Christian Doppler - Clemens M. Hutter - E-Book

Christian Doppler E-Book

Clemens M. Hutter

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Beschreibung

Der Salzburger Christian Doppler (1803–1853) entdeckte 1842 einen "Effekt", der die Welt veränderte. Es handelt sich um die Stauchung oder Dehnung eines Signals bei der Veränderung des Abstands zwischen Sender und Empfänger während der Dauer des Signals. Ohne diese bahnbrechende Erkenntnis wären Radar, Ultraschall, GPS, Flugsicherung, Computertomographie, Monitoring von Operationen und Schwangerschaften oder Satellitennavigation unmöglich! Auch wir erleben den Doppler-Effekt, wenn sich zum Beispiel Feuerwehr, Krankenwagen oder Polizei mit Folgehorn Vorrang im Verkehr bahnen. Wer aber war dieser geniale Erfinder? Christian Doppler teilte das Schicksal vieler Größen: Erst kaum beachtet, dann missachtet, endlich – nach seinem Tod – hoch geachtet. Salzburg brauchte lange für die Würdigung seines großen Sohnes. Erst 1900 bekam eine Straße in Lehen Dopplers Namen, und 1903 stifteten Private eine Gedenktafel an Dopplers Geburtshaus – dann Pause, während in Linz, Prag, Wien und Venedig längst Gedenktafeln Dopplers Wirkungs- und Wohnstätten bezeichneten. Seit 1970 trägt sogar ein Krater auf der Rückseite des Mondes seinen Namen. Salzburgs Nachholbedarf deckte die Wissenschaft: Seit 1987 fördert der "Christian-Doppler-Fonds" Forschung, seit 1995 trägt das Gymnasium an der Lehener Brücke und seit 1996 die Heilanstalt in Lehen den Namen Christian Dopplers.

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Clemens M. Hutter

CHRISTIAN DOPPLER

Der für die Menschheit bedeutendste Salzburger

Wissenschaftliche Beratung durch die Physiker Christian Pruner und Alexander Stahl, Universität Salzburg

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2017 Verlag Anton Pustet5020 Salzburg, Bergstraße 12Sämtliche Rechte vorbehalten.

Lektorat: Marlene KühnGrafik und Produktion: Nadine Kaschnig-LöbelCoverbild: belkos/www.shutterstock.com

eISBN 978-3-7025-8037-7

Auch als Buch erhältlichISBN 978-3-7025-0851-7

www.pustet.at

Clemens M. Hutter

CHRISTIAN

DOPPLER

Der für die Menschheitbedeutendste Salzburger

Autor und Verlag danken für die Unterstützung bei der Recherche zu diesem Buch:

Archiv der Erzdiözese SalzburgDr. Bernhard Auer, Wals-SiezenheimUniv.-Prof Dr. Rudolf de Cillia, WienChristian-Doppler-Fonds, SalzburgMag. Jiři Franc, SalzburgMag. Werner Friepesz, Salzburg MuseumJohanna Hofmann, SalzburgDr. Peter Kramml, Stadtarchiv SalzburgLandesarchiv SalzburgDr. Peter Mittermayr, SalzburgMontanuniversität LeobenRotary Club LinzProf. Mag. Arthur Schwaiger, SaalfeldenDr. Jindřich Schwippel, Universitätsarchiv PragDr Ivan Štoll, PragDr. Hana Svatosova, PragUniversität SalzburgUniversität WienDr. Norbert Winding, Salzburg

INHALT

LEBEN UND WIRKEN

DOPPLER ENTDECKT DEN „JAHRTAUSEND-EFFEKT“

DEM DOPPLER-EFFEKT ZUSCHAUEN

GEBOREN IN EINE HEKTISCHE WELT

KINDHEIT IN STÜRMISCHEN ZEITEN

NOT, ELEND UND EINE NATURKATASTROPHE

WAS TUN MIT CHRISTIAN?

WAS WAR EIN GULDEN WANN WERT?

VORZUGSGYMNASIAST CHRISTIAN

LEBEN OHNE STROM UND AUTO

SALZBURG ZUR ZEIT DOPPLERS

GLÄNZENDE NOTEN, SCHWIERIGE KARRIERE

VOM SINN ERNSTHAFTER NEUGIER

ERSTER HÖHEPUNKT DER KARRIERE IN PRAG

DOPPLER FOLGT DEM RUF NACH PRAG

DOPPLERS JAHRESGAGEN

AKADEMIEN – MARKTPLÄTZE DER FORSCHUNG

SECHS ZEUGEN EINER STERNSTUNDE

LICHTJAHRE MESSEN DIMENSIONEN

SCHNECKE GEGEN LICHTGESCHWINDIGKEIT

RIESIGES ARBEITSFELD UND IRRITATIONEN

LANGER UMWEG NACH WIEN

DOPPLERS RÜCKKEHR ZUM AUSGANGSPUNKT

DER KAISER BEGREIFT DOPPLERS WERT

DIE WIENER AKADEMIE LÄSST DOPPLER FALLEN

SATIRE TAUGT NICHT ALS ARGUMENT

„MUSS EIN SEHR BEDEUTENDER MANN GEWESEN SEIN“

WIR LEBEN LÄNGER ALS DOPPLERS ZEITGENOSSEN

MATHILDES REISE NACH VENEDIG

EINE DYNASTIE WEITUM GESCHÄTZTER STEINMETZE

EINE WERKSTATT WIRD ZUM KINDERGARTEN

BERÜHMT DURCH DEN „DOPPLERSTEIG“

EINSTEIN STOPPT DOPPLERS KRITIKER

DAS EI DES KOLUMBUS

WEM DOPPLER „ZUR EHRE GEREICHT“

SPUREN DER FAMILIE DOPPLER AUF DEM FRIEDHOF ST. SEBASTIAN

DOPPLER – POET UND ESSAYIST

DIE PHYSIK DES DOPPLER-EFFEKTS

PRAKTISCHE ANWENDUNG DER DOPPLER-FORMEL

ANWENDUNGEN DES DOPPLER-EFFEKTS

SONOGRAFIE IST DEM WEINFASS ABGELAUSCHT

SCHIFFE ZU WASSER UND IN DER LUFT

WAS KNALLTE BEIM URKNALL?

… JETZT KNALLT’S DOCH ÜBER „GEISTERFLIEGER“ UND ÜBERSCHALLGESCHWINDIGKEIT

FLEDERMÄUSE REHABILITIEREN DOPPLER

WO IST DER JET?

ÜBERSCHALL KNALLT SEIT JAHRHUNDERTEN

RADAR UND DER ELEKTRONISCHE NASENRING

SONAR ZERSTÖRTE HITLERS U-BOOT-FLOTTE

WETTER-RADAR ORTET REGEN UND HAGEL

DOPPLER-EFFEKT UND GEWITTER

DOPPLER-EFFEKT IM „DRÜBERFAHREN“

JETZT WIRD’S SPORTLICH!

BEWEGUNGSMELDER IN WOHNRÄUMEN

DIE VERMESSUNG DER ERDE MIT DEM DOPPLER-EFFEKT

„DER MENSCHHEIT NÜTZEN“

QUELLEN

LEBEN UND WIRKEN

Porträt des knapp 30 Jahre alten Christian Doppler aus seiner ersten Wiener Zeit (1829–1833). Das Buch in seiner Rechten entspricht der römischen und christlichen Tradition, den Analphabeten Namen und Beruf einer Person durch eine Beigabe (Attribut) verständlich zu machen. In diesem Fall weist das Buch Doppler als Wissenschafter aus.

DOPPLER ENTDECKT DEN „JAHRTAUSEND-EFFEKT“

Christian Doppler entdeckte, dass und warum sich Wellenlängen ändern. Er beobachtete nämlich, dass Doppelsterne beim Kreisen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt ihre Farbe ändern: Nähert sich ein Stern dem Betrachter, so verkürzt sich die Distanz zwischen diesen beiden, die Lichtwellen werden zusammengedrückt, ihre Frequenz steigt somit und es entsteht die Farbe Blau. Entfernt sich ein Stern vom Betrachter, dann streckt das die Lichtwellen, ihre Frequenz nimmt ab und es erscheint die Farbe Rot.

Diesem „Doppler-Effekt“ unterliegen auch Schallwellen. Deshalb ändern sich Höhe und Intensität des Schalls, wenn sich Schallquelle und Empfänger einander nähern oder voneinander entfernen. Eindrucksvoll kann das vor einer geschlossenen Bahnschranke erlebt werden. Der Zug sendet starke Schallwellen aus, die beim Herannahen des Zuges gequetscht werden, also steigen die Frequenz und die Tonhöhe. Ist der Zug vorbeigerauscht, so werden die Schallwellen gedehnt. Die Frequenz und damit auch die Tonhöhe sinken. Die Schallgeschwindigkeit beträgt bei 20 Grad Lufttemperatur 343 m/s, die Geschwindigkeit des Lichts und elektromagnetischer Wellen hingegen 300 000 km/s – das ist eine Million Mal schneller als der Schall.

Dank Doppler-Effekt sind wir in der Lage, Entfernung, Geschwindigkeit und Richtung eines bewegten Objekts zu ermitteln: Ohne ihn gäbe es kein Radar, keinen Ultraschall in der Medizin, keine Flugsicherheit oder moderne Astronomie. Folgerichtig erklärte der Physiker Anton Zeillinger, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, im Jahr 2003 in Salzburg auf einem Symposium anlässlich Dopplers 200. Geburtstag den Doppler-Effekt zum „Jahrtausend-Effekt“. Christian Doppler ist damit der für die Menschheit bedeutendste Salzburger. Das rüttelt keinesfalls am Weltrang des Komponisten Mozart, denn Musik löst im Gegensatz zu Physik unmittelbar ein Glücksgefühl aus und ihr Wert hängt nicht von ihrer Reichweite ab. Deshalb kann man Doppler und Mozart nicht gegeneinander verrechnen.

Fest steht jedenfalls, dass Dopplers Entdeckung für Milliarden Menschen von medizinischem und technischem Nutzen ist. Fest steht damit aber auch, dass Dopplers wissenschaftliches Welterbe ebenso von unschätzbarem Wert für die Menschheit ist wie Mozarts künstlerisches Welterbe.

DEM DOPPLER-EFFEKT ZUSCHAUEN

Das elektronische Zeitalter bietet Gelegenheit, um dem Doppler-Effekt zuzuschauen – Tempoanzeiger am Straßenrand liefern binnen Sekunden die Probe aufs Exempel: Ein stationärer „Sender“ – der Tempoanzeiger – gibt elektromagnetische Wellen in dichter Folge ab, ein bewegter „Empfänger“ – das erfasste Fahrzeug – nimmt diese auf und reflektiert sie in gleich dichter Folge. Weil sich das Fahrzeug aber dem Tempoanzeiger nähert, werden die Wellen gequetscht. Deshalb errechnet der Tempoanzeiger die Entfernung des erfassten Fahrzeugs bei jedem reflektierten Wellenschlag, und folglich auch dessen Geschwindigkeit, die dann auf der Leuchttafel angezeigt wird. So kann ein Lenker an dieser Leuchttafel mitzählen, ob und wie schnell er das Tempo auf die beispielsweise vorgeschriebenen 30 km/h drosselt. Tempoanzeiger sind allerdings keine „Radarfallen“, sie halten das Kennzeichen nicht fest.

Verkehrserziehung geht auch sanft und freundlich. So strahlt in der Tempo-30-Zone von Tamsweg ein „Danke“ jeden an, der sich daran hält. Und wer den Fuß nicht vom Gaspedal bringt, den ereilt eine milde Mahnung in rot.

GEBOREN IN EINE HEKTISCHE WELT

Das Taufbuch von St. Andrä in Salzburg verewigte ein Ereignis, das Weltgeschichte schreiben sollte: die Geburt Christian Andreas Dopplers am 29. November 1803 um 11 Uhr, als ehelicher Sohn des bürgerlichen Steinmetzmeisters Johann Evangelist Doppler und dessen Ehefrau Theresia (geb. Seeleithner).

Christian, das dritte von fünf Kindern, erblickte das Licht der Welt im damals modernen Wohnhaus der Dopplers am Hannibalplatz (heute Makartplatz 1), das an der Stadtmauer lehnte und mit einem angebauten Trakt für Werkstätte, Lagerräume und Schmiede bis zum Lederertor reichte.

Die Patenschaft übernahm die „bürgerliche Handelsfrau“ Anna Katharina Zezi. Sie trug das Baby nur vier Stunden nach der Geburt zur Taufe in die 300 Meter vom Geburtshaus entfernte alte Andräkirche am Platzl in der Gabelung zwischen Linzer Gasse und Dreifaltigkeitsgasse. Das Gotteshaus wurde 1861 als „Verkehrshindernis“ abgerissen und von 1892 bis 1898 am Mirabellplatz neu errichtet.

Das Kind möglichst bald nach der Geburt zu taufen entsprach der damaligen religiösen Gepflogenheit. Durch die Taufe sollte es Christ und der Gnade Gottes teilhaftig werden, falls es der damals hohen Säuglingssterblichkeit von etwa einem Drittel anheimfiele. Nichtgetaufte wurden nicht in geweihter Friedhofserde, sondern außerhalb der Friedhöfe beigesetzt – in St. Gertrauden bei Mauterndorf ist so eine Grabstätte für „unschuldige Kinder“, die vor der Taufe verstorben sind, noch erhalten geblieben.

Der Vermerk des „bürgerlichen“ Standes der Eltern und der Patin dokumentiert, dass Christians Familie zur gehobenen sozialen Schicht des städtischen Bürgertums zählte. Mitglied der „Bürgerschaft“ konnte nur werden, wer eine Konzession für Gewerbe oder Handel sowie ein Haus und entsprechendes Vermögen besaß, Steuern zahlte und eng begrenzten Wehrdienst in der Stadt leistete. Daraus entwickelten sich später Traditionsverbände wie die Schützengarden. Bürgern stand außerdem das aktive und passive Wahlrecht in der Kommune zu. Die rund 600 Mitglieder der Salzburger „Bürgerschaft“ bildeten eine gesellschaftliche Schicht über dem Volk der Bediensteten, Gesellen oder Taglöhner. Das Taufbuch vermerkt auch die Hebamme „Elisabeth Mayr“. Offensichtlich hatte der erfolgreiche Steinmetz Doppler eine Absolventin der 1792 im Zuge der Aufklärung gegründeten Hebammenschule Salzburg engagiert und keine einfache Geburtshelferin, die ihren Beruf ohne medizinische Ausbildung von älteren Kolleginnen erlernt hatte und unter anderem dem gefürchteten Kindbettfieber ziemlich hilflos gegenüberstand. Diese Reform wurde von Fürsterzbischof Colloredo eingeleitet. 1787 berief er den Mainzer Arzt Johann Jakob Hartenkeil (1761–1808) als seinen „Leibchirurgen“ nach Salzburg und betraute ihn zusätzlich mit dem Auftrag, dass er „für den allhiesigen Staat taugliche und geschickte Wundärzte und Geburtshelfer und -helferinnen bilde“. Immerhin war Hartenkeil in Würzburg, Straßburg, Paris und London zum Chirurgen und Geburtshelfer ausgebildet worden. Er gründete die Hebammenschule, führte dreimal wöchentlich kostenlosen Unterricht für Schwangere ein und erwirkte von der Obrigkeit finanzielle Unterstützung für bedürftige Wöchnerinnen. Wenig Wunder, dass seine „Medicinisch- chirurgische Zeitung“ zum führenden Fachblatt im deutschen Sprachraum avancierte.

Der „bürgerliche“ Knabe Christian verschlief seine ersten Lebensmonate wohlbehütet und gut gepolstert in einer Wiege. Das Baby wuchs in einem damals respektablen dreistöckigen Bau auf, von dem noch der 1791 erstellte Bauplan erhalten ist. Das Gebäude wurde aber innen mehrfach umgestaltet – mitunter, um genügend Platz für fünf Kinder zu schaffen. Die Familie Doppler lebte in den beiden oberen Stockwerken auf rund 170 Quadratmetern Wohnfläche. Im ersten Stock verlief entlang der Stadtmauer der nicht nutzbare Wehrgang. Auf dieser Etage befanden sich noch ein doppeltes Plumpsklo mit Ablauf in die Salzach, zwei Zimmer mit je einem Kachelofen und die Küche. Als Herd diente ein aufgemauerter Block mit einer Feuergrube und einer darüberliegenden Eisenplatte, auf der Mutter Theresia kochte. Über dem Herd sorgte ein Rauchabzug für klare Sicht in der Küche. Das Parterre diente als Betriebsbüro, an das sich südwärts der 40 Meter lange Werktrakt anschloss: eine Schmiede zur Herstellung und Reparatur von Arbeitsgerät, die Werkstatt der Steinmetze sowie Lager für Marmor, Steine, Holz und Holzkohle. Dieser Trakt wurde später bis zur Traufenhöhe des „Doppler-Hauses“ aufgestockt.

Im Gebäude gab es kein Fließwasser und daher auch kein WC, denn die Versorgung der Salzburger Wohnungen mit Leitungswasser begann erst mit dem Jahr 1875. So mussten die Dopplers ihr Wasser kübelweise bei den öffentlichen Brunnen im Knick der Bergstraße oder vor dem Gablerbräu holen. Die städtische „Druckwasserversorgung“ leitete dann die 1875 fertiggestellte Wasserleitung von Fürstenbrunn zum Reservoir auf dem Mönchsberg ein. Fortan blühte das Geschäft der Installateure, bis um 1900 alle Häuser und Stockwerke mit frischem Brunnenwasser versorgt waren. Stellt man sich nun vor, dass die Salzburger in den Hinterhöfen der Altstadt noch bis 1868 Schweine hielten, so kann man sich die hygienischen Umstände zur Zeit Dopplers ausmalen. Der wissenschaftliche, soziale und hygienische Fortschritt senkte nach und nach die Kindersterblichkeit und auch die Lebenserwartung stieg seit 1803 bei Männern von 32 auf 78 und bei Frauen von 36 auf 83 Jahre.

KINDHEIT IN STÜRMISCHEN ZEITEN

Anders als seine Vorfahren erblickte Christian das Licht der Welt in einem Kurfürstentum und nicht im unabhängigen Fürsterzbistum Salzburg. In den napoleonischen Wirren war Fürsterzbischof Colloredo im Jahr 1800 vor den anrückenden Franzosen nach Brünn geflüchtet. Am 11. Februar 1803 musste er formell auf seine Herrschaft verzichten und nur zwölf Tage später entschädigte Frankreich Großherzog Ferdinand für den Verlust der Toskana mit dem neuen Kurfürstentum Salzburg, das allerdings unter den drückenden Lasten der Napoleonischen Kriege ächzte.

Die 16 000 Einwohner mussten vier Monate lang Unterkunft und Verpflegung für gut 12 000 Soldaten stellen. Die Kirchen der Stadt dienten als Notunterkünfte, die Michaelskirche am Residenzplatz und das Erdgeschoß der Universität wurden als Pferdeställe genutzt. Unter diesen Umständen fiel kaum noch ins Gewicht, dass das kleine Salzburg auf dem Spieltisch der Großen herumgeschoben wurde.

Christian Dopplers Geburtshaus am Makartplatz blieb im Wesentlichen so erhalten, wie nach dem Bauplan von 1791 vorgesehen.

1805 marschierten 60 000 Franzosen in Salzburg ein, Kurfürst Ferdinand flüchtete mit beträchtlichen Salzburger Schätzen im Gepäck und bekam als Entschädigung das Großfürstentum Würzburg zugesprochen. Salzburg fiel an Österreich, war fortan seiner Eigenständigkeit beraubt und wurde zur bedeutungslosen Provinz abgestuft. 1809 rückten abermals die Franzosen ein. In den drei Besatzungszeiten wurden insgesamt „Kriegskontributionen“ von knapp neunfacher Höhe des jährlichen Salzburger Steueraufkommens eingetrieben – jeweils bar und sofort.

1810 markierte eine Wende: Salzburg fiel für sechs Jahre an Bayern und für den siebenjährigen Christian begann der sogenannte Ernst des Lebens – die sechsjährige „Normalschule“ (Volksschule), die er mit 156 Buben und 86 Mädchen im Studiengebäude bei der Hofstallgasse (heute Universitätsbibliothek) besuchte. Das Bildungsziel lautete „verlässliches Können“ in Religions- und Sittenlehre, Rechnen, Lesen und Rechtschreiben sowie Gesundheits- und Gewerbelehre, damit die Jugend auf „nützliche Gewerbe“ vorbereitet wurde. Dazu kam noch die „Förderung des Kartoffelanbaus“ in den Schulgärten. Das Gemüse aus Amerika wurde damals vorwiegend an Vieh verfüttert und galt als „Arme-Leut-Kost“.

1816 erlebte Salzburg als Folge des Wiener Kongresses die herbe Enttäuschung, als Bezirk dem Land Oberösterreich angeschlossen zu werden. Landeshauptstadt war Linz, Salzburg nur mehr „Bezirkshauptort“, so wie heute Tamsweg oder St. Johann. Zudem hatte Bayern die Universität geschlossen.

2016 beging Salzburg festlich den 200. Jahrestag der Zugehörigkeit zu Österreich. Landeshauptmann Wilfried Haslauer machte den Zustand des Landes zwei Jahrhunderte zuvor mit einem treffenden Vergleich allgemein verständlich: „Das war wie der Absturz eines Fußballteams von der Champions League in eine Bezirksliga.“

Die frühen Reiseschriftsteller und bürgerlichen Bildungsreisenden hatten damals schon längst das schöne Salzburg, aber eben auch dessen Schattenseiten entdeckt. Sie beschrieben Salzburg als „öde, tote, menschenleere Stadt“, als „Betteldorf mit leeren Palästen“ oder als „alternde, herabgekommene Stadt, deren Bevölkerung sich scheu und misstrauisch abschließt“. Auf der Durchreise zur Kur nach Gastein schrieb Franz Schubert 1825 aus Salzburg seinem Bruder nach Wien, dass auf den vielen „schönen Plätzen zwischen den Pflastersteinen Gras wächst, so wenig werden sie betreten“. Ein Zeitgenosse beschrieb Salzburg höhnisch: „Zu klein, zu arm, die Stadt zu eng, die Häuser zu alt, die Kirchen zu viel.“

Welche existenziellen Sorgen Salzburg und seine Bewohner in der Depression während und nach den Napoleonischen Kriegen plagten, macht die lange Durststrecke der bescheidenen Erholung überdeutlich. 1834 gründete der Lehrer und Denkmalpfleger Vinzenz Maria Süß das Salzburg Museum. Das erste Mozartkonzert fand erst 1835 statt, ganze 44 Jahre nach dem Tod des Meisters. 1840 ließ der Kaufmann Thury die Aufschrift „Mozarts Geburtshaus“ an die Fassade seines Hauses in der Getreidegasse pinseln. Der aus Wien zugewanderte Rechtsanwalt Franz von Hilleprandt gründete 1841 unter der Ägide Kardinal Schwarzenbergs den Dom-Musikverein zur Wiederbelebung der Kirchenmusik und das Mozarteum als „musikalische Lehr- und Übungsanstalt“. Eine internationale Sammlung brachte dann 1842 die Mittel für das Mozartdenkmal auf.

NOT, ELEND UND EINE NATURKATASTROPHE

Als Folge der napoleonischen Wirren, der Auflösung des Hofstaates mit Hunderten Beamten, des Verlustes der Kornkammer Rupertiwinkel, wachsender Not durch die Missernten 1814 und 1816, damit einhergehenden gehäuften Versorgungskrisen und Teuerungswellen sowie durch steigende Steuerlast verursachte Abwanderung von Unternehmern war die Einwohnerzahl Salzburgs seit 1800 von 16 000 auf 11 000 abgesackt. Rund die Hälfte der Salzburger zählte zur armen Unterschicht von Arbeitslosen, Dienstboten und Taglöhnern. 60 Prozent der Verstorbenen hinterließen keinerlei Erbe.

Durchblick zwischen Dopplerhaus und Ballhaus auf den Makartplatz um 1850.

Die Teuerung erreichte Ende 1816 ihren beängstigenden Höhepunkt. Die Preise stiegen „bis zu einem in der Geschichte unseres Vaterlandes beispiellosen Grade“ und kletterten in kurzen Schüben bis auf 200 Prozent. Zeitweise mussten sich Hungernde „aus gänzlichem Mangel an Brot von gehackten Wurzeln, Brennnesseln und Kleien ernähren“.

Der Auslöser dieser Not lag 13 000 Kilometer von Salzburg entfernt: Im April 1815 explodierte der indonesische Vulkan Tambora mit der 170 000-fachen Wucht der Hiroshima-Atombombe. Es war der gewaltigste Ausbruch in der Menschheitsgeschichte. Binnen Monaten überzogen die Aschewolken des Tambora den Himmel Europas und senkten die Durchschnittstemperatur um 2,6 Grad Celsius. Es verstrich fast ein Jahr, ehe sich dieses zähe Gewölk völlig auflöste. So ging 1816 als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein und hieß in Deutschland auch „Achtzehnhundertunderfroren“. Die daraus resultierenden Hungersnöte zogen sich allerdings noch über Jahre hin und zeugten zudem das Monster Frankenstein, einen 1818 erschienenen Horror-Roman von Mary Shelley. Dieses Katastrophenjahr verschaffte jedoch der Kartoffel den Durchbruch weg vom Viehfutter zum „normalen“ Lebensmittel.

Gemäß den Lehren Jesu sorgten sich Kirche, Klöster und fromme Stiftungen um die Armen, zu denen schon 1799 knapp 10 Prozent der Stadtbewohner zählten. Die „Armenkommission“ qualifizierte ab 1798 „berechtigte Arme“ zum Empfang von Almosen (aus dem Griechischen für „Mitleid“), darunter Behinderte, Verkrüppelte oder Alte ohne Unterkunft. Nun aber kamen immer mehr Bettler hinzu, weshalb der Begriff „Bettlerunwesen“ von Mund zu Mund ging. 1803 versuchten die „Suppenküchen“, das Leid zu verringern und die überforderte Obrigkeit genehmigte dreimal wöchentlich „Bettelrunden“ durch die Stadt. Da „lallte ein Schwarm Bettler vor den Häusern ein Vaterunser herunter, worauf der Hausherr erschien und das Almosen ausstellte“. Almosen beseitigten aber weder die Ursachen des Problems noch gängige Vorurteile: Hilfe züchte doch die Straßenbettlerei, da gesunde Bettler „Müßiggang pflegen, weil sie das Betteln der Arbeit vorziehen“. Arbeitsplätze fehlten aber, unter anderem deswegen, weil das wirtschaftlich bedrängte Gewerbe seine Gesellen auf die Straße setzte, die dann arbeits- und hoffnungslos in Stadt und Land umherirrten.

Almosen und Wohltäter brachten auch den Sohn einer armen Salzburger Strickerin bis zu seiner Priesterweihe im Jahr 1815 durch: Josef Mohr, der dann 1816 als Hilfspriester in Mariapfarr das „Stille-Nacht-Lied“ dichtete.

WAS TUN MIT CHRISTIAN?

Trotz geschäftlicher Rückschläge überdauerte die Familie Doppler die düsteren Notzeiten, Christian wuchs in geordneten Verhältnissen auf. Dennoch stand im Haus Doppler eine folgenschwere Entscheidung an: Was soll aus Christian werden? Der zarte Knabe arbeitete in der Werkstatt seines Vaters mit, polierte marmorne Figuren und hielt sich stundenlang auf dem Friedhof von St. Sebastian auf. Dort zeichnete er Engelsköpfe und Trauerfiguren nach und meißelte sie in der Werkstatt. Sein Vater Johann Evangelist übernahm solche Vorlagen gelegentlich für Grabdenkmäler.