen ältesten roten Bikini mitgenommen. Obwohl ich zehn Pfund weniger gewogen habe, als ich ihn gekauft habe, passt er immer noch sehr gut. Wenn überhaupt, sieht mein Busen jetzt noch besser darin aus. Und mein Bauch … tja, der sieht nicht besser aus, aber wen kümmert das? Bei dieser Reise geht es nur um mich und niemanden sonst.
Ich lehne mich zurück, schließe die Augen und genieße die warme Sonne auf meinem Gesicht. Ich hätte mir keinen besseren Ort wünschen können, um mich von meiner katastrophalen Beinahe-Hochzeit zu erholen. Kauai ist ein Paradies. Die warmen Brisen und sanften Wellen erinnern mich daran, dass irgendwie, irgendwann auch dies vorübergehen wird.
Nachdem ich weiter hinausgeschwommen bin, fühle ich mich sehr zenmäßig, aber plötzlich streift etwas Schleimiges meinen Oberschenkel. Instinkte übernehmen die Kontrolle, und ich beginne zu schreien, mit den Armen zu rudern und wild zu treten, um das Etwas, was immer es ist, von mir wegzubekommen.
»Verpiss dich«, rufe ich und jaule auf, als ich ein weiteres schleimiges Glitschen an meinem Bein spüre.