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Ausgerechnet am Welt-Toilettentag verwüstet jemand das prunkvolle stille Örtchen der Schule und setzt dabei einiges unter Wasser! Chloé und ihre Freunde haben sofort eine Vermutung, wer dahinterstecken könnte: Niemand hat das Klo auf dem Gewissen! Herr Niemand, wohlgemerkt, der neue Hausmeister. Der sieht ja auch schon aus wie ein Ganove! Als sich sein seltsamer Sohn Heikomir in Schulprinzessin Angelique verknallt, schmiedet Chloé einen Plan. So ein erstes Date bietet doch eine super Gelegenheit, diesem verdächtigen Duo auf die Schliche zu kommen … Sie hat am Welttoilettentag Geburtstag und sammelt kuriose Fakten über Toiletten – und wenn Freunde sich in Not befinden, kennt Chloé kein Pardon! Die neue Mädchenbuchreihe der Scary Harry-Autorin mit vielen witzigen Illustrationen von Vera Schmidt!
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Seitenzahl: 159
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Ein übler Zwischenfall
Heute, und das ist wirklich eine Ausnahme, bin ich einfach nur glücklich. Das liegt einerseits daran, dass der Welttoilettentag, und somit mein Geburtstag, vor der Tür steht. Andererseits daran, dass meine Clique in den letzten Wochen gewachsen ist. Denn seit dem Schulfest habe ich eine neue Freundin: Ihr Name ist Pauline Schramm und sie ist ziemlich schräg. Und das nicht nur, weil sie ein Faible für uralte Disneyfilme und gesundes Essen hat, sondern auch, weil sie die schlimmste Zimtzicke jenseits von Paris zur Stiefschwester hat: Ich spreche von niemand Geringerem als Angelique – unserer hübschen blonden Schulstreberin, die mit ihren zwölf Jahren schon mehr Schminkzeug besitzt als meine Tante Trude. Und das will etwas heißen, immerhin stellt Tante Trudes Glitzerschminke jedes Jahr am 24.Dezember selbst Mamas Christbaumschmuck in den Schatten.
Mit Pauline als neuer Freundin habe ich also allen Grund, voll und ganz zufrieden zu sein. Das ist richtig ungewöhnlich, denn normalerweise gibt es immer irgendetwas, das mich beschäftigt. So ticke ich nun mal, alle die mich kennen, wissen das. Für den Fall, dass ihr noch nicht dazugehört, gar kein Problem. Ich bringe euch auf den neuesten Stand: Meine Wenigkeit, Chloé, bald zwölf Jahre alt, fasziniert von Toiletten aller Art und stolze Verfasserin der ersten weltweiten EnzyKLOpädie, dem gigantischen Nachschlagewerk zum Thema Bedürfnisanstalt, halte normalerweise nie meine Klappe. Und nicht nur das – ich bin sogar ziemlich frech und vorlaut. Das liegt daran, dass bei uns am Notburga-von-Sorgenfrey-Gymnasium immer etwas los ist und Dinge passieren, zu denen man einfach seinen Senf geben muss. Zum Beispiel, wenn mein bester Kumpel Ernst Fröhlich wieder einen seiner genialen (so genial sind sie aber meistens nicht, seid versichert!) Streiche spielt. Oder wenn auf der Mädchentoilette ein neues Gerücht die Runde macht. Oder Angelique einen Schreianfall bekommt, weil ihr überraschend ein Pickel wächst.
Aber soll ich euch was sagen? Seit wir wissen, dass sie gerne Einhorn-Unterhosen trägt, finden wir sie doch ein wenig sympathischer. Außerdem hat sie heute, während unser Direktor Oberhauser die kranke Englischlehrerin Frau Kümmel vertritt, noch keinen einzigen schleimerischen Kommentar von sich gegeben. Sie ist zwar immer noch eingebildeter als unser Schul-Perserkater Giovanni (wenn sie verärgert ist, schneidet sie eine Grimasse und sieht ihm dabei erschreckend ähnlich) und hängt ausschließlich mit Marie und Jacqueline, ihrem französischen Hofstaat, herum – aber vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung für Angelique.
Im Gegensatz zu Angelique beteiligen sich die Jungs heute so aktiv am Unterricht wie noch nie zuvor. Die Hand jedes einzelnen männlichen Wesens unserer Klasse streckt sich zur Decke, als gäbe es eine Xbox für denjenigen zu gewinnen, den Direktor Oberhauser zuerst drannimmt. Ernst kann sich beim Melden fast nicht mehr beherrschen und gibt ein jämmerliches Winseln von sich, während seine Hand verzweifelt durch die Luft rudert.
Okay, ich gebe zu, das ist ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich. Normalerweise sind die Jungs im Unterricht entweder kurz vorm Einschlafen, zücken unerlaubt ihre Handys, zerkauen ihre Stifte, bemalen Radiergummis oder zeichnen blutrünstige Comics in ihre Schulbücher. Bestimmt fragt ihr euch jetzt, was wir in der Vertretungsstunde durchnehmen, das die Jungs dermaßen in Aufregung versetzt. Und nein, wir haben heute weder Aufklärungsunterricht, noch planen wir einen Ausflug ins Disneyland. Heute geht es schlicht und ergreifend um unser neues Jungsklo. Genauer gesagt darum, wie es später einmal aussehen könnte.
»Eine Bowlingbahn! Das Jungsklo braucht unbedingt eine eigene Bowlingbahn«, schreit Sven aus der letzten Reihe und erntet dafür begeisterte »Wuhuu!«-Rufe seiner Kumpels. »Und wenn das nicht geht, Herr Direktor, dann zumindest den Stereoblaster 3000, diese spitzenmäßige Ultra-Hightech-3.000-Watt-Bluetooth-Soundanlage mit integrierter Smartphone-Dockingstation.«
»Eine was?« Unser Direktor Oberhauser, den wir alle meistens Oberhäusl nennen, guckt verdattert in Svens Richtung und hat offensichtlich kein Wort verstanden.
»Eine Musikanlage«, übersetzt Angelique und rollt mit den Augen.
»Ach, eine Musikanlage.« Oberhäusl lässt die Brille auf die Nase gleiten und macht sich Notizen. »Mit der Bowlingbahn wird es nicht klappen, dafür ist der Platz auf der Jungstoilette zu klein. Aber das mit der Musikanlage können wir vielleicht einrichten. Allerdings mit einer Lautstärkenbegrenzung, immerhin ist das hier eine Schule.«
»Fehlt nur noch eine Dartscheibe«, ergänzt Jonas.
»Und ein Tischkicker«, schallt es aus den hinteren Reihen.
»Oh ja!« Jonas’ Augen leuchten wie sonst nur am letzten Schultag vor den Sommerferien. »Und eine Minibar. Wo es eisgekühlte, kostenlose Cola gibt.«
»Und Bier!«, ergänzt Paul. Paul ist schon vierzehn und wiederholt zum zweiten Mal.
»Bier?«, wiederholt Oberhäusl. Zum ersten Mal seit ich ihn kenne, wirkt unser Direktor regelrecht entsetzt, dabei bringt ihn sonst nichts so schnell aus der Fassung. »Ich glaube, ich höre nicht richtig! Das ist eine Schultoilette und kein Kneipenklo!«
»Was wäre, wenn wir dem Klo ein Thema verpassen?« Endlich kommt Ernst zu Wort. »Eine Grusel-Toilette. Stellt euch das mal vor! Schwarze Klobrillen, Fledermäuse, Spinnweben und Skelette, die von der Decke baumeln. Wie in der Geisterbahn.«
»Ein Jungsklo ist ohnehin gruselig genug, ganz ohne Special Effects«, mische ich mich in die hitzige Diskussion ein. »Dort stinkt’s nämlich. Und ekelhaft ist es auch, nebenbei bemerkt.«
»E-KEL-HAFT? Was soll das denn heißen?«, empört sich Ernst und funkelt mich an, als würde er mir am liebsten auf der Stelle die Freundschaft kündigen. »Jungs sind viel reinlicher, als ihr Mädchen denkt. Wir sind doch keine Schweine.«
»Schweine sind außerdem äußerst saubere Tiere«, ergreift noch Herr Direktor Oberhäusl für die Jungs Partei. Wie es aussieht, habe ich ihn gerade persönlich beleidigt – wahrscheinlich kein Wunder, immerhin ist er ebenfalls ein Junge, wenn auch schon ein ziemlich alter.
»Na … dann seid ihr eben keine Schweine … sondern Stinktiere!«, mischt sich Melanie ein. Meine beste Freundin Melanie ist ein wandelndes Lexikon und weiß alles über Tiere. »Wusstet ihr, dass Skunks am Hinterteil zwei Ausgänge besitzen, mit denen sie furchtbare Gerüche absondern können?«
»Gleich zwei Ausgänge?«, kichert Paul und stupst Ernst an. »Ist ja abgefahren.«
Aber Ernst hört gar nicht hin. Stattdessen dreht er sich rum und funkelt Melanie verärgert an. »Stinktiere? Bei dir piept’s wohl, Mel. Wir Jungs wissen sehr wohl, wie man einen Klobürste benutzt, stimmt’s, Freunde?«, fragt Ernst in die Runde. Einige Jungs nicken zögerlich, andere wiederum machen ein Gesicht, als würden sie Klobürsten nicht mal mit der Kneifzange anfassen.
»Na und? Jungs sind trotzdem widerhaft, da hat Chloé recht«, wirft nun auch Katja ein. Meine zweite beste Freundin hat immer einen coolen Spruch auf Lager. Außerdem hat sie neuerdings eine Vorliebe für das Erfinden eigener Worte, so wie diese Mischung aus widerlich und schauderhaft. »Selbst wenn sie wissen, was eine Klobürste ist. Oder ein Pümpel!«
»Hä? Was um alles in der Welt ist denn ein Pümpel?«, fragt Ernst.
»Na, dieses braune Gummisauger-Ding, mit dem man verstopfte Toiletten reinigen kann«, erklärt Melanie.
»Igittigitt!« Angelique hält sich die Ohren zu. »Zu viele Details. Ich will wirklich nichts mehr über eklige Gerüche, Pümpel oder Klobürsten hören, habt ihr mich verstanden? Nehmt euch ein Beispiel am Mädchenklo. Da riecht es Tag für Tag angenehm frisch nach Bourbon-Vanille.«
»Aber auch nur, weil an der Decke Zerstäuber hängen, die alles übertünchen«, schmettert Ernst zurück. Wenn er wittert, dass Mädchen bevorzugt werden, kann er sich richtig hineinsteigern, seine Wangen sind schon ganz rot. »Denkt ihr etwa, Mädchenpupse riechen nach Rosen?«
»Lalalala«, singt Angelique jetzt und steckt ihre Finger in die Ohren, während sich die ganze Klasse schon vor Lachen biegt. Sogar Direktor Oberhäusl schmunzelt.
Angeliques Freundin Marie runzelt die Stirn und tätschelt mitleidig Angeliques Schulter. »Hör sofort damit auf, Ernst Fröhlich! Sonst übergibt Angelique sich noch. Sie hat einen äußerst empfindlichen Magen und muss immer würgen, wenn von ekligem Zeug die Rede ist.«
»Zu spät. Mir ist schon übel. Ich glaub, ich muss mal raus«, presst Angelique hervor, erhebt sich von ihrem Stuhl und bahnt sich zwischen den Schultaschen neben den Bänken hindurch ihren Weg zur Tür.
»Aber vergiss nicht, die Klobürste zu benutzen, wenn du reihern musst, Prinzessin«, ruft ihr Ernst noch frech hinterher. Angelique ist schon fast an der Tür angelangt, als diese aufschwingt und die Sekretärin des Direktors die Klasse betritt. Vor Schreck stolpert Angelique zwei Schritte vorwärts, fast in die Dame hinein.
»Huch! Wohin so schnell, junges Fräulein?« Die arme Angelique hat noch nicht mal die Möglichkeit, sich in ihrer Not an dem Überraschungsgast vorbeizuzwängen, denn leider ist der so dick, dass sein Körper den Türrahmen füllt. Da gibt es kein Durchkommen.
»Aufs … Mädchenklo, Frau Hohl-Kopp! Das ist ein Notfall«, stottert Angelique mit inzwischen grünem Gesicht und hält sich den Bauch. Normalerweise bringt der schräge Name der Sekretärin jeden Schüler zum Kichern, aber unsere Oberzicke Angelique verzieht keine Miene – ein Zeichen, dass es ihr wirklich schlecht gehen muss. Oder dass sie keinen Sinn für Humor hat. Oder beides.
Als die Schulsekretärin noch Dagmar Hohl hieß, war auch nichts Lustiges an ihrem Namen zu finden. Aber seit sie vor einigen Monaten den Fotografen Herrn Kopp geheiratet hat, der jedes Jahr die Klassenfotos für den Jahresbericht macht, ist ihr Doppelname die Lachnummer der ganzen Schule. Aber das stört Frau Hohl-Kopp nicht im Geringsten, denn die Sekretärin ist eine echte Frohnatur – an ihrem Schreibtisch summt sie uralte Schlagersongs und futtert tagtäglich Dutzende Orangendrops, während ihr Direktor Oberhäusl Elternbriefe diktiert. Nur heute macht sie ein Gesicht, als gäbe es in der ganzen Stadt keine Orangendrops mehr zu kaufen.
»Das ist ein äußerst ungünstiger Moment«, brummt Frau Hohl-Kopp jetzt. »Das Klo ist bis auf Weiteres abgeriegelt.«
»Abgeriegelt?«, kräht Ernst.
»Es wurde verschlossen, dicht gemacht, der Riegel wurde vorgeschoben«, erklärt Frau Hohl-Kopp genervt. »Aufgrund eines unerklärlichen Zwischenfalls.«
»Jetzt kommen Sie doch endlich auf den Punkt, Frau Hohl-Kopp. Was denn für einen Zwischenfall?«, drängt Oberhäusl und tritt aufgeregt von einem Bein aufs andere. Er trägt heute zwar wie so oft bunte, ausgefranste Hippie-Klamotten, aber im Gesicht ist er trotzdem ziemlich blass geworden. Kein Wunder, immerhin ist unser Mädchenklo kein gewöhnliches stilles Örtchen, sondern hat ihn und die gesamte Schule eine ordentliche Stange Geld gekostet.
»Jemand hat die Mädchentoilette verwüstet«, rückt Frau Hohl-Kopp schließlich heraus und guckt beschämt auf den Boden. In ihren Augen glitzern Wuttränen. »Herr Direktor, es ist … eine einzige Katastrophe.«
Mir dreht sich der Magen um, während ich die Worte langsam verdaue. Ein Zwischenfall? Das Mädchenklo wurde … verwüstet? Mein Mädchenklo? Mein schönes, glamouröses Mädchenklo? Mein zweites Zuhause?
Okay, bevor ihr mich jetzt für dämlich oder bescheuert oder, wie Katja neuerdings sagt, bescheuerlich haltet, eine kurze Erklärung: Unser Schulklo ist anders als andere, gewöhnliche Schultoiletten. Es ist nicht nur anders, es ist besser. Besser und schöner als jedes Klo, das man sich vorstellen kann. Schöner als das Klo des amerikanischen Präsidenten. Und bestimmt auch schöner als das Klo des reichsten arabischen Ölscheichs. Davon bin ich überzeugt.
Denn unser Klo besitzt nicht nur die Grundausstattung jeder stinknormalen Toilette – damit meine ich Porzellanschüsseln, Waschtische, Seifen und Spiegel – unser Mädchenklo besitzt auch einen Kaugummiautomaten, duftendes Toilettenpapier, ein Sofa, ein Aquarium, einen Kronleuchter und noch viel mehr Schnickschnack. Kein Wunder, dass wir Mädchen uns in den Pausen am liebsten auf dem stillen Örtchen aufhalten – deshalb ist es bei uns auch nicht ganz so still wie vielleicht anderswo.
Denn auf unserem Schulklo ist immer eine Menge los. So wie vor ein paar Wochen, als meine neue Freundin Pauline dort über Nacht von Angelique in eine der Kabinen geschubst und eingesperrt wurde. Oder als Katja, Melanie, Ernst und ich die beschreibbaren Toilettenwände dazu verwendet haben, mithilfe von ausgeklügelten Botschaften aus Pauline das coolste Mädchen der Schule zu machen. Inklusive stacheligen Haustieren und geliehenem Rockstar-Vater.
»Weiß irgendjemand etwas davon? Hat einer von euch etwas bemerkt?«, fragt Herr Oberhäusl jetzt streng und starrt uns Mädchen an. Doch wir alle schütteln den Kopf. Immerhin hat der Schultag gerade erst begonnen, wir hatten noch keine Pause gehabt. Und wie es aussah, war vor der ersten Stunde keines unserer Mädchen auf der Toilette.
»Warum sollten wir denn unser eigenes Klo verwüsten?«, ruft Katja verärgert. »Ist Ihnen denn nicht klar, dass das nur die Jungs gewesen sein können? Die sind doch schon seit Wochen stinksauer, weil sie immer noch die Mobiltoiletten benutzen müssen. Niemand von uns Mädchen würde je–«
»Ruhe jetzt!« Direktor Oberhäusl schneidet Katja das Wort ab. »Frau Hohl-Kopp, ich begleite Sie auf die Mädchentoilette. Ihr bleibt, wo ihr seid! Heinz, du übernimmst die Verantwortung und sorgst für Ruhe, bis ich zurückkomme, verstanden?«
Heinz ist einer unserer Klassenstreber. Wenn ausgerechnet Heinz in der Klasse für Ruhe sorgen soll, hätte man genauso gut einen Pavian Schach spielen lassen können. Der hätte auch kläglich versagt. Denn kaum hat Direktor Oberhäusl die Klasse verlassen, gibt es für uns kein Halten mehr. Katja, Pauline, Ernst, Melanie und ich stürmen ihm hinterher, und der arme Heinz kann nur noch hilflos »Ruhe und Disziplin!« schreien, aber das hört schon keiner mehr.
Stattdessen durchleben wir ein paar bange Sekunden, in denen wir über den Flur hetzen, bis wir schließlich an der Toilettentür angelangt sind, den Vorraum der Mädchentoilette betreten und es uns allen die Sprache verschlägt.
Vandale, Vandale!
Frau Hohl-Kopp hat recht, jemand hat tatsächlich unser Mädchenklo verwüstet. Auf der Toilette sieht es so chaotisch aus wie nie zuvor: Der Übeltäter hat mindestens fünfzig Rollen Toilettenpapier ausgerollt und die langen Streifen quer durch den Vorraum der Toilettenkabinen gespannt, als wollte er unser Klo in einen Hindernisparcours verwandeln. Außerdem hat er die prunkvollen Spiegel über den Waschbecken mit frechen Sprüchen beschmiert.
»Hatte ich euch nicht befohlen, in der Klasse zu bleiben?«, brummt Herr Oberhäusl in unsere Richtung, während er einen Putzlappen und eine Flasche Glasreiniger zückt, um einen der Sprüche vom Spiegel zu entfernen. Ich pfeif auf die Schule, ich werd Prinzessin! hat der Täter mit fettem rosa Stift dorthin gekritzelt.
»Tut mir leid, Herr Direktor. Aber wir waren einfach so neugierig«, gebe ich zu und sehe mich weiter um. Frau Hohl-Kopp hilft ebenfalls beim Aufräumen und zieht gerade einen triefend nassen schwarzen Turnschuh aus dem Aquarium.
»Frau Hohl-Kopp, haben Sie denn schon irgendeinen Verdacht, wer das hier angestellt hat?«, fragt Katja und kaut nervös auf ihrer Unterlippe. So cool Katja sonst wirkt, umso erschrockener sieht sie jetzt aus.
»Ich weiß es nicht, Katja. Vandalismus, so etwas kam an dieser Schule noch nie vor. Irgendein Schmierfink muss hier am Werk gewesen sein«, antwortet Frau Hohl-Kopp und schnauft angesichts des vielen Klopapiers, das es zu beseitigen gilt. »Gestern Nachmittag haben die Putzfrauen durchgewischt und Klopapier nachgefüllt, da war wohl alles wie immer. Danach, so gegen vier, habe ich noch selbst die Toilette benutzt, und auch da war alles in bester –«
»Wie bitte?«, unterbricht der Direktor Frau Hohl-Kopp, während er einen weiteren Spruch vom Spiegel wischt. Dort steht Schule gefährdet die Gesundheit. »Warum gehen Sie denn auf die Schülertoilette, Frau Hohl-Kopp? Sie wissen doch, dass wir auch nagelneue Lehrertoiletten haben. Warum benutzen Sie nicht die?«
»Natürlich weiß ich das.« Die dicke Sekretärin wird plötzlich rot wie eine Tomate. »Aber dort gibt es nicht so tolle Handseifen.«
Melanie stupst mich in die Seite und wirft mir einen amüsierten Blick zu. Herr Oberhäusl hat zwar auch einiges an Geld und Zeit in die Modernisierung der Lehrerklos investiert (dort gibt es nicht nur Kreide in allen Farben zur freien Entnahme, sondern auch einen Rotstift-Automaten), trotzdem kommen manche Lehrerinnen oder einige Frauen vom Schulpersonal lieber hierher. Gratiskaugummi, duftende Seifen und ein Sofa inklusive knuffigem Schulkater sind eben unschlagbar.
»Na jedenfalls«, spricht Frau Hohl-Kopp weiter, »ähm, alles, was ich sagen wollte, war, dass gestern Nachmittag noch alles seine Ordnung hatte.«
Direktor Oberhäusl nickt. »Also muss der Täter zwischen gestern vier Uhr nachmittags und heute Morgen zugeschlagen haben.« Oberhäusl dreht an einem der diamantförmigen Türgriffe und betritt dann eine der Kabinen. »Und seht euch das mal an! Der Übeltäter hat nicht nur Mayonnaise in die Seifenspender gefüllt, sondern auch das Toilettenpapier gegen Sandpapier getauscht. Autsch! Der hält sich wohl für besonders witzig …«
»Allerdings muss er auch ziemlich clever gewesen sein«, ergänzt Frau Hohl-Kopp. Sie schrubbt kraftvoll über den Spiegel, doch die Sprüche werden keinen Deut blasser. »Wie es aussieht, hat der Schmierfink einen wasserfesten Stift benutzt. Wir müssen wohl die Spiegel austauschen.«
»Oje, oje«, flüstert mir Ernst ins Ohr. Ich muss ihn gar nicht ansehen, ich kann hören, wie er dabei grinst. »Sieht so aus, als wäre der Täter ein Vollprofi gewesen.«
Bei seinen Worten bleibt mir fast das Herz stehen und eine schreckliche Vorahnung macht sich in mir breit. Verärgert packe ich Ernst am Ärmel seines T-Shirts und schleife ihn an Pauline, Melanie und Katja vorbei aus dem Vorraum der Toilette bis in den Flur.
»Warst … warst du das etwa?«, zische ich. Ich weiß, dass Ernst Streiche über alles liebt – und das gesamte Chaos auf dem Klo könnte gut und gerne seine Handschrift tragen: die nicht abwaschbaren Sprüche auf dem Spiegel. Der Turnschuh im Aquarium. Und, nicht zu vergessen, das Sandpapier im Klopapierhalter. Aber wenn tatsächlich das hier auf sein Konto geht, dann …
… würde ich allen verraten, dass er letztes Jahr im Kino bei Jurassic World vor Angst geheult hat. Und dass er in einer Superhelden-Bettwäsche schläft und seine Mutter deshalb zur Schlafenszeit immer liebevoll »Ab in die Federn, Bettman« ruft. Wenn ich nachdenke, fallen mir sicher noch mehr peinliche Geheimnisse zum Ausplaudern ein.
Doch Ernst schüttelt schon meine Hand ab und stemmt entrüstet die Arme in die Seiten. »Sag mal, Chloé, denkst du etwa, nur weil ich Fröhlich heiße, weiß ich nicht, wann Schluss mit lustig ist? Ich war es nicht! Bestimmt war es unsere blond gelockte Möchtegern-Märchenprinzessin Cinderella! Ich finde, dass dieser Prinzessinnenspruch auf dem Spiegel ganz verdächtig nach ihr klingt –«
»Hallo, Leute.« Die Stimme besagter Prinzessin unterbricht Ernst mitten im Satz. Besorgt guckt sie auf die Tür zur Mädchentoilette. »Da bin ich wieder. Sagt schon, was ist denn mit dem Klo los? Ist es wirklich verwüstet worden?«
»Na, fertig gereihert, Kotzarella?« Ernst hebt streitlustig eine Augenbraue.
»Ich habe nur frische Luft geschnappt«, knurrt sie.
»Und nebenbei bemerkt, Blondie, du kannst das unschuldige Getue gleich sein lassen und zugeben, dass du es warst, die das Schulklo verwüstet hat.« Er macht einen Schritt auf sie zu und nimmt sie in die Mangel. »Und ich weiß auch schon, warum. Weil du mit Pauline beim Dreibeinlauf den Notburga-Contest auf dem Herbstfest neulich verloren hast. Und weil du genau weißt, wie sehr Chloé ihr glamouröses Schulklo liebt, und du dich an ihr, Pauline und ihren Freundinnen rächen wolltest!«
Angelique rollt nur mit den Augen. »Mon Dieu, Ernst, hältst du dich jetzt etwa für Sherlock Holmes? Du hast echt nicht mehr alle Waffeln im Schrank.«
»Das heißt, einen an der Waffel«, korrigiert Ernst böse. »Schau mal, Chloé, unsere Schulprinzessin wird offensichtlich nervös, da haben wir den Beweis, dass sie es war!« Wütend funkelt er Angelique an. »Gestehe, Cinderella, dann werden wir noch mal Gnade walten lassen. Ansonsten könnte es passieren, dass ich mich in einem unbemerkten Moment an dich heranschleiche, eine spitze Schere zücke und damit eine fette Strähne deiner Haarpracht plötzlich abschneide –«
»Wage es nicht, meinen wunderschönen Haaren etwas anzutun!«, keift Angelique, fletscht die Zähne und sieht plötzlich gar nicht mehr wie eine Märchenprinzessin aus. In null Komma nichts reißt sie Ernst die Baseballkappe vom Kopf und packt ihn unsanft am Ohrläppchen. »Sonst erzähle ich deinen treuen Fans auf YouTube, dass du ein hirnverbrannter Hohlkopf bist und früher ständig lahme japanische Zombie-Apokalypse-Comics gelesen hast, bevor du Videos gedreht hast.«