CHINESISCHE GEISTER - Lafcadio Hearn - E-Book

CHINESISCHE GEISTER E-Book

Lafcadio Hearn

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Beschreibung

Uebersetzung und Ueberarbeitung des 1887 erschienenen Buchs 'Some Chinese Ghosts' von Lafcadio Hearn. Bei seiner Auswahl von chinesischen Geistergeschichten hat er sich, wie er selbst im Vorwort sagt, auf die Suche nach unheimlichen und ausgefallenen Legenden begeben, die, in ihrer uebernatuerlichen Art, mehr als nur reine Furcht oder Horror erzeugen sollen. Manche wuerden hier, im westlichen Sinne, gar keine Geistergeschichten sehen. Sie beschreiben eher chinesische Empfindungen und Religion, mit unterschiedlicher Moral und unterschiedlichen Konsequenzen. Wenn Sie wissen wollen, wo der Tee oder das Porzellan herkommen, sie sind hier richtig. Die passenden Geister und Goetter gibt's gleich dazu. Inhalt: Die Seele der großen Glocke, Die Geschichte von Ming-Y, Die Legende von Tchi-Niu, Die Rueckkehr von Yen-Tchin-King, Die Tradition der Tee-Plantage, Die Geschichte vom Porzellangold. Mit zahlreichungen ergänzenden Erlaeuterungen im Text.

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Chinesisches Schriftzeichen für Geist (Guĭ)

INHALT

Vorwort zur Übersetzung

Vorwort des Originalautors

Die Seele der großen Glocke

Die Geschichte von Ming-Y

Die Legende von Tchi-Niu

Die Rückkehr von Yen-Tchin-King

Die Tradition der Tee-Plantage

Die Geschichte vom Porzellangold

VORWORT ZUR ÜBERSETZUNG

Patricio Lafcadio Tessima Carlos Hearn, dessen späterer, japanischer Name (Koizumi Yakumo) lautete, wurde im Jahre 1850 auf Lefkas in Griechenland geboren. Gestorben ist er 1904 in Tokio, Japan.

Er ist ein Schriftsteller irischgriechischer Abstammung. Sein Anglo-Irischer Vater war Chirurg in der britischen Armee, seine Mutter Griechin.

Lafcadio Hearn und Ehefrau Koizumi Setsu

Als er zwei Jahre alt war, brachte sein Vater ihn und die Mutter nach Dublin zu einer Großtante. Seine Mutter war dort so unglücklich, dass sie die Familie verließ und verschwand. Sein Vater starb 1866 auf dem Weg nach Indien an Malaria.

1869, im Alter von 19 Jahren ging er nach Amerika. Dort arbeitete er zunächst in einer Druckerei und ließ sich schließlich als Zeitungsreporter in New Orleans nieder; in dieser Zeit begann er auch aus dem Französischen und Spanischen zu übersetzen. Zuletzt arbeitete er als Journalist in New York.

Seine Abneigung gegen den westlichen Materialismus und die Hektik in New York brachte ihn über die West Indies nach Japan, wo er für eine englische Zeitung arbeitete und später als Lehrer tätig war. Er heiratete dort Koiumi Setsu, die Tochter eines echten, aber verarmte Samurai, mit der er eine Tochter und drei Söhne hatte, und wurde japanischer Bürger und Buddhist; den eigenen Namen änderte er in Koizumi Yakumo und nahm dabei den Familiennamen seiner Frau an.

Seine stetige Suche nach Schönheit, Ruhe, wohltuenden Gewohnheiten und dauerhaften Werten, machten ihn zu einem Freund Japans, und seine Werke haben das westliche Bild von Japan, im beginnenden 20. Jahrhundert, entscheidend mitgeprägt. Im Tokioter Stadtteil Ōkubo ist an seinem ehemaligen Wohnhaus eine Gedenktafel angebracht. Eine späte Ehrung erfuhr er auch auf seiner griechischen Geburtsinsel Lefkas, wo 2014 das Museum 'Historisches Zentrum Lafcadio Hearn' eröffnet wurde.

Das hier nun in der Übersetzung und Überarbeitung vorliegende Werk, noch nicht mit japanischem, sondern chinesischen Bezug, stellte er im Jahre 1886 fertig, während seiner Zeit in New Orleans, ein Jahr vor seiner Abreise zu den West Indies und vier Jahre, bevor er 1890 in Japan landete, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Bei seiner Auswahl von chinesischen Geistergeschichten hat er sich, wie er selbst im eigenen Vorwort sagt, auf die Suche nach unheimlichen, ausgefallenen Geschichten begeben, die, in ihrer übernatürlichen Art, mehr als nur reine Furcht oder Horror erzeugen sollen.

Literarisch Interessierte weisen immer wieder darauf hin, dass er mit 'Some Chinese Ghosts' nicht die Qualität erreicht hat, wie insbesondere mit seinem Werk 'Kwaidan' – Geistergeschichten und seltsame Erzählungen aus dem alten Japan (1903). Zu dieser Zeit hatte er aber bereits länger in Japan gelebt und gearbeitet, sodass er hier natürlich einen wesentlich engeren Zugang hatte.

Bei 'Some Chinese Ghosts' hingegen, hatte er sich, fern von Land und Leuten in China, auch auf Quellen gestützt, die bereits Übersetzungen und individuelle Erweiterungen chinesischer Geschichten in andere Sprachen waren; in einem Fall bezieht er sich auf einen Bericht des Baltendeutschen Emil Brettschneider, Gesandschaftsarzt an der russischen Botschaft in Peking, wobei dessen eigene Vorlage möglicherweise gar nicht chinesischen Ursprungs ist.

Manche würden hier, im westlichen Sinne, auch keine Geistergeschichten sehen. Sie beschreiben eher chinesische Empfindungen und Religion, mit unterschiedlicher Moral und unterschiedlichen Konsequenzen.

Kritik kommt gelegentlich zum Schreibstil im Original, den mancher, in heutiger Zeit, nur noch als bedingt lesbar empfindet. Den viktorianisch verklärten Stil wesentlich zu verändern, würde aber weder dem Autor gerecht, noch dem Flair des Buches aus dem Jahre 1886/1887. Zu bedenken ist auch, dass der gewöhnliche Leser heute anders an solche Geschichten herangeht als im Viktorianischen Zeitalter, wo man abends noch bei Kerzenschein gelesen hatte.

Im Originalbuch findet man am Ende einige Anmerkungen des Autors bezüglich seiner Quellen, persönliche Feststellungen und Interpretationen von Zusammenhängen, kulturelle und geschichtliche Hinweise und andere Informationen. Einerseits sind sie ohne rechten Wert für die reine Unterhaltung durch das Buch, andererseits aber auch zu generell für den historisch im Detail Interessierten. Diese Passage wurde deshalb weggelassen.

Lafcadio Hearn hat in seinem Buch auch ein Glossar angefügt, das bestimmte Begriffe und geschichtliche Bezüge erläutert, was für das Verständnis auch unbedingt notwendig ist. Diese Anmerkungen wurden hier, um umständliches Blättern zu vermeiden, gleich in den Text eingearbeitet [ … ], zusammen mit einigen weiteren, relevanten Erklärungen, soweit es möglich war. Dies geschah – ganz bewusst – in kurzer und sehr genereller Weise, um primär das Lesen zu erleichtern und nicht, um einen wissenschaftlichen Beitrag zur Sinologie oder zum Buddhismus zu leisten. Die 'Fachleute' mögen das verzeihen.

Diejenigen, die das dennoch interessiert, können stets auf das Original zurückgreifen, das in zahlreichen Ausführungen (Nachdrucken) leicht zu erhalten ist.

Vorwort des Originalautors

Ich denke, meine beste Entschuldigung für das geringe Volumen dieses Buches, ist der einzigartige Charakter des Geschichtenmaterials, aus dem es besteht. Bei der Zusammenstellung habe ich ganz bewusst und speziell nach Legenden von unheimlicher und ausgefallener Schönheit gesucht.

Ich konnte auch diese eindrucksvolle Erfahrung nicht vergessen, die ich bei Sir Walter Scott gemacht hatte, in seinem 'Essay on Imitations of the Ancient Ballad' (Abhandlung über Nachahmungen der antiken Balladen): Das Übernatürliche, obwohl reizvoll für bestimmte, starke Emotionen, die breit und tief über die menschliche Rasse gestreut sind, ist wie eine Feder, die anfällig ist, ihre Elastizität zu verlieren, wenn man zu sehr auf ihr herumdrückt.

Denjenigen, die sich wissbegierig mit der chinesischen Literatur als Ganzes vertraut machen wollen, wurde der Weg sanft geebnet, durch Arbeiten von Sprachwissenschaftlern wie Julien, Pavie, Rémusat, De Rosny, Schlegel, Legge, Hervey-Saint-Denys, Williams, Biot, Giles, Wylie, Beal, und vielen anderen Sinologen.

Diesen großen Forschern gehört in der Tat das Fachgebiet der Cathayischen Geschichte, aufgrund ihrer Entdeckungen und Eroberungen [Cathay oder ähnlich, ist der alte, von Marco Polo verwendete Name für China].

Jedoch, der bescheidene Reisende, der ihnen erstaunt nachfolgt, in den weiten und mysteriösen Parkanlagen der chinesischen Fantasie, sollte durchaus das Recht haben, einige der wunderbaren Blumen zu pflücken, die dort wachsen – eine selbstleuchtende hwa-wang, eine schwarze Lilie, eine Phosphor-Rose – oder zwei – als Souvenir seiner neugierigen Reise.

New Orleans, den 15. März 1886.

L.H.

AN MEINEN FREUND HENRY EDWARD KREHBIEL:

DER MUSIKER

und zu den umherwandernden Tsing-jin [Männer der Tsing-Dynastie], die eine goldene Hautfarbe haben,

er brachte sie dazu, seltsame Töne auf der San-Hien [schlangenhautbezogene, dreisaitige Gitarre] hervorzubringen,

überredete sie, um mir etwas auf der kreischenden Ya-Hien [eine Violine] vorzuspielen,

bestand darauf, dass sie mir ein Lied aus ihrer Heimat vorsingen, das Lied von Mohlí-Hwa, das Lied von der Jasminblume

Kapitel 1

Die Seele der großen Glocke

Sie hatte gesprochen, und ihre Worte klangen noch in seinen Ohren.

Hao-Khieou-Tchouan: c. ix.

Die Wasseruhr zeigt die volle Stunde an, im Ta-chung sz – im Tempel der großen Glocke. Der Hammer wird hochgehoben, um auf den Glockenschlagring des großen, metallenen Monsters zu schlagen. Der riesige Rand ist mit buddhistischen Texten aus dem geweihten Fa-hwa-King [Lotus Sutra, Lotusblume von Gottes Gesetz] versehen, aus den Kapiteln des heiligen Ling-yen-King. Hört, wie die große Glocke antwortet! Wie mächtig ihre Stimme ist, obwohl sie keine Zunge hat! Sie sagt: KO-NGAI!

All die kleinen Drachen, auf den stark geneigten Traufen der grünen Dächer zittern unter der tiefgehenden Klangwelle, bis zur Spitze ihrer vergoldeten Schwänze. Alle Porzellan-Wasserspeier wackeln auf ihren geschnitzten Sitzstangen. All die hundert kleinen Glocken in den Pagoden vibrieren in ihrem Verlangen zu sprechen. KO-NGAI! All die grünen und goldenen Ziegel des Tempels wackeln. Die hölzernen Goldfische über ihnen winden sich zum Himmel. Der hochgestellte Finger von Fo [einer der vielen Namen Buddha in den verschiedenen chinesischen Dialekten] wackelt hoch über den Köpfen der Gläubigen durch den blauen Dunst des Weihrauchs. KO-NGAI!

Was für ein donnernder Klang war das! All die lackierten Kobolde auf der Mauerbrüstung des Palastes lassen ihre feuervergoldeten Zungen zappeln. Wie wundersam sind das mehrfache Echo und das große, goldene Stöhnen nach jedem Schlag, und schließlich das zischende Schluchzen in den Ohren, wenn der gewaltige Klang abklingt, in ein gebrochenes, silbriges Flüstern – so, als würde eine Frau leise sagen: Hiai!

Die große Glocke hat jeden Tag geschlagen, für nahezu fünfhundert Jahre – Ko-Ngai. Zuerst mit gewaltigem Dröhnen, dann mit grenzenlosem, goldenem Stöhnen, dann mit einem silbernen Gemurmel eines Hiai. Es gibt es kein einziges Kind in der bunten, alten chinesischen Stadt, das die Geschichte der großen Glocke nicht kennen würde – das dir nicht erzählen könnte, warum die große Glocke Ko-Ngai und Hiai sagt.

Nun, hier ist die Geschichte der großen Glocke in dem Ta-chung-sz [Tempel der Glocke], wie er in den Pe-Hiao-Tou-Choue [hundert Beispiele unendlicher Frömmigkeit] genannt wird, aufgeschrieben von dem Gelehrten Yu-Pao-Tchen, aus der Stadt Kwang-tchau-fu.

Weiterhin bestimmte er, dass der Klang der Glock mit Messing verstärkt, mit Gold vertieft und mit Silber versüßt werden sollte.

Die Oberseite des großen Rands sollte mit gesegneten Sprüchen aus den heiligen Büchern graviert werden. Dann sollte sie im Zentrum der kaiserlichen Hauptstadt hängen, um so durch die bunten Straßen der Stadt Peking zu erklingen.

Aus diesem Grund hatte der ehrenwerte Mandarin Kouan-Yu die Meistergießer und die berühmten Glockenmacher des Reichs zusammengerufen, und all die Männer von großem Ansehen und Schlauheit im Gießereigewerbe. Sie berechneten die Materialien für die gesamte Legierung und behandelten sie sorgfältig. Sie bereiteten die Gussformen vor, die Feuerstätten, die Werkzeuge und den monströsen Schmelztiegel für die zu vermengenden Metalle. Sie arbeiteten über alle Maßen, wie Giganten – die nur Pausen, Schlaf und die Annehmlichkeiten des Lebens vernachlässigten. Sie schufteten Tag und Nacht in Gehorsam gegenüber Kouan-Yu und strebten danach, alles zur größten Zufriedenheit des Sohns des Himmels zu machen.

Als die Metallmischung gegossen war und die irdene Gussform von der glühenden Masse getrennt wurde, entdeckte man, dass trotz ihrer großen Anstrengungen und unablässigen Sorgfalt, das Ergebnis wertlos war. Die Metalle hatten gegeneinander rebelliert – das Gold sträubte sich gegen die Verbindung mit dem Messing, und das Silber wollte sich nicht mit dem geschmolzenen Eisen vermischen. Deshalb musste man die Gussformen noch einmal herrichten, die Feuer erneut anfachen, das Metall noch einmal schmelzen und die ganze Arbeit noch einmal langwierig und mühsam wiederholen.

Der Sohn des Himmels hörte davon, war verärgert, aber sagte nichts dazu.

Die Glocke wurde zum zweiten Mal gegossen, aber das Ergebnis war noch schlechter. Die Metalle weigerten sich hartnäckig, sich miteinander zu vermengen. Es gab keine Gleichmäßigkeit in der Glocke und die Seiten von ihr waren gebrochen und rissig. Der Rand war verschlackt und auseinandergebrochen. So mussten all die Arbeiten ein drittes Mal gemacht werden, zum großen Unmut von Kouan-Yu.

Als der Sohn des Himmels davon hörte, war er noch verärgerter als zuvor. Er schickte seinen Boten mit einem Brief zu Kouan-Yu, der auf zitronengelb gefärbter Seide geschrieben war, versehen mit dem Siegel des Drachen, und diese Worte enthielt:

Von dem Mächtigen Yong-Lo, der erhabene Taint-Sung, der Himmlische und Majestätische, dessen Regentschaft 'Ming' genannt wird – an Kouan-Yu, dem Fuh-Yin [hoher chinesischer Titel, Bürgermeister]: Bereits zweimal hast du das Vertrauen missbraucht, dass wir gnädig in dich gesetzt haben. Wenn Sie du ein drittes Mal versagst, soll dir der Kopf vom Hals getrennt werden. Zittere und gehorche!