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Ein Eishockey-Superstar, der jede haben könnte. Doch er will nur sie.
In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ging für Victor Lane sein größter Traum in Erfüllung, als er es ins NHL-Team der Chicago Devils schaffte. Doch seine Vergangenheit verfolgt ihn bis heute auf Schritt und Tritt. Und als sein größtes Geheimnis langsam aber sicher ans Licht zu kommen droht, gerät sein Leben immer mehr aus den Fugen - was ihn seinen Platz im Team kosten könnte, der einzigen Familie, die er noch hat. Seine letzte Rettung ist Lindy, die so gar nichts mit dem Rampenlicht zu tun haben will, um das Victor nun kämpft. Doch je mehr Zeit sie mit dem attraktiven Eishockey-Star verbringt, desto weniger lässt sich das sexy Prickeln zwischen ihnen leugnen. Und plötzlich geht es um so viel mehr als nur Victors Karriere ...
"Süchtig machend, bezaubernd und unglaublich unterhaltsam! Absolutes Must-read!" TDC BOOKREVIEWS
Band 3 der Sports-Romance-Reihe CHICAGO DEVILS von Bestseller-Autorin Brenda Rothert
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Seitenzahl: 305
Titel
Zu diesem Buch
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Epilog
Die Autorin
Die Romane von Brenda Rothert bei LYX
Leseprobe
Impressum
BRENDA ROTHERT
Chicago Devils
SIEG FÜR DIE LIEBE
Roman
Ins Deutsche übertragen von Michaela Link
Ein Eishockey-Superstar, der jede haben könnte. Doch er will nur sie.
In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, ging für Victor Lane sein größter Traum in Erfüllung, als er es ins NHL-Team der Chicago Devils schaffte. Doch seine Vergangenheit verfolgt ihn bis heute auf Schritt und Tritt. Und als sein größtes Geheimnis langsam aber sicher ans Licht zu kommen droht, gerät sein Leben immer mehr aus den Fugen – was ihn seinen Platz im Team kosten könnte, der einzigen Familie, die er noch hat. Seine letzte Rettung ist Lindy, die so gar nichts mit dem Rampenlicht zu tun haben will, um das Victor nun kämpft. Doch je mehr Zeit sie mit dem attraktiven Eishockey-Star verbringt, desto weniger lässt sich das sexy Prickeln zwischen ihnen leugnen. Und plötzlich geht es um so viel mehr als nur Victors Karriere …
Mit einem leisen Stöhnen spähe ich in die alte Waschmaschine im Keller des Carson Center. Die Putzlappen, die ich in den Trockner legen wollte, treiben im Wasser, das in der riesigen Trommel steht. Dieses Gebäude beherbergt die beste Profi-Eishockeymannschaft der Welt, aber für eine anständige Waschmaschine lassen sie nichts springen.
Und heute ist das ein großes Problem, denn da die Slush-Eis-Maschine kaputt ist, wird es jede Menge Sauerei geben. Einen Handwerker zu rufen, um Geräte reparieren zu lassen, ist hier eine große Sache, und in der Zwischenzeit bleibt uns Mitarbeitern vom Catering nichts anderes übrig, als mit billigen Servietten aufzuwischen.
Mein Dad ist Klempner, und ich habe im Laufe der Jahre einiges von ihm gelernt. Wenn das Problem sich schnell beheben lässt, bekomme ich das vielleicht hin.
Es dauert ein Weilchen, die vordere Abdeckung von der Waschmaschine abzunehmen. Ich muss mich tief bücken, um die Schrauben an den unteren Ecken der Waschmaschinenfront zu lösen und die Abdeckung zu mir herunterzuziehen. Ich lege sie beiseite und lasse mich auf dem Boden nieder, um mir, wie mein Dad sagen würde, ein Bild von der Lage zu verschaffen. Der Boden ist schmutzig, aber ich habe in weniger als einer Stunde Feierabend, daher spielt es eigentlich keine Rolle.
»Aha!«, sage ich zu mir selbst, als ich das Problem finde.
Der Abflussschlauch ist nicht richtig mit dem Abflussrohr verbunden. Die nächsten Minuten verbringe ich damit, den Schlauch wieder am Rohr zu befestigen, und das Material des Schlauchs hinterlässt auf meinen Händen eine dünne Kreideschicht. Schließlich bin ich fertig, bringe die Waschmaschinenabdeckung wieder an, wasche mir in dem uralten Waschbecken in der Ecke des Kellerraums die Hände und wringe dann jeden einzelnen Putzlappen aus, bevor ich ihn in den Trockner werfe.
Sobald das erledigt ist, stelle ich die Waschmaschine auf Kurzspülen, um das Wasser aus der Trommel zu leeren, und begebe mich dann wieder zum Serviceaufzug.
Das Carson Center ist riesig, und seit seinem Bau vor dreißig Jahren werden viele Räume anders genutzt als ursprünglich mal gedacht. Als ich aus dem Aufzug trete, erwartet mich ein längerer Marsch zurück zum Cateringbereich.
Im Pausenraum der Angestellten findet eine Personalsitzung statt, und ich habe vor, mich unbemerkt hineinzuschleichen. Aber kaum setze ich einen Fuß über die Schwelle, wirft Bruce, mein Chef, mir einen missbilligenden Blick zu.
»Boring«, sagt er streng. »Sie kommen zu spät.«
Ich kann es nicht leiden – oder besser gesagt, ich finde es abscheulich –, dass Bruce alle Angestellten mit ihrem Nachnamen anspricht, als wären wir beim Militär oder so. Denn in meinem Fall löst das unausweichlich Gekicher über meinen Nachnamen aus: Boring heißt langweilig – für eine Frau, die in jeder Hinsicht Durchschnitt ist, vielleicht etwas zu treffend.
»Tut mir leid«, murmle ich, während meine Wangen unter den Blicken meiner Kollegen heiß werden.
»Wie lange arbeiten Sie schon hier, Boring?« Bruce verschränkt die Arme und legt sie auf seinem üppigen Bauch ab.
Ich schaue auf die Uhr an der Wand. Ich habe mich nicht einmal vier Minuten verspätet, und er macht ein großes Ding daraus. Während ich innerlich seufze, sage ich: »Seit drei Jahren.«
»Und um wie viel Uhr findet seit drei Jahren unsere wöchentliche Personalsitzung statt?«
»Um halb fünf.«
Er zieht die Augenbrauen hoch und nickt, und seine Miene ist voller Herablassung. Und gerade als ich denke, dass er uns allen hinlänglich gezeigt hat, wer der Boss ist, spricht er weiter.
»Haben Sie eine Zigarettenpause gemacht?«
»Nein.« Ich runzle verwirrt die Stirn. »Ich rauche nicht.«
»Ihr Handy benutzt?«
Ariana, meine Freundin, seufzt hörbar, was ihr einen scharfen Blick von Bruce einträgt. Ich räuspere mich, bemüht, die Situation zu entschärfen, bevor Ariana etwas sagt, das ihr eine Abmahnung einträgt.
»Ich habe die Waschmaschine repariert«, erkläre ich schnell. »Und die Putzlappen ausgewrungen, damit wir heute Abend welche haben, da die Slush-Maschine kaputt ist.«
Bruce reißt die Augen auf, und sein Mund öffnet sich. Sein Gesichtsausdruck ist geradezu belustigt.
»Sie haben die Waschmaschine repariert? Wer hat Ihnen das erlaubt?«
Ich erstarre und wünschte, ich wäre so schlagfertig und schlau wie Ari. »Ähm …«
»Was weiß ein neunzehn Jahre altes Mädchen von der Reparatur von Waschmaschinen?«, fährt Bruce spöttisch fort.
Ich bin dreiundzwanzig, aber ich wage nicht, ihn zu korrigieren.
»Mehr als der Rest von uns«, eilt Ari mir zur Verteidigung. »Ihr Dad ist Klempner.«
Bruce ignoriert sie und hält seinen zornigen Blick weiter auf mich gerichtet. Er hat sein Gesicht derart in Falten gelegt, dass es hinter seinem buschigen braunen Schnurrbart fast verschwindet.
»Wir nennen sie Putztücher, nicht Lappen, Boring«, sagt er. »Und die Slush-Maschine ist repariert.«
»Nein, ist sie nicht«, widerspricht Ari kopfschüttelnd. Mehrere meiner Kollegen murmeln zustimmend.
Bruce dreht sich zu Ari um, und ich stoße einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus.
»Ich habe diesen Arbeitsauftrag rausgegeben, Gonzales«, sagt er zu ihr. »Die Maschine wurde repariert.«
»Nein, sie hört immer noch nicht auf zu laufen, wenn sie aufhören sollte.«
Bruce zeigt auf das Namensschild an seiner Brust. »Sehen Sie das Wort ›Manager‹ hier, Gonzales? Es bedeutet, dass die Reparatur und der Austausch von Geräten hier mein Job ist, nicht Ihrer. Beschränken Sie sich einfach darauf, das Slush-Eis zu machen.«
Ari öffnet schon den Mund, als ich ihren Blick von der anderen Seite des Raums auffange. Sie hat einen kleinen Sohn, für den sie sorgen muss; sie braucht diesen Job. Und sie ist die beste Freundin, die ich hier habe. Oder eigentlich überhaupt irgendwo. Ich will nicht, dass sie wegen Bruce’ empfindlichem Ego gefeuert wird.
Gerade als Ari den Mund schließt, ergreift stattdessen unsere Kollegin Shawna das Wort.
»Gestern Abend hat die Slush-Maschine nicht funktioniert, das weiß ich sicher. Das ganze Wasser ist auf den Boden gelaufen.«
Bruce schaut auf sein Klemmbrett. »Ich werde mich noch einmal damit befassen. Jetzt lassen Sie uns zu wichtigeren Dingen übergehen.« Er liest etwas vor und schaut dann auf. »Die Serviettenspender müssen am Ende jeder Schicht aufgefüllt werden. Einige von Ihnen sind, was das angeht, etwas nachlässig geworden.«
Diese Personalsitzungen sind absolut überflüssig. Jede Woche sitzen wir hier, während Bruce uns an Dinge erinnert, die man als Notizen an das schwarze Brett im Pausenraum heften sollte. Ich bin froh, dass er heute nicht viel auf seinem Zettel stehen hat, denn ich muss noch einiges auffüllen, bevor ich um fünf Feierabend habe.
»Alle, die heute Abend bei dem VIP-Event arbeiten, müssen nach dieser Sitzung noch bleiben«, führt Bruce fort und hakt etwas auf seiner Liste ab. »Die anderen können gehen.«
Ich stehe auf und warte auf Ari, um mit ihr gemeinsam zum Hauptimbissstand zu gehen.
»Boring.« Bruce zeigt auf mich. »Ich brauche Sie heute noch. Sie müssen Überstunden machen. Dave hat sich krankgemeldet, und Sie müssen heute Abend bei dem VIP-Event einspringen.«
»Aber …«
»Was?« Er schaut auf und zieht schon mal missbilligend die Brauen hoch. »Haben Sie Pläne für heute Abend?«
»Nein, aber … ich meine, nicht direkt …«
Die White Sox spielen heute Abend gegen die Yankees, und obwohl ich normalerweise mit meinem Dad Baseball schaue, wenn ein Spiel im Fernsehen läuft, sind das wohl keine Pläne. Trotzdem, ich bin von der Reparatur der Waschmaschine ganz schmutzig, und mir sind die Tampons ausgegangen. Ich will um fünf, wenn ich freihabe, weg.
»Großartig.« Bruce notiert sich etwas auf seiner Liste. »Setzen Sie sich. Ich möchte gern die Veranstaltung von heute Abend besprechen.«
Ich protestiere nicht. Darauf hat Bruce wahrscheinlich gebaut. Obwohl dieser Job in den Augen der meisten Menschen nichts Besonderes ist, gefällt es mir hier. Ich darf bei jedem Heimspiel der Chicago Devils hier sein, und Eishockey ist meine Lieblingssportart.
»Du bleibst?«, fragt Ari mich.
Ich nicke und gebe leise zurück: »Kannst du mir ein paar Tampons in meinen Spind legen?«
»Geht in Ordnung.«
»Gonzales, das Geschirr wird sich nicht von selbst spülen«, ermahnt Bruce meine Freundin streng.
Ari verdreht die Augen, winkt mir zu und wendet sich zum Gehen.
Sobald der Raum sich leert, blättert Bruce zum nächsten Blatt auf seinem Klemmbrett weiter und legt los.
»Das Event heute Abend ist ein VIP-Meet-and-Greet für Spieler und hohe Tiere. Wir werden Horsts Oeuvres« – er legt eine Kicherpause für seine falsche Aussprache von Hors d’oevre ein, ein Gag, den wir schon tausendmal gehört haben – »und Drinks servieren. Sie müssen weiße Blusen und schwarze Hosen tragen.«
Das halbe Dutzend Angestellte im Raum stößt ein kollektives Stöhnen aus. Normalerweise tragen wir bei der Arbeit rote Polohemden und schwarze Hosen, und alle hassen es, wenn wir weiße Blusen anziehen müssen. Bei all der Rennerei wird einem darin schnell zu heiß. Ich habe für solche Anlässe so eine Bluse in meinem Spind, mit einem gelben Schweißfleck am Kragen, der sich mit noch so viel Bleichmittel nicht entfernen lässt.
»Und dass mir keiner irgendeinen Unsinn verzapft«, sagt Bruce mahnend. »Sorgen Sie dafür, dass immer reichlich zu essen und zu trinken da ist, lächeln Sie, und halten Sie sich im Hintergrund.«
Diese Übung kenne ich zur Genüge. Wir sollen unser Bestes tun, für die Leute unsichtbar zu bleiben, die wir bedienen. Das ist für mich in Ordnung, weil ich es ohnehin vorziehe, unbemerkt zu bleiben.
Nach dem Meeting sprühe ich frisches Deo aus meinem Spind auf, streife mir schnell meine Bluse über und stecke die Tampons, die Ari für mich dagelassen hat, in meine kleine Handtasche. Dann binde ich mein mittelbraunes Haar im Nacken zu einem Pferdeschwanz, schließe meinen Spind ab und gehe in den vorderen Cateringbereich, wo sich heute Abend alle treffen.
Alle haben sich um die Slush-Maschine versammelt.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass sie repariert worden ist«, verkündet Bruce autoritär. Er hält das Slush-Eis hoch, das er gerade gemacht hat, damit alle es sehen.
Er schaut über seine Schulter und erspäht mich. »Hey, Boring!«, ruft er. »Dieses Ding funktioniert tadellos, was haben Sie da vorhin geredet?«
Ich gehe hinüber, und einige Leute treten beiseite, damit ich mich neben Bruce vor die Maschine stellen kann, deren Motor summt, um sie zu kühlen.
»Es ist die blaue, die kaputt ist.« Ich betrachte das rote Slush-Eis in seiner Hand.
Er schüttelt den Kopf. »Dann haben Sie die Maschine falsch bedient.«
Es ist nichts einfacher, als ein Slush-Eis zu machen. Hebel herunterziehen. Becher füllen. Hebel wieder hochstellen. Aber ich tue meinem Boss den Gefallen, ziehe einen Becher aus dem Halter und stelle ihn unter den blauen Slush-Eis-Spender.
Als ich auf einen Knopf drücke und den Griff herunterziehe, füllt ein schaumiger Strom knallblauer Zuckerlösung den Becher.
Bruce grunzt geringschätzig. »Scheint mir bestens zu funktio…«
Der blaue Shlush-Eis-Hahn fängt an, prustende Geräusche von sich zu geben, und eine Sekunde kommt nichts mehr heraus. Dann fließt geschmolzene blaue Slush-Eis-Flüssigkeit unkontrolliert heraus.
Alle, Bruce eingeschlossen, treten einige Schritte zurück, während ich aufschreie und mit den Armen rudere und versuche, den Hebel wieder hochzudrücken. Der Hebel fällt herunter, und die schlumpfblaue Sturzflut von Slush-Eis-Matsch spritzt mir voll auf die Brust.
Ich brauche ein paar Sekunden, bis der Schock zu mir durchdringt. Als ich endlich aus dem Zerstörungspfad der Slush-Maschine heraustrete, starren mich alle mit offenem Mund an. Einige Blicke wandern zwischen mir und der Maschine hin und her.
Plötzlich kommt alles zum Stillstand, und der summende Motor der Maschine verstummt. Ari tritt hinter der Maschine hervor, das Stromkabel in der Hand. Sie funkelt Bruce an.
»Glauben Sie ihr jetzt?«, fragt sie, eine Hand in die Hüfte gestemmt.
Alle Blicke meiner Kollegen ruhen auf mir. Überall ist Slush-Saft. Ich schaue an mir herunter. Ich bin bis auf die Haut durchnässt, die Umrisse meines BH unter der weißen Bluse sind deutlich sichtbar. Mein Haar und mein Gesicht sind klatschnass, und als ich die Hand hebe, um mir übers Gesicht zu wischen, tropft die Flüssigkeit auch von meinen Händen.
Aus einem Kichern wird bald eine Welle des Gelächters. Meine Lage gibt meinen treulosen Kollegen einen ziemlichen Kick. Mein Gesicht wird heiß, und ich wünschte, ich könnte einfach verschwinden.
»Ich werde dafür sorgen, dass sich jemand das ansieht«, sagt Bruce, während er mitten in die Schweinerei auf dem Boden ein Schild mit der Aufschrift VORSICHT RUTSCHGEFAHR stellt. »Gehen Sie sich waschen, Boring! Kommen Sie nicht zu spät zu dem Event.«
Aris dunkelbraune Augen sind groß und rund, als sie den Rücken unseres Chefs anfunkelt. Sie schüttelt den Kopf und murmelt: »Arschloch«, dann dreht sie sich zu mir um.
»Komm mit, du kannst meine Bluse anziehen«, bietet sie mir an. »Ich helfe dir, dich sauber zu kriegen.«
Ich seufze leise und werfe ihr einen dankbaren Blick zu. »Das ist nett von dir.«
»Wir werden eine Menge Lappen brauchen.« Sie öffnet den Deckel des Behälters mit den sauberen Lappen, greift hinein und zieht verwirrt die Augenbrauen hoch. »Da drin ist nur das keimfrei gemachte Wasser.«
Ich lache, denn mir fällt ein, dass alle Putzlappen im Keller im Trockner sind. Als ich Ari das sage, lächelt sie schwach.
»Ist das ein Lachen, das sagt: ›Das ist witzig‹, oder eins nach dem Motto ›Ich dreh gleich durch‹?«, fragt sie mich.
Ich schüttle den Kopf. »Ich muss in fünfzehn Minuten bei der VIP-Sache sein, und sieh mich an.« Ich senke den Blick auf den rötlich braunen, gekachelten Boden und wünschte, er würde mich verschlucken.
»Dann lass uns an die Arbeit gehen«, sagt Ari, öffnet einen Serviettenverteiler und schnappt sich einen riesigen Stapel billiger, toilettenpapierdünner Servietten.
Sie ist eine wunderschöne Latina mit großen Augen, üppigen Brüsten und seidenglattem, langem Haar – komplexeinflößender kann es nicht mehr werden. Ari ist alles das, was ich mir zu sein wünsche. Aber wenn ich schon nicht sie sein kann, habe ich sie zumindest als beste Freundin.
»Verdammt, er hätte dich heute Abend nicht zu Überstunden zwingen sollen«, murrt sie vor sich hin, während wir zum Mitarbeiter-Pausenraum gehen, wo unsere Spinde stehen.
»Ari, nicht«, flüstere ich nervös. »Die Sache ist es nicht wert, dafür Ärger zu kriegen.«
Bruce hat eine unheimliche Gabe, es mitzubekommen, wenn wir über ihn sprechen. Ich schaue in alle Richtungen, um mich davon zu überzeugen, dass er nicht zuhört.
»Na schön«, antwortet Ari mit gepresster Stimme. »Ese Bruce no es mas que in mama huevo.«
Sie scheint wirklich sauer zu ein – das sind die Gelegenheiten, bei denen sie Leute in ihrer Muttersprache beleidigt.
Wir gehen in den Bereich, in dem sich die Spinde befinden, wo wir sicher ist, da er nur für die weiblichen Angestellten bestimmt ist.
»Was hast du gesagt?«, frage ich leise.
»Ich habe diesen Schwanzlutscher einen Schwanzlutscher genannt.«
Ich lächle und schaue in den Spiegel, der an der Wand über dem Waschbecken befestigt ist. Meine Lippen öffnen sich überrascht, als ich feststelle, dass ich noch schlimmer aussehe als erwartet.
»Oh mein Gott!«, sage ich und starre erschrocken mein Spiegelbild an.
Auf meinen Armen, meinem Hals und meinem Gesicht trocknet blaues Slush-Eis-Konzentrat. Mein Haar ist teilweise feucht, und meine Bluse …
»Bah, Mist!« Ich ziehe mir den durchnässten Stoff von der Brust, weil er nichts der Fantasie überlässt.
»Das wird schon«, sagt Ari, befeuchtet ein paar Servietten und wischt mir damit die Arme ab. »Zieh die Bluse aus.«
»Was ist mit meinem BH?« Ich werfe ihr einen panischen Blick zu.
Sie grinst. »Da kann ich dir nicht helfen. Aber ich werde dir das Tanktop geben, das ich anhabe. Das kannst du unter meiner weißen Bluse tragen. Das sollte gehen.«
Ich schließe die Augen. »Du bist meine Lebensretterin, Ari.«
»Du hast mir schon öfter den Arsch gerettet, als ich zählen kann.«
Mit einem tiefen Atemzug mache ich mich daran, meine klatschnasse Bluse aufzuknöpfen. »Es ist unser Job, unsichtbar zu sein. Niemand wird mich bemerken.«
»Richtig«, pflichtet Ari mir strahlend bei. »Du schaffst das schon.«
»Es ist mir vollkommen egal, ob die Leute mich ansehen, solange …« Ich ziehe die Bluse aus und verschränke die Arme vor meinem BH, verlegen, auch wenn hier nur Ari mich halb bekleidet sieht.
»Du hast nichts, was ich nicht schon mal gesehen habe«, sagt sie amüsiert.
»Ich weiß, es ist nur … solange … so bin ich nun mal.«
»Was wolltest du sagen?«, fragt sie, während sie mir den Nacken abwischt. »Solange was?«
»Oh. Solange Victor nicht da ist.«
Das flüstere ich beinahe, weil niemand auf der Welt außer Ari etwas von meiner uralten, tief verwurzelten Schwärmerei für den Stürmer der Devils weiß.
»Du wirst schon klarkommen; hör auf, dir Stress zu machen.« Ari geht zu ihrem Spind, dreht das Zahlenschloss, öffnet die Tür und holt ihre Bluse heraus.
»Vielleicht sollte ich einen Blick auf die Gästeliste werfen, bevor wir gehen.«
Sie sieht mich mit gespielter Strenge an. »Tu es nicht.«
»Moment mal, hast du dir die Gästeliste angesehen? Steht er drauf?«
Ari zieht ihr rotes Polohemd aus, streift sich ihr weißes Tanktop über den Kopf und wirft es mir zu. »Zieh das an.«
»Sag es mir einfach«, verlange ich und fange das Shirt auf. »Hast du dir die Liste angesehen?«
Meine Freundin hält meinem Blick stand und fühlt sich total wohl dabei, nichts anderes am Leib zu haben als ihren Slip und einen BH. »Ich habe kurz draufgeschaut, ja.«
»Und?« Ich halte den Atem an.
Sie zögert für eine Sekunde, dann antwortet sie: »Er steht drauf.«
Ich stöhne laut und erwäge, eine Krankheit vorzutäuschen. Victor Lane hat keine Ahnung, dass ich existiere. Und obwohl die Chancen gut stehen, dass er es am Abend immer noch nicht wissen wird, will ich so, wie der Tag bisher läuft, kein Risiko eingehen.
»Ari, würdest du …?«
»Ich kann nicht.« Sie wirft mir einen mitfühlenden Blick zu. »Ich würde für dich einspringen, wenn ich könnte, aber ich muss Mateo von der Tagesbetreuung abholen.«
Ich atme tief aus und betrachte mein Spiegelbild, während Ari mir ihre saubere Bluse reicht. Es ist selten, dass ich Victor aus der Nähe sehe. Bei dem Gedanken spüre ich ein Flattern im Magen.
Es könnte gut laufen. Solange er mich nicht anschaut.
Ich halte den Blickkontakt mit dem Hohen Tier, das mir von seiner neuesten Business-Eroberung erzählt – lächle und nicke an den richtigen Stellen. Aber in Wahrheit interessiere ich mich viel mehr für den kleinen Teller mit scharfen Fleischbällchen, die ich esse, während er redet.
»Es wird jede Minute ein Trottel geboren, und ich bin immer bereit, einzuspringen und an der Dummheit solcher Leute Geld zu verdienen.« Bill Soundso schenkt mir ein Plastikgrinsen.
Ich nicke und greife nach dem Zahnstocher, auf dem sich ein weiteres Fleischbällchen befindet, das ich mir in den Mund schiebe.
»Hey, kann ich ein Selfie machen?«, fragt Bill und stellt seinen Drink beiseite. »Sie haben in letzter Zeit total beschissen gespielt, was bedeutet, dass Sie an der Schwelle zu einem großen Comeback stehen. Die Welt soll erfahren, dass ich die Auferstehung von Victor Lane vorhergesehen habe.«
Ich reiche meinen Teller an meinen Mannschaftskameraden Easy weiter, der meinen Blick für einen Sekundenbruchteil festhält und alles übermittelt, was ich im Moment empfinde.
Zum Teufel mit diesem Typen. Er ist nur ein reiches Arschloch mit einem großen Mundwerk und einem kleinen Schwanz. Riesenklappe, aber er würde sich in die Hosen scheißen, wenn ein Enforcer der NHL auf dem Eis ihn auch nur ansehen würde.
»Unbedingt«, antworte ich und erwidere Bills Grinsen.
Ich spiele mit und warte, bis er ein Selfie gemacht hat, mit dem er zufrieden ist. Dann geht er, ohne sich auch nur von uns zu verabschieden, um sich unter die anderen Devils-Spieler und die Förderer der Devils-Stiftung zu mischen.
»Zumindest ist das Essen gut«, bemerkt Easy und klopft mir auf die Schulter, bevor er mir meinen Teller zurückgibt.
»Ja genau, von diesen Fleischbällchen könnte ich locker hundert essen«, antworte ich.
»Hier müsste von mir jetzt ein Witz kommen, richtig?« Mein Mannschaftskamerad zieht fragend eine Augenbraue hoch.
Ich lache mein erstes aufrichtiges Lachen an diesem Abend. Es ist weniger der Umstand, dass Easy etwas Witziges gesagt hat, als dass es mich daran erinnert, dass ich nicht der Einzige bin, der sich hier fehl am Platz fühlt.
Ich bin ein Junge aus ärmlichen Verhältnissen aus Kanada, der NHL-Spieler geworden ist. Auf diesem sportlichen Level sind eine Menge Geld und Macht im Spiel, und es war reines Glück, dass ich so weit gekommen bin. Nur wegen eines Stipendienprogramms habe ich überhaupt als Siebenjähriger angefangen, Eishockey zu spielen. Dieses Programm hat mir meinen Entwicklungsweg bezahlt, bis ich als Spieler auf der Highschool ein volles College-Stipendium bekam. Eishockey liegt mir im Blut, aber Reichtum ist immer noch ungewohnt für mich.
Doch Easy? Er ist ein höflicher, unter dem Namen Eric Zimmermann geborener schwarzer Frankokanadier, der bis zur Highschool noch nie einen Eishockeyschläger angefasst hatte. Für die NHL hat er eine vielversprechende Karriere als Model aufgegeben. Easy ist ein geborenes Talent in dem Spiel, und obwohl er von Natur aus kein Raufbold ist, kommt er zurecht. Er ist außerdem einer der wenigen schwarzen Spieler in der Liga.
»Ähm …«, ertönt eine leise Stimme neben uns.
Ich wende den Blick von Easy ab und einer Frau zu, die mit einem Tablett voller Drinks vor uns steht. Ich nehme an, sie erwartet, dass wir uns bedienen.
»Ah, perfekt.« Ich greife nach einer Flasche Bier. Easy tut das Gleiche.
»Danke«, sage ich im gleichen Moment, als Easy »Merci« sagt.
Ich nehme einen ordentlichen Schluck von dem Bier und genieße den Geschmack des eiskalten Getränks. Auf der anderen Seite des Raums unterhält sich mein Mannschaftskamerad Anton, dem seine Freundin Mia nicht von der Seite weicht, mit einem gut gekleideten Pärchen. Jonah, unser Torwart, und Lily, seine Frau, stehen ebenfalls bei ihnen und lächeln über die Geschichte, die Anton gerade erzählt.
Anton ist für mich wie ein Bruder. Er ist einer der wenigen Menschen, von denen ich weiß, dass er mir immer Rückendeckung gibt. Und obwohl er jetzt schon seit einer Weile einer der besten Spieler ist, hat er seine Topform erst erreicht, als er und Mia zusammenkamen. Er ist glücklicher, als ich ihn je gesehen habe, und das hat er auch verdient.
Ich dagegen? Bill hatte recht. Ich habe in letzter Zeit wirklich beschissen gespielt. Meine Flügelstürmer Anton und Luca haben mir den Rücken gestärkt. Es gibt einige scheiß selbstgefällige Sportreporter, denen es Spaß macht, öffentlich darüber zu berichten, dass ich auf dem Spielfeld nicht mehr derselbe bin, seit Kristen Moore mir den Laufpass gegeben hat.
»Du bläst doch nicht immer noch Trübsal wegen dieser Schauspielerin, oder?«, poltert Jackson Moon, als er auf Easy und mich zukommt.
Ich lächle und tue mein Bestes, seine stürmische Umarmung zu erwidern, trotz des leeren und des fast vollen Tellers, die ich in den Händen halte. Jackson ist ein früherer Devils-Enforcer. Ihn habe ich schon immer gemocht und respektiert – er ist ein Vertreter der alten Schule, mit einer schiefen Nase und einem vollen Satz Zahnkronen. Aber das ist der Grund, warum er von jedem Devils-Spieler und jedem Fan geliebt wird – er hat während seiner gesamten Karriere den ganzen Körper eingesetzt, um seine Mannschaft zu schützen.
»Ich blase überhaupt nicht Trübsal, du altes Arschloch«, sage ich herzlich.
»Gut. Auch andere Väter haben schöne Töchter, richtig?«
»Verdammt, ja genau.«
»Geht ihr später noch was trinken?« Jackson schaut zwischen mir und Easy hin und her.
»Gibst du einen aus?«
Ich kann meinen ernsten Gesichtsausdruck nur für eine Sekunde beibehalten. Jackson boxt mir gegen die Schulter, was nicht wehtut, obwohl es das könnte. Denn Ehemaliger hin oder her, dieser Typ ist ein Bär, der mich wahrscheinlich immer noch niederringen könnte – eins neunzig groß und stark wie ein Holzfäller.
»Natürlich lade ich euch ein«, bietet Jackson an.
Ich schüttle den Kopf. »Das war doch nur ein Scherz, Moon, wir kommen gerne mit.«
»Tatsächlich kann ich nicht«, sagt Easy. »Ich habe noch einen PR-Termin.«
»Dann ein andermal«, sagt Jackson zu Easy und sieht mich an. »Also nur wir zwei, Junge.«
Ich lächle und hebe mein Bier in einer zustimmenden Geste, aber eigentlich will ich nach dieser Veranstaltung einfach nur nach Hause. Mir ist danach zumute, in meiner Wohnung allein abzuhängen, mir vielleicht etwas zu essen liefern zu lassen und ein Baseballspiel anzusehen.
Easys PR-Termin ist höchstwahrscheinlich ein Dinner mit dem Mannschaftseigner und dessen Familie. Früher bin ich auch zu diesen Anlässen eingeladen worden. Aber so, wie ich in letzter Zeit gespielt habe, schätze ich, bin ich nicht länger ein Favorit. Easy ist Flügelstürmer in der zweiten Reihe. Mein Platz in der ersten Reihe war bis jetzt nie in Gefahr.
»Jackson Moon.« Ein Mann im maßgeschneiderten Anzug kommt auf uns zu, und seine Augen leuchten auf, als er der Devils-Legende die Hand schüttelt. »Es ist mir eine Ehre. Ich bin Cain McMillan. Ich erinnere mich daran, Sie mit meinem Dad und meinem Grandpa spielen gesehen zu haben.«
»Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Cain«, antwortet Jackson.
»Tatsächlich waren wir bei dem Spiel 1998, als Sie und Traynor diesen epischen Kampf ausgefochten haben. Den, bei dem Sie sich am Kopf verletzt haben. Mann, all das Blut auf dem Eis … und Sie sind wieder aufgestanden! Das werde ich nie vergessen.«
»Ja, das hat etwas wehgetan«, sagt Jackson trocken.
»Aber Traynor hat es erheblich mehr wehgetan als Ihnen.«
Jackson nickt, und Cain nimmt sich ein Bier von dem Tablett der vorbeigehenden Kellnerin. Jackson tut das Gleiche. Kevin Traynor wurde bei diesem Kampf nicht nur verletzt – er war anschließend nie mehr derselbe. Erst dachten die Ärzte, er habe sich erholt, und er stieß wieder zu seiner Mannschaft. Doch er hatte so viel an Boden verloren, dass er nicht mehr mithalten konnte. Er wurde erneut verletzt und hat letztlich seine Karriere früh beendet.
Das ist auch eine meiner Ängste neuerdings – so schwer verletzt zu werden, dass ich gezwungen bin, das Spielen aufzugeben, und das, wo ich ohnehin schon in einer Abwärtsspirale stecke – mit meiner Torbilanz im Keller und meinem Job auf der Kippe.
Doch es würde nie jemand darauf kommen, dass ich solche Gedanken habe. Ich mische mich wie gewöhnlich unters Volk, rede mit den Typen über Eishockey und lasse mich Krankenhauspatienten vorstellen, die an der Veranstaltung teilnehmen können, weil die Stiftung Geld für ein Kinderkrankenhaus in Chicago sammelt. Ich unterschreibe auf Trikots und Pucks, lächele für Fotos und repräsentiere meine Mannschaft so gut ich kann. Obwohl ich mir wie ein Hochstapler vorkomme, lasse ich es mir nicht anmerken.
Als die ersten Leute gehen, sehe ich, dass Easy zusammen mit dem Mannschaftseigner und seiner Frau den Raum verlässt. Ich missgönne ihm das nicht. Easy ist ein guter Kerl. Aber es tut trotzdem weh zu sehen, dass Anton und Luca mit ihnen gehen.
Darum geht es hier also. Es ist eine Art Testlauf, um Anton und Luca für die Idee zu gewinnen, Easy in der ersten Reihe zu haben und nicht mehr mich. Ich atme tief aus, frustriert über diese Wendung der Ereignisse, obwohl ich mir das mit meinem beschissenen Spiel selbst zuzuschreiben habe.
»Hey, Mann!« Jackson schlägt mir auf die Schulter. »Das wird schon.«
Ich nicke.
»Gehen wir etwas Dampf ablassen«, schlägt er vor und kippt den Rest seines Biers herunter.
Ich ziehe mein Telefon aus der Tasche, um zu schauen, wie spät es ist, und mein Puls rast, als ich die Textnachricht sehe.
Wir müssen uns heute Abend treffen. Du hast eine Stunde, um anzurufen oder mir eine Nachricht zu schicken.
Scheiße! Vor ein paar Monaten kam schon mal so eine Nachricht, also bin ich nicht unbedingt überrascht. Aber ausgerechnet heute Abend. Ich fühle mich ohnehin schon beschissen, und jetzt muss ich mich auch noch damit herumschlagen.
»Hey, Jackson, tut mir leid, aber es hat sich etwas ergeben, worum ich mich kümmern muss.«
»Du lässt mich hängen?« Er grinst. »Das sollte besser ein unanständiges Angebot sein, Vic.«
In dem Laut, der mir über die Lippen kommt, als ich lachen will, liegt kein bisschen Heiterkeit. »Schön wär’s. Es ist nichts Unterhaltsames.«
»Okay. Kein Problem, Bro.«
»Können wir es stattdessen auf morgen Abend verschieben? Dinner und Drinks?«
»Ja, das kann ich einrichten«, antwortet er.
»Wunderbar. Ich schicke dir morgen eine SMS.«
Jacksons Gesichtsausdruck wird ernst. »Kommst du klar?«
»Ja sicher, danke.«
Wir verabschieden uns voneinander, und während ich das Gebäude durch das Treppenhaus verlasse, statt den Aufzug zu nehmen, um den vielen Leuten nicht über den Weg zu laufen, lockere ich meine Krawatte und seufze, dankbar dafür, dass der gesellige Teil meines Abends vorüber ist. Jetzt muss ich mich mit der einzigen Person auf dieser Welt treffen, die ich hasse. Aber zumindest muss ich da nicht lächeln oder so tun, als wäre alles großartig.
Ich komme tatsächlich klar. Ich habe schon Schlimmeres durchgestanden. Aber verdammt, ich bin gerade betrogen und abserviert worden, und das vor den Augen des gesamten Internets. Die Schlagzeilen waren gnadenlos, und die Fotografen kannten keine Skrupel. Es wäre nett, wenn meine Karriere auf eine etwas weniger öffentliche Weise den Bach runtergehen würde.
Nett, aber unwahrscheinlich.
Die heißen Tage in Chicago vermisse ich nicht, aber der Sommer in der South Side hat einige Qualitäten an sich, die mich an diesem frühen Oktoberabend mit einer gewissen Wehmut erfüllen. Der Weg von meiner Haltestelle nach Hause ist jetzt ruhiger, da die Kinder wieder zur Schule gehen. Kein Herumspritzen in Pools mehr, kein Rennen durch Rasensprenger oder spontane Straßenhockeyspiele.
Es sitzen immer noch Leute auf ihrer Veranda – das ist hier eine ganzjährige Sache. Da alle Häuser schmal sind und dicht aneinanderstehen, kann jeder die Verandagespräche mithören, die beim Bier geführt werden. Ich musste mir schon etliche abendliche Streitereien des Pärchens von nebenan anhören.
Ich bin froh, dass ihr Haus dunkel ist, als ich das Tor im Maschendrahtzaun unseres Vorgartens öffne und die Treppe zu dem kleinen weißen Bungalow hinaufgehe. Ich bin müde. Ich wünsche mir nichts mehr, als mir den Tag und alle Überreste von dem blauen Slush-Eis abzuwaschen und dann im Bett ein Buch zu lesen.
Als ich das Haus betrete, dringt sofort eine Schimpftirade über den Sox-Spieler, der gerade am Schlag ist, an mein Ohr. Ich schaue ins Wohnzimmer und sehe das Spiel auf dem Fernsehschirm laufen.
»Wollen die uns mit diesem Typen verarschen?«, grölt Chuck, ein Freund meines Dads. »Meine Grandma hat größere Eier als Hollinsworth. Der Ball hat in der letzten Saison kaum den Rand seines Helms berührt – hat nicht mal sein Gesicht getroffen –, und er ist die nächsten fünf verdammten Spiele draußen.«
»Hi, Leute«, sage ich zu meinem Dad und seinen drei Freunden, als ich an ihnen vorbei in die Küche gehe.
»Lindy, sogar du würdest besser treffen als dieser Typ«, ruft Chuck mir hinterher.
Alle stöhnen unisono.
»Welcher verdammte Idiot zielt bei so einem Wurf?«, ruft mein Dad. »Das war mindestens dreißig Zentimeter außerhalb der Strike Zone.«
»Ja, schäm dich, Hollinsworth«, sagt Don, ein weiterer Freund meines Dads. »Besorg dir schon mal einen Sarg.«
Mein Dad und seine Freunde, Chuck und Don, sind eingefleischte Chicagoer Sportfans. Sie haben sich, seit ich klein war, jedes vom Fernsehen übertragene Spiel angesehen – Baseball, Football, Basketball und Eishockey –, das nicht mit ihrer Arbeitszeit kollidierte. Letztes Jahr haben sie einen Typen namens Jerry zum Mitschauen eingeladen, der ungefähr in meinem Alter ist und der mit Don im Sägewerk arbeitet. Bisher war Jerry ziemlich still – nicht, dass die anderen drei ihm viel Gelegenheit geben würden, etwas zu sagen.
Ich habe einen Bärenhunger. Ich suche die Küchentheke nach Resten vom Abendessen ab, aber alles, was ich sehe, sind ungefähr ein Dutzend leere Old-Style-Dosen und eine offene Tüte Käsebällchen.
»Im Kühlschrank ist Pizza!«, ruft mein Dad.
Mein Magen knurrt zustimmend. Mein Dad bestellt Pizza immer nur bei Tony’s, einer Pizzeria um die Ecke, und es ist die beste. Ich öffne den Kühlschrank und hocke mich davor, um ein großes Stück New-York-Pizza Peperoni aus der Schachtel zu nehmen.
»Wie war die Arbeit, Lindy?«, fragt mein Dad.
Ich will gerade wie immer murmeln, dass alles in Ordnung war, als mein Dad zusammen mit Chuck und Don in ein weiteres lautes Stöhnen ausbricht.
»Verdammter Lowe!«, ruft Dad. »Der Typ könnte Unterricht darin geben, in ein Double Play zu schlagen. Herrgott! Endlich haben wir einen Mann auf der Base, und er vermasselt es.«
An die in die Jahre gekommene gelbe Resopaltheke gelehnt, esse ich schweigend meine Pizza. Auch im Wohnzimmer ist es still, da die Werbepause angefangen hat. Das Knacken und Zischen von Dosen, die geöffnet werden, ertönt, als Dad, Don und Chuck nach frischem Bier greifen.
Das Stück Tony’s Peperoni-Pizza ist der Höhepunkt meines Tages. Den Morgen und den Nachmittag habe ich damit verbracht, Böden zu schrubben und Dutzende von Ketchup-, Senf- und Würzsoßenbehälter aus Edelstahl auszuwaschen, deren Geruch mir in die Haut gezogen ist. Dann war da der Zwischenfall mit der Slush-Maschine. Also wissen all meine Kollegen jetzt, wie ich in einem Wet-T-Shirt-Contest aussehen würde. Oh, und mein ätzender Boss ebenfalls.
Und so schlimm das war, das bei Weitem Schlimmste war der Anblick von Victor bei dem VIP-Event heute Abend. Schon einfach nur im selben Raum zu sein wie er hat mein Herz rasen lassen. Ich habe ihn während meiner Zeit im Carson Center immer mal wieder gesehen, aber nie aus nächster Nähe wie heute Abend. Heute Abend habe ich herausgefunden, dass seine Augen nicht einfach nur blau sind, wie ich es auf Fotos gesehen habe, sondern tausend Schattierungen von Indigo, Meer- und Kornblumenblau haben und dass die Farben perfekt verschmelzen und mich gefangen halten können.
Ich wusste, dass er groß ist – Victor ist eins siebenundachtzig –, aber heute Abend hatte ich Gelegenheit, seine Körpergröße zu spüren. Als ich hinter meinem Tablett hochgeschaut habe, gefühlte zwanzig Zentimeter kleiner als er, hat mein Magen sich nervös zusammengekrampft, weil ich mir vorgestellt habe, wie er mich umarmt. Meine Wange würde dabei an der unendlich himmlischen Stelle zwischen seiner Brust und seiner Schulter liegen.
Sein kurzes blondes Haar war ein kontrolliertes Durcheinander und an manchen Stellen stachelig. Mir fingen die Hände leicht an zu zittern, als ich mich fragte, wie es wäre, mit den Fingerspitzen durch dieses Haar zu fahren.
Ich war ihm nah genug, um den schwachen sandbraunen Bartschatten auf seinem Kinn zu sehen. Ich glaube, ich habe ihn sogar gerochen – da war ein Hauch von einem dezenten, holzigen Duft –, aber ich bin mir nicht sicher, ob es nicht vielleicht einer der beiden anderen Typen war, mit denen er geredet hat.
Ob es nun sein Geruch war oder nicht, in dem ich geschwelgt habe, heute Abend bin ich Victor Allen Lane näher gekommen, als ich es mir je hätte träumen lassen. Und er hat mich nicht einmal angeschaut.
Ich habe gute fünf Minuten gebraucht, um den Mut zusammenzubringen, mich ihm und Easy zu nähern. Als ich es das erste Mal versucht habe, waren die Drinks auf meinem Tablett weg, bevor ich sie erreichen konnte. Also habe ich Nachschub geholt, mir noch einmal gut zugeredet und bin direkt zu ihnen hinübergegangen.
Als Victor die Drinks sah und sagte: »Ah, perfekt«, hätte ich fast mein Tablett fallen lassen, weil ich mir eingebildet habe, er rede von mir. Ich weiß, dass sein »Danke« an mich gerichtet war, aber das hätte er zu jeder Kellnerin gesagt.
Er hat mich nicht einmal angesehen. Ich dachte, ich wollte nicht, dass er es tut, weil ich ein mit Ketchup, Senf und Slush-Eis besudeltes Wrack war. Aber es fühlte sich noch schlimmer an, unsichtbar zu sein.
Was hatte ich erwartet? Ich bin die Aushilfe. Diese Veranstaltung war für reiche, berühmte Leute, die an die Devils-Stiftung spenden, dafür gedacht, dass sie Devils-Spieler kennenlernen. Meine einzige Rolle war es, ein Tablett mit Getränken durch den Raum zu tragen und es nicht fallen zu lassen.
Victor ist das Objekt meiner Zuneigung, seit er vor vier Jahren zu den Devils gewechselt ist. Damals habe ich angefangen, etwas über den neuen Stürmer unserer Mannschaft zu lesen, und je mehr ich las, umso mehr mochte ich ihn.